BVerfG: Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen verfassungsgemäß
Der vergangene Woche veröffentlichte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen in Hessen (Az. 2 BvR 1333/17) hat viel mediale Aufmerksamkeit erhalten. Mit den Grundrechten der Religions- und Berufsfreiheit werden absolute Klassiker des Verfassungsrechts relevant – die Kenntnis der Entscheidung dürfte daher in Zukunft sowohl von Examenskandidaten, als auch von jüngeren Semestern erwartet werden. Nicht zuletzt macht auch die Abgrenzung zu anderen Fällen des Kopftuchverbots die Entscheidung besonders interessant für Klausuren und mündliche Prüfungen.
Sachverhalt (gekürzt und abgewandelt)
A ist deutsche Staatsbürgerin und seit 2017 Rechtsreferendarin im Land Hessen. In der Öffentlichkeit trägt sie ein Kopftuch, was sie als Ausdruck ihrer persönlichen Glaubensüberzeugung und Neutralität versteht.
Rechtsreferendare in Hessen werden in ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis berufen. Für sie gelten im Wesentlichen die Vorschriften für Beamte auf Widerruf (§ 27 I 2 JAG Hessen), insbesondere auch § 45 HGB, der lautet:
1Beamtinnen und Beamte haben sich im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten. 2Insbesondere dürfen sie Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale nicht tragen oder verwenden, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden zu gefährden. 3Bei der Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 und 2 ist der christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung zu tragen.
Aus einem diesbezüglich ergangenen Erlass des Hessischen Ministeriums der Justiz folgte, dass Referendarinnen, die während der Ausbildungszeit ein Kopftuch tragen, keine Tätigkeiten ausüben dürfen, bei denen sie von Bürgern als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden können. Das heißt insbesondere, dass sie bei Verhandlungen nicht auf der Richterbank, sondern nur im Zuschauerraum sitzen dürfen, keine Sitzungsleitung oder Beweisaufnahme durchführen, Sitzungsvertretungen für die Staatsanwaltschaft übernehmen oder Anhörungsausschutzsitzungen leiten können.Ursprünglich war vorgesehen, dass entsprechende Teile der Ausbildung, die so nicht abgeleistet werden konnten, mit „ungenügend“ bewertet wurden. Dies wurde in der Folgezeit geändert, vielmehr sollte der Umstand fortan keinen Einfluss auf die Gesamtbewertung haben, sondern der entsprechende Abschnitt schlicht als „konnte nicht erbracht werden“ gekennzeichnet werden.
Nachdem A bereits 2017 mit einer Beschwerde und einem Eilantrag gem. § 32 BVerfGG vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert war, klagte sie erfolglos vor den Verwaltungsgerichten. Gegen die Entscheidung des VGH Kassel legte sie Verfassungsbeschwerde ein.
Entscheidung
Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde der A nach Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG, §§ 90 ff. BVerfGG wirft keine großen Probleme auf: A ist als natürliche Person und Grundrechtsträgerin beschwerdefähig und kann geltend machen, durch das Urteil des VGH Kassel als Akt öffentlicher Gewalt möglicherweise selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihrer Religionsfreiheit aus Art. 4 I, II GG sowie ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG und ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG verletzt zu sein. Der Rechtsweg ist erschöpft und der Grundsatz der Subsidiarität gewahrt. Das BVerfG bejaht auch nach Abschluss der betroffenen Ausbildungsabschnitte ausdrücklich das Rechtsschutzbedürfnis aufgrund der Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Von der form- und fristgerechten Erhebung der Verfassungsbeschwerde ist auszugehen.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn A durch das letztinstanzliche Urteil in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt wurde.
Hierbei ist wie stets darauf hinzuweisen, dass das Bundesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz ist. Es überprüft im Rahmen der Urteilsverfassungsbeschwerde die Entscheidung des Fachgerichts nicht auf die Vereinbarkeit mit dem einfachen Recht, sondern nur im Hinblick auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts.
Beachte: Die Urteilsverfassungsbeschwerde ist zweistufig zu prüfen, wobei der Bearbeiter sich von vorneherein über die Schwerpunktsetzung im Klaren sein sollte. Zumeist wird das Hauptproblem entweder auf der Stufe des zugrundeliegenden Gesetzes liegen, oder aber auf der Stufe des Einzelaktes. Dies sollte aus der Klausur klar hervorgehen. Im vorliegenden Fall liegt der Schwerpunkt erkennbar bei der Normprüfung.
I. Verletzung der Religionsfreiheit
A könnte in ihrem Grundrecht auf Religionsfreiheit aus Art. 4 I, II GG verletzt sein. Das ist der Fall, wenn ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegt, der nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann.
1. Eingriff in den Schutzbereich
Das BVerfG bejaht unproblematisch einen Eingriff in den Schutzbereich:
„Die der Beschwerdeführerin auferlegte und vom Verwaltungsgerichtshof bestätigte Pflicht, bei Tätigkeiten, bei denen sie als Repräsentantin des Staates wahrgenommen wird oder wahrgenommen werden könnte, die eigene Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft nicht durch das Befolgen von religiös begründeten Bekleidungsregeln sichtbar werden zu lassen, greift in die von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürgte individuelle Glaubensfreiheit ein. Sie stellt die Beschwerdeführerin vor die Wahl, entweder die angestrebte Tätigkeit auszuüben oder dem von ihr als verpflichtend angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten.
Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, das heißt einen Glauben zu haben, zu verschweigen, sich vom bisherigen Glauben loszusagen und einem anderen Glauben zuzuwenden, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben. Umfasst sind damit nicht allein kultische Handlungen und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch die religiöse Erziehung sowie andere Äußerungsformen des religiösen und weltanschaulichen Lebens. Dazu gehört das Recht der Einzelnen, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und dieser Überzeugung gemäß zu handeln, also glaubensgeleitet zu leben; dies betrifft nicht nur imperative Glaubenssätze.“ (Rz. 77, 78; Verweise im Zitat ausgelassen).
Insbesondere kann sich A auch im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses auf ihre Grundrechte berufen – sie ist durch das Verbot in ihrer persönlichen Rechtsstellung betroffen, insoweit gelten die Grundrechte auch in Sonderstatusverhältnissen. Auch steht dem Grundrechtsschutz nicht entgegen, dass im Islam unterschiedliche Ansichten zu Bekleidungsvorschriften vertreten werden.
2. Rechtfertigung
Der Eingriff könnte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Das ist der Fall, wenn das Grundrecht beschränkbar ist und die Grenzen der Einschränkungsmöglichkeit („Schranken-Schranken“) eingehalten wurden.
Das Grundrecht der Religionsfreiheit ist vorbehaltslos gewährleistet. Eine Beschränkung ist dennoch aufgrund verfassungsimmanenter Schranken, namentlich Grundrechten Dritter oder sonstige Werte von Verfassungsrang, möglich. Auch die Beschränkung aufgrund verfassungsimmanenter Schranken bedarf einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage.
Als einschränkendes Gesetz kommt hier § 27 I 2 JAG i.V.m. § 45 HBG in Betracht. An dessen formeller Verfassungsmäßigkeit bestehen keine Zweifel. Hinsichtlich der Bestimmtheit der Norm führt das BVerfG aus:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fehlt die notwendige Bestimmtheit nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist. Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn die Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können. Es ist in erster Linie Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, Zweifelsfragen zu klären und Auslegungsprobleme mit den herkömmlichen Mitteln juristischer Methode zu bewältigen. Dass dies vorliegend nicht möglich wäre, ist nicht erkennbar. Soweit die Beschwerdeführerin einwendet, es könne anhand des § 45 Satz 2 HBG nicht definiert werden, worin die „objektive Eignung“ eines muslimischen Kopftuchs bestehe, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung des Beamten zu beeinträchtigen oder den religiös-weltanschaulichen Frieden zu gefährden, macht sie inhaltlich nicht geltend, dass die Norm zu unbestimmt sei, sondern, dass deren Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Hiermit stellt sie nicht die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage, sondern die der Rechtsanwendung infrage.“ (Rz. 85, Verweise im Zitat ausgelassen).
Das Gesetz dürfte auch nicht gegen Grundrechte verstoßen.
Beachte: Hierbei handelt es sich um eine einzelaktsunabhängige Grundrechtsprüfung. Die Frage ist, ob das Gesetz schon von sich aus in den Schutzbereich eines Grundrechts eingreift und die Grenzen der Einschränkungsmöglichkeit beachtet.
§ 27 I 2 JAG i.V.m. § 45 HBG greift durch das Verbot, religiöse Symbole zu tragen, schon von sich aus in den Schutzbereich der Religionsfreiheit ein. Dies könnte jedoch zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts erfolgen. Als kollidierende Verfassungsgüter kommen die Neutralitätspflicht des Staates, die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die negative Religionsfreiheit Dritter in Betracht.
Zur Neutralitätspflicht führt das BVerfG aus:
„Der Staat hat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten und darf sich nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren. Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes ist gekennzeichnet von Offenheit gegenüber der Vielfalt weltanschaulich-religiöser Überzeugungen und gründet dies auf ein Menschenbild, das von der Würde des Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung geprägt ist.“ (Rz. 87, Verweise im Zitat ausgelassen).
Hierbei entspricht die Verpflichtung des Staates zur Neutralität einer Verpflichtung seiner Amtsträger: Der Staat kann nur durch seine Amtsträger handeln, sodass diese das Neutralitätsgebot zu wahren haben, soweit ihr Handeln dem Staat zugerechnet wird.
Hier ist eine besondere Betrachtung des Einzelfalls erforderlich. Nicht jede Handlung eines staatlich Bediensteten ist dem Staat in gleicher Weise zuzurechnen. Daher wurde ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen an einer bekenntnisfreien Schule als verfassungswidrig erachtet: Ein solches Bekenntnis wird dem Staat nicht zwingend als eigenes zugerechnet (siehe hierzu BVerfGE 138, 296). Die Situation vor Gericht ist indes besonders dadurch geprägt, dass der Staat dem Bürger klassisch-hoheitlich gegenübertritt. Auch ist eine besondere Formalität und Konformität dadurch gegeben, dass die Richter eine Amtstracht tragen.
„Das unterscheidet die formalisierte Situation vor Gericht, die den einzelnen Amtsträgern auch in ihrem äußeren Auftreten eine klar definierte, Distanz und Gleichmaß betonende Rolle zuweist, vom. Aus Sicht des objektiven Betrachters kann insofern das Tragen eines islamischen Kopftuchs durch eine Richterin oder eine Staatsanwältin während der Verhandlung als Beeinträchtigung der weltanschaulich-religiösen Neutralität dem Staat zugerechnet werden.“ (Rz. 90, Verweise im Zitat ausgelassen).
Als weiteres Gut von Verfassungsrang ist die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und insoweit insbesondere das Vertrauen der Bürger in die Justiz zu berücksichtigen. Zwar sein ein absolutes Vertrauen nicht zu erreichen, der Staat habe sich jedoch um Optimierung zu bemühen.
„Auch wenn das religiöse Bekenntnis einzelner Amtsträger allein nicht gegen deren sachgerechte Amtswahrnehmung spricht, kann die erkennbare Distanzierung des einzelnen Richters und der einzelnen Richterin von individuellen religiösen, weltanschaulichen und politischen Überzeugungen bei Ausübung ihres Amtes zur Stärkung des Vertrauens in die Neutralität der Justiz insgesamt beitragen und ist umgekehrt die öffentliche Kundgabe von Religiosität geeignet, das Bild der Justiz in ihrer Gesamtheit zu beeinträchtigen, das gerade durch eine besondere persönliche Zurücknahme der zur Entscheidung berufenen Amtsträger geprägt ist.“ (Rz. 92, Verweise im Zitat ausgelassen).
Durch religiöse Symbole im Gerichtssaal kann außerdem die negative Religionsfreiheit Dritter beeinträchtigt sein. Diese umfasst u.a. die Freiheit, sich religiösen Handlungen eines fremden Glaubens zu entziehen und ist beeinträchtigt, wenn der Einzelne sich ohne Entziehungsmöglichkeit solchen Bekenntnissen ausgesetzt sieht.
„Der Gerichtssaal stellt einen solchen Raum dar, in dem der Anblick religiöser Symbole im vorgenannten Sinne unausweichlich sein kann, wenn der Staat ihre Verwendung nicht untersagt. Hiermit kann für einzelne Verfahrensbeteiligte eine Belastung einhergehen, die einer grundrechtlich relevanten Beeinträchtigung gleichkommt“ (Rz. 95).
Nicht beeinträchtigt ist nach dem BVerfG hingegen das Gebot der Unparteilichkeit der Richter: Das Tragen eines religiösen Symbols genüge für sich genommen nicht aus, Zweifel an dessen Objektivität zu begründen. Auch bestehe kein genereller Schutzanspruch für den gesellschaftlich-religiösen Frieden, der es gebiete, Richtern das Tragen religiöser Symbole zu untersagen.
Die widerstreitenden Verfassungsgüter sind im Wege praktischer Konkordanz zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Zu berücksichtigen ist der hohe Wert der Glaubensfreiheit der Amtsträger. Zugunsten der A ist zu bedenken, dass es keinen anderen Weg gibt, das zweite juristische Staatsexamen zu erreichen, als den Vorbereitungsdienst abzuleisten. Auch ist das Tragen des Kopftuchs für sie nicht bloß eine Option, sondern wird von ihr als imperatives religiöses Gebot empfunden. Demgegenüber streitet zugunsten der Verfassungsmäßigkeit der Regelung, dass sich das Verbot auf einzelne Tätigkeiten beschränkt. Auch wird bei den betroffenen Tätigkeiten die Justiz als solche nach außen verkörpert, sodass die Werte, die das Grundgesetz insoweit vorsieht, besonders zu achten sind. (Siehe für die ausführliche Abwägung die Rz. 101 ff. der Entscheidung). Letztlich kommt dem Gesetzgeber in diesem Bereich eine Einschätzungsprärogative zu:
„Hiervon ausgehend ist der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs und die ihm zugrundeliegende Auslegung von § 27 Abs. 1 Satz 2 JAG in Verbindung mit § 45 HBG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Angesichts der konkreten Ausgestaltung des verfahrensgegenständlichen Verbots kommt keiner der kollidierenden Rechtspositionen vorliegend ein derart überwiegendes Gewicht zu, das verfassungsrechtlich dazu zwänge, der Beschwerdeführerin das Tragen religiöser Symbole im Gerichtssaal zu verbieten oder zu erlauben. Die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Pflicht, sich im Rechtsreferendariat in weltanschaulich-religiöser Hinsicht neutral zu verhalten, ist daher aus verfassungsrechtlicher Sicht zu respektieren“ (Rz. 102).
Insoweit ist der Eingriff in die Religionsfreiheit gerechtfertigt.
II. Verletzung sonstiger Grundrechte
Zu einem Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG führt das BVerfG aus:
„Das gegen die Beschwerdeführerin ausgesprochene und im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren bestätigte Verbot, die genannten sitzungsdienstlichen Aufgaben mit Kopftuch wahrzunehmen, greift in diesen Gewährleistungsgehalt ein. Die Ausbildungsfreiheit garantiert aber keinen weitergehenden Schutz als die schrankenlos gewährleistete Religionsfreiheit. Selbst unter der Annahme, dass im Einzelfall die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen wäre, wenn ein als verpflichtend empfundenes religiöses Gebot in Frage steht, wären die vom Landesgesetzgeber verfolgten Ziele der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates, der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und des Schutzes der negativen Religionsfreiheit Dritter besonders gewichtige Gemeinschaftsbelange, die die Regelung rechtfertigen.“ ( Rz. 110).
Ebenso ist ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus den gleichen Gründen gerechtfertigt.
Das Gesetz erweist sich insgesamt als verfassungsgemäß. Auch das Urteil des VGH Kassel beruht auf einer verfassungskonformen Anwendung des Gesetzes. A ist durch das Urteil nicht in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Folgen für die Ausbildung
Die Entscheidung des BVerfG könnte weitgehend ohne Abwandlungen so als Klausur gestellt werden. Dem Bearbeiter bietet sich ein weiter Argumentationsspielraum und die Möglichkeit, den sicheren Umgang mit der Urteilsverfassungsbeschwerde und dem Grundrecht der Religionsfreiheit unter Beweis zu stellen.
Insbesondere in Abgrenzung zu früheren Entscheidungen (z.B. Kopftuchverbot für Lehrerinnen) dürfte vorliegendes Urteil relevant werden, sodass sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Argumenten anbietet. Die Entscheidung ist konkret auf Rechtsreferendarinnen bezogen – indes dürfte ähnliches für Richterinnen und Staatsanwältinnen gelten. Entsprechende Entscheidungen bleiben abzuwarten.
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