Strafrecht I (II) – Oktober 2012 – 1. Staatsexamen NRW, Mecklenburg-Vorpommern, (Berlin)
Vielen Dank für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls zu der im Oktober 2012 gelaufenen ersten Klausur im Strafrecht in NRW. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sowie Lösungsansätze sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle eurer Klausuren an examensreport@juraexamen.info
zu schicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
A, B und C verabreden sich den Pelzhandel des X zu überfallen. Zudem beschließen sie in Zukunft häufiger derartige Überfälle zu unternehmen, haben bzgl. dessen aber noch nichts Konkretes geplant.
A hat sich für den Überfall auf X bereits einen konkreten Tatplan ausgedacht. Er soll zusammen mit B und C zum Laden des X fahren. Sobald der X auftaucht, sollen B und C aus dem Fahrzeug springen, dem X einen Füller in den Rücken halten und ihn so dazu bringen, den Laden aufzuschließen. Anschließend soll X gefesselt werden und A soll mit dem Fahrzeug vor die Eingangstür des Ladens fahren, damit er zusammen mit B und C die Beute in den Transporter laden kann. Sodann wollen Sie sich aus dem Staub machen. Der gefesselte X werde dann eine Viertelstunde später von einer Ladenangestellten gefunden und befreit werden, da die Angestellten für gewöhnlich etwas später als X den Laden betreten.
Am geplanten Tattag fahren A, B und C sodann zum Laden des X und warten in der Nähe der Eingangstür im Fahrzeug auf X. Als ein Passant auf die Eingangstür des Ladens zuläuft denkt B, der Passant wäre X. Mit den Worten „Jetzt gehts los“ springt er aus dem Fahrzeug, um den Tatplan umzusetzen. C, der erkannt hat, dass der Passant nicht X ist, läuft hinterher, hält B fest und klärt ihn im letzten Moment über seinen Irrtum auf.
A, B und C beschließen daraufhin, die Aktion für heute abzubrechen und da A die nächsten Tage keine Zeit hat, die Durchführung des Überfalls auf nächste Woche zu verschieben.
Am nächsten Tag wollen B und C den Überfall aber trotzdem und ohne A durchführen. Da sie noch jemanden brauchen, der das Fahrzeug fährt, wenden sie sich an den D. D erklärt sich bereit B und C zu unterstützen. Obwohl er von den Plänen des Trios weiß, auch zukünftig Überfälle zu begehen, möchte D nur bei diesem Überfall als Aushilfsfahrer dabei sein. Von B und C wird ihm eine Belohnung i.H.v.400€ angeboten. Als B, C und D vor dem Laden des X angekommen sind, erscheint dieser dann auch. B und C steigen aus dem Fahrzeug aus. B stellt sich hinter X und drückt ihm den Füllfederhalter in den Rücken. Zudem sagt er zu X: „Wenn du aufmuckst, dann mach ich dich kalt!“ X hält den Füller für eine Waffe und gehorcht. Er schließt den Laden auf. Sodann wird er von B und C an Händen und Füßen gefesselt. B und C beginnen Pelzmäntel und Jacken in das von D geführte Fahrzeug zu verladen. Als sie fertig sind, verlassen alle drei den Tatort. Sie lassen X gefesselt zurück. Wie vermutet, wird X kurze Zeit später von einer Ladenangestellten gefunden und befreit.
Als A am nächsten Tag von dem Coup in der Zeitung liest, ist er sauer, dass „sein Plan“ ohne ihn durchgeführt wurde. Er ruft erbost B und C an und verlangt Beuteteilung. Diese erklären sich damit einverstanden. Kurz bevor B und C dem A vor seiner Wohnung einen Teil der Beute aushändigen können, werden alle von der Polizei festgenommen.
Aufgaben
Prüfen Sie die Strafbarkeit der Beteiligten. Nicht zu prüfen sind dabei §§ 239a/b, 241, 244, 244a ,260, 261 StGB. Alle erforderlichen Strafanträge sind gestellt.
In Berlin war das Klausur SII; es gab allerdings einige Unterschiede in Sachverhalt und Bearbeitervermerk.
I. A kannte den X flüchtig und wollte daher im Hof des Geschäfts warten und bei der Sicherung der Beute helfen.
II. Auch wollten A, B und C im Erfolgsfall gemeinsam weitere Straftaten begehen, haben diese aber noch nicht konkretisiert.
III. Davon weiß der D indes nichts, er wird als „Aushilfsfahrer“ engagiert.
IV. Die € 400 soll es nur im Erfolgsfall geben.
V. Wie auch im 1. Handlungsabschnitt, wollen B und C den X gemeinsam überwältigen.
VI. B sagt dabei: „Nicht umdrehen! Schließ‘ die Tür auf, oder es knallt!“
VII. X wird nach zehn Minuten gefunden; im Tatplan war dies allerdings nicht berücksichtigt.
VIII. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Polizei vom Geschehen durch eine rechtmäßuge Telefonüberwachung erfahren hat.
IX. Im Bearbeitervermerk waren lediglich die §§ 244, 261 ausgeschlossen.
In Berlin und Brandenburg waren nur § 244a und § 261 ausgenommen.
Wie wurde gelöst?
Ich würde grob sagen:
1. TK
B wegen §§ 249/253, 23 vers.Raub o. vers. räub. Erpressung
Bande wohl zu bejahen, auch ohne konkret geplante Folgetaten.
P: Abgrenzung 249/253
P: unmittelbares Ansetzen
P: „Scheinwaffe“
P: wenn § 253 Unmittelbarkeit des Vermögensschadens bzw. schadensgleiche Vermögensverfügung
A und C u.U. ebenfalls §§ 249/253, 25
Einzeltheorie, d.h. Ansetzen durch B reicht.
P: error in persona des B beachtlich für A und C?
ohnehin Rücktritt.
P: Reicht der Beitrag des A für § 25? „Minus“ in der Ausführung durch „Plus“ im Vorfeld ausgeglichen?
2. TK
B und C wegen vollendetem Raub/räub. Erpressung §§ 249/253, 25 mit 250
P: Bandentat, wenn D nur Gehilfenbeiträge erbringt und B fehlt?
§§ 240, 25
u.U. § 239
u.U. § 221
D entweder MIttäter oder (eher) Gehilfe der Tat
P: Bandentat als persönliches Merkmal i.S.v. § 28 II StGB?
A jedenfalls nicht Mittäter, da kein fortbestehender gemeinsamer Tatentschluss!
A als Gehilfe wegen erbrachter Planungsleistung?
P: Rücktritt § 24 II analog bei vollbrachter Vorbereitungshandlung? (-)
§ 138 (-), da „nemo tenetur“ (bzgl. der eigens geplanten Tat und mangelndem Vorsatz (hins. der Tatausführung mit D).
§ 259, 23 wegen versuchtem „Sich verschaffen“?
P: Kann der Gehilfe an der Vortat Täter einer Hehlerei sein?
Bitte um Ergänzungen 🙂
Ich denke „ohnehin Rücktritt“ kann man nicht sagen, hier war vielmehr das Problem zu diskutieren,ob die vorläufige Abstandnahme für einen Rücktritt ausreichend ist oder ob nach Sinn und Zweck( Honorierung der Rückkehr in die Legalität) hier der Rücktritt zu verneinen ist.
Inhaltlich fand ich die Klausur ok, vom Umfang wars aber arg viel.
Ich hatte Probleme damit, die 2 tathandlungen: 1. Bedrohen um rein zu kommen und 2. fesseln, um ungestört die beute abzutransportieren sauber getrennt abzuhandeln. Habs dann weil ich mir nicht anders zu helfen wusste nach Meinungsstreit alles unter 249 gepackt. Ansonsten noch geprüft, ob Versuch fehlgeschlagen oder nicht mit den entsprechend dazu vertretenen Theorien. den rest wie klaus 🙂
Wurde im 1. TK überhaupt unmittelbar zur Tat angesetzt? Hab das Gefühl, dass das ne Falle war, da die ansonsten in 5 Stunden meiner Meinung nicht machbar war!
Ich habe in Berlin geschrieben,wo der SV ja ein bisschen anders vorlag. Aber mal eine Frage ich hab nur einen Raub angenommen… wie habt ihr den die Abgrenzung vorgenommen also 253, 249 stgb ?
ich hab auch in Berlin geschrieben und habe diese Abgrenzung einfach bei der Wegnahme des Tatbestandes § 249 gebracht. Denn wenn es sich bei dem Aufschließen der Tür um eine erforderlich Mitwirkung des Opfers gehandelt hätte, dann hätte eine Erpressung vorliegen können. Hier aber keine erforderliche Mitwirkung angenommen.
Ok alles klar. Ich hab das nicht angesprochen, weil das für mich offensichtlich war, habs somit einfach als Raub angesehen..aber deine Variante ist besser 🙂
aber ich hätte auch noch das Problem gesehen, dass nach dem äußerlichen Erscheinungsbild es ja in jedem Fall ein Raub gewesen ist, aber nach der inneren Willensrichtung, wäre es doch in jedem Fall nicht freiwillig, da die Wegnahme ja nach der Fesselung erfolgte. Also ist das öffnen der Tür nicht eh zu weit weg von der Handlung mit Vermögensbezug ?
Ich habe zwar in Berlin geschrieben,wo der SV ein bisschen anders war aber habe dennoch eine Frage. Ich habe lediglich einen Raub geprüft und wollte fragen ,wie ihr die Abgrenzung von 253 und 249 vorgenommen habt ?
Wie kommt ihr denn auf Gehilfenschaft des A im 2. TK? Der hatte doch gar keinen Vorsatz bezugl der vollzogenen Haupttat von B, C und D. Er wusste gar nichts von der Begehung. Dann kann er aber auch keinen Vorsatz diesbezüglich haben (?)
Und Wenn man bei D zu einer Gehilfenschaft kommt, dann stellt sich doch die Frage einer sukzessiven Beihilfe vs Begünstigung, da sein Beitrag des Wegfahrens nach dem Zeitpunkt der Vollendigung (spätestens mit Beladen und Schließen des Wagens) statt fand. Dann hätte man mM nach diese Abgrenzung problematisieren müssen.
Mit dem unmittelbaren Ansetzen im ersten Komplex bin ich mir auch sehr unsicher, da zumindest das Fesseln doch noch eine erhebliche Bedeutung hätte haben müssen. Aber auch bei Verneinung, käme man dann zu 30 II und des selben Rücktrittsvoraussetzungen bei 31.
Insgesamt eine sehr lange Klausur. Weiß beim besten Willen nicht, wie man das alles in der Zeit hätte bringen sollen.
bzgl. TK1
– ein dauerhaftes Abstandnehmen von der Tat ist ja nach mehr oder weniger einhelliger Meinung NICHT erforderlich, insofern hätte ich das jetzt nicht all zu sehr ausgebreitet.
– unm. Ansetzen kann man m.E. mit guten Gründen bejahen. A,B und C parken in der Nähe, B läuft bereits auf ihr Opfer los. Beim Gubener Hetzjagd Fall hat der BGH (hier hins. der KV) das bereits ausreichen lassen.
Als problematischer empfinde ich, ob bereits mit dem Ansetzen zur Drohung an der Tür (subjektiv) eine unm. Vermögensverschiebung eintritt (§ 253) bzw. zur Wegnahme angesetzt wird (§ 249).
bzgl. TK2
– A kann u.U. Gehilfe sein, da nach Koinzidenzprinzip der Vorsatz zum Zeitpunkt der Tathandlung vorliegen muss. Als A den Plan ausgearbeitet hatte, hatte er Vorsatz bzgl. einer späteren Ausführung. Außerdem muss bei der Beihilfe die Haupttat nicht in ihrer vollen Gestalt bis en detail erfasst werden, es reicht eine grobe Vorstellung von ihrer Begehung.
Man könnte aber sicherlich darüber nachdenken, ob auch ein Wechsel der Beteiligten (Begehung ohne A) noch von diesem Vorsatz erfasst ist.
– Die Beihilfe des D ist m.E. nicht sukzessiv. D führt (bei lebensnaher SV-Auslegung) während des gesamten Vorgangs das Fluchtfahrzeug. Er hält auch während der Begehung draußen die Stellung, ist also in allen STadien der Ausführung am Tatort und unterstützt die anderen 2.
Im Skript von Professor Heinrich (HU)steht,dass auch der BGH den Rücktritt nur dann durchgehen lässt,wenn die Täter sich bei Aufgabe der Tat keine weiteren Gedanken um eine etwaige erneute Ausführung machen.
Darunter ist eine starke Mindermeinung abgedruckt,die meint der Täter müsse die Tat endgültig aufgeben.Eine andere starke Meinung beruft sich auf den Wortlaut und meint es genüge die Aufgabe der konkreten Tat.
Also meines Erachtens sehr umstritten.
Hallo ich hätte da auch noch eine Frage, wie habt ihr das mit der Drohung an der Tür gehandhabt ? Als Erpressung angesehen und dabei mit dem Raub abgegrenzt ? Oder das im Raub durch die Wegnahme angesprochen ?
400 € als vorteil aus der tat bei der begünstigung von b u. c zu gunsten von d
jemand daran mal gedacht?
kursiert mittlerweile eine mehr oder weniger detailierte lösungsskizze oder sogar ausformulierter lösungsvorschlag im internet? meine suche blieb bislang erfolglos. brauche mehr als nur einen anstoß.
vllt wäre jemand so nett. vielen dank vorab