Neues zur falsa demonstratio beim Grundstückskauf
Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Marie-Lou Merhi veröffentlichen zu können. Die Autorin studiert Rechtswissenschaften im siebten Semester an der Universität Bonn
Examenskandidaten aufgepasst: Der BGH hat abermals zur falsa demonstratio beim Grundstückskauf entschieden (Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22). Das verkaufte Grundstück war in Wahrheit 19m² kleiner als bei Abschluss des Kaufvertrags angenommen. Der BGH schließt sich im Ergebnis der Auffassung des Berufungsgerichts an. Nach Ansicht des BGH wollte der beklagte Verkäufer gerade nicht das Nachbargrundstück mitverkaufen und hat die Aufklärung über die tatsächliche Grundstücksgrenze schuldhaft unterlassen. Anlass, den Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ bei formbedürftigen Rechtsgeschäften noch einmal in der Fallbearbeitung zu wiederholen!
I. Sachverhalt
Die Kläger und Beklagten sind Vertragspartner. Am 9. Dezember 2009 schlossen sie einen notariellen Vertrag über ein mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück ab. Benannter Kaufgegenstand ist das Flurstück 291/3. Dabei gingen die Kläger irrtümlich davon aus, dass dazu auch das angrenzende, 19m² große Flurstück 277/22 gehöre und dieses mitveräußert werde. Allerdings war in Wahrheit der Nachbar Eigentümer dieses Flurstücks. Mit ihrer am 28. Dezember 2020 eingegangen Klage begehren die Kläger die Rückabwicklung des Vertrags sowie die Feststellung, dass die Beklagten sie von sämtlichen im Zuge der Rückabwicklung ergebenden materiellen Schäden freizustellen haben.
II. (Gutachterliche) Entscheidung
Das Hauptanliegen der Kläger ist es, sich nachträglich wegen ihres Irrtums über den Umfang des Grundstücks von dem Grundstückkaufvertrag zu lösen. Bedeutsam ist, dass zwischen Abschluss des Kaufvertrags und Eingang der Klage beim Landgericht elf Jahre vergangen sind. Auch in einer Klausur könnte eine derartige Konstellation vorkommen. Besonders ist dann auf die Möglichkeit der Verjährung sowie die Einhaltung von Fristen zu achten. Im vorliegenden Fall ist ein Anfechtungsrecht der Kläger nach § 121 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, da seit Abgabe der Willenserklärung der Kläger mehr als zehn Jahre verstrichen sind (BGH, Urt. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 35). In Bezug auf die Verjährung ist zu beachten, dass gemäß § 194 Abs. 1 BGB nur materiell-rechtliche Ansprüche der Verjährung unterliegen, nicht aber Gestaltungsrechte wie der Rücktritt und die Minderung. Den Ausschluss der Geltendmachung der Gestaltungsrechte durch Zeitablauf (sog. Gestaltungsverjährung) regelt § 218 BGB (MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, § 218 Rn. 1). BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 34). Vorliegend stellt der BGH bei der Prüfung der Rückabwicklung des Kaufvertrags die Prüfung des § 218 BGB an den Anfang und erläutert, dass sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen lässt, ob ein von den Klägern erklärter Rücktritt gemäß § 218 BGB unwirksam wäre. Der Zeitpunkt des Fristbeginns nach § 200 S. 1 BGB ist nicht eindeutig feststellbar (BGH, Urt. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 9 ff.). Auch bei der Möglichkeit der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs wird die Prüfung der Verjährung relevant (siehe Gliederungspunkt II.3.)
1. Anspruch gemäß §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 434, 326 Abs. 5, 323, 346 Abs. 1 BGB
Die Kläger könnten einen Anspruch gegen die Beklagten auf Rückgewähr des Kaufpreises gemäß §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 434, 326 Abs. 5, 323, 346 Abs. 1 BGB haben.
Das setzt voraus, dass ein wirksamer Kaufvertrag geschlossen wurde, ein Sachmangel vorliegt, ein Rücktrittsrecht aus §§ 437 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 326 Abs. 5, 323 BGB besteht und der Rücktritt wirksam erklärt wurde.
a) Wirksamer Kaufvertrag, § 433 BGB
Es müsste ein wirksamer Kaufvertrag zwischen den Klägern und Beklagten zustande gekommen sein. Die Parteien haben am 9. Dezember 2009 einen notariellen und damit formgemäßen Kaufvertrag (§ 311b Abs. 1 BGB i.V.m. § 128 BGB) über ein mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück (Flurstück 291/3) abgeschlossen. Es liegt somit ein wirksamer Kaufvertrag vor.
b) Sachmangel, § 434 BGB
Es müsste ein Sachmangel (§ 434 BGB) bei Gefahrübergang (§ 446 BGB) vorliegen. Gemäß § 434 Abs. 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht. Nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB müsste die Sache, um den subjektiven Anforderungen zu entsprechen, die vereinbarte Beschaffenheit haben. Zur Beschaffenheit einer Sache gehören nach § 434 Abs. 2 S. 2 BGB die Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache. In Bezug auf ein verkauftes Grundstück stellt der BGH in seiner Entscheidung klar, dass zu dessen Beschaffenheit grundsätzlich nicht gehöre, dass es sich auch auf einen Teil des Nachbargrundstücks erstrecke. Etwas anderes komme allenfalls beim Vorliegen besonderer Umstände in Betracht, die im konkreten Fall nicht vorlägen (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 5). Somit betrifft die Tatsache, dass das verkaufte Flurstück 291/3 nicht das Flurstück 277/22 umfasst, nicht die Beschaffenheit des verkauften Flurstücks 291/3. Dem verkauften Flurstück 291/3 fehlt es nicht an der vereinbarten Beschaffenheit.
Konsequenterweise kann die Tatsache, dass sich das verkaufte Grundstück nicht auf das Nachbargrundstück erstreckt, auch nicht Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien sein. Eine entsprechende Vereinbarung würde den Kaufgegenstand selbst und nicht lediglich seine Beschaffenheit festlegen (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 5; BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 245/10, NJW 2012, 846, 847 Rn. 9). Im Übrigen besteht keine Zweifel an der Mangelfreiheit des veräußerten Grundstücks. Mithin ist ein Sachmangel (§ 434 BGB) bei Gefahrübergang (§ 446 BGB) zu verneinen.
c) Zwischenergebnis
Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Rückgewähr des Kaufpreises gemäß §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 434, 326 Abs. 5, 323, 346 Abs. 1 BGB.
2. Anspruch auf Rückabwicklung nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 5 S. 1 BGB
Die Kläger könnten gegen die Beklagten einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 5 S. 1 BGB haben.
Dafür müsste ein wirksamer gegenseitiger Vertrag geschlossen worden sein, die Leistung müsste teilweise nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein und der Kläger müsste kein Interesse an der Teilleistung haben.
a) Bezeichnung des Kaufgegenstands
Zunächst müsste ein wirksamer gegenseitiger Vertrag vorliegen. In Betracht kommt ein Kaufvertrag über das aus beiden Flurstücken (Flurstück 291/3 und Flurstück 277/22) bestehende Grundstück zwischen Kläger und Beklagten. Problematisch ist dabei die Bezeichnung des Kaufgegenstands.
(1) Wortlaut der Vertragsurkunde
Nach dem Wortlaut der Vertragsurkunde ist der Kaufgegenstand das Flurstück 291/3. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagten dieses nur in dem Zuschnitt und Umfang verkaufen wollten, wie aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster ersichtlich (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 16). Eine Mitveräußerung des Flurstücks 277/22 findet in der Vertragsurkunde keinen Ausdruck.
(2) Versehentliche Falschbezeichnung bzw. falsa demonstratio
Allerdings ist nach Ansicht des BGH der Wortlaut einer in einem Kaufvertrag erhaltenen Erklärung nicht maßgeblich, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien in der Erklärung Begriffe nicht im gemeinverständlichen Wortsinn, sondern übereinstimmend in einem anderen Sinn verstehen oder mit Flurstücks- oder Grundbuchangaben andere Vorstellung über den verkauften Grundbesitz verbinden (sog. versehentliche Falschbezeichnung bzw. falsa demonstratio) (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 18; Brox/Walker, BGB AT, § 6 Rn. 10). Es gilt dann nach § 133 BGB nicht das fehlerhaft Erklärte, sondern das wirklich Gewollte.
Fraglich ist, ob einer Anwendung der Grundsätze der falsa demonstratio das Formerfordernis des Grundstückkaufvertrags nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB entgegensteht. Bei der versehentlichen Falschbezeichnung wird das objektiv Erklärte von den Parteien übereinstimmend anders verstanden. Die Parteien haben tatsächlich etwas anderes vereinbart und gehen irrtümlich davon aus, dies auch im Vertrag zum Ausdruck gebracht zu haben. Beurkundet ist somit das wirklich Gewollte nur falsch bezeichnete. Die von den Parteien übereinstimmend verstandene Regelung ist der Vertragsurkunde zu entnehmen und nur bei der Auslegung der Vereinbarung ist auf außerurkundliche Umstände zurückzugreifen. (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 21) Somit ist dem Formerfordernis nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB genüge getan. Die Grundsätze der falsa demonstratio sind somit auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften anwendbar (Brox/Walter, BGB AT, § 6 Rn. 11, Rn. 18).
Dementsprechend stellt sich die Frage, ob die Kläger und Beklagten übereinstimmend bei der Bezeichnung des Flurstücks 291/23 im notariellen Kaufvertrag ebenfalls das Flurstück 277/22 erfassen wollten und sich somit auf den Kauf eines aus beiden Flurstücken 291/3 und 277/22 bestehenden Grundstücks geeinigt haben (sog. versehentliche Falschbezeichnung).
Es ist im absoluten Regelfall davon auszugehen, dass der Verkäufer eines Grundstücks nur das ihm gehörende Grundstück und nicht auch das nicht in seinem Eigentum stehende Nachbargrundstück verkaufen möchte (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 27). Somit spricht die Tatsache, dass das Flurstück 277/22 im Eigentum des Nachbarn steht, dagegen, dass der Beklagte dieses Flurstück 277/22 an die Kläger verkaufen wollte. Eine Abweichung von diesem Grundsatz ist nicht lediglich dadurch anzunehmen, dass eine gemeinsame Besichtigung des Grundstücks stattfand. Der BGH erläutert, dass eine Besichtigung des Grundstücks des Verkäufers, auch wenn dessen Grundstück und das angrenzende Nachbargrundstück scheinbar eine Einheit bilden, nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen den Schluss auf eine Einigung über den Mitverkauft des nicht im Eigentum des Verkäufers stehenden Nachbargrundstücks zulasse. Nicht jede Abweichung von der bei der Besichtigung wahrgenommenen Grundstücksgrenze rechtfertige die Annahme, dass die Parteien das tatsächlich wahrgenommene Grundstück zum Vertragsgegenstand machen wollten und dieses im notariellen Grundstückkaufvertrag lediglich falsch bezeichnet hätten (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 27).
Unerheblich für die Frage, ob die Parteien sich auf den Kauf eines aus beiden Flurstücken 291/3 und 277/22 bestehenden Grundstücks geeinigt haben, ist im konkreten Fall, ob der Verkäufer Kenntnis von den wahren Eigentumsverhältnissen hatte und den Kläger darüber schuldhaft im Unklaren lies oder ob der Verkäufer davon ausging, dass das Flurstück 277/22 Bestandteil seines eigenen Grundstücks 291/3 war. Im ersten Fall scheidet eine Anwendung der Grundsätze der falsa demonstratio daran, dass die Parteien nicht übereinstimmend einem Irrtum bei der Bezeichnung des Kaufgegenstands unterlagen. Tatsächlich kennt in diesem Fall der Verkäufer die Grenzen seines Grundstücks und hat die gebotene Aufklärung hierüber fahrlässig oder vorsätzlich unterlassen. Die Parteien haben sich somit nicht über den Mitverkauf des Flurstücks 277/22 geeinigt. Eine versehentliche Falschbezeichnung liegt nicht vor (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 28). Im zweiten Fall ist ebenfalls nicht von einer versehentlichen Falschbezeichnung auszugehen, denn es liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, die den Schluss zulassen, dass der Verkäufer mehr verkaufen wollte als das, was nach dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster in seinem Eigentum stand. (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 31). Dementsprechend liegt im Ergebnis keine versehentliche Falschbezeichnung in Bezug auf den Kaufgegenstand vor.
b) Zwischenergebnis
Es wurde kein wirksamer Kaufvertrag über das aus beiden Flurstücken (Flurstück 291/3 und Flurstück 277/22) bestehende Grundstück zwischen Kläger und Beklagten geschlossen. Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 5 S. 1 BGB.
3. Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB
Die Kläger könnten gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus culpa in contrahendo (= Verschulden vor Vertragsschluss) gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB haben.
a) Schuldverhältnis i.S.d. § 311 Abs. 2 BGB
Es müsste ein Schuldverhältnis i.S.d. § 311 Abs. 2 BGB vorliegen. Gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB entsteht ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Vorliegend fand eine Grundstücksbesichtigung statt. Bei der Besichtigung handelte es sich um einen Vorbereitungsakt für den späteren Abschluss eines Kaufvertrags. Mithin haben die Kläger und Beklagten Vertragsverhandlungen aufgenommen und es ist ein Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB entstanden.
b) Schuldhafte Pflichtverletzung, §§ 241 Abs. 2, 276 Abs. 1 S. 1 BGB
Die Beklagten müssten eine Pflicht aus dem entstandenen Schuldverhältnis vorsätzlich oder fahrlässig (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB) verletzt haben. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB ergeben sich Rücksichtnahmepflichten der Kläger und Beklagten. Die Revisionsinstanz geht davon aus, dass die Beklagten einen Irrtum der Kläger über den wahren Grenzverlauf und damit über den Umfang des zu verkaufenden Grundstücks hervorgerufen oder diesen Irrtum erkannt und nicht berichtigt haben. Dabei haben sie zumindest die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet (§ 276 Abs. 2 BGB) und mithin fahrlässig gehandelt. Somit liegt die schuldhafte Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB aus dem Schuldverhältnis vor.
c) Schaden, §§ 249 BGB
Zudem müsste ein Schaden entstanden sein. Das ist dann anzunehmen, wenn die vom Beklagten versprochene Leistung (hier die Übereignung lediglich des Flurstücks 291/3 ohne das Flurstück 277/22) für die Zwecke der Kläger nicht geeignet ist. (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 34). Nach dem Klägervortrag ist das erworbene Grundstück ohne das Flurstück 277/22 zur Wohnnutzung nicht geeignet und zumindest die Nutzbarkeit erheblich eingeschränkt. (OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.4.2022 – 14 U 300/21, BeckRS 2022, 49980 Rn. 3). Der Schaden besteht somit in der Eingehung der für die Zwecke der Kläger ungeeigneten vertraglichen Verpflichtung (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 34).
d) Ausschluss durch Verjährung
Der Anspruch könnte allerdings wegen Verjährung gemäß §§ 196, 200 S. 1 BGB ausgeschlossen sein. Nach §§ 196, 200 S. 1 BGB verjährt der Anspruch in zehn Jahren, wobei die Verjährungsfrist mit der Entstehung des Anspruchs beginnt. Der Anspruch entsteht, wenn der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 10). Vorliegend ist der Anspruch mit dem Schadenseintritt und somit mit dem Abschluss des Grundstückkaufvertrags am 9. Dezember 2009 entstanden. Die Klage ist erst am 28. Dezember 2020 beim Landgericht eingegangen. Somit sind bereits über zehn Jahre seit Entstehung des Anspruchs verstrichen. Der Anspruch ist gemäß §§ 196, 200 S. 1 BGB verjährt.
e) Zwischenergebnis
Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus culpa in contrahendo (= Verschulden vor Vertragsschluss) gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB.
4. Ergebnis
Der neue Eigentümer des Grundstücks 291/3 kann sich nicht mehr nachträglich vom Kaufvertrag lösen.
III. Einordnung der Entscheidung
Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Anwendung der Grundsätze der falsa demonstratio bei einem Irrtum in Bezug auf den Grundstücksumfang im Rahmen des Abschlusses eines Grundstückkaufvertrags lediglich eine Ausnahme ist. Nur in besonderen Ausnahmefällen ist davon auszugehen, dass mehr oder weniger verkauft werden soll, als aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster ersichtlich (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 26). Für den Klausurbearbeiter ist ratsam sich zunächst einen Überblick über die Eigentumsverhältnisse zu verschaffen. Im absoluten Regelfall will der Verkäufer nur das Grundstück verkaufen, das in seinem Eigentum steht, und nicht auch das Nachbargrundstück. (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 27). Etwas anderes ist nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls anzunehmen (siehe etwa BGH, Urt. v. 18.1.2008 – V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 Rn. 12 für den Verkauf einer sich auf das Nachbargrundstück erstreckenden ganzen Parkanlage).
Der BGH nimmt in dem Urteil zudem Bezug auf seine bisher getätigte Rechtsprechung zur Anwendung der Grundsätze der falsa demonstratio auf Grundstückskaufverträge und erläutert dabei drei wichtige Fallgruppen. (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 89/22, BeckRS 2023, 18992 Rn. 24 f.). Eine versehentliche Falschbezeichnung kann dadurch vorliegen, dass:
- Beim Grundstückkaufvertrag die Parzellenbezeichnung verwechselt wird oder vergessen wird, eine von mehreren verkauften Parzellen aufzuführen (BGH, Urt. v. 25.3.1983 – V ZR 268/81, BGHZ 87, 150, 152).
- Im Grundstückkaufvertrag als Kaufgegenstand das gesamte Grundstück genannt wird, obwohl nur eine bestimmte Teilfläche verkauft und übereignet werden soll (BGH, Urt. v. 12.10.2012 – V ZR 187/11, NJW-RR 2013, 789).
- Im Grundstückkaufvertrag eine Fläche versehentlich nicht bezeichnet wird, diese aber nach den Umständen des Einzelfalls mitverkauft sein sollte (BGH, Urt. 18.1.2008 – V ZR 174/06, NJW 2008, 1658).