BGH: Bestattung ohne Auftrag – Kostenübernahme durch GoA
Der BGH hat in der letzten Zeit zwei sehr examensrelevante Entscheidungen veröffentlicht (III ZR 53/11 und IV ZR 132/11), die sich mit der Frage beschäftigen, ob ein Bestattungsunternehmer, der eine Bestattung „ohne Auftrag“ durchführt, Ersatz der hiermit verbundenen Kosten verlangen kann (wir hatten hierüber bereits kurz berichtet). Diese Fragestellung eignet sich perfekt um Gegenstand einer juristischen Klausur zu sein. Bedeutsam ist sie zudem auch deshalb, weil die beiden Entscheidungen in der Begründung nicht vollständig übereinstimmen und damit eine eigenständige Argumentation umso wichtiger ist.
Aus diesem Grund wollen wir noch einmal einen ausführlichen Überblick über die Prüfung des Gerichts und die entsprechende Lösung geben. Wer sich hiermit noch weiter befassen möchte, dem sei der Beitrag in der aktuellen NJW (NJW 2012, 1630) empfohlen.
Sachverhaltsüberblick
Der Sachverhalt ist einfach und schnell erzählt:
Ein Bestattungsunternehmer führt eine Bestattung durch und trägt die entsprechenden Kosten selbst. Diese möchte er sodann von den nächsten Angehörigen erstattet bekommen. Die nächsten Angehörigen hatten sich aber nicht zur Bestattung bereiterklärt und schlagen auch das Erbe aus; sie wollten „mit der Sache nichts zu tun haben“.
Entscheidende Normen
Bevor wir die Lösung des BGH hier darstellen, wollen wir auf die entscheidenden bestattungsrechtlichen Normen hinweisen, die vermutlich kaum jemandem bekannt sein dürften und die bei einer Klausur wohl abgedruckt wären.
§ 1968 BGB
Der Erbe trägt die Kosten der Beerdigung des Erblassers.
Bestattungsgesetze de Länder (bspw. Schleswig-Holstein)
§ 13 Abs. 2 BestattG
Für die Bestattung haben die Hinterbliebenen oder eine von der verstorbenen Person zu Lebzeiten beauftragte Person oder Einrichtung zu sorgen (Bestattungspflichtige). Sind die in Satz 1 genannten Personen nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder kommen sie ihrer Pflicht nicht nach und veranlasst kein anderer die Bestattung, hat die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständige Gemeinde entsprechend §§ 239 und 238 des Landesverwaltungsgesetzes für die Bestattung zu sorgen.
Lösung des BGH
Zu prüfen ist, ob ein Anspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) nach §§ 670, 677, 679, 683 BGB besteht.
1. Sperre des § 1968 BGB?
Hier kann zunächst erst einmal kurz dargelegt werden, dass § 1968 BGB einem solchen Anspruch nicht entgegensteht – die Norm ist nicht abschließend. Der BGH legt dies kurz wie folgt dar:
§ 1968 BGB stellt keine abschließende Regelung für die Erstattung der Beerdigungskosten dar, wie § 1615 Abs. 2, § 844 Abs. 1 BGB, § 74 SGB XII oder § 75 Abs. 2 SeemG zeigen. Daher kann sich ein Anspruch auf Erstattung vorausgelegter Beerdigungskosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben (Bamberger/Roth/Lohmann, § 1968 Rn. 3; Soergel/Stein, § 1968 Rn. 4; Palandt/Weidlich, § 1968 Rn. 1; Erman/Schlüter, BGB 13. Aufl. § 1968 Rn. 4).
2. Fremdes Geschäft
Ein Anspruch nach GoA wäre dann zu bejahen, wenn der Bestattungsunternehmer ein fremdes Geschäft erfüllt.
3. Geschäftsherr
Derjenige, der in Anspruch genommen werden soll, müsste dabei als Geschäftsherr anzusehen sein. Fraglich ist, ob die Nachkommen hier als Geschäftsherren anzusehen sind. Dies wäre unproblematisch (schon aus § 1968 BGB) dann gegeben, wenn sie als Erbe anzusehen sind. Fraglich ist aber, ob sie auch dann dafür einstehen müssen, wenn sie das Erbe ausgeschlagen haben, also ob auch andere, als die Erben, als Geschäftsherren angesehen werden können.
Zentrale Frage ist also, wer das Recht (bzw. hier eher die Pflicht) hat, die Beerdigung vorzunehmen und wer somit die Totenfürsorge zu tragen hat.
a) § 1968 BGB bestimmt Geschäftsherrn nicht abschließend
§ 1968 BGB kann hier nicht alleinentscheidend sein – diese Norm beschreibt nur die finanzielle Ebene, nicht aber die Frage, wer für die Beerdigung selbst zuständig ist.
Dabei ist, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, als Geschäftsherr nicht derjenige anzusehen, der letztlich die Beerdigungskosten zu tragen hat – also im Regelfall der Erbe (§ 1968 BGB) oder auch eine unterhaltspflichtige Person (§ 1615 Abs. 2 BGB) – sondern derjenige, dem es obliegt für die Bestattung des Verstorbenen zu sorgen.
Die vom Berufungsgericht für die Bestimmung des Geschäftsherrn für maßgeblich erachteten Vorschriften, insbesondere § 1968 BGB, befassen sich nur mit der Frage, wer die Kosten der Beerdigung zu tragen hat. Dazu, wer das Recht und gegebenenfalls die Pflicht hat, die Beerdigung vorzunehmen (Totenfürsorge), verhalten sie sich nicht.
Dies findet auch in der zweiten BGH-Entscheidung Bestätigung:
Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des § 1968 BGB kann hergeleitet werden, dass dieser Ansprüche gegen weitere Verpflichtete als den Erben aus einem anderen Rechtsgrund von vornherein ausschließt. Insbesondere wird durch die Zubilligung eines Anspruchs auf Ersatz der Beerdigungskosten gegen den Totenfürsorgeberechtigten über die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag die Wertung des § 1968 BGB nicht umgangen.
b) Öfft.-recht. Bestattungsgesetze als entscheidende Norm
aa) Dritter Senat
Fraglich ist dann aber, woraus sich – abweichend von § 1968 BGB – ergibt, wer Geschäftsherr ist. Fraglich ist hier, ob nicht auf die Bestattungsgesetze der Länder zurückgegriffen werden kann um den Totenfürsorgeberechtigten und -verpflichteten zu bestimmen. Diese stellen gerade nicht auf den Status des Erben ab.
Der Dritte Senat des BGH bejaht eine Verpflichtung der nächsten Angehörigen aus den öffentlich-rechtlichen Bestattungsgesetzen. Er legt dazu dar:
Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BestattG Schl-H. haben die Hinterbliebenen oder eine von der verstorbenen Person zu Lebzeiten beauftragte Person oder Einrichtung (Bestattungspflichtige) für die Bestattung zu sorgen. […]
Die (öffentlich-rechtliche) Bestattungspflicht des Ehegatten besteht nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift auch dann, wenn die Familienverhältnisse zerrüttet sind. Selbst wenn die Ehegatten getrennt leben und – wie von der Beklagten behauptet – ein Scheidungsverfahren anhängig ist, kommt die Bestattungspflicht nicht in Wegfall; sie erlischt erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils (vgl. OVG Münster, Urteil vom 30. Juli 2009 – 19 A 448/07, juris, Rn. 37 zu § 8 BestattG NW).
Dies wird aber eingeschränkt:
Inwieweit diesem Recht eine (bürgerlich-rechtliche) Rechtspflicht zur Ausübung des Totenfürsorgerechts entspricht und wie diese Pflicht im Näheren ausgestaltet ist (Kreis der zu den nächsten Angehörigen zählenden Personen; Rangfolge ihrer Verpflichtung) oder ob es sich bei der Bestattungspflicht von vornherein nur um eine – in den Bestattungsgesetzen der Länder geregelte – öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt […], kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls dann, wenn sich – wie hier – keine Person, die als Totenfürsorgeberechtigte in Betracht kommt, dazu bereiterklärt die Bestattung vorzunehmen und deshalb ein Einschreiten der zuständigen Ordnungsbehörde zu gewärtigen ist, liegt es nahe, die Person des Bestattungspflichtigen nach Maßgabe der öffentlich-rechtlichen (Landes-)Bestattungsgesetze zu bestimmen, die ihrerseits – wie vorliegend § 13 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Nr. 12 BestattG Schl.-H. (vgl. dazu auch die Begründung zum Entwurf eines Bestattungsgesetzes in Schleswig-Holstein, LT-Drucks. 15/3561, S. 32) – die Bestattungspflicht und die Reihenfolge der in Betracht kommenden Verpflichteten unter besonderer Berücksichtigung verwandtschaftlicher oder familiärer Beziehungen regeln.
Eine Pflicht zur Totenfürsorge und damit zum Ersatz nach GoA liegt nach Ansicht des dritten Senats also zumindest dann vor, wenn sich überhaupt niemand bereitgefunden hat die Totenfürsorge zu erfüllen.
Der Bejahung der GoA steht auch nicht entgegen, dass die Gemeinde ggf. eine öffentlich-rechtliche Pflicht hat die Beerdigung durchzuführen.
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass auch öffentlich-rechtliche Pflichten eine Haftung als Geschäftsherr auslösen können (so schon Urteil vom 15. Dezember 1954 – II ZR 277/53, BGHZ 16, 12, 15 f). […] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trifft es jedoch nicht zu, dass es dann, wenn die von Gesetzes wegen Bestattungspflichtigen die Beerdigung eines Verstorbenen nicht vornehmen, allein Sache der für den Sterbe- und Auffindungsort zuständigen Gemeinde ist im Wege der Ersatzvornahme die Bestattung zu veranlassen. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG Schl.-H. hat die Gemeinde, wenn Bestattungspflichtige nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln sind oder ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen, erst und nur dann für die Beerdigung zu sorgen, wenn auch kein anderer die Bestattung veranlasst. Angesichts der Subsidiarität der gemeindlichen Verpflichtung (vgl. LT-Drucks. 15/3561 S. 47), wonach das Tätigwerden eines jeden Dritten – gleichgültig aus welchen Beweggründen und mit welchem (vermeintlichen oder tatsächlich vorliegenden) Rechtsgrund – die Gemeinde entlastet, hat sich der Kläger durch sein „eigenmächtiges“ Handeln keineswegs behördliche Kompetenzen angemaßt, sondern lediglich bewirkt, dass sich ein behördliches Einschreiten erübrigt hat.
Es genügt hier also, dass der Beerdigungsunternehmer als Dritter gehandelt hat, um die Subsidiarität auszuschließen.
bb) Vierter Senat: Kritische Betrachtung
Weitaus weniger eindeutig wird dies vom Vierten Senat gesehen. Hier wird ein Bezug zu den öffentlich-rechtl. Vorschriften verneint, bezögen diese sich doch nur auf den Bereich der Gefahrenabwehr und könnten damit hier nicht angeführt werden.
Der vom Berufungsgericht herangezogene Vergleich mit der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht überzeugt nicht. Diese ist unabhängig von zivilrechtlichen Verpflichtungen, der Erbenstellung oder dem Totenfürsorgerecht. Sie besteht vorrangig aus Gründen der Gefahrenabwehr. Kommen die nahen Angehörigen der Beerdigungspflicht nicht nach, sind die Ordnungsbehörden veranlasst die Bestattung im Wege der Ersatzvornahme durchführen zu lassen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Gesundheitsgefahren, auszuschliessen (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1995, 283; OVG Lüneburg FamRZ 2004, 458). Entsprechend knüpfen die Bestattungsgesetze der Länder an die Angehörigeneigenschaft an und bestimmen, dass die zuständige Gemeinde die Bestattung zu veranlassen hat, wenn hierfür niemand sorgt. Ihr steht dann ein Erstattungsanspruch gegen die Angehörigen zu (vgl. etwa § 8 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 und 2 Niedersächsisches BestattG). Hiervon unabhängig ist die privatrechtliche Verpflichtung der nächsten Angehörigen für die Beerdigung zu sorgen.
c) Aber: Totenfürsorgepflicht qua Wille des Erblassers?
Vom Vierten Senat wird weniger auf die öffentl.-rechtl. Normen als auf den Willen des Erblassers abgestellt.
Vielmehr ist für das privatrechtliche Totenfürsorgerecht zunächst der Wille des Erblassers maßgebend. Dieser kann nicht nur die Art und Weise seiner Beerdigung, sondern auch diejenige Person, die er mit der Wahrnehmung dieser Belange betraut, bestimmen, selbst wenn sie nicht unmittelbar zum Kreis der sonst berufenen Angehörigen zählt. Bei der Ermittlung des für die Wahrnehmung der Totenfürsorge maßgebenden Willens des Verstorbenen kommt es nicht nur auf dessen ausdrückliche Willensbekundungen, etwa in einer letztwilligen Verfügung, an. Es genügt, wenn der Wille aus den Umständen mit Sicherheit geschlossen werden kann.
Eine Pflicht kann hieraus allerdings nicht geschlussfolgert werden. Zwar mag es richtig sein auf den Willen des Verstorbenen zurückzugreifen und damit dem von ihm Bestimmten ein Totenfürsorgerecht zuzubilligen; eine Pflicht ist damit allerdings nur dann verbunden, wenn dieser hierin eingewilligt hat. Ansonsten könnte er willkürlich belastet werden.
d. Zwischenergebnis
Besser ist es, mit dem dritten Senat auf die Bestattungsgesetze der Länder zurückzugreifen. Dies führt dann auch zu einem klaren Ergebnis. Der Geschäftsherr muss sich damit hieraus ergeben.
4. Fremdgeschäftsführungswille
Der Fremdgeschäftsführungswille wird vom BGH durch das Vorliegen eines (ausschließlich) fremden Geschäfts vermutet.
5. Entgegenstehender Wille des Geschäftsherren
Unerheblich ist auch, wenn der Geschäftsherr nicht möchte, dass der Geschäftsführer das Geschäft erfüllt. Der BGH wendet insofern § 679 BGB an, weil ein öffentliches Interesse an einer schnellen Beerdigung besteht.
Der der Geschäftsführung des Klägers entgegenstehende Wille der Beklagten ist gemäß § 679 BGB unbeachtlich, da an der alsbaldigen, innerhalb der gesetzlichen Bestattungsfrist von neun Tagen nach Todeseintritt (§ 16 BestattG Schl.-H.) erfolgenden Beerdigung des Verstorbenen ein dringendes öffentliches Interesse bestand. Dabei stellt die vorliegende Fallgestaltung nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers geradezu den Schulfall für die Anwendung des § 679 BGB dar.
6. Folge: Ersatzansprüche
Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen eines Ersatzanspruchs erfüllt. Zu ersetzen sind nicht nur die Kosten für die Beerdigung als solche, sondern auch die aufgewendete Arbeitsleistung, schließlich erbringt der Beerdigungsunternehmer diese im Rahmen seines Gewerbes. Beschränkt ist der Ersatz allerdings der Höhe nach auf eine einfache Bestattung (sog. Sozialbestattung).
Fazit
Ein sehr interessanter Fall, an dem sich sehr gut wichtige Fragen der GoA abprüfen lassen und der damit in keiner Examensvorbereitung fehlen sollte.
Allgemein zur GoA – die im Examen sehr gern geprüft wird – werden wir in den nächsten Tagen noch einen Beitrag zu zentralen Problemen veröffentlichen.
Wird ganz sicher bald im Examen laufen… Die Frage lautet lediglich noch wann und wo…
Oder in der Hausarbeit der Vorgerücktenübung ZR WS 2013/2014 an der LMU… 🙂
wir haben nur ein kleines Problem: das BayBestG kennt keine Subsidiaritätsklausel in seinem Art. 14 Abs. 2 BestG wie die entsprechende SchleswigHolsteinsche Norm – womit sich der Bestattungsunternehmer dann doch behördliche Kompetenz angeeignet hätte ?!