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Schlagwortarchiv für: Erbe

Gastautor

OLG Hamm: Formunwirksames Testament nicht gleich unechte Urkunde!

Erbrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht BT, Zivilrecht, Zivilrecht

In der mündlichen Prüfung gibt es viele Prüfer, die nur zu gerne in ihrem Prüfungsabschnitt ein Thema wiederaufgreifen, welches der Vorgänger bereits in einem anderen Rechtsgebiet behandelt hat. Eine neue Entscheidung des OLG Hamm würde dafür die ideale Möglichkeit bieten, denn hier wurde festgestellt, dass ein in zivilrechtlicher Hinsicht formunwirksames Testament nicht zwingend auch eine unechte Urkunde im Sinne des Strafrechts ist.
I. Der Sachverhalt
Die Erblasserin verstarb im Jahr 2013 im Alter von 85 Jahren. Ihrem Sohn, dem späteren Beklagten, hatte sie mit notariellem Testament im Jahr 2007 zu ihrem alleinigen Erben bestimmt. Gleichzeitig enthielt das Testament die Bestimmung, dass ihre Tochter den Pflichtteil erhalten sollte. Allerdings unterzeichnete die Erblasserin zwei Jahre später ein Schriftstück, welches sie nicht selbst per Hand geschrieben hatte und wandte in diesem einen wesentlichen Teil ihres Vermögens ihrer Enkelin, also der Tochter der Klägerin, zu. Nach ihrem Tod war streitig, ob das Schriftstück aus dem Jahr 2009 einen Widerruf des Testaments von 2007 darstellte. Die Klägerin versicherte sogar an Eides statt, dass sie selbst dabei gewesen sei, als ihre Mutter das Schriftstück 2009 eigenhändig geschrieben und unterschrieben habe. Anschließend verlangte die Tochter von ihrem Bruder, den sie inzwischen als Alleinerben anerkennt, den Pflichtteil i.H.v. ca. 5.000 Euro. Der Bruder wollte diesen Pflichtteil aber nicht zahlen, da er der Meinung war, seine Schwester sei erbunwürdig, weil sie bezüglich des zweiten Testaments an der Herstellung oder dem Gebrauch einer unechten Urkunde beteiligt gewesen sei. Das LG Dortmund hatte der Klägerin den begehrten Pflichtteil bereits zugesprochen, was jetzt durch das OLG Hamm bestätigt wurde.
II. Formunwirksamkeit des Testaments
Die Formunwirksamkeit des Testaments war hier kein Problem. Fällt dieser Fall aber einem zivilrechtlichen Prüfer in die Hände, so liegt es für diesen nahe, diesen Punkt noch einmal genau zu hinterfragen und grundsätzlich die Wirksamkeitsvoraussetzungen von Testamenten abzuprüfen. Hier sollte zunächst bekannt sein, welche unterschiedlichen Formen es gibt
Zum einen die ordentlichen Formen des notariellen Testaments gem. §§ 2231 Nr. 1 BGB, 2232 BGB und des eigenhändigen Testaments nach §§ 2231 Nr. 2 BGB, 2247 BGB, zu anderen die außerordentlichen Formen bekannt sein, wie das Bürgermeistertestament (§§ 2249, 2252 BGB), das Dreizeugentestament (§§ 2250, 2252 BGB) und das Seetestament (§§ 2251, 2252 BGB).
Handelt es sich wie hier um ein eigenhändiges Testament, sind zunächst die allgemeinen Voraussetzungen zu erfüllen:
1. Testierfähigkeit:
– Der Testierende muss volljährig sein und des Lesens mächtig, § 2247 Abs. 4 BGB (Beachte für Minderjährige § 2229 Abs. 1 und 2 BGB
– Der Testierende darf nicht aufgrund krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage sein, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, § 2229 Abs. 4 BGB
2. Höchstpersönlichkeit, § 2064 BGB
3. Erkennbarer Testierwille (Achtung: Auslegung hier nur nach § 133 BGB, weil es sich um eine einseitige Willenserklärung handelt!)
Hinzu kommt beim eigenhändigen Testament, dass dieses eigenhändig handschriftlich verfasst und unterschrieben werden muss. Das Material mit dem und auf dem der Testierende schreibt ist unerheblich, genauso wie die Art der verwendeten Schriftzeichen oder Sprache und es muss auch keine Überschrift tragen (BeckOK BGB, Bamberger/Roth-Litzenburger, 40. Edition, Stand: 01.05.2016, § 2247 Rn. 5 ff.). Eigenhändigkeit bedeutet aber, dass das Testament von Anfang bis zum Ende selbst persönlich und in der individuellen Handschrift des Testierenden schriftlich verfasst werden muss (Burandt/Rojahn-Lauck, 2. Auflage 2014, § 2247 Rn. 7). Aus diesem Grund war hier das Testament eindeutig unwirksam: Die Erblasserin hatte zwar eigenhändig unterschrieben, den Text des Testaments aber nicht selbst geschrieben.
III. Aber keine unechte Urkunde!
Der Beklagte hielt seine Schwester dennoch für erb- bzw. pflichtteilsunwürdig, weil sie ihrer eidesstattlichen Versicherung nach zu urteilen an der Herstellung oder dem Gebrauch einer unechten Urkunde mitgewirkt habe. Die Erbunwürdigkeitsgründe sind in § 2339 Abs. 1 BGB abschließend aufgezählt. Hier kam nur § 2339 Abs. 1 Nr. 4, also, dass sich die Tochter in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen einer Straftat nach den §§ 267, 271 bis 274 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat.
Für eine Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 StGB ist zunächst erforderlich, dass es sich bei dem Testament um eine Urkunde handelt, also eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die allgemein oder für Eingeweihte verständlich, zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässt (vgl. z.B. Schönke/Schröder-Heine/Schuster, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 267 Rn. 2). Das fragliche Testament ist in dem Schriftstück unproblematisch verkörpert, enthält als Gedankenerklärung die Erbeinsetzung der Enkelin, ist als Beweis für die gewillkürte Erbfolge nach der Erblasserin geeignet und lässt die Erblasserin als Ausstellerin erkennen. Weiterhin müsste eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht worden sein. Eine unechte Urkunde liegt dann vor, wenn der aus ihr erkennbare nicht mit dem wahren Aussteller übereinstimmt (Schönke/Schröder-Heine/Schuster, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 267 Rn. 48). Hierzu äußert sich das OLG Hamm in seiner Pressemitteilung vom 05.09.2016 (Az. 10 U 83/15) wie folgt:

„Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist von einer Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit der Klägerin nicht auszugehen. Die Klägerin sei nicht deswegen erbunwürdig, weil sie an der Herstellung oder dem Gebrauch einer im strafrechtlichen Sinne unechten Urkunde beteiligt gewesen sei. Das im Jahre 2009 von der Erblasserin unterzeichnete Schriftstück sei zwar ein formunwirksames Testament, weil die Erblasserin den Text der Urkunde nicht selbst geschrieben habe. Es sei aber keine im strafrechtlichen Sinne unechte Urkunde, weil die Erblasserin die Erklärung selbst unterzeichnet habe und von einem fehlenden Bewusstsein der Erblasserin, dass sie überhaupt irgendeine Erklärung abgebe, nicht auszugehen sei. Damit habe sich die Erblasserin die in dem Schriftstück enthaltene Erklärung zu eigen gemacht und diese als eigene gelten lassen. Das schließe den Tatbestand einer Urkundenfälschung i.S.v. § 267 StGB aus, dessen Erfüllung durch die Klägerin nach den zivilrechtlichen Vorschriften des BGB zu ihrer Erbunwürdigkeit führen würde.“

Dieses Verständnis stimmt auch mit der herrschenden Geistigkeitstheorie überein, wonach derjenige Aussteller der Urkunde ist, dem sie geistig zuzurechnen ist und das ist auch derjenige, der sie sich durch Unterschrift zu eigen macht (vgl. Schönke/Schröder-Heine/Schuster, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 267 Rn. 55).
IV. Fazit
Die Probleme des Falles – Formunwirksamkeit des Testaments, Erbunwürdigkeit und Urkundenfälschung – sollten einzeln für die meisten Examenskandidaten im Idealfall alte Bekannte sein. Die Besonderheit besteht hier mehr in ihrer Kombination. Wer im zivilrechtlichen Prüfungsgespräch ein formunwirksames Testament bejaht hat, kann wenn der gleiche Fall ins Strafrecht überführt wird, schnell dazu verleitet werden auch eine unechte Urkunde anzunehmen. Hier hilft nur eine klare Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale, damit die beiden Begriffe nicht durcheinander gebracht werden.
Autorin des Beitrags ist Sabine Vianden aus Bonn. Sabine hat nach Ihrem erfolgreichen Ersten Staatsexamen im Sommer 2016 den Schwerpunktbereich beendet und ist aktuell als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsrecht in Bonn beschäftigt und arbeitet dort an Ihrer Promotion.

16.09.2016/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2016-09-16 10:14:202016-09-16 10:14:20OLG Hamm: Formunwirksames Testament nicht gleich unechte Urkunde!
Tom Stiebert

OLG Hamm: Erlöschen einer transmortalen Vollmacht bei Alleinerbe

Erbrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Sachenrecht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Das OLG Hamm hat am 10.01.2013 (15 W 79/12) einen Beschluss gefällt, der beim ersten Lesen etwas irritierend erscheint, sich bei näherer Durchsicht aber als richtig herausstellt.
I. Sachverhalt
Es ging dabei um das Problem, dass ein – unstrittiger – Alleinerbe ein Grundstück aus der Erbmasse wirksam übertragen wollte. Dabei war er nicht nur Alleinerbe, sondern war zusätzlich vom Erblasser mit einer notariell beurkundeten transmortalen Vollmacht ausgestattet.
Fraglich war nun, ob er unter Berufung auf die Vollmacht oder unter Berufung auf die Erbenstellung das Grundstück wirksam übertragen konnte.
II. Lösung des OLG
Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück bedarf es der Einigung der Berechtigten (sog. Auflassung § 925 BGB) und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch (§ 873 BGB).
Eine Einigung der Berechtigten lag hier vor. Der Alleinerbe wurde hier nach § 1922 BGB Eigentümer des Grundstücks. Von der Einhaltung der Voraussetzungen des § 925 BGB ist auszugehen.
Fraglich ist aber, ob eine Eintragung in das Grundbuch erfolgen muss. Hierzu enthält die Grundbuchordnung GBO in §§ 13 ff. GBO eine Vielzahl von Vorschriften. Ein Antrag i.S.d. § 13 GBO lag vor.
Problematisch ist, dass dieser Antrag hier nicht durch den im Grundbuch Eingetragenen, sondern durch dessen Alleinerbe erfolgt. Grundsätzlich muss derjenige den Antrag stellen bzw. bewilligen, dessen Recht betroffen ist (§ 19 GBO). Allerdings enthält § 35 GBO eine spezielle Vorschrift:

Der Nachweis der Erbfolge kann nur durch einen Erbschein geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden; erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es die Vorlegung eines Erbscheins verlangen.

Ein solcher Erbschein hat hier nicht vorgelegen, sodass sich aus der – unstrittigen – Stellung als Erbe kein Anspruch auf Eintragung des Erwerbers ins Grundbuch ergibt. Auch eine öffentlich beglaubigte letztwillige Verfügung lag nicht vor.
Fraglich ist aber, ob sich die Antragsberechtigung des Erben aus der transmortalen Vollmacht ergeben kann – auch bei einer Bewilligung muss Stellvertretung möglich sein. Dazu müsste diese transmortale Vollmacht noch wirksam sein. Eine solche transmortale Vollmacht bleibt (aufgrund des ausdrücklichen Willens des Erblassers) über den Tod hinaus wirksam, mit der Folge, dass der Stellvertreter nunmehr den Erben – bezogen auf die Erbmasse – vertreten kann. Abzugrenzen ist diese Vollmacht über den Tod hinaus von einer postmortalen Vollmacht, deren Beginn zeitgleich mit dem Tod eintritt, die sonst von den Rechtsfolgen aber identisch ist.
Eine wirksame transmortale Vollmacht wurde hier erteilt. Diese erfüllt – durch die notarielle Beurkundung – auch die Formvorschriften nach §§ 29 und 30 GBO. Fraglich ist aber, ob diese weiterhin wirksam ist, oder durch die Stellung als Alleinerbe ersetzt wurde. Eine Vollmacht setzt stets die Personenverschiedenheit von Vollmachtgeber und Adressat voraus (vgl. Grundgedanke der §§ 164 ff. BGB). Dies ist dann nicht mehr erfüllt, wenn der Adressat und der Vollmachtgeber durch den Eintritt des Erbfalls faktisch personengleich werden – Adressat der Vollmacht bleibt der Erbe, der durch den Todesfall nunmehr aber auch an die Stelle des Erblassers tritt und damit als Vollmachtgeber anzusehen ist. Aus diesem Grund ist die transmortale Vollmacht erloschen.
Der Erbe kann damit die Eintragung des Käufers in das Grundbuch (noch) nicht verlangen.
 
III. Alternativen für Erben
Dem Erben bleiben damit zwei Möglichkeiten die Eintragung herbeizuführen. Entweder er beantragt einen Erbschein nach §§ 2353 ff. BGB oder aber er schlägt innerhalb der Frist des § 1944 BGB das Erbe nach den Vorschriften der §§ 1942 ff. BGB aus, mit der Folge, dass die Erbschaft nach § 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt anzusehen ist und damit die transmortale Vollmacht wirksam wird.
 
IV. Fazit
Ein sehr interessanter Fall, der Fragen des Sachen- und Grundbuchrechts mit Problemen der Stellvertretung und des Erbrechts verbindet. Auf den ersten Blick wirkt es irritierend, dass die Erbschaft einerseits als wirksam behandelt wird (hinsichtlich des Wegfalls der Vollmacht) andererseits aber nicht ausreicht um die Eintragung ins Grundbuch fordern zu können. Die gesetzlichen Regelungen sind aber insofern eindeutig, sodass ein abweichendes Ergebnis nur mit sehr guter Begründung vertretbar wäre und in der Klausur keinesfalls zu empfehlen ist.
Dennoch würde sich der Fall für eine Klausur sehr gut eignen, da er lediglich eine saubere Subsumtion unter die gesetzlichen Regelungen fordert.
 

10.04.2013/4 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-04-10 16:29:172013-04-10 16:29:17OLG Hamm: Erlöschen einer transmortalen Vollmacht bei Alleinerbe
Dr. Christoph Werkmeister

Referendarexamensklausur: Schokoladendieb und Scheinerbe

Erbrecht, Fallbearbeitung und Methodik, Schuldrecht, Verschiedenes, Zivilrecht


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Schokoladendieb und Scheinerbe” von Dr. Arndt Kiehnle

ist eine Übungsklausur samt Musterlösung, wobei der Fall vom Anspruch her dem Schwierigkeitsgrad des ersten juristischen Staatsexamens entspricht. In thematischer Hinsicht werden u.a. examensrelevante Problemkreise des Schuld- und Erbrechts aufgegriffen.
Den Beitrag findet ihr hier.

05.09.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-09-05 19:00:122012-09-05 19:00:12Referendarexamensklausur: Schokoladendieb und Scheinerbe
Tom Stiebert

Wem gehört der „Schatz“ im Kachelofen?

Sachenrecht, Schon gelesen?, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht

Durch die Medien geisterte in der letzten Woche ein Urteil des LG Düsseldorf (15 O 103/11) über einen „Schatzfund“ im Kachelofen, das sich sehr gut für eine mündliche Prüfung eignet.
Was war passiert ? (Sachverhalt vereinfacht und leicht abgeändert)
Eine vermögende ältere Frau versteckte zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt in dem Kachelofen ihres Eigenheims DM-Scheine im Wert von 307.000 DM. Nach ihrem Tod im Jahr 1993 wurde ihre Stiftung Alleinerbin der Verstorbenen. Allerdings erwarb wenig später der B das Gebäude. Bei Umbauarbeiten im Jahr 2010 wurden die Geldscheine entdeckt. Nun beansprucht der B das Eigentum an den Geldscheinen.
Lösung
Da es sich hier um eine typische sachenrechtliche Konstellation handelt, ist zu prüfen, ob und wie der B Eigentum erwerben konnte.
Erwerb nach § 984 BGB
Zentrale vom LG Düsseldorf geprüfte Norm war ein Eigentumserwerb nach § 984 BGB. Dieser Tatbestand fordert aber dass eine Sache so lange verborgen war, dass sich der Eigentümer nicht mehr ermitteln lässt. Sie greift also nur, wenn ein Eigentümer nicht mehr feststellbar ist. Im konkreten Fall sprachen aber alle Umstände dafür, dass die 1993 verstorbene Frau die Scheine im Ofen versteckt hatte. Insbesondere weil sie kurze Zeit vor ihrem Tod noch bemerkte: „Es gibt Menschen, die Geld im Kamin verstecken.“ Außerdem war sie in der relevanten Zeit die einzige Bewohnerin des Hauses. Es gilt damit als sicher, dass sie das Geld im Kamin versteckt hatte.
Damit war sie ursprünglich Eigentümerin. Dieses Eigentum ging mit dem Erbfall auf die Stiftung als Erben über (§ 1922 BGB). Eine Besitzergreifung, wie beim Eigentumsübergang nach §§ 929 ff BGB, ist hier gerade nicht nötig. Auch die mangelnde Kenntnis des Erben vom Versteck im Ofen ist damit unerheblich.
Ein Eigentumserwerb nach § 984 BGB scheidet damit aus.
 
Erwerb durch Eigentumserwerb an Gebäude
B könnte allerdings durch den Erwerb des Gebäudes von den Erben Eigentum an dem Geld im Ofen erlangt haben. Grundsätzlich hat er nach § 94 BGB auch an dem Kachelofen Eigentum erlangt. Allerdings ist das Geld nicht als wesentlicher Bestandteil hiervon anzusehen. Es konnte unproblematisch entfernt werden. Ein Eigentumserwerb an dem Geld durch Eigentumserwerb des Hauses scheidet damit aus.
 
Eigentumserwerb nach § 937 BGB
Hier könnte allerdings ein Eigentumserwerb nach § 937 BGB (Ersitzung) vorliegen. Unabhängig von der Frage nach der Bösgläubigkeit müsste der B die Geldscheine mehr als zehn Jahre im Eigenbesitz gehabt haben. Problematisch ist, dass er hier zwar das Haus im Eigenbesitz hatte, von den Scheinen im Ofen allerdings jede Kenntnis fehlte. Fraglich ist damit, ob er hieran Eigenbesitz hatte. Besitzer ist gem. § 854 I, wer die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt. Grundsätzlich wird Besitz an einer Sache durch den Erwerb der tatsächlichen Sachherrschaft begründet (§ 854 Abs. 1 BGB). Hierzu ist nach h.M. ein Besitzbegründungswille erforderlich. Denn eine Herrschaft ohne einen auf sie gerichteten Willen ist nicht denkbar. Hier hatte B grundsätzlich die Möglichkeit nach Belieben mit dem Geld zu verfahren, nur er hatte die Zugriffsmöglichkeit. Allerdings hatte er keinen konkreten Willen zur Besitzbegründung an den Geldscheinen, schließlich hatte er diesbezüglich keine Kenntnis. Folglich ist grundsätzlich ein Besitz des B mangels Besitzbegründungswillens zu verneinen. (Dies auch gerade der Unterschied zum Erbe, der auch ohne einen solchen Willen Eigentümer wird.)
Allerdings könnte man hier noch an einen generellen Besitzwillen bezüglich aller Dinge im Haus denken, handelt es sich hier doch um den persönlichen Bereich des B. Es muss nicht erwartet werden, dass man einen konkreten, auf alle Gegenstände gerichteten Willen hat. Hier ist ein solcher genereller Besitzbegründungswille an allen Gegenständen im Gebäude zu bejahen. Fraglich ist aber, ob dies ausreichend ist. Nach herrschender Ansicht (BGH NJW 87, 2812) bedarf dieser zumindest einer minimalen Manifestation (bspw. Briefkasten, Fundstelle in Kaufhäusern, Sammelbüchse etc.) denn ansonsten wäre ein genereller Wille reine Fiktion. Eine andere Ansicht bejaht hingegen ein Einfügen in die Herrschaftssphäre als ausreichende Manifestation (OLG Celle NJW 92, 2576).
Bessere Gründe sprechen m.E. für die erste Ansicht, verkommt der Besitzbegründungswille doch sonst zur reinen Symbolik und wird seiner zentralen Bedeutung beraubt. Etwas zu besitzen, wovon man keinerlei Kenntnis hat, widerspricht den zentralen Voraussetzungen, denn dann ist die Möglichkeit der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft nicht gegeben.
Damit scheidet mangels Besitzes auch ein Eigentumserwerb nach § 937 BGB aus. B hat damit kein Eigentum an den Geldscheinen.
 
Finderlohn nach § 971 BGB
Fraglich ist, ob B zumindest einen Anspruch auf Finderlohn hat. Dies erfordert, dass die Geldscheine besitzlos, aber nicht herrenlos waren (Palandt/Bassenge, Vorbem. § 965 Rn. 1). Jedenfalls war die Stiftung als Erbe Eigentümer (s.o.), sodass die Scheine nicht herrenlos waren. Die Stiftung dürfte aber auch nicht Besitzer gewesen sein. Hier hatte sie auch keine Kenntnis vom Versteck, mithin keinen Besitz. Allerdings greift die Besonderheit des § 857 BGB – der Besitz des Erblassers geht auf den Erben über. Dies würde dazu führen, dass auch kein Anspruch auf Finderlohn bestünde.
Fraglich ist, ob dieses Ergebnis aufrechterhalten werden kann. Zweck des § 857 BGB ist es insbesondere den Erben weiterhin den Schutz des § 935 BGB zuzugestehen. Im konkreten Fall stellt sich die Situation hingegen so dar, dass die fehlende Kenntnis von dem Versteck dem Verlust einer Sache gleicht, bei dem stets ein Fund bejaht werden muss. Es bestehen damit gute teleologische Gründe, den § 857 BGB so zu reduzieren, dass er nicht bei einem Fund greift. Damit sind die Geldscheinde hier trotz § 857 BGB als besitzlos i.S.d. §§ 965 ff BGB anzusehen. B hätte damit einen Finderlohnanspruch (a.A. gut vertretbar).
 
Fazit
Es zeigt sich damit, dass sich durch kleinere Modifikationen aus einem vermeintlich leichten Fall eine dogmatisch schwierige Konstellation entwickeln lässt, die für eine mündliche Prüfung perfekt geeignet ist.
Bei der hier vorgeschlagenen Lösung handelt es sich um kein Muster, jede andere gut begründete Ansicht kann auch vertreten werden und würde in einer mdl. Prüfung auch honoriert.

02.08.2012/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-08-02 16:24:132012-08-02 16:24:13Wem gehört der „Schatz“ im Kachelofen?
Christian Muders

OLG Hamburg: Zur Strafbarkeit der Entnahme von Zahngold nach Einäscherung eines Verstorbenen

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht BT

Anm. zu OLG Hamburg, Beschluss v. 19.12.2011 – 2 Ws 123/11 = NJW 2012, 1601 ff.
1. Um was geht es?
Der B war dringend verdächtigt, in der Zeit vom 1.1.2006 bis zum 29.7.2010 als Mitarbeiter eines Krematoriums in Hamburg die nach Verbrennung der Leichen verbliebene Asche gezielt nach Edelmetallen, insbesondere Zahngold, durchsucht und diese Gegenstände in unbeobachteten Momenten eingesteckt zu haben, um sie später zu veräußern. Insgesamt soll er aus dieser Veräußerung 178.377,89 Euro erlöst haben. In einer Verfügung der Geschäftsführung des Krematoriums vom 9.2.2005 wurde festgestellt, dass das mit der Übernahme eines Verstorbenen begründete Gewahrsamsverhältnis auch nach der Einäscherung fortbestehe. Dies gelte insbesondere auch im Bezug auf  das von den Verschiedenen getrennte Zahngold, Schmuckreste und Körperersatzstücke, die nach dieser Verfügung in das Eigentum des Betreibers der Einrichtung übergehen sollten. Der Betreiber waren bis zum 31.12.2009  die Hamburger Friedhöfe – Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR). Ab dem 1.1.2010 wurde das Krematorium dann durch eine GmbH geführt, deren alleinige Anteilsinhaberin aber die Hamburger Friedhöfe AöR blieb. Das AG Hamburg hat auf Antrag der StA den dinglichen Arrest (§§ 111b Abs. 2 und 5, 111d Abs. 1 S. 1, 111e Abs. 1 S. 1 StPO) in Höhe des durch den B höchstwahrscheinlich aufgrund der Veräußerungen erlangten Betrages angeordnet. Es hat dabei angenommen, dass der B dringend verdächtigt sei, wegen der genannten Handlungen eine Vielzahl selbständiger Diebstähle in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit Verwahrungsbruch begangen zu haben. Die hiergegen von B eingelegte Beschwerde hat das LG Hamburg verworfen. Das OLG Hamburg hatte nun über die weitere Beschwerde zu entscheiden.
2. Was sagt das OLG?
Das Gericht hat den dinglichen Arrest des AG Hamburg im Wesentlichen bestätigt. Materiellrechtlich hat es dabei drei Tatbestände untersucht:
a) Zunächst hat das OLG Hamburg einen vollendeten Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB geprüft, aber bereits deswegen abgelehnt, da es an einem tauglichen Tatobjekt fehle.
aa) Dabei hat es dem Zahngold, welches in den Überresten der Verstorbenen zu finden war, allerdings durchaus Sachqualität zuerkannt:

Dem menschlichen Leichnam und den mit ihm fest verbundenen Teilen wird nach heute herrschender Meinung Sachqualität zuerkannt. (…) Die mit dem Leichnam fest verbundenen künstlichen Körperteile des Zahngolds, die in Form und Funktion defekte Körperteile ersetzen, so genannte Substitutiv-Implantate, (…) gehören zur Leiche und teilen während der Verbindung deren Schicksal. (…)

bb) Sodann aber verneint das Gericht die Fremdheit des Zahngoldes: Fremd i.S.d. Diebstahls ist eine Sache bekanntlich dann, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht und nicht herrenlos ist. Das OLG nimmt vorliegend eine Herrenlosigkeit des Zahngoldes an. Es prüft dabei die Frage der Eigentumsverhältnisse an dem Zahngold schulmäßig chronologisch nach der zeitlichen Abfolge der Geschehnisse und fragt zunächst, ob nicht die Erben der Verstorbenen mit dem Erbfall Eigentum am Zahngold gem. § 1922 BGB erlangt haben, was es aber i.E. verneint:

 Die Erben des Verstorbenen werden nicht im Wege der Universalsukzession nach § 1922 BGB Eigentümer, denn die Leiche ist nicht Bestandteil des Vermögens (RGSt 64, 315). Die Gegenansicht (…) vermag nicht zu überzeugen, da der menschliche Körper erst durch den Tod zur Sache wird, vor dem Tod mithin noch kein Eigentum bestanden hat, das im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB auf den Erben hätte übergehen können. (…)

Sodann prüft das Gericht weiter, ob aufgrund der Geschäftsführungsverfügung der Hamburger Friedhöfe AöR vom 9.2.2005, wonach insbesondere Zahngold und Schmuckreste der Verstorbenen Eigentum des Betreibers werden, eine Aneignung der herrenlosen Sachen durch den jeweiligen Betreiber des Krematoriums nach § 958 Abs. 1 BGB erfolgt ist. Es verwirft jedoch diese Möglichkeit und zwar unter Hinweis auf § 958 Abs. 2 BGB, wonach Eigentum dann nicht durch Aneignung erworben wird, wenn die Aneignung gesetzlich verboten ist oder wenn durch die Besitzergreifung das Aneignungsrecht eines anderen verletzt wird. Das OLG nimmt hierbei das Vorliegen der zweiten Alternative an, da es den Erben des Verstorbenen bzw. den nahen Angehörigen ein solch vorrangiges Aneignungsrecht zubilligt, auf welches diese auch nicht durch Ablieferung der Leiche bei dem Hamburger Krematorium verzichtet hätten:

Ein konkludenter Verzicht dahingehend, dass die Hamburger Friedhöfe (…) das Verhalten der Hinterbliebenen nach den besonderen Umständen des Falls und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dahingehend verstehen konnten, diese hätten mit der Überlassung der Leiche (…) auf ihr Aneignungsrecht verzichtet, kann nicht angenommen werden. Die totensorgeberechtigten Angehörigen bzw. Erben haben durch die Übergabe des Leichnams an das Hamburger Krematorium zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Bestattung des Leichnams wünschten. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass sie (…) mit einer Ansichnahme durch Dritte stillschweigend einverstanden waren. Auf Nachfrage hätten die Hinterbliebenen vielmehr mit größter Wahrscheinlichkeit eine vollständige Bestattung gewünscht. (…)

b) Nach der Ablehnung eines vollendeten Diebstahls nimmt das OLG jedoch sodann einen versuchten Diebstahl des B an: Es begründet dies mit der veröffentlichten Verfügung der Geschäftsführung der Hamburger Friedhöfe, die dem Täter bekannt war, so dass er von einem Eigentumserwerb der AöR (später der GmbH) und damit einem tauglichen, nämlich fremden Tatobjekt ausgehen musste, das er mit Entfernung aus dem Krematorium auch in Zueignungsabsicht weggenommen hat. Die versuchten Diebstähle versieht das OLG dabei mit dem verschärften Strafrahmen des § 243 Abs. 1 S. 1 StGB (Diebstahl in einem besonders schweren Fall), da es aufgrund der fortdauernden Taten und des erlösten hohen Betrages das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB (Gewerbsmäßigkeit) als höchstwahrscheinlich erfüllt ansieht.
c) Sodann prüft das OLG Hamburg den Tatbestand eines (vollendeten) Verwahrungsbruchs gem. § 133 StGB. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift macht sich u.a. derjenige strafbar, der bewegliche Sachen, die sich in dienstlicher Verwahrung befinden oder ihm oder einem anderen dienstlich in Verwahrung gegeben worden sind, der dienstlichen Verfügung entzieht.
aa) Hierbei stellt das Gericht zunächst fest, dass während des gesamten Tatzeitraums vom 1.1.2006 bis zum 29.7.2010 das Krematorium von einer Dienststelle i.S.d. § 133 Abs. 1 StGB betrieben wurde: Dies gelte zunächst für die Hamburger Friedhöfe AöR, welche die öffentliche Aufgabe der Feuerbestattung bis zum 31.12.2009 übernommen habe, aber auch für den nach diesem Zeitpunkt erfolgten Betrieb über die Hamburger Krematorium-GmbH; diese sei nämlich als Beliehene einzustufen:

Eine durch den Staat verliehene hoheitliche Kompetenz zur dienstlichen Ingewahrsamnahme kommt (…) auch den Beliehenen zu. Beliehene sind privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger, die auf Grund eines Gesetzes öffentliche Aufgaben in eigenem Namen wahrnehmen. § 2 Abs. 5 S. 1 HbgFriedhofsG bestimmt, dass die Hambürger Friedhöfe – Anstalt des öffentlichen Rechts – zur Erfüllung ihrer Aufgaben unter anderem weitere Unternehmen gründen kann. Die Anstalt hat damit aufgrund Gesetzes die öffentliche Aufgabe der Feuerbestattung auf die Hamburger Krematorium-GmbH als Beliehene übertragen.

bb) Im Anschluss stellt das OLG dann fest, dass sich das kremierte Gold auch noch z.Zt. der Entziehung des Zahngoldes, nämlich durch die Mitnahme des B nach erfolgter Verbrennung der Leichen, in dienstlicher Verwahrung befunden habe: Diese dauere nämlich so lange fort, bis der Zweck der Verwahrung erfüllt sei. Der vorliegende Bestattungsauftrag sei aber erst mit der Beförderung der in der Urne befindlichen Asche zur Beisetzung auf einen Friedhof sowie der verfügungsgemäßen Aussonderung der sonstigen Verbrennungsrückstände in die dafür vorgesehenen Sammelbehältnisse erledigt. Hierzu verweist das Gericht nochmals auf die Geschäftsführungs-Verfügung vom 9.2.2005, wonach ausdrücklich das entstandene (dienstliche) Gewahrsamsverhältnis an den Verstorbenen nach der Einäscherung fortbesteht.
d) Zuletzt prüft das Gericht noch, ob der Tatbestand der Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) erfüllt ist. Danach macht sich u.a. strafbar, wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt. Das Gericht sieht dabei die letzte Variante (Asche eines Verstorbenen) als erfüllt an und setzt sich intensiv mit der Frage auseinander, ob das kremierte Zahngold unter den Begriff der „Asche“ fällt, was eine Gegenmeinung in Rspr. und Schrifttum verneint (OLG Nürnberg, NJW 2010, 2071 [2073]; MK-StGB/Hörnle, 2. Aufl. 2012, § 168 Rn. 11). Diese beruft sich dabei v.a. auf den Wortsinn des Begriffes der „Asche“, da hierunter allein ein „pulveriger staubartiger Verbrennungsrückstand“ zu verstehen sei. Gegenstände, die ein Feuer unbeschadet überstanden hätten, könnten danach nicht unter diesem Begriff subsumiert werden.
Das OLG weist demgegenüber darauf hin, dass letztgenannter Wortsinn zwar ein möglicher, aber nicht die einzig vorhandene Definition dieses Begriffes sei:

Nach einer Reihe von Wörterbüchern [wird mit Nachw. ausgeführt] sowie nach der Etymologie des Begriffs „einäschern“, der „in Asche legen, verbrennen“ bedeutet (…) und damit nach einem zumindest nicht unerheblichen Teil des allgemeinen sprachlichen Verständnisses umfasst der Begriff der Asche generell die bei einer Verbrennung verbleibenden Rückstände und damit alles, was von verbranntem Material übrig bleibt, so dass mit der Auslegung, dass auch kremiertes Gold unter den Aschebegriff des § 168 StGB zu fassen ist, nicht die äußerste Grenze des Wortsinns überschritten ist. Im Fall mehrerer gängiger Verständnisse eines Begriffs zieht der Bestimmtheitsgrundsatz dem Wortsinn nicht eine Grenze unter Ausschluss anderer auch im allgemeinen Sprachgebrauch vertretener Verständnisse.

Zusätzlich weist das OLG darauf hin, dass das Tatobjekt „Asche eines verstorbenen Menschen“ dem Tatobjekt „Körper eines verstorbenen Menschen“ gleichgestellt werden sollte – bei letzterem sei aber das in dem leblosen Körper enthaltene Zahngold unzweifelhaft von dem Tatbestand geschützt:

Nichts anderes ergibt die systematische Erwägung, dass bei einer Erdbestattung, bei der sich der Schutz des § 168 StGB hinsichtlich der Tatobjekte des Körpers oder seiner Teile ohne Weiteres auf die in den Körper eingefügten fremden Teile erstreckt (…), Zahngold nicht anders geschützt sein kann als bei einer Feuerbestattung.

3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
Der Beschluss des OLG Hamburg markiert den vorläufigen Schlusspunkt unter einen Problemkomplex, der im Laufe der letzten Jahre bereits zwei obergerichtliche Entscheidungen provoziert hat, plus zugehöriger Anmerkungen und Bspr. (vgl. OLG Bamberg, NJW 2008, 1543 ff m. Anm. Jahn, JuS 2008, 457 ff. und Bosch, JA 2008, 391 ff.; OLG Nürnberg, NJW 2010, 2071 ff. m. Anm. Kudlich, JA 2010, 226 ff.; zu beiden Entscheidungen außerdem Kudlich/Christensen, JR 2011, 146 ff.). Das erneute Aufgreifen der Thematik durch das OLG Hamburg führt dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit auch wieder zu einer verstärkten Examensrelevanz einschlägiger Sachverhalte.
a) Etwas ungewohnt für den Studenten mag dabei vorliegend zunächst die prozessuale Einkleidung der materiellen Rechtsfragen in die (wiederholte) Überprüfung der Anordnung eines dinglichen Arrestes sein: Nach § 111b Abs. 2, 5 StPO kann ein dinglicher Arrest gem. § 111d StPO dann verhängt werden, wenn entweder Gründe für die Annahme vorhanden sind, daß die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz bzw. der Einziehung von Wertersatz vorliegen, oder aber dem Verletzten ein Anspruch auf Rückgewähr oder Ersatz von aus der Tat erlangten Gegenständen entstanden ist (sog. Rückgewinnungshilfe). „Gründe“ meint hierbei zunächst einmal den einfachen Verdachtsgrad nach § 152 Abs. 2 StPO, solange nicht eine Frist von maximal zwölf Monaten ab Beginn der Maßnahme überschritten ist, was sich aus § 111b Abs. 3 StPO ergibt, wonach nach Ablauf dieser Frist in jedem Fall sogar „dringende Gründe“ vorliegen müssen (vgl. auch KK-StPO/Nack, 6. Aufl. 2008, § 111b Rn. 9). – Letzteres war vorliegend aber der Fall, da der ursprüngliche Arrestbeschluss des AG Hamburg bereits vom 3.11.2010 datierte. Für das Eingreifen des Verfalls bzw. den Verfall des Wertersatzes ist nach § 73 Abs. 1 StGB wiederum das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat entscheidend, worin das Einfallstor für die Überprüfung der materiellen Rechtslage liegt.
b) Insofern ist der Fall aus Prüfersicht v.a. deswegen interessant, weil er neben strafrechtlichen Problemen an bekannteren und unbekannteren Tatbeständen auch Abzweigungen in das Öffentliche Recht (namentlich bei der „Beliehenen“-Eigenschaft der Krematoriums-GmbH) und insbesondere in das Zivilrecht bietet: Bzgl. des letzteren Rechtsgebiets wird dem Prüfling ein Grundverständnis über die Folgen eines Erbfalls sowie ein sicherer Umgang mit der sachenrechtlich etwas exotischeren Problematik der Aneignung einer herrenlosen Sache nach den §§ 958 ff. BGB abverlangt. Dabei überzeugt vorliegend die Ansicht des OLG, wonach – entgegen einer Mindermeinung im Schrifttum (SK-StGB/Hoyer, § 242, Rn. 16) – eine Eigentümerstellung der Erben bzgl. des Zahngoldes ausscheidet: Da nur dasjenige vererbt wird, was vor dem Tod dem Vermögen des Erblassers angehörte, der Leichnam des Verstorbenen (gemeinsam mit dem Zahngold) aber erst mit dem Tod seine Sachqualität erhält, fällt das Zahngold gewissermaßen zu spät seiner ursprünglichen juristischen Natur als Rechtsobjekt anheim, um dem Vermögen des Erblassers zugeordnet werden zu können. Umso konsequenter ist es dann aber, dem Erben (bzw. den nächsten Angehörigen) quasi als Ausgleich (wenigstens) ein primäres Aneignungsrecht bzgl. der nach Trennung vom Leichnam aneignungsfähigen Sachen zuzubilligen, welches vorsorglich begründeten Aneignungsrechten Dritter – wie vorliegend der Hambuger Friedhöfe AöR – vorgeht, die damit über die Aneignungssperre des § 958 Abs. 2 BGB stolpern.
c) Dass das OLG nach Ablehnung eines vollendeten Diebstahls sodann unter Hinweis auf die Kenntnis des B von der Aneignungsklausel in der Krematoriumsverfügung einen versuchten Diebstahl annimmt, entspricht der h.M., die den Versuch als „umgekehrten Tatbestandsirrtum“ deutet: All diejenigen Umstände, die bei einer Unkenntnis des Täters (als negativem Irrtum) zu einem Ausschluss des Vorsatzes über § 16 Abs. 1 S. 1 StGB führen würden, führen bei einer entsprechenden (positiven) Fehlvorstellung zur Versuchsstrafbarkeit und nicht etwa zum straflosen Wahndelikt (sog. Umkehrprinzip; vgl. nur Kindhäuser, AT, 5. Aufl. 2011, § 30/26 ff. m.w.N., auch zur Gegenauffassung).
d) Bzgl. der Einordnung des kremierten Zahngoldes als „Asche“ kann die Argumentation des OLG Hamburg ebenfalls überzeugen: Die Wortlautgrenze ist solange nicht erreicht, wie zumindest nach einem möglichen (und einigermaßen verbreiteten) Wortsinn die Goldreste als „Asche“ bezeichnet werden können. Die ergänzende Begründung des Gerichts, wonach es nicht einsichtig wäre, dass das Zahngold bei einer Feuerbestattung anders zu schützen sei als bei einer Erdbestattung, unterstützt dieses Wortlautergebnis noch unter systematischen und teleologischen Gesichtspunkten. Eine nicht ganz unbedenkliche Konsequenz ist freilich, dass der Täter, der – durchaus nachvollziehbar – den Begriff der Asche in dem engeren Sinne lediglich als „pulverigen staubartigen Verbrennungsrückstand“ versteht, keinem Tatbestandsirrtum gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB unterliegt, wenn er die Zahngoldrückstände mitnimmt, sondern sich nur in einem Subsumtionsirrtum befindet, der allein zur Anwendung des § 17 StGB führt.

21.06.2012/6 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-06-21 10:00:392012-06-21 10:00:39OLG Hamburg: Zur Strafbarkeit der Entnahme von Zahngold nach Einäscherung eines Verstorbenen
Tom Stiebert

BGH: Bestattung ohne Auftrag – Kostenübernahme durch GoA

Erbrecht, Familienrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Der BGH hat in der letzten Zeit zwei sehr examensrelevante Entscheidungen veröffentlicht (III ZR 53/11 und IV ZR 132/11), die sich mit der Frage beschäftigen, ob ein Bestattungsunternehmer, der eine Bestattung „ohne Auftrag“ durchführt, Ersatz der hiermit verbundenen Kosten verlangen kann (wir hatten hierüber bereits kurz berichtet). Diese Fragestellung eignet sich perfekt um Gegenstand einer juristischen Klausur zu sein. Bedeutsam ist sie zudem auch deshalb, weil die beiden Entscheidungen in der Begründung nicht vollständig übereinstimmen und damit eine eigenständige Argumentation umso wichtiger ist.
Aus diesem Grund wollen wir noch einmal einen ausführlichen Überblick über die Prüfung des Gerichts und die entsprechende Lösung geben. Wer sich hiermit noch weiter befassen möchte, dem sei der Beitrag in der aktuellen NJW (NJW 2012, 1630) empfohlen.
Sachverhaltsüberblick
Der Sachverhalt ist einfach und schnell erzählt:
Ein Bestattungsunternehmer führt eine Bestattung durch und trägt die entsprechenden Kosten selbst. Diese möchte er sodann von den nächsten Angehörigen erstattet bekommen. Die nächsten Angehörigen hatten sich aber nicht zur Bestattung bereiterklärt und schlagen auch das Erbe aus; sie wollten „mit der Sache nichts zu tun haben“.
Entscheidende Normen
Bevor wir die Lösung des BGH hier darstellen, wollen wir auf die entscheidenden bestattungsrechtlichen Normen hinweisen, die vermutlich kaum jemandem bekannt sein dürften und die bei einer Klausur wohl abgedruckt wären.

§ 1968 BGB
Der Erbe trägt die Kosten der Beerdigung des Erblassers.
Bestattungsgesetze de Länder (bspw. Schleswig-Holstein)
 
§ 13 Abs. 2 BestattG
Für die Bestattung haben die Hinterbliebenen oder eine von der verstorbenen Person zu Lebzeiten beauftragte Person oder Einrichtung zu sorgen (Bestattungspflichtige). Sind die in Satz 1 genannten Personen nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder kommen sie ihrer Pflicht nicht nach und veranlasst kein anderer die Bestattung, hat die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständige Gemeinde entsprechend §§ 239 und 238 des Landesverwaltungsgesetzes für die Bestattung zu sorgen.

Lösung des BGH
Zu prüfen ist, ob ein Anspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) nach §§ 670, 677, 679, 683 BGB besteht.
1. Sperre des § 1968 BGB?
Hier kann zunächst erst einmal kurz dargelegt werden, dass § 1968 BGB einem solchen Anspruch nicht entgegensteht – die Norm ist nicht abschließend. Der BGH legt dies kurz wie folgt dar:

§ 1968 BGB stellt keine abschließende Regelung für die Erstattung der Beerdigungskosten dar, wie § 1615 Abs. 2, § 844 Abs. 1 BGB, § 74 SGB XII oder § 75 Abs. 2 SeemG zeigen. Daher kann sich ein Anspruch auf Erstattung vorausgelegter Beerdigungskosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben (Bamberger/Roth/Lohmann, § 1968 Rn. 3; Soergel/Stein, § 1968 Rn. 4; Palandt/Weidlich, § 1968 Rn. 1; Erman/Schlüter, BGB 13. Aufl. § 1968 Rn. 4).

2. Fremdes Geschäft
Ein Anspruch nach GoA wäre dann zu bejahen, wenn der Bestattungsunternehmer ein fremdes Geschäft erfüllt.
3. Geschäftsherr
Derjenige, der in Anspruch genommen werden soll, müsste dabei als Geschäftsherr anzusehen sein. Fraglich ist, ob die Nachkommen hier als Geschäftsherren anzusehen sind. Dies wäre unproblematisch (schon aus § 1968 BGB) dann gegeben, wenn sie als Erbe anzusehen sind. Fraglich ist aber, ob sie auch dann dafür einstehen müssen, wenn sie das Erbe ausgeschlagen haben, also ob auch andere, als die Erben, als Geschäftsherren angesehen werden können.
Zentrale Frage ist also, wer das Recht (bzw. hier eher die Pflicht) hat, die Beerdigung vorzunehmen und wer somit die Totenfürsorge zu tragen hat.
a) § 1968 BGB bestimmt Geschäftsherrn nicht abschließend
§ 1968 BGB kann hier nicht alleinentscheidend sein – diese Norm beschreibt nur die finanzielle Ebene, nicht aber die Frage, wer für die Beerdigung selbst zuständig ist.

Dabei ist, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, als Geschäftsherr nicht derjenige anzusehen, der letztlich die Beerdigungskosten zu tragen hat – also im Regelfall der Erbe (§ 1968 BGB) oder auch eine unterhaltspflichtige Person (§ 1615 Abs. 2 BGB) – sondern derjenige, dem es obliegt für die Bestattung des Verstorbenen zu sorgen.
Die vom Berufungsgericht für die Bestimmung des Geschäftsherrn für maßgeblich erachteten Vorschriften, insbesondere § 1968 BGB, befassen sich nur mit der Frage, wer die Kosten der Beerdigung zu tragen hat. Dazu, wer das Recht und gegebenenfalls die Pflicht hat, die Beerdigung vorzunehmen (Totenfürsorge), verhalten sie sich nicht.

Dies findet auch in der zweiten BGH-Entscheidung Bestätigung:

Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des § 1968 BGB kann hergeleitet werden, dass dieser Ansprüche gegen weitere Verpflichtete als den Erben aus einem anderen Rechtsgrund von vornherein ausschließt. Insbesondere wird durch die Zubilligung eines Anspruchs auf Ersatz der Beerdigungskosten gegen den Totenfürsorgeberechtigten über die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag die Wertung des § 1968 BGB nicht umgangen.

b) Öfft.-recht. Bestattungsgesetze als entscheidende Norm
aa) Dritter Senat
Fraglich ist dann aber, woraus sich – abweichend von § 1968 BGB – ergibt, wer Geschäftsherr ist. Fraglich ist hier, ob nicht auf die Bestattungsgesetze der Länder zurückgegriffen werden kann um den Totenfürsorgeberechtigten und -verpflichteten zu bestimmen. Diese stellen gerade nicht auf den Status des Erben ab.
Der Dritte Senat des BGH bejaht eine Verpflichtung der nächsten Angehörigen aus den öffentlich-rechtlichen Bestattungsgesetzen. Er legt dazu dar:

Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BestattG Schl-H. haben die Hinterbliebenen oder eine von der verstorbenen Person zu Lebzeiten beauftragte Person oder Einrichtung (Bestattungspflichtige) für die Bestattung zu sorgen. […]

Die (öffentlich-rechtliche) Bestattungspflicht des Ehegatten besteht nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift auch dann, wenn die Familienverhältnisse zerrüttet sind. Selbst wenn die Ehegatten getrennt leben und – wie von der Beklagten behauptet – ein Scheidungsverfahren anhängig ist, kommt die Bestattungspflicht nicht in Wegfall; sie erlischt erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils (vgl. OVG Münster, Urteil vom 30. Juli 2009 – 19 A 448/07, juris, Rn. 37 zu § 8 BestattG NW).

Dies wird aber eingeschränkt:

Inwieweit diesem Recht eine (bürgerlich-rechtliche) Rechtspflicht zur Ausübung des Totenfürsorgerechts entspricht und wie diese Pflicht im Näheren ausgestaltet ist (Kreis der zu den nächsten Angehörigen zählenden Personen; Rangfolge ihrer Verpflichtung) oder ob es sich bei der Bestattungspflicht von vornherein nur um eine – in den Bestattungsgesetzen der Länder geregelte – öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt […], kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls dann, wenn sich – wie hier – keine Person, die als Totenfürsorgeberechtigte in Betracht kommt, dazu bereiterklärt die Bestattung vorzunehmen und deshalb ein Einschreiten der zuständigen Ordnungsbehörde zu gewärtigen ist, liegt es nahe, die Person des Bestattungspflichtigen nach Maßgabe der öffentlich-rechtlichen (Landes-)Bestattungsgesetze zu bestimmen, die ihrerseits – wie vorliegend § 13 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Nr. 12 BestattG Schl.-H. (vgl. dazu auch die Begründung zum Entwurf eines Bestattungsgesetzes in Schleswig-Holstein, LT-Drucks. 15/3561, S. 32) – die Bestattungspflicht und die Reihenfolge der in Betracht kommenden Verpflichteten unter besonderer Berücksichtigung verwandtschaftlicher oder familiärer Beziehungen regeln.

Eine Pflicht zur Totenfürsorge und damit zum Ersatz nach GoA liegt nach Ansicht des dritten Senats also zumindest dann vor, wenn sich überhaupt niemand bereitgefunden hat die Totenfürsorge zu erfüllen.
Der Bejahung der GoA steht auch nicht entgegen, dass die Gemeinde ggf. eine öffentlich-rechtliche Pflicht hat die Beerdigung durchzuführen.

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass auch öffentlich-rechtliche Pflichten eine Haftung als Geschäftsherr auslösen können (so schon Urteil vom 15. Dezember 1954 – II ZR 277/53, BGHZ 16, 12, 15 f). […] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trifft es jedoch nicht zu, dass es dann, wenn die von Gesetzes wegen Bestattungspflichtigen die Beerdigung eines Verstorbenen nicht vornehmen, allein Sache der für den Sterbe- und Auffindungsort zuständigen Gemeinde ist im Wege der Ersatzvornahme die Bestattung zu veranlassen. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG Schl.-H. hat die Gemeinde, wenn Bestattungspflichtige nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln sind oder ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen, erst und nur dann für die Beerdigung zu sorgen, wenn auch kein anderer die Bestattung veranlasst. Angesichts der Subsidiarität der gemeindlichen Verpflichtung (vgl. LT-Drucks. 15/3561 S. 47), wonach das Tätigwerden eines jeden Dritten – gleichgültig aus welchen Beweggründen und mit welchem (vermeintlichen oder tatsächlich vorliegenden) Rechtsgrund – die Gemeinde entlastet, hat sich der Kläger durch sein „eigenmächtiges“ Handeln keineswegs behördliche Kompetenzen angemaßt, sondern lediglich bewirkt, dass sich ein behördliches Einschreiten erübrigt hat.

Es genügt hier also, dass der Beerdigungsunternehmer als Dritter gehandelt hat, um die Subsidiarität auszuschließen.
bb) Vierter Senat: Kritische Betrachtung
Weitaus weniger eindeutig wird dies vom Vierten Senat gesehen. Hier wird ein Bezug zu den öffentlich-rechtl. Vorschriften verneint, bezögen diese sich doch nur auf den Bereich der Gefahrenabwehr und könnten damit hier nicht angeführt werden.

Der vom Berufungsgericht herangezogene Vergleich mit der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht überzeugt nicht. Diese ist unabhängig von zivilrechtlichen Verpflichtungen, der Erbenstellung oder dem Totenfürsorgerecht. Sie besteht vorrangig aus Gründen der Gefahrenabwehr. Kommen die nahen Angehörigen der Beerdigungspflicht nicht nach, sind die Ordnungsbehörden veranlasst die Bestattung im Wege der Ersatzvornahme durchführen zu lassen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Gesundheitsgefahren, auszuschliessen (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1995, 283; OVG Lüneburg FamRZ 2004, 458). Entsprechend knüpfen die Bestattungsgesetze der Länder an die Angehörigeneigenschaft an und bestimmen, dass die zuständige Gemeinde die Bestattung zu veranlassen hat, wenn hierfür niemand sorgt. Ihr steht dann ein Erstattungsanspruch gegen die Angehörigen zu (vgl. etwa § 8 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 und 2 Niedersächsisches BestattG). Hiervon unabhängig ist die privatrechtliche Verpflichtung der nächsten Angehörigen für die Beerdigung zu sorgen.

c) Aber: Totenfürsorgepflicht qua Wille des Erblassers?
Vom Vierten Senat wird weniger auf die öffentl.-rechtl. Normen als auf den Willen des Erblassers abgestellt.

Vielmehr ist für das privatrechtliche Totenfürsorgerecht zunächst der Wille des Erblassers maßgebend. Dieser kann nicht nur die Art und Weise seiner Beerdigung, sondern auch diejenige Person, die er mit der Wahrnehmung dieser Belange betraut, bestimmen, selbst wenn sie nicht unmittelbar zum Kreis der sonst berufenen Angehörigen zählt. Bei der Ermittlung des für die Wahrnehmung der Totenfürsorge maßgebenden Willens des Verstorbenen kommt es nicht nur auf dessen ausdrückliche Willensbekundungen, etwa in einer letztwilligen Verfügung, an. Es genügt, wenn der Wille aus den Umständen mit Sicherheit geschlossen werden kann.

Eine Pflicht kann hieraus allerdings nicht geschlussfolgert werden. Zwar mag es richtig sein auf den Willen des Verstorbenen zurückzugreifen und damit dem von ihm Bestimmten ein Totenfürsorgerecht zuzubilligen; eine Pflicht ist damit allerdings nur dann verbunden, wenn dieser hierin eingewilligt hat. Ansonsten könnte er willkürlich belastet werden.
d. Zwischenergebnis
Besser ist es, mit dem dritten Senat auf die Bestattungsgesetze der Länder zurückzugreifen. Dies führt dann auch zu einem klaren Ergebnis. Der Geschäftsherr muss sich damit hieraus ergeben.
4. Fremdgeschäftsführungswille
Der Fremdgeschäftsführungswille wird vom BGH durch das Vorliegen eines (ausschließlich) fremden Geschäfts vermutet.
5. Entgegenstehender Wille des Geschäftsherren
Unerheblich ist auch, wenn der Geschäftsherr nicht möchte, dass der Geschäftsführer das Geschäft erfüllt. Der BGH wendet insofern § 679 BGB an, weil ein öffentliches Interesse an einer schnellen Beerdigung besteht.

Der der Geschäftsführung des Klägers entgegenstehende Wille der Beklagten ist gemäß § 679 BGB unbeachtlich, da an der alsbaldigen, innerhalb der gesetzlichen Bestattungsfrist von neun Tagen nach Todeseintritt (§ 16 BestattG Schl.-H.) erfolgenden Beerdigung des Verstorbenen ein dringendes öffentliches Interesse bestand. Dabei stellt die vorliegende Fallgestaltung nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers geradezu den Schulfall für die Anwendung des § 679 BGB dar.

6. Folge: Ersatzansprüche
Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen eines Ersatzanspruchs erfüllt. Zu ersetzen sind nicht nur die Kosten für die Beerdigung als solche, sondern auch die aufgewendete Arbeitsleistung, schließlich erbringt der Beerdigungsunternehmer diese im Rahmen seines Gewerbes. Beschränkt ist der Ersatz allerdings der Höhe nach auf eine einfache Bestattung (sog. Sozialbestattung).
Fazit
Ein sehr interessanter Fall, an dem sich sehr gut wichtige Fragen der GoA abprüfen lassen und der damit in keiner Examensvorbereitung fehlen sollte.
Allgemein zur GoA – die im Examen sehr gern geprüft wird – werden wir in den nächsten Tagen noch einen Beitrag zu zentralen Problemen veröffentlichen.
 
 
 
 

05.06.2012/3 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-06-05 12:41:332012-06-05 12:41:33BGH: Bestattung ohne Auftrag – Kostenübernahme durch GoA
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuell: Nachtrag zu einem Testament

Erbrecht, Rechtsprechung, Zivilrecht

Eine kürzlich ergangene Entscheidung des OLG Celle beschäftigte sich mit der Wirksamkeit von nachträglichen Verfügungen auf einem Testament (Urt. v. 22.09.2011, Az. 6 U 117/10). Das OLG entschied, dass ein Nachtrag zu einem Testament, den der Erblasser lediglich mit dem Kürzel „D.O.“ unterzeichnete, unwirksam ist. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es sich bei dem Kürzel „D.O“ nicht um die Initialen des Namens des Erblassers handele.
„Der/Die Obengenannte“
Im vom OLG Celle entschiedenen Fall hatte der Erblasser ein Testament eigenhändig verfasst. Unterhalb der Unterschrift wurde ein weiterer Satz hinzugefügt, wonach einem bestimmten Erben das „Konto“ des Erblassers zukommen sollte. Unterschrieben wurde diese Verfügung mit dem Kürzel „D.O“. Die Abkürzung sollte für „die/der Obengenannte“ stehen.
Verstoß gegen § 2247 Abs. 1 BGB
Das OLG Celle stellte fest, dass die letztgenannte Verfügung formunwirksam sei, da sie gegen § 2247 Abs. 1 BGB verstoße. Hiernach muss die letztwillige Verfügung „eigenhändig unterschrieben“ werden. Die Unterschrift solle den Vor- und Nachnamen des Erblassers enthalten. Eine Unterschrift in anderer Weise reiche dann aus, wenn an der Urheberschaft des Erblassers und an dessen Ernsthaftigkeit keinerlei Zweifel bestehen. Dies sie bei einem Kürzel mit der Bedeutung „die/der Obengenannte“ nicht erfüllt, da hiermit noch kein Hinweis auf die Urheberschaft des Erblassers gegeben sei. Eine solche Bezugnahme auf den o.g. Text erlaube für sich gesehen noch nicht die Identifikation des Erblassers.
Die Verfügung: „Mein Konto„
Im Übrigen sei erwähnt, dass das OLG Celle die hier infrage stehende Verfügung „mein Konto“ auch für zu unbestimmt hielt. Dies jedenfalls dann, wenn der Erblasser Inhaber von mehr als einem Konto ist. In solch einem Fall sei nicht erkennbar, welches der Konten gemeint sei.

30.09.2011/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-09-30 06:32:582011-09-30 06:32:58Aktuell: Nachtrag zu einem Testament

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