• Suche
  • Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Click to open the search input field Click to open the search input field Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > Berlin

Schlagwortarchiv für: Berlin

Gastautor

BVerfG zur teilweisen Ungültigerklärung und Wiederholung der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag in Berlin

Aktuelles, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Verfassungsrecht

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Sören Hemmer veröffentlichen zu können. Der Autor studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn

A.   Einleitung

Mit Urteil vom 19.12.2023 entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urt. v. 19.12.2023 – 2 BvC 4/23, BeckRS 2023, 36480) über die Wahlprüfungsbeschwerde der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bezüglich des Beschlusses des Bundestages vom 10.11.2023, mit dem die Bundestagswahl in Berlin teilweise für ungültig erklärt und eine Wiederholung angeordnet wurde. Nicht nur setzt sich die Entscheidung inhaltlich erheblich von der des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin (VerfGH Berlin, Urt. v. 16.11.2022 – 154/21, NVwZ 2023, 70) ab, der in einem weitgehend parallelen, wenn auch nicht identischen Fall, für die Wahl zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen eine vollständige Wahlwiederholung annahm. Es werden auch einige Fragen behandelt, die so oder so ähnlich KandidatInnen im Examen begegnen könnten. Daher sollen die wesentlichen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts folgend im Stile einer Klausurbearbeitung dargestellt werden.

B.   Der Sachverhalt (leicht abgewandelt)

Am 26.09.2021 fand in Berlin die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag statt. Zugleich wurden dort die Wahlen zum 19. Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen abgehalten, sowie über einen Volksentscheid abgestimmt, sodass bis zu sechs Stimmen auf fünf verschiedenen Stimmzetteln abzugeben waren. Für die Bundestagwahl waren 2.468.919 Personen wahlberechtigt, die sich auf 2256 Wahlbezirke bzw. 1507 Briefwahlbezirke in zwölf Wahlkreisen verteilten. Zudem wurde am Wahltag der Berlin-Marathon ausgerichtet und es galten diverse besondere Abstands- und Hygienevorschriften in Reaktion auf die gegenwärtige Corona-Pandemie.

In Vorbereitung der Wahl führte die Landeswahlleitung im Juli 2020 eine Simulation mit 750 WählerInnen mit je sechs Stimmen durch und empfahl auf dieser Grundlage, Wahllokale für maximal 750 WählerInnen einzurichten. Dem wurde Rechnung getragen, wobei erwogen wurde, dass ein Teil der Wahlberechtigten nicht oder per Briefwahl teilnehmen würde. Insgesamt wurde die Zahl der Wahlbezirke so im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 um 477 erhöht, wobei die Wahl damals nur mit einem Volksentscheid und keinen weiteren Wahlen zusammenfiel. Ferner stellte die Landeswahlleitung einen „idealtypischen Aufbau“ eines Wahllokals mit zwei Wahlkabinen als Orientierung vor.

Schon am Wahltag wurde von langen Warteschlangen vor diversen berliner Wahllokalen berichtet. Zum Teil wurde auch noch lange nach 18 Uhr und damit nach der Veröffentlichung erster Ergebnisprognosen gewählt. Im Nachgang der Wahl wurden zahlreiche Wahleinsprüche beim Bundestag eingelegt. Diese bezogen sich u.a. auf eine unzureichende Ausstattung der Urnenwahllokale mit Stimmzetteln und Wahlkabinen, die Ausgabe nichtamtlicher Stimmzettel, die Ausgabe von Stimmzetteln anderer Wahlkreise, Unterbrechungen der Wahlhandlung, Wartezeiten, zu frühe Öffnungen oder zu späte Schließungen und die Zulassung nicht wahlberechtigter Personen. Auch die Landeswahlleitung musste in einer Stellungnahme vom 11.01.2022 einräumen, dass es bei der Durchführung der Wahl in einigen Wahlbezirken erhebliche Mängel gegeben habe, die vor allem auf die außerordentliche Belastung durch die Verbindung von drei Wahlen und einem Volksentscheid und erschwerende Umstände der Pandemie und des Marathons zurückzuführen seien. Insbesondere haben die Straßensperrungen zur Durchführung der Sportveranstaltung dazu geführt, dass Nachlieferungen von Stimmzetteln nach Bedarf im Verlauf des Wahltags nicht wie geplant erfolgen konnten.

Daraufhin erklärte der Bundestag mit Beschluss vom 10.11.2022 die Abgabe beider Stimmen für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag in insgesamt 431 Wahlbezirken für ungültig und ordnete die Wiederholung der Wahl in diesem Umfang an. Dem lag folgende Begründung zugrunde:

Als Wahlfehler festzustellen sei, dass

  • Stimmzettel anderer Wahlkreise Berlins ausgegeben worden sind. Das verstoße gegen § 39 Abs. 1 S. 2 BWahlG.
  • Wahlhandlungen aufgrund fehlender Stimmzettel erst nach 8 Uhr aufgenommen, zwischenzeitlich unterbrochen oder vor 18 Uhr abgebrochen wurden. Darin liege ein Verstoß gegen § 47 Abs. 1 BWahlO.
  • Stimmzettel über den Tag ausgingen. Damit sei gegen § 49 Nr. 3 BWahlO verstoßen worden.
  • es nicht hinreichend viele Wahlräume und Wahlkabinen gegeben habe. Damit liege ein Verstoß gegen § 43 Abs. 1 S. 3 BWahlO vor.

Auch seien lange Wartezeiten zu beobachten gewesen. Das stelle an sich keinen Wahlfehler dar, könne aber in einen solchen umschlagen, wenn das Warten die Stimmabgabe unzumutbar macht. Insofern seien Wartezeiten vorliegend ein weit verbreitetes Problem gewesen. Es könne von den Wartezeiten auf eine unzureichende Zahl aufgestellter Wahlkabinen geschlossen werden. Dies nahm der Bundestag im Einzelnen auch im Fall einer 30-minütiger Wartezeit im Wahlbezirk 75 01 118, unbestimmt langer Wartezeit iVm einem Verweis auf nicht näher dargelegte „chaotische Zustände“ im Wahlbezirk 75 01 317 und Warteschlangen aus mehreren Dutzend Personen im Wahlbezirk 75 01 722 an. Ferner sei gemäß § 60 S. 2 BWahlO die Stimmabgabe auch nach 18 Uhr an sich ausdrücklich und unabhängig von etwaigen veröffentlichten Ergebnisprognosen möglich, könne aber ebenfalls ein Indiz für weitere Wahlfehler sein.

Die Wahlfehler seien auch mandatsrelevant, denn insgesamt seien 327 Wahlbezirke betroffen. Hinsichtlich dem Zweitstimmenergebnis hätten bereits 802 Stimmen genügt, damit die SPD ein weiteres Mandat erhalten hätte. Bezüglich dem Erststimmenergebnis sei eine Mandatsrelevanz derweil nur für Wahlfehler in den Wahlkreisen 76 und 77 anzunehmen. Hier hätten 26 % bzw. 19 % der NichtwählerInnen ihre Stimme für die Erstunterlegenen abgeben müssen, um zu einer Mandatsverschiebung zu führen. Es sei nicht fernliegend, dass dies ohne die festgestellten Wahlfehler eingetreten wäre. In Wahlkreis 80 hätte es dagegen einer entsprechende Stimmabgabe von 46 % der NichtwählerInnen bedurft. Diese Differenz sei zu hoch, um sie den Wahlfehlern in Rechnung zu stellen. In allen weiteren wahlfehlerbetroffenen Wahlkreisen wäre eine Stimmabgabe von je über 100 % der NichtwählerInnen für die Erstunterlegenen erforderlich, um eine Mandatsverschiebung zu erreichen. Eine Mandatsrelevanz der Wahlfehler müsse daher von vorne herein ausscheiden.

Dort, wo mandatsrelevante Wahlfehler festgestellt wurden, sei die Wahl ungültig und müsse daher wiederholt werden. Die grundsätzliche Beschränkung auf wahlfehlerbehaftete Wahlbezirke entspreche dabei dem aus dem Demokratieprinzip folgenden Gebot des geringstmöglichen Eingriffs. Hingegen folge aus § 44 Abs. 2 BWahlG iVm § 4 BWahlG a.F., dass die Wahl zwingend als Zweistimmenwahl zu wiederholen sei – selbst wenn sich Wahlfehler mandatsrelevant nur auf das Zweitstimmenergebnis ausgewirkt haben. Schließlich seien neben den 327 mandatsrelevant wahlfehlerbehafteten Wahlbezirken auch 104 weitere, an sich wahlfehlerfreie Wahlbezirke für ungültig zu erklären. Dies folge aus dem Umstand, dass Wahlbezirke mitunter über gemeinsame Briefwahlbezirke verknüpft seien.

Dabei verzichtete der Bundestag auf eine umfängliche Auswertung der nach Maßgabe von § 72 Abs. 1 BWahlO iVm Anlage 29 angefertigten Niederschriften. Soweit sie in den Blick genommen wurden habe sich gezeigt, dass die Niederschriften oftmals keine hinreichenden Informationsquellen darstellten. Von einem Schweigen der Niederschriften könne daher nicht auf das Nichtvorliegen von Wahlfehlern geschlossen werden. Vor diesem Hintergrund erschienen auch weitere Ermittlungen nicht zielführend. Stattdessen sollte das Geschehen iRd Bundestagswahl zügig und effizient einer Klärung zugeführt werden.

Wären die Niederschriften weiter ausgewertet worden, hätte dem Bundestag bekannt werden können, dass:

  • Wahlhandlungen in drei weiteren Wahlbezirken erst um 8:55, 8:59 bzw. 9:20 Uhr aufgenommen wurden.
  • es in vier weiteren Wahlbezirken zu Unterbrechungen mangels Stimmzetteln kam.
  • in einem bereits aus anderem Grund für ungültig erklärten Wahlbezirk nichtamtliche Stimmzettel verwendet wurden.
  • bis zu acht nicht für die Bundestagswahl wahlberechtigte Personen Stimmzettel einwerfen konnten.
  • es in vier weiteren Wahlbezirken zu Wartezeiten von über einer Stunde kam.

Ferner wurde erst nach der mündlichen Verhandlung bekannt, dass innerhalb des Wahlkreises 81 Wahlbriefe mit dem Ziel gleichmäßiger Arbeitsbelastung und beschleunigter Feststellung des Wahlergebnisses auf andere Briefwahlbezirke umverteilt wurden. Betroffen sind dabei 1080 Briefe aus für ungültig erklärten Bezirken.

Gegen den Beschluss des Bundestages erhebt die Bundestagsfraktion C Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht. Sie rügt die Rechtswidrigkeit des Beschlusses in verschiedener Hinsicht. Zunächst seien auch Wartezeiten als selbstständige Wahlfehler zumindest dann anzuerkennen, wenn diese daraus resultieren, dass die Auswahl und Ausstattung der Wahlräume nicht hinreichend darauf ausgerichtet war, die Wahl möglichst zu erleichtern. Auch die Zulassung zur Wahl teils weit nach 18 Uhr sei ein Wahlfehler. Insofern haben hier nicht mehr Personen gewählt, die gemäß § 60 S. 2 BWahlO „aus Platzgründen“, sondern aus Gründen der fehlerhaften Wahldurchführung um 18 Uhr in Warteschlagen vor dem Wahllokal warteten. Die Norm sei daher nicht anwendbar. Ganz grundsätzlich müsse ferner angenommen werden, dass es noch zu weiteren, unbekannt gebliebenen Wahlfehlern gekommen sei. Die Wahl habe an flächendeckenden und grundsätzlichen Problemen gelitten. Diese bis ins Letzte aufzuklären stehe auch entgegen, dass die Niederschriften die wahlprüfungsrelevanten Vorfälle nicht hinreichend ablesen ließen. Hier sei dann aber eine Darlegungslast des Staates anzunehmen. Mängeln der staatlichen Wahlorganisation und -dokumentation sei effektiv und auch präventiv entgegenzutreten. Alles andere schaffe nur Anreize, Wahlfehler schlecht/nicht aufzuzeichnen. Auch hinsichtlich der Mandatsrelevanz sei der Beschluss des Bundestags in zweifacher Hinsicht verfehlt. Zum einen habe der Bundestag einen grundsätzlich zu strengen Maßstab angelegt, der dem Umstand, dass es sich hier um besonders schwere, demokratiebelastende Wahlfehler handelte, nicht hinreichend Rechnung trage. Eine Wahlwiederholung über an sich und in ihrer Wirkung konkret festgestellte Wahlfehler hinaus sei mit Blick auf § 40 Abs. 3 BüWG auch nicht ohne (landesrechtliches) Beispiel. Auf der anderen Seite sei dort, wo nur hinsichtlich der Zweitstimme eine Mandatsrelevanz festzustellen ist, die Wahl auch nur diesbezüglich für ungültig zu erklären und zu wiederholen. Das folge aus dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs und widerspreche auch nicht § 44 Abs. 2 BWahlG.

Hat die Beschwerde der C-Fraktion Aussicht auf Erfolg? Es ist davon auszugehen, dass der Beschluss des Bundestages nicht zu beanstanden ist, soweit im Sachverhalt nichts vorgetragen ist.

C.   Die Entscheidung (leicht abgewandelt)

Die Beschwerde der C-Fraktion hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.

I.   Zulässigkeit

Die Beschwerde ist zulässig, wenn die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen.

(zum Prüfungsaufbau und den Voraussetzungen im Einzelnen s. Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 4. Auflage 2020, § 36).

1.   Zuständigkeit des BVerfG

Die Wahlprüfung ist zunächst Sache des Bundestags (Art. 41 Abs. 1 S. 1 GG). Gegen dessen Entscheidung ist jedoch die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 41 Abs. 2 GG iVm §§ 13 Nr. 3, 48 BVerfGG vorgesehen. Insofern besteht eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts.

2.   Beschwerdeberechtigung

Die C-Fraktion ist als solche gemäß § 48 Abs. 1 BVerfGG beschwerdeberechtigt.

Hinweis: Eine subjektive Betroffenheit iS zumindest der Möglichkeit der Verletzung subjektiver Rechte von BeschwerdeführerInnen bedarf es bei der Beschwerde gegen die Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl nicht. Etwas anderes gilt jedoch, wenn gerade die Feststellung einer subjektiven Rechtsverletzung begehrt wird (BVerfGE 160, 129 (138 f.); Walter, in: Walter/Grünewald, BVerfGG, 15. Ed. 01.06.2023, § 48 Rn. 21).

3.    Beschwerdegegenstand

Die C-Fraktion wendet sich gegen den Beschluss des Bundestages vom 10.11.2022, mit dem die Bundestagswahl in Berlin teilweise für ungültig erklärt wurde. Damit besteht ein zulässiger Beschwerdegegenstand gemäß § 48 Abs. 1 BVerfGG.

4.   Form, Frist

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten seit der Beschlussfassung schriftlich erhoben und begründet worden, sodass die Form- und Fristanforderungen gemäß §§ 23 Abs. 1, 48 Abs. 1 BVerfGG gewahrt sind.

5.    Rechtsschutzbedürfnis

Die C-Fraktion ist auch rechtsschutzbedürftig.

Hinweis: Das Bundesverfassungsgericht betrachtet eine Wahlprüfungsbeschwerde mit Ablauf der Legislaturperiode grundsätzlich für erledigt (BVerfGE 22, 277 (280 f.); 34, 201 (203)). Ausnahmsweise entscheidet es jedoch auch danach noch in der Sache, wenn ein entsprechendes öffentliches Interesse besteht. Die (zulässige) Beschwerde ist von daher zwar eine Voraussetzung für die Befassung des Bundesverfassungsgerichts, hat allerdings nur eine Anstoßfunktion (BVerfGE 122, 304 (305 ff.); zum Ganzen Misol, in: Barczak, BVerfGG, 1. Aufl. 2018, § 48 Rn. 56 ff.).

6.   Zwischenergebnis

Die Beschwerde ist zulässig (Rn. 101).

II.    Begründetheit

Die Beschwerde müsste begründet sein. Das ist der Fall, soweit der gegenständliche Beschluss des Bundestages formell oder materiell rechtswidrig ist.

„Die Wahlprüfung dient der Feststellung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Parlaments und dem Schutz des subjektiven Wahlrechts der Bürgerinnen und Bürger […]. Sie ist zunächst Sache des Deutschen Bundestages“ (Rn. 103).

„Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig (Art. 41 Abs. 2 GG, § 48 BVerfGG). Dieses überprüft den angegriffenen Beschluss des Bundestags in formeller und materieller Hinsicht (vgl. BVerfGE 89, 243 <249>; 121, 266 <289>). Zudem hat das Gericht, insoweit über den Prüfungsumfang der Wahlprüfungsentscheidung des Deutschen Bundestags hinausgehend (vgl. BVerfGE 160, 129 <145 Rn. 47>), die Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Vorschriften zu prüfen, sofern es darauf ankommt […]. Es ist nicht auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt, hat aber die Entscheidungsspielräume zu beachten, die das einfache Recht dem Deutschen Bundestag einräumt“ (Rn. 109).

Maßgeblich sind damit regelmäßig die Normen des WahlPrüfG, des BWahlG, der BWahlO und die Wahlgrundsätze nach Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG (Morlok in Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 41 Rn. 15).

1.   Formelle Rechtswidrigkeit

Der Beschluss des Bundestags könnte formell rechtswidrig sein. Insofern könnte die Entscheidung, die Niederschriften zur Bundestagswahl nicht auszuwerten, einen Verfahrensfehler darstellen. Die Wahlprüfung des Bundestags steht zwischen Anfechtungs- und Offizialprinzip. Er wird nur tätig, wenn und soweit die Gültigkeit der Wahl mit einem Einspruch gemäß § 2 WahlPrüfG gerügt wurde, ist dann aber verpflichtet, den so umrissenen Anfechtungsgegenstand von Amts wegen zu erforschen und alle dabei auftauchenden rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen (BVerfGE 66, 369 (378 f.)). Hier könnte es zu der gebotenen Sachverhaltsaufklärung gehört haben, die im Zuge der Durchführung der Wahl angefertigten Niederschriften umfänglich zu durchleuchten.

Dagegen wird vorgetragen, die Niederschriften seien nicht verwertbar gewesen. Die nach einem bestimmten Muster (§ 72 Abs. 1, Anlage 29 BWahlO) erstellten Niederschriften seien lückenhaft und die Gestaltung der Anlage 29 BWahlO nicht hinreichend auf die hier im Raum stehenden Wahlfehler ausgerichtet. Doch

„auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass aus dem Schweigen der Niederschriften auf das Nichtvorliegen von Wahlfehlern geschlossen werden kann (vgl. BTDrs. 20/4000, S. 57), ist es umgekehrt nicht ausgeschlossen, dass die Durchsicht der Niederschriften zur Feststellung des Vorliegens weiterer Wahlfehler geführt hätte. Bei einer Auswertung der Niederschriften hätte die Möglichkeit bestanden, einzelne, bisher nicht erfasste wahlfehlerrelevante Vorgänge aufzudecken“ (Rn. 126).

Indem der Bundestag die Niederschriften nicht auswertete, sah er in nicht verfahrensfehlerfreier Weise von weiteren Ermittlungen ab (vgl. § 5 Abs. 3 WahlPrüfG). Der Beschluss des Bundestages ist dahingehend formell rechtswidrig, mangels entgegenstehender Hinweise ansonsten rechtmäßig. Soweit im Weiteren auf die vom Bundestag nicht hinreichend berücksichtigten Niederschriften zu rekurrieren sein mag, ist es dem Bundesverfassungsgericht unbenommen entsprechende Ermittlungen zur Aufklärung des tatsächlichen Wahlgeschehens selbst anzustellen (Rn. 129 f.).

2.    Materielle Rechtswidrigkeit

Der Beschluss des Bundestags könnte materiell rechtswidrig sein. Das ist dann der Fall, wenn Wahlfehler nicht oder fälschlicherweise festgestellt, deren Mandatsrelevanz fehlerhaft beurteilt oder eine falsche Rechtsfolge bestimmt wurde (vgl. Rn. 131).

a)   Wahlfehler

Fraglich ist, ob der Bundestag das Vorliegen von „Wahlfehlern“ richtig bewertet hat.

„Ein Wahlfehler liegt immer dann vor, wenn die Regelungen des Bundeswahlgesetzes und der Bundeswahlordnung (vgl. BVerfGE 130, 212 <224>) und die diese prägenden Wahlgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt sind. Daneben können Verstöße gegen sonstige Vorschriften einen Wahlfehler begründen, soweit sie mit einer Wahl in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Relevant sind alle Normwidrigkeiten, die den vom Gesetz vorausgesetzten regelmäßigen Ablauf des Wahlverfahrens zu stören geeignet sind. Diese können während der Wahlvorbereitung […], der Wahlhandlung […] und bei der Feststellung des Wahlergebnisses auftreten. Lediglich Sachverhalte, die bei Gelegenheit einer Wahl auftreten, ohne in einem auch nur mittelbaren Bezug zum Wahlvorgang und dessen Ergebnis zu stehen, sind zur Begründung eines Wahlfehlers ungeeignet (Rn. 141)“.

Dabei prüft das Bundesverfassungsgericht nicht nur, ob die wahlrechtlichen Vorschriften zutreffend angewandt worden sind, sondern auch, ob sie mit den Vorgaben der Verfassung im Einklang stehen (Rn. 134). Bei Unaufklärbarkeit ist vom Nichtvorliegen eines Wahlfehlers auszugehen (Rn. 279).

(1)   Wahlvorbereitung
(a)   Auswahl und Ausgestaltung der Wahlräume

Wahlfehler könnten in der Auswahl und Einrichtung der Wahlräume unterlaufen sein. Weder das BWahlG, noch die BWahlO machen konkrete Vorgaben zu der Zahl von Wahlkabinen. Der Wahlraum soll jedoch gemäß § 46 Abs. 1 S. 3 BWahlO nach den örtlichen Verhältnissen so ausgewählt und eingerichtet werden, dass allen Wahlberechtigten, insbesondere Menschen mit Behinderungen und anderen Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen, die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird. Dahinter steht auch die Verwirklichung der Wahlgrundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG. Dies könnte vorliegend in der Vorsehung der Wahlkabinenzahl missachtet worden sein, indem den Umständen der konkreten Wahl nicht hinreichend Rechnung getragen wurde.

Die Landeswahlleitung gab zur Orientierung einen idealtypischen Aufbau eines Wahllokals mit zwei Wahlkabinen aus. Bei einer Wahlzeit von 10 Stunden (8 bis 18 Uhr, § 47 Abs. 1 BWahlO), 2256 Wahllokalen und 2.468.919 Wahlberechtigten stünden so selbst bei einer realistisch prognostizierten Wahlbeteiligung von 75 % und der Annahme einer Briefwahlbeteiligung von 50 % nur 2,9 Minuten Bruttozeit (Herantreten bis Verlassen der Wahlkabine) pro Person bei zwei Wahlkabinen je Wahllokal, 4,4 Minuten bei drei Wahlkabinen je Wahllokal zur Verfügung. Dem steht – durch das Zusammenfallen der Bundestagswahl mit der Wahl zum Abgeordnetenhaus, der Bezirksverordnetenversammlung und einem Volksentscheid – die Abgabe von bis zu sechs Stimmen auf fünf inhaltlich und gestalterisch verschiedenen Stimmzetteln gegenüber. Im Vergleich zu 2017 verdoppelten sich damit die maximal abzugebenden Stimmen, während die Zahl der Wahlbezirke nur um knapp 27 % erhöht wurde. Hinzu kommt die unterschiedliche Größe des Einzugsbereichs der Wahllokale. Je nachdem konnte sich die zur Verfügung stehende Zeit noch verkürzen. Aus alldem ergibt sich, dass

„keine tragfähigen Überlegungen angestellt oder umgesetzt [wurden], wie der einzelne Wahlraum eines jeden Wahlbezirks für die absolute Zahl oder jedenfalls die Zahl der zu erwartenden Wahlberechtigten unter den Bedingungen einer Mehrfachwahl mit sechs Entscheidungsmöglichkeiten auf fünf inhaltlich verschiedenen und unterschiedlich gestalteten Stimmzetteln auszustatten gewesen wäre“ (Rn. 182).

Damit wurde schon in der Wahlvorbereitung gegen § 46 Abs. 1 S. 3 BWahlO verstoßen (Rn. 157 ff., 181 ff.).

Hinweis: Denkbar ist es, an dieser Stelle auch schon auf das Geschehen am Wahltag selbst Bezug zu nehmen und zu erörtern, ob und wo dies Rückschlüsse auf Wahlfehler in der Vorbereitung zulässt, die der Einschätzung des Bundestages widersprechen. Dann müssten freilich sämtliche Ausführungen zur Wartezeit und Stimmabgabe nach 18 Uhr auch schon hier angebracht werden (vgl. u. C) II. 2. a) (2) (e), (f)).

(b)   Übergabe von Stimmzetteln

Die Gemeindebehörde übergibt gemäß § 49 Nr. 3 BWahlO den Wahlvorstehern eines jeden Wahlbezirks vor Beginn der Wahlhandlung amtliche Stimmzettel in genügender Zahl. Diese Vorgabe kann nicht zugunsten anderweitiger Überlegungen logistischer Effizienz der Nachlieferung von Stimmzetteln nach Bedarf über den Wahltag hinweg überwunden werden. Aus den Niederschriften gehen vier von dem Beschluss des Bundestages nicht erfasste Fälle verschiedener Urnenwahlbezirke aus drei Wahlkreisen hervor, in denen im Verlauf des Tages die Stimmzettel ausgingen. Auch insofern liegen Wahlfehler vor (Rn. 187).

(2)   Wahlhandlung
(a)   Aushändigung von Stimmzetteln anderer Wahlkreise

Wird mit einem Stimmzettel, der für einen anderen Wahlkreis gültig ist, gewählt, so ist die Erststimme gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 Hs. 2 BWahlG ungültig. Vorliegend sind 495 derartige Fälle und damit Wahlfehler dokumentiert (Rn. 191).

(b)   Unterbrechungen der Wahlhandlung

Wird das Wahllokal während der Wahlhandlung (vgl. § 31 S. 1 BWahlG, § 54 BWahlO) oder Ermittlung des Ergebnisses (vgl.§§ 67, 54 BWahlO) vorübergehend geschlossen, stellt dies einen Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Wahl und damit einen Wahlfehler dar (Rn. 164). Von der Schließung des Wahllokals sind bloße Unterbrechungen bei fortbestehender öffentlicher Zugänglichkeit zu unterscheiden. Insofern dauert die Wahl gemäß § 47 Abs. 1 BWahlO jedoch von 8 bis 18 Uhr. Unterbrechungen, verspätete Öffnungen oder verfrühten Schließungen führen daher zu Wahlfehlern (Rn. 161, 194).

In den Niederschriften dokumentiert sind drei Fälle der Aufnahme von Wahlhandlungen in Urnenwahlbezirken um 8:55 Uhr, 8:59 Uhr und 9:20 Uhr und weitere vier Fälle von Unterbrechungen mangels Stimmzetteln (s.o.) und damit Verstöße gegen § 47 Abs. 1 BWahlO, die im Beschluss des Bundestages keine Berücksichtigung finden und so über ihn hinausgehend als Wahlfehler festzustellen sind (Rn. 212 ff.).

(c)   Verwendung anderer als amtlicher Stimmzettel

Zu wählen ist zwingend mit amtlichen Stimmzetteln (§ 34 Abs. 1 BWahlG, § 56 Abs. 1, 6 S .1 Nr. 6 BWahlO), sodass die Verwendung von anderem einen Wahlfehler begründet. Ein solcher Verstoß konnte jedoch nur in einem, bereits aus einem anderen Grund für ungültig erklärten Fall festgestellt werden (Rn. 196).

(d)   Zulassung nicht wahlberechtigter Personen

Gemäß § 56 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 BWahlO ist zurückzuweisen, wer nicht in das Wählerverzeichnis eingetragen ist und keinen Wahlschein besitzt. Aus den Niederschriften geht hervor, dass in bis zu acht Fällen Personen, die zwar für die Bezirksverordnetenversammlung (vgl. §§ 1, 22a LWahlG Berlin), nicht aber für die Bundestagswahl (vgl. § 12 BWahlG) wahlberechtigt waren, einen Stimmzettel für letztere erhalten und eingeworfen haben. Dahingehend sind Wahlfehler festzustellen (Rn. 162, 197).

(e)   Wartezeiten

Fraglich ist, ob – zumindest ab einer gewissen Schwelle – Wartezeiten als solche einen Wahlfehler begründen können.

Hierfür spricht, dass unzumutbar lange Wartezeiten Wahlberechtigte von der Ausübung des Wahlrechts abhalten können und zwar nicht erst beim Anstellen in der Warteschlange, sondern bereits bei der Annäherung an das Wahllokal, beim Sichtbarwerden der Warteschlange oder durch Bekanntwerden von Informationen über Wartezeiten über persönliche Kontakte oder Medien (Rn. 199).

Jedoch machen weder das BWahlG, noch die BWahlO

„Vorgaben zum Umfang einer zumutbaren Wartezeit. Aus der Formulierung ,möglichst erleichtern‘ in § 46 Abs. 1 Satz 3 BWahlO lässt sich eine bestimmte zumutbare Wartezeit nicht entnehmen“ (Rn. 163).

Auch aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG folgt nicht das Recht, die eigene Stimme

„am Wahltag jederzeit an jedem Ort ungehindert abgeben zu können, sondern nur die gleiche Möglichkeit zur Stimmabgabe für jeden Wahlberechtigten. Die Unwägbarkeit eines gleichzeitigen Zustroms einer Vielzahl von Wahlberechtigten zur selben Zeit kann für alle betroffenen Personen mehr Wartezeit mit sich bringen, ohne dass dadurch ein Wahlfehler begründet wird“ (Rn. 163).

Wartezeiten als solche sind daher keine Wahlfehler. Daraus folgt hingegen noch nicht, dass diese für die Feststellung von Wahlfehlern gänzlich unbeachtlich sind. Insofern ist zu differenzieren, ob eine Wartezeit nur das Resultat eines punktuellen, außerordentlich großen Andrangs oder einer unzureichenden Planung und Vorbereitung ist (Rn. 163).

„Besonders lange Wartezeiten indizieren […] regelmäßig eine unzureichende Ausstattung der Wahlräume mit Wahlkabinen und/oder Stimmzetteln und damit das Vorliegen eines Verstoßes gegen § 46 Abs. 1 Satz 3, § 49 Nr. 3 BWahlO. Als zeitliche Grenze dürfte dabei – unter Berücksichtigung des Umstands, dass in Berlin bis zu sechs Stimmen auf fünf unterschiedlichen Stimmzetteln abgegeben werden konnten – eine Wartezeit ab einer Stunde anzusehen sein. Kürzere Wartezeiten dürfte eine vergleichbare Indizwirkung nicht zukommen, da nicht auszuschließen ist, dass trotz einer für den reibungslosen Ablauf der Wahl grundsätzlich ausreichenden Ausstattung eines Wahllokals aufgrund eines punktuell hohen Andrangs zeitweise Wartezeiten bis zu einer Stunde entstehen können. Überschreitet die Wartezeit aber den Zeitraum von einer Stunde, dürfte dies nicht mehr mit dem besonderen Andrang während sogenannter Stoßzeiten erklärbar sein, sodass von einer unzureichenden Ausstattung des betreffenden Wahllokals auszugehen ist“ (Rn. 201).

Dies zugrunde gelegt ist festzustellen, dass – von dem Beschluss des Bundestages nicht erfasst – in vier Urnenwahlbezirken aus drei Wahlkreisen Wartezeiten von jeweils über einer Stunde aus den Niederschriften hervorgehen, sodass das Vorliegen von Wahlfehlern gemäß §§ 46 Abs. 1 S. 3, 49 Nr. 3 BWahlO anzunehmen ist (Rn. 212 ff.).

Andererseits lies der Bundestag in einem Fall bereits eine Wartezeit von 30 Minuten, in einem anderen Fall unbenannt lange Wartezeiten und nicht näher beschriebene „chaotische Zustände“ und in einem dritten Fall Warteschlangen aus „mehreren Dutzend Leuten“ ohne weitere Angaben genügen, um für die entsprechenden Wahlbezirke das Vorliegen von Wahlfehlern anzunehmen. Aus dem Gesagten folgt, dass dies nicht aufrechterhalten werden kann (Rn. 225 ff.).

(f)   Stimmenabgabe nach 18 Uhr

Die Stimmenabgabe nach 18 Uhr könnte einen Wahlfehler darstellen. Gemäß § 47 Abs. 1 BWahlO dauert die Wahl von 8 bis 18 Uhr. Eine spätere Wahlhandlung verstößt grundsätzlich gegen diese Vorschrift. Jedoch sieht § 60 S. 2 BWahlO vor, dass auch nach Ablauf der Wahlzeit zuzulassen ist, wer vor Ablauf der Wahlzeit erschienen und sich im Wahlraum oder aus Platzgründen davor befindet. Fraglich ist jedoch, ob derartige Fälle hier angenommen werden können. Zum Teil waren um 18 Uhr noch lange Warteschlangen vor den Wahllokalen festzustellen. Zumindest denkbar erscheint der Standpunkt, dass diese Personen sich nicht „aus Platzgründen“, sondern aufgrund von Wahlfehlern vor dem Wahllokal befanden. Die Ausnahme des § 60 S. 2 BWahlO wäre damit nicht einschlägig, die Zulassung entsprechender WählerInnen ein Verstoß gegen § 47 Abs. 1 BWahlO (Rn. 53). Ein derart enges Verständnis von § 60 S. 2 BWahlO iSe Kausalitätsprüfung des Anstehens vor dem Wahllokal geht aus der Norm jedoch nicht hervor.

„Die Formulierung ,aus Platzgründen davor‘ in § 60 Satz 2 BWahlO nimmt Bezug auf die räumlichen Gegebenheiten im Wahllokal, die dazu führen können, dass ein Wahlberechtigter nicht in dem, sondern vor dem Wahlraum warten muss. […] Ein Warten aus Platzgründen vor dem Wahlraum ist anzunehmen, wenn die räumliche Kapazität des Wahllokals erschöpft ist. Entscheidend setzt § 60 Satz 2 BWahlO voraus, dass die betroffene Person ,vor Ablauf der Wahlzeit‘ erschienen ist. Dies ist der Fall, wenn sie vor 18 Uhr am Wahllokal eingetroffen ist“ (Rn. 167).

„Auch eine Stimmabgabe nach 18 Uhr begründet als solche […] keinen Wahlfehler. Ein solcher liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn die Wahlberechtigten nicht rechtzeitig vor dem Ablauf der Wahlzeit erschienen und trotzdem zur Wahl zugelassen worden sind. Derartige Fälle sind nicht ersichtlich. Davon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit Öffnungszeiten der Wahllokale über das Ende der Wahlzeit hinaus als ausreichendes Indiz für das Vorliegen sonstiger Wahlfehler angesehen werden können. […] Die Öffnung eines Wahllokals über 18:30 Uhr hinaus setzt voraus, dass zum Zeitpunkt des Endes der Wahlzeit um 18 Uhr eine nicht geringe Zahl an Wahlberechtigten zwar am Wahllokal eingetroffen ist, aber an der Wahl noch nicht teilnehmen konnte. […] Es liegt nahe, in diesem Fall einen Verstoß gegen § 46 Abs. 1 Satz 3, § 49 Nr. 3 BWahlO anzunehmen. Deshalb wird im Folgenden davon ausgegangen, dass eine Verlängerung der Öffnungszeiten eines Urnenwahllokals über 18:30 Uhr hinaus das Vorliegen eines Wahlfehlers indiziert“ (Rn. 202 ff.).

Über den Beschluss des Bundestags hinaus ist demnach festzustellen, dass in je zwei Wahlbezirken aus zwei Wahlkreisen Wahlhandlungen erst zwischen 18:31 Uhr und 19:40 Uhr endeten. Ein Verstoß gegen §§ 46 Abs. 1 S. 3, 49 Nr. 3 BWahlO ist somit indiziert (Rn. 212 ff.).

(g)   Veröffentlichung von Prognosen um 18 Uhr trotz geöffneter Wahllokale

Ein Wahlfehler könnte auch in einem Verstoß gegen § 32 Abs. 2 BWahlG vorliegen, indem um 18 Uhr eine erste Prognose des Wahlergebnisses veröffentlicht wurde, obwohl noch in diversen Wahllokalen Wahlhandlungen durchgeführt wurden. Danach ist die Veröffentlichung von Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlentscheidung vor Ablauf der Wahlzeit unzulässig. Das „Ende der Wahlzeit“ ist jedoch nach § 47 Abs. 1 BWahlO auf 18 Uhr bestimmt, sodass sich auch § 32 Abs. 2 BWahlG dahin richtet. Die Zulässigkeit von späteren Wahlhandlungen nach § 60 S. 2 BWahlO ist davon zu unterscheiden. Die Veröffentlichung der Prognose um 18 Uhr verstieß demnach nicht gegen § 32 Abs. 2 BWahlG. Zwar kann es hier zur Beeinträchtigung der Gleichheit der Wahl kommen, wenn einige WählerInnen ihre Stimmen bereits in Kenntnis erster Prognosen abgeben. Dies rechtfertigt sich jedoch im Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, sodass die Normen auch nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden sind (Rn. 168, 205).

Hinweis: Neben der Wahlgleichheit ist auch die Wahlfreiheit betroffen (Thum, in: Schreiber, BWahlG, 11. Aufl. 2021, § 32 Rn. 9).

(h)   Dokumentation

Mögen die Niederschriften aufgetretene Wahlfehler bei der Bundestagswahl 2021 nicht in der gewünschten Eindeutigkeit und Lückenlosigkeit dokumentiert haben, beruht dies nicht auf Verstößen gegen § 72 BWahlO, sodass dies selbst keine weiteren Wahlfehler begründet. Die Lückenhaftigkeit iSe bloßen Schweigens bildet auch keine Grundlage, um auf anderweitige Wahlfehler zu schließen (Rn. 170 ff., 230 f.).

(i)   Umverteilung von Wahlbriefen

Aus den §§ 74, 75 BWahlO folgt, dass Wahlbriefe briefwahlbezirksscharf und nicht nur wahlkreisscharf auszuzählen sind, sodass erfolgte Umverteilungen Wahlfehler begründen (Rn. 291).

Zwar hat sich der Bundestag mit diesen Vorgängen der Umverteilung nicht befasst, maßgeblich ist jedoch für die Zugänglichkeit eines Sachverhalts für das Bundesverfassungsgericht nicht, ob der Bundestag ein Vorkommnis als Wahlfehler gewertet hat, sondern ob dieser zu dem Gegenstand der Entscheidung des Bundestags gehört (Rn. 134).

(3)   Zwischenergebnis

Der Bundestag hat die in Betracht kommenden Wahlfehler weitgehend zutreffend bestimmt, hat jedoch die Wahlfehlerhaftigkeit in 15 Urnenwahlbezirken übersehen und ist bezüglich drei Urnenwahlbezirken fälschlicherweise zu dem Ergebnis des Vorliegens von Wahlfehlern gekommen (Rn. 131, 210). Ferner sind die Wahlfehler im Zusammenhang mit der Umverteilung von Wahlbriefen in Wahlkreis 81 in dem Beschluss nicht zur Geltung gekommen (Rn. 289).

b)   Mandatsrelevanz

Die Wahlfehler müssten mandatsrelevant sein, um eine Auswirkung auf die Gültigkeit der Wahl zu haben. Andernfalls könnte nur eine (subjektive) Rechtsverletzung festgestellt werden (§ 48 Abs. 3 BVerfGG). Mandatsrelevant ist ein Wahlfehler, wenn er Einfluss auf die Verteilung der Sitze im Parlament haben kann. Eine bloß theoretische Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs genügt dafür nicht. Vielmehr muss es sich im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung um eine konkrete und nicht ganz fernliegende Möglichkeit handeln, dass sich ein Wahlfehler entsprechend ausgewirkt hat (Rn. 235).

(1)   Zweitstimmenergebnis

Der Bundestag nahm an, dass die bereits von ihm festgestellten Wahlfehler in 327 Wahlbezirken mandatsrelevant bezüglich des Zweitstimmenergebnisses waren. Dafür könnte sprechen, dass die SPD landesweit nur 802 weitere Stimmen benötigt hätte, um einen zusätzlichen Sitz im Bundestag zu erlangen. So könnte es nahe liegen,

„dass die mehr als einstündigen Wartezeiten, die Unterbrechungen der Wahlhandlungen, die verspäteten Öffnungen beziehungsweise die vorübergehenden oder vorzeitigen Schließungen von Wahllokalen dafür ursächlich waren, dass Wahlberechtigte nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben“ (Rn. 246).

Ebenso könnte es dann nahe liegen, dass sich in dieser Gruppe von Nichtwählenden 802 Personen finden ließen, die andernfalls ihre Zweitstimme für die SPD abgegeben hätten. Eine Mandatsrelevanz wäre so bereits auf Grundlage der vom Bundestag festgestellten Wahlfehler festzustellen (Rn. 246).

Fraglich ist jedoch, ob derartige Erwägungen eines potenziellen Wahlverhaltens von NichtwählerInnen zulässig sind. So ist zumindest theoretisch denkbar, dass sämtliche Wahlberechtigte, die von den Wahlfehlern betroffen sein konnten, sich ohnehin dafür entschieden hatten der Wahl fernzubleiben oder niemand von ihnen die SPD hätte wählen wollen. Eine Voraussage des hypothetischen Wahlverhaltens iRd Wahlprüfung könnte dann gegen das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2 S. 2 GG) verstoßen. So könnte es gerade dem Wesen der regelmäßig wiederkehrenden Wahlen zum Erhalt der demokratischen Legitimation der Abgeordneten gegenüber dem Volk und der damit verbundenen Möglichkeit der Wählenden, ihre Wahlentscheidung bei jeder Wahl zu erneuern oder zu verändern, entsprechen, dass sich das Stimmverhalten im demokratischen Prozess jeder verfassungsrechtlich tragfähigen Voraussage entzieht (VerfGH Berlin, Urt. v. 16.11.2022 – 154/21, NVwZ 2023, 70 (79); Rn. 243).

Andererseits ist aufzuklären, welches Auswirkungen Wahlfehler auf das Wahlergebnis gehabt haben können.

„Es entspricht nicht der Lebenswirklichkeit anzunehmen, dass die Stimmen aller Wählerinnen und Wähler, die aufgrund von nicht parteibezogenen Wahlfehlern an einer Wahl nicht oder nicht unbeeinflusst teilgenommen haben, nur auf eine Partei entfallen wären. Dem Verfassungsgerichtshof ist zwar zuzugestehen, dass eine exakte Übertragung der Wahlergebnisse oder Prognosen auf die Gruppe der Nichtwählerinnen und Nichtwähler nicht in Betracht kommt. Vielmehr ergeben sich daraus nur Orientierungspunkte, die in die Bewertung der Wahrscheinlichkeit der Auswirkung eines Wahlfehlers auf die Zusammensetzung des Parlaments einfließen können. Bei der Prüfung, ob nach der allgemeinen Lebenserfahrung die konkrete Möglichkeit einer Beeinflussung der Mandatsverteilung durch den festgestellten Wahlfehler besteht, ist daher das potentielle Wahlverhalten zwar nicht im Sinne einer exakten Übertragung der Wahlergebnisse, wohl aber im Sinne einer groben Orientierung zu berücksichtigen“ (Rn. 244).

Angesichts der geringen Zahl der benötigten Stimmen für die SPD, um eine Veränderung der Sitzverteilung herbeizuführen, kann schon auf Grundlage der vom Bundestag festgestellten Wahlfehler eine Mandatsrelevanz bezüglich der Zweitstimmen festgestellt werden. Das gilt erst recht mit Blick auf die vom Bundestag übersehenen und insofern als Bewertungsgrundlage hinzukommenden Wahlbezirke, in denen wegen verspäteten Öffnungen Wartezeiten, Unterbrechungen und späten Schließungen ebenfalls Wahlfehler anzunehmen sind und wird nicht durch den Wegfall von drei fälschlicherweise als wahlfehlerbehaftet einbezogenen Bezirken erschüttert. Die insoweit vom Bundestag festgestellten und übersehenen Wahlfehler sind damit mandatsrelevant für das Zweitstimmenergebnis (Rn. 246).

Etwas anderes könnte sich jedoch für die Wahlfehler der Zulassung nicht wahlberechtigter Personen ergeben.

„Insgesamt handelt es sich dabei um acht dokumentierte Fälle […]. Selbst wenn diese Personen alle zugunsten einer Landesliste gestimmt hätte und deren Gesamtstimmenzahl dementsprechend zu verringern wäre, hätte dies für die Sitzverteilung keine Bedeutung“ (Rn. 247).

Eine Mandatsrelevanz ist dahingehend zu verneinen.

Auch die Auszählung von Wahlbriefen in falschen Briefwahlbezirken, jedoch dem richtigen Wahlkreis, hat auf die Sitzverteilung im Bundestag keinen Einfluss, sodass auch diese Wahlfehler – für sich betrachtet – nicht mandatsrelevant sind (Rn. 303).

(2)   Erststimmenergebnis

Fraglich ist, inwieweit die festgestellten Wahlfehler auch für das Erststimmenergebnis mandatsrelevant sind. Das ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die Stimmendifferenz zwischen den beiden am besten abschneidenden KandidatInnen größer ist als die Zahl der NichtwählerInnen. Damit kommt eine Mandatsrelevanz nur noch für die Wahlkreise 76, 77 und 80 in Betracht, wo es einer entsprechenden Stimmabgabe von 26 %, 19 %, respektive 46 % der NichtwählerInnen bedurft hätte, um eine Mandatsverschiebung herbeizuführen. Der Bundestag beurteilte hingegen nur in den ersten beiden Fällen die Wahlfehler für mandatsrelevant. Insofern ist zu erkennen, dass es nicht der allgemeinen Lebenswahrscheinlichkeit entspricht, dass sämtliche NichtwählerInnen dieser Wahlkreise nur aufgrund der aufgetretenen Wahlfehler von der Wahl ferngeblieben sind und knapp die Hälfte von ihnen auch für die Erstunterlegene gestimmt hätte. Das Ergebnis in den anderen beiden Wahlkreisen ist demgegenüber deutlich knapper. Hier erscheinen mandatsrelevante Verschiebungen hinreichend wahrscheinlich (Rn. 250).

Der Bundestag könnte so zu Recht zu dem Ergebnis gekommen sein, dass sich eine Mandatsrelevanz der Wahlfehler für die Erststimmenergebnisse auf die Wahlkreise 76 und 77 beschränkt. Zu einem anderen Ergebnis könnte jedoch führen, wenn für die vorliegende Frage kein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzulegen ist, sondern

„die Anforderungen an die Feststellung einer möglichen Beeinflussung der Sitzverteilung desto geringer ist, je schwerwiegender die Wahlfehler das Demokratieprinzip beeinträchtigen“ (Rn. 56).

Doch

„[d]em steht bereits entgegen, dass eine solche Absenkung der Anforderungen bei besonders schwerwiegenden Wahlfehlern letztlich zu einem Heranziehen von bloßen Vermutungen und damit zu einer weitgehenden Aufweichung des Grundsatzes der potentiellen Kausalität führen würde (vgl. Wischmeyer, JuS 2023, S. 286 <288>). Außer Betracht bleibt dabei ferner, dass primäres Ziel des Wahlprüfungsverfahrens die Feststellung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des gewählten Parlaments ist. Dies setzt die Feststellung voraus, dass sich die identifizierten Wahlfehler hierauf ausgewirkt haben können. Ein Wahlfehler kann den in einer Wahl zum Ausdruck gebrachten Volkswillen nur verletzen, wenn sich ohne ihn eine andere für die Mandatsverteilung relevante Mehrheit ergäbe (vgl. BVerfGE 29, 154 <165>). Wie schwer ein Wahlfehler wiegt, ist dafür ohne Belang. Auch ein schwerwiegender Wahlfehler, der sich auf die Zusammensetzung des Parlaments nicht ausgewirkt hat, rechtfertigt den Erfolg der Wahlprüfungsbeschwerde hinsichtlich der Gültigkeit der Wahl nicht“ (Rn. 236 f.).

Richtigerweise hat der Bundestag daher die Mandatsrelevanz für die Erststimmenergebnisse als auf Wahlkreise 76, 77 beschränkt erkannt.

c)   Rechtsfolge

Der Bundestag könnte rechtsfehlerhaft die Wahl teilweise für ungültig erklärt und die Wiederholungswahl in dem näher beschriebenen Umfang angeordnet haben. Aus dem hier gegenständlichen Beschluss geht hervor, es habe mandatsrelevante Wahlfehler in 327 Urnenwahlbezirken gegeben, mit denen weitere 104 Urnenwahlbezirke „verknüpft“ seien. Daher sei die Wahl in insgesamt 431 Wahlbezirken ungültig und in diesem Umfang zu wiederholen (Rn. 23 ff.; BTDrs. 20/4000, S. 19 ff.). Fraglich ist, ob damit die richtige Rechtsfolge gewählt wurde, die auf die sich ereigneten Wahlfehler zu folgen hat.

Grundsätzlich sieht § 44 Abs. 1 BWahlG vor, dass wenn die Wahl im Wahlprüfungsverfahren ganz oder teilweise für ungültig erklärt wird, sie nach Maßgabe der Entscheidung zu wiederholen ist. Die teilweise Ungültigkeit und Wiederholung der Wahl ist somit prinzipiell vorgesehen. Ein genauer Maßstab, nach dem zu einem solchen Ergebnis zu gelangen ist, geht aus dem einfachen Gesetz hingegen nicht hervor. Die Norm bedarf so der Auslegung im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. Rn. 251 f.).

Auf der einen Seite steht die Legitimation des Bundestages. Diese erlangt er über den Wahlakt. Ist die Wahl in einer Weise fehlerhaft, die sich auf die Zusammensetzung des Parlaments ausgewirkt haben kann, so ist die demokratische Legitimation des Bundestages in diesem Maße beeinträchtigt. Auf der anderen Seite streitet jedoch auch ein aus dem Demokratieprinzip folgender Grundsatz des Bestandschutzes, soweit eine demokratische, fehlerfreie Wahl vorlag. Beides ist miteinander iRe Abwägung in einen Ausgleich zu bringen (Rn. 252).

„Der Eingriff in die Zusammensetzung der gewählten Volksvertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung muss also vor dem Interesse an deren Erhalt gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 121, 266 <311 f.>; 123, 39 <87> m.w.N.). Die Ungültigerklärung der Wahl kommt deshalb nur in Betracht, wenn das Interesse an der Korrektur der mandatsrelevanten Wahlfehler im konkreten Fall nach Art und Ausmaß das Interesse am Bestand des gewählten Parlaments überwiegt (vgl. BVerfGE 121, 266 <311>). […] Dementsprechend unterliegt die Wahlprüfungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs“ (Rn. 252 f.).

Insgesamt kommen so vier Möglichkeiten in Betracht, um auf festgestellte Wahlfehler zu reagieren: Die Ergebnisberichtigung, die teilweise Wahlwiederholung, die vollständige Wahlwiederholung und die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit unter Verweis auf überwiegende Bestandsinteressen (Sauer, Über Wahlfehlerfolgen, 17.11.2022, https://verfassungsblog.de/uber-wahlfehlerfolgen/ (letzter Abruf: 02.01.2024)). Dabei müssen sich Wahlfehler umso stärker ausgewirkt haben, je intensiver der wahlprüfungsrechtliche Eingriff ist. Fällt die Beeinflussung nicht ins Gewicht, kann die Wahl dadurch nicht ungültig werden. Die Ergebnisberichtigung geht der teilweisen, die teilweise der vollständigen Wahlwiederholung vor (Rn. 257).

(1)   Richtige Rechtsfolge dem Grunde nach

Die Rechtsfolge der teilweisen Ungültigkeit und entsprechenden Wiederholung der Wahl gemäß § 44 Abs. 1 BWahlG könnte zu beanstanden sein.

Insofern sind jedoch Wahlfehler festgestellt, die einige, aber im Einzelnen unwägbare Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben konnten. Die bloße Feststellung von Wahlfehlern oder die Berichtigung des Ergebnisses scheidet damit aus (vgl. Rn. 260).

Die Wahl ist somit jedenfalls zu wiederholen. Geboten sein könnte jedoch nicht die teilweise, sondern eine vollständige Wahlwiederholung. Dagegen spricht jedoch, dass die Wahl in einem Großteil der Wahlbezirke von den festgestellten Wahlfehlern unbeeinflusst verlief. Nach dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs muss sich eine Wiederholung auf die Wahlbezirke, -kreise oder Länder beschränken, in denen sich die Wahlfehler ausgewirkt haben. Etwas anderes könnte nur dann anzunehmen sein, wenn Wahlfehler so gewichtig sind, dass ein Fortbestand der in dieser Weise gewählten Volksvertretung unerträglich erscheint (Rn. 257). Die Wahlfehler betreffen jedenfalls (s.u. C) II. 2. a) (2)) unter 20 % der Urnenwahlbezirke. Das allein vermag die Wahl als Legitimationsgrundlage nicht zu erschüttern. Soweit § 40 Abs. 3 BüWG vorsieht, dass die gesamte Bürgerschaft neu zu wählen ist, wenn die Wiederholung für mehr als ¼ der Wahlberechtigten erforderlich wäre, kann zum einen von dem Bestehen einer solchen einfach-gesetzlichen Regelung noch nicht auf die verfassungsrechtliche Gebotenheit geschlossen werden. Jedenfalls wäre dieses Quorum im vorliegenden Fall nicht erreicht (Rn. 266, 281). Soweit neben den festgestellten Wahlfehlern weitere Vorkommnisse vorgetragen werden, die schon iRd Feststellung von Wahlfehlern nicht verifiziert werden konnten, kann ihnen auch nicht als bloße Vermutungen und rein spekulative Annahmen in diesem Rahmen eine Wahlgültigkeitsrelevanz zukommen (Rn. 279). Schließlich besteht die Funktion des Wahlprüfungsverfahrens auch nicht darin,

„etwaige Mängel bei der Vorbereitung und Durchführung einer Wahl und damit ein etwaiges Organisationsverschulden der zuständigen Behörden zu sanktionieren. Vielmehr ist es darauf gerichtet, die ordnungsgemäße, der Legitimationsfunktion der Wahl genügende Zusammensetzung des Parlaments zu gewährleisten. Dafür ist die Frage der Verantwortlichkeit für Organisationsmängel ohne Belang“ (Rn. 280).

Auch dahingehende Erwägungen können daher nicht zur Annahme einer „überschießenden Wiederholungswahl“ iSd Unerträglichkeit des Fortbestandes führen (Rn. 261; zur „überschießenden Wiederholungswahl“ siehe Sauer, Über Wahlfehlerfolgen, 17.11.2022, https://verfassungsblog.de/uber-wahlfehlerfolgen/ (letzter Abruf: 02.01.2024)).

Die teilweise Ungültigerklärung und entsprechende Wiederholung der Wahl gemäß § 44 Abs. 1 BWahlG ist dem Grunde nach die für die festgestellten Wahlfehler gebotene Rechtsfolge (Rn. 261).

(2)   Maß der Ungültigkeit, Wiederholung

Die Ungültigerklärung des Bundestages könnte jedoch im Maß fehlerhaft sein.

(a)   Ungültigkeit nach Wahlbezirken

Insofern beschränkte sich der Bundestag auf die Ungültigerklärung einzelner Urnenwahlbezirke. Zwar werden auch damit an sich von den Wahlfehlern nicht betroffenen Stimmabgaben ihre Geltung entzogen und infolge von Umzügen kann es hier im Ergebnis dazu kommen, dass Wahlberechtigte von dem Legitimationsakt der Wahl ausgeschlossen oder doppelt beteiligt werden (vgl. § 44 Abs. 2 S. 2 BWahlG, § 83 Abs. 4 S. 2 BWahlO). Mit der Ungültigerklärung auf der Ebene von Wahlbezirken ist jedoch schon die niedrigste gewählt worden. Die in diesem Rahmen auftretenden „Brüche“ sind bei einer Wiederholungswahl unausweichlich und daher hinzunehmen. (vgl. Rn. 255 f.) Eine Erstreckung der Ungültigkeit auf ganze Wahlkreise ist demgegenüber, wie auch die Ungültigkeit der Wahl in Berlin insgesamt, nicht mit dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs zu vereinbaren (s.o.; Rn. 277 ff.).

(b)   Erstreckung auf „verknüpfte“ Bezirke

Noch offen bleibt, wie zu bewerten ist, dass der Bundestag nicht nur diejenigen Wahlbezirke für ungültig erklärte, in denen mandatsrelevante Wahlfehler festgestellt wurden, sondern auch diejenigen,

„die mit den wahlfehlerbehafteten Urnenwahlbezirken als Briefwahlbezirke bzw. über einen gemeinsamen Briefwahlbezirk miteinander „verknüpft“ waren. Er ist davon ausgegangen, dass die Wähler eines Briefwahlbezirks mit den Wählern des dazu gehörenden Urnenwahlbezirks eine Gesamtheit bildeten, sodass bei der Ungültigerklärung der Wahl in einem Urnenwahlbezirk die Wahl auch in dem gemeinsamen Briefwahlbezirk und den weiteren, mit diesem Briefwahlbezirk verbundenen Urnenwahlbezirken zu wiederholen sei. Andernfalls bestünde die Gefahr doppelter Stimmabgabe oder einer Beeinträchtigung der Geheimheit der Wahl (vgl. BTDrs. 20/4000, S. 42). […] Durch die Erstreckung der Wahlwiederholung auf die zugehörigen Briefwahlbezirke und die damit verbundenen Urnenwahlbezirke wird die Gesamtheit der Wählerinnen und Wähler in dem von den mandatsrelevanten Wahlfehlern betroffenen Bereich in die Wahlwiederholung einbezogen. Dies gewährleistet, dass die Wahlfehler in einer den allgemeinen Wahlgrundsätzen aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG entsprechenden Weise korrigiert werden können. Davon könnte bei einer Beschränkung der Wiederholungswahl auf die von Wahlfehlern betroffenen Urnenwahlbezirke nicht ohne Weiteres ausgegangen werden“ (Rn. 273).

Die Erstreckung auf derart verknüpfte Wahlbezirke ist daher nicht zu beanstanden (Rn. 273).

Gleiches muss dann aber auch dort gelten, wo eine Verknüpfung wahlfehlerhaft erfolgt ist, indem 1080 Wahlbriefe aus für ungültig erklärten Wahlbezirken des Wahlkreises 81 in an sich wahlfehlerfreie Briefwahlbezirke desselben Wahlkreises umverteilt wurden. Auch hier besteht die Möglichkeit der doppelten Stimmabgabe infolge der Gültigkeit der Briefwahl im aufnehmenden Bezirk und der Teilnahme an der Wiederholungswahl im ungültigen Bezirk in einer gewichtigen Zahl an Fällen (Rn. 293 ff.).

Hinweis: Im Originalfall ist es auch in anderen Wahlkreisen zur Umverteilung von Wahlbriefen am Wahltag gekommen. Der Senat entschied jedoch, dass die Wahrscheinlichkeit der Umverteilung von Wahlbriefen gerade von ungültigen zu gültigen Bezirken (und umgekehrt) gering sei. Gleiches gelte dann für das Risiko einer Doppel- oder Nichtwahl, sodass das Bestandsinteresse gegenüber dem Korrekturinteresse überwiege (Rn. 301 ff.).

(c)   Wiederholungswahl als Zweistimmenwahl

Nicht überall, wo Wahlfehler mandatsrelevant für das Zweitstimmenergebnis wurden, ist auch eine Mandatsrelevanz hinsichtlich des Erststimmenergebnisses festzustellen (s.u. C) II. 2. b)). Denkbar ist, dass der Bundestag gegen das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs verstoßen hat, indem er anordnete, die Wahl durchgängig als Zweistimmenwahl zu wiederholen. Dagegen spricht jedoch, dass § 44 Abs. 2 BWahlG ausdrücklich vorsieht, dass die Wiederholungswahl nach denselben Vorschriften wie die Hauptwahl stattfindet. Dahingehend hat sich

„der Gesetzgeber für eine mit der Personenwahl verbundene[n] und daraus folgend für eine Zweistimmenwahl entschieden […] (vgl. u.a. § 1 Abs. 2 Satz 2, § 6 und § 30 Abs. 2 BWahlG). Der in § 4 Abs. 1 Satz 2 BWahlG vorgesehenen vorrangigen Berücksichtigung der erfolgreichen Wahlkreisbewerber und dem Verfahren der Zweitstimmendeckung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 BWahlG könnte bei einer Trennung von erst- und Zweitstimmenwahl nicht entsprochen werden“ (Rn. 286).

Die Anordnung einer durchgängigen Zweistimmenwahl ist somit rechtmäßig (Rn. 282; zu dieser Frage ausführlich Boehl, in: Schreiber, BWahlG, 11. Aufl. 2021, § 44 Rn. 2).

(d)   Zwischenergebnis; Liste der ungültigen Wahlbezirke

Damit ist dem Ansatz des Bundestages zur Bestimmung des Ausmaßes der teilweisen Ungültigkeit der Wahl zu folgen. Zu beachten ist jedoch, dass Wahlfehler in 15 Urnenwahlbezirken übersehen und in 3 Urnenwahlbezirken fälschlicherweise festgestellt wurden. Die entsprechenden Wahlbezirke und die, die mit ihnen verknüpft sind, sind daher ebenfalls für ungültig zu erklären bzw. ihre Ungültigerklärung aufzuheben (Rn. 274 ff.). Ebenfalls ungültig sind diejenigen Briefwahlbezirke (und mit ihnen verknüpfte Urnenwahlbezirke), die umverteilte Wahlbriefe aus Wahlbezirken aufnahmen, deren Wahl für ungültig erklärt wurde (Rn. 300).

3.   Zwischenergebnis

Der Beschluss ist teilweise begründet (Rn. 101).

II.   Ergebnis

Die Wahlprüfungsbeschwerde hat teilweise Aussicht auf Erfolg (vgl. Rn. 101).

D.   Ausblick

Mag der dem Bundesverfassungsgericht gestellte Sachverhalt zu komplex und umfangreich sein, um ihn originalgetreu als (Examens-)Klausur zu stellen, ist die Examensrelevanz des Wahlrechts aktuell wohl kaum zu unterschätzen (siehe auch BVerfG, Urt. v. 29.11.2023 – 2 BvF 1/21, BeckRS 2023, 33683; BVerfG, Beschl. v. 25.01.2023 – 2 BvR 2189/22, NJW 2023, 2025; VerfGH Berlin, Urt. v. 16.11.2022 – 154/21, NVwZ 2023, 70; BGBl. I 2023 Nr. 147 v. 13.06.2023). Vor diesem Hintergrund kann es lohnen, in der Vorbereitung auf die Klausuren oder die mündliche Prüfung ein besonderes Augenmerk auf die Wahlgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG und das Demokratieprinzip zu legen und auch gewisse Grundkenntnisse zur Wahlprüfungsbeschwerde mitzubringen.

Eine juristisch anspruchsvolle Problematik ist zwischen dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin zu den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen (VerfGH Berlin, Urt. v. 16.11.2022 – 154/21, NVwZ 2023, 70) und der hier besprochenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit der Frage nach einer überschießenden Wiederholungswahl aufgetan, die schnell zu solchen des Grundverständnisses von Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG und Art. 38 Abs. 1 GG führt. Kann man noch davon sprechen, das Volk habe gewählt, wenn verschiedene Teile der Wahlberechtigten zu ganz verschiedenen Zeiten und beeinflusst von unterschiedlichen (politischen) Gegebenheiten ihre Stimmen abgegeben haben oder muss nicht dennoch anerkannt werden, dass zumindest ein Teil der WählerInnen wahlfehlerunbeeinflusst eine Entscheidung getroffen hat (siehe dazu Sauer, Über Wahlfehlerfolgen, 17.11.2022, https://verfassungsblog.de/uber-wahlfehlerfolgen/ (letzter Abruf: 02.01.2024))? Auch das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage nicht abschließend beantwortet. Mit Blick auf die vollständige Wiederholung der Wahl des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen hat es vielmehr darauf verwiesen, dass schon die vom Verfassungsgerichtshof festgestellte Mandatsrelevanz im dortigen Fall viel weiter reiche und so keine Vergleichbarkeit der Sachverhalte bestehe (Rn. 268 f.).

09.01.2024/2 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2024-01-09 10:19:092024-02-09 11:09:17BVerfG zur teilweisen Ungültigerklärung und Wiederholung der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag in Berlin
Redaktion

Zivilrecht ZIII – April 2016 – 1. Staatsexamen Berlin / Brandenburg

Berlin, Brandenburg, Examensreport

Nachfolgend erhaltet ihr nun auch ein Gedächtnisprotokoll der dritten gelaufenen Klausur im Zivilrecht des 1. Staatsexamens in Berlin / Brandenburg im April 2016. Vielen Dank hierfür. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
Sachverhalt:
Jurastudent S will nach bestandener Examensprüfung alsbald in den Urlaub fahren.
Zu diesem Zweck Bucht er am 23.12. 2015 auf der Homepage der Airline A ein Sparangebot für 2 Flüge im Februar 2016 zum Gesamtpreis von 360€.
In der Buchungsmaske ist vermerkt:
Bitte beachten Sie, dass nur die eingetragene Person unter Vorlage eines Ausweises berechtigt ist, den Flug wahrzunehmen.
Da S noch nicht weiß, mit wem er in den Urlaub fährt, trägt er in die Maske an entsprechender Stelle für Person 2 ’noch unbekannt‘ ein.
Kurze Zeit später hat S dann eine Mitreisende gefunden und ruft Ende Januar/Anfang Februar bei der A an, um diese eintragen zu lassen.
Die Mitarbeiterin der A teilt im mit, dass dies aus Gründen des Buchungssystems und hinsichtlich des Sparangebotes nicht möglich sei. Auch eine Stornierung sei wegen des Angebotes ausgeschlossen.
S könne allerdings für 400€ einen Flug hinzubuchen.
Hierauf verzichtet S und nimmt Abstand von seiner Buchung für Passagier 2.
Schließlich fliegt er alleine in den Urlaub.
Nach seiner Rückkehr ist S allerdings immernoch über das Verhalten der A empört.
Er meint, Verträge müssten doch eingehalten werden. Schließlich ist er sich nicht sicher, ob überhaupt ein Vertrag zustande gekommen ist.
Die A beruft sich darauf, dass S trotz des Hinweises falsche bzw. unzureichende Angaben gemacht hat.
Hätte er hierauf verzichtet, hätte der Sitz in der sonst ausgebuchten Maschine mit einem anderen Passagier besetzt werden können.
S fragt sich, ob er die Kosten für Passagier 2 in Höhe von 180€ wiedererlangen kann.
Aufgabe 1:
Hat S einen Anspruch auf Erstattung der 180€ für den Platz von Passagier 2?
Fortsetzung:
Die Sache geht vor das Amtsgericht am Sitz der A in Hamburg (Mitte).
Der zur Vertretung der A bestellte Justiziar J erleidet auf dem Weg zum anberaumten frühen ersten Termin allerdings unverschuldet einen Auto Unfall und erscheint nicht zur mündlichen Verhandlung.
Aufgrund dessen ergeht ein Versäumnisurteil gegen die A.
Einige Wochen später kommt es zu einem Personalwechsel in der Rechtsabteilung der A und N folgt als Justiziar dem J nach.
N ist über das VU sehr verärgert und reicht einen Monat nach Erlass der VU erneut Klage ein.
Hierbei verwendet er die gleiche Klageschrift wie schon J und aktualisiert in dieser lediglich das Datum und die Unterschrift.
Aufgabe 2:
Ist die Klage des N zulässig?
Abwandlung:
Gehen Sie davon aus, dass A und S einen Fluggastbeförderungsvertrag geschlossen haben.
§5 der AGB der A lautet:
Im Flugzeug zurückgelassene Gegenstände, wie z.B. Mobiltelefone, Laptops oder Kosmetika gehen, wenn sie nicht innerhalb einer Woche vom Kunden abgeholt werden, in der Eigentum der A über.
S hatte die AGB der A bei seiner Buchung mit einem Mausklick bestätigt.
S hat auf dem Rückflug am 13. März sein Handy im Flugzeug vergessen. Noch am selben Tag wird dieses bei der Reinigung des Flugzeugs entdeckt. Der Kundenservice der A meldet sich wiederum am selben Tag per E-Mail bei S, informiert über den Fund und fordert ihn zur Abholung auf.
S liest die Mail erachtet die Sache allerdings nicht als all zu dringlich.
So wird er am 25. März im Kundenbüro der A vorstellig und verlangt sein Telefon heraus.
Die Mitarbeiter der A verweigern die Herausgabe des Handys in Berufung auf §5 der AGB.
Hat S einen Anspruch auf Herausgabe des Handys?
Gehen Sie gutachterlich – ggf. hilfsgutachterlich – auf die aufgeworfenen Rechtsfragen ein. Prüfungsmaßstab ist hierbei das deutsche Recht.

23.05.2016/7 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2016-05-23 10:00:562016-05-23 10:00:56Zivilrecht ZIII – April 2016 – 1. Staatsexamen Berlin / Brandenburg
Redaktion

Strafrecht SI – April 2016 – 1. Staatsexamen Berlin

Berlin, Examensreport

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll der ersten gelaufenen Klausur im Strafrecht des 1. Staatsexamens in Berlin im April 2016. Vielen Dank für die Zusendung. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
S erhält die Diagnose unheilbar Demenzkrank. Er kann sich ein solches Leben nicht vorstellen und möchte dies auch seiner Ehefrau E und seiner 23-jährigen Tochter T nicht zumuten. Also beschließt er nach reiflicher Überlegung sich das Leben zu nehmen, solange er noch im Besitz seiner geistigen Kräfte ist. Nach vielen Gesprächen mit E erklärt diese sich bereit ihm dabei zu helfen. 
E besorgt vom Apotheker A, den sie über den Sachverhalt unterrichtet, ein Beruhigungsmittel, das zuverlässig und schnell zum Tod führt. E weiß, dass der A auch schon einigen Bekannten von ihr in dieser Form behilflich geworden ist. A überlässt ihr sodann das Beruhigungsmittel zum Selbstkaufpreis.
1 Woche später soll das Vorhaben in die Tat umgesetzt werden. E verabschiedet sich von S und verlässt das Haus, da sie den Wunsch des S zwar respektiert, aber mit der Sache nichts zu tun haben will. Die Tochter T und ihr langjähriger Freund F wollen S hingegen beistehen.
Als S sich dann das Betäubungsmittel injizieren will, zittert er vor Aufregung so stark, dass er keine Vene treffen kann. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, bittet er die T ihm zu helfen. T zögert. Sie überwindet ihre Zweifel erst, als F zu ihr sagt, sie sehe doch wie ihr Vater leidet, sie solle ihn jetzt nicht im Stich lassen. T injiziert ihrem Vater das Betäubungsmittel fachgerecht.
Sodann klingelt es an der Tür. Während die T bei ihrem Vater bleibt geht F zur Tür und öffnet. 
Vor der Tür stehen zwei Notärzte, die sich nach S erkundigen. Diese wurden von E verständigt, die ihr Gewissen erleichtern wollte.
Die Tür ist noch durch eine Kette mit dem Türrahmen verbunden und nur einen Spalt geöffnet. 
F überlegt kurz, ob er die Tür einfach wieder zuschlagen soll, öffnet dann jedoch mit den Worten „Er ist im Wohnzimmer“.
Da die E den Notärzten den Namen des Medikamentes am Telefon mitgeteilt hatte, können sie dessen tödliche Wirkung tatsächlich noch in letzter Minute stoppen und S überlebt. Er hat jedoch bereits so erhebliche Gehirnschäden erlitten, dass er nicht wieder zu Bewusstsein kommt. Ob die Notärzte den S tatsächlich noch hätten retten können, wusste F nicht, er hielt es aber für möglich.
Aufgabe 1: Wie haben sich T, F, E und A nach dem StGB strafbar gemacht?
Abwandlung: Wie oben, doch nun wird S zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus gebracht. Die behandelnde Ärztin Dr. W, die von E über den Sterbewunsch des S aufgeklärt wurde, findet es unmenschlich den S entgegen seinem Willen am Leben zu lassen. Deswegen injiziert sie ihm im Rahmen einer Nachtschicht ein schnell zum Tode führendes Betäubungsmittel. S verstirbt.
Aufgabe 2: Beurteilen sie die Strafbarkeit von W und T nach § 216 StGB.
Aufgabe 3: Nach den Vorkommnissen wird T als Beschuldigte vorgeladen/vernommen. Der Anwalt der T wird nicht benachrichtigt. Da die T nach dieser Nacht psychisch neben der Spur ist, will sie den Termin verschieben lassen. Der Termin wird nicht verschoben. E, die ihrer Vernehmung zugestimmt hatte wird als Zeugin vernommen.
War die Vernehmung der E rechtmäßig nach der StPO?

Hingewiesen wird auf den neu eingeführten § 217 StGB.

 § 217 StGB war an dieser Stelle abgedruckt.

25.04.2016/9 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2016-04-25 15:17:252016-04-25 15:17:25Strafrecht SI – April 2016 – 1. Staatsexamen Berlin
Redaktion

Klausurlösung: ÖR II – April 2015 – Berlin/Brandenburg

Berlin, Brandenburg, Examensreport

Nachfolgend erhaltet Ihr in Kooperation mit der Online Lernplattform Jura Online eine unverbindliche Lösungsskizze der im April 2015 gelaufenen Ö II Klausur in Berlin und Brandenburg. Mittels der Skizze soll es Euch möglich sein, Euch noch besser auf eure eigenen Klausuren vorzubereiten und die wesentlichen Problemkreise zu erfassen. An einigen Stellen der Lösungsskizzen verweist JuraOnline auf eigene Vertiefungshinweise.
Bitte beachten:
Die Lösungsskizze ist absolut unverbindlich und erhebt keinerlei Anspruch auf inhaltliche Richtigkeit oder Vollständigkeit. Sie beruht allein auf den uns zugesandten Gedächtnisprotokollen und soll allenfalls eine Richtschnur für eure eigenen Überlegungen sein. Bitte habt auch Verständnis dafür, dass wir oder Jura Online evtl. Fragen zu euren eigenen Klausurlösungen nicht beantworten können. Gleichwohl ist jeder herzlich eingeladen, sich im Kommentarbereich mit anderen Lesern auszutauschen. Wir werden versuchen, auf die ein oder andere Frage dort einzugehen.
 
Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
 
Die Bundesregierung möchte mit der Einführung einer Luftverkehrssteuer Anreize zu umweltgerechterem Verhalten bieten und den Haushalt konsolidieren. Daher beschließt sie im Jahr 2010 das LuftVStG, welches im Wesentlichen folgenden Inhalt hat: Flüge aus dem Inland unterliegen der Steuerpflicht. Sie wird nach drei Distanzklassen unterteilt (Kurz-, Mittel- und Langstrecke), wobei deren Berechnung der Einfachheit halber pauschal vom Flughafen Frankfurt am Main zum wichtigsten Flughafen des Ziellandes erfolgt. In der Kurzstrecken- Distanzklasse fallen 8 € pro Passagier an, in der Mittelklasse 25 € (Anm.: ungefähr) und in der Langstreckenklasse 45 €.
 
Das Bundesministerium für Finanzen wird ermächtigt, die Distanzklassen zu Beginn jedes Jahres mittels Rechtsverordnung entsprechend anzupassen. Herausgenommen aus dem Anwendungsbereich des LuftVStG sind militärische und medizinische Flüge, Fracht- und Privatflüge sowie Transit- und Transferflüge (letzteres: „Umsteigerprivileg“).
Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens stimmen 4 Mitglieder des Bundeslandes A im Bundesrat uneinheitlich ab (2 dafür, 2 dagegen). Von 69 Mitgliedern des Bundesrats stimmten 35 (mit den Mitgliedern des Bundeslands A) dafür und 34 dagegen.
 
Das Bundesland B möchte im Januar 2015 die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes überprüfen, da sie Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hat. Es ist der Ansicht, dass der Bund schon keine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG inne hätte. Zudem sei die Verordnungsermächtigung im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig, da das Parlament selbst sich mit der Höhe der Steuerbelastung durch die Distanzklassen auseinandersetzen müsse. Zudem verstoße das LuftVStG gleich mehrfach gegen den Gleichheitssatz, indem Fracht- und Privatflüge sowie Transit- und Transferflüge aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden. Zudem komme die Orientierung am wichtigsten Flughafen des Ziellandes zu absurden Ergebnissen: Während ein Flug nach New York mit über 6.000 Flugkilometern der höchsten Distanzklasse mit dem höchsten Steuersatz unterliegt, falle ein Flug nach Wladiwostok mit einer Distanz von 8.500 km in die niedrigste Steuerklasse, da der wichtigste Flughafen Russlands – Moskau – nur knapp 2.000 km von Frankfurt am Main entfernt ist. Auch dies sei ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz.
Zudem greife das LuftVStG in nicht zu rechtfertigender Weise in die Berufsfreiheit der Airlines sowie der Passagiere ein. Zudem führe die Herausnahme der Transfer- und Transitflüge dazu, dass Ausweichreaktionen durch einen Beginn der Reise an einem ausländischen Flughafen geradezu provoziert werden.
 
Die Bundesregierung tritt dem entgegen. Die Privilegierung der Transfer- und Transitflüge sei nötig, um die wichtigsten „Drehkreuze“ in ihrer europäischen Wettbewerbsfähigkeit zu schützen. Die teilweise absurden Ergebnisse des Berechnungsmodus der Distanzklasse seien absolute Ausreißer, die hinzunehmen wären. Zudem habe der Gesetzgeber ein weites Ermessen in Steuerangelegenheiten. Auch die Herausnahme von Fracht- und Privatflügen sei zulässig, da Passagierflüge hauptverantwortlich für die Umweltbelastung seien.
 
Wird der Antrag der Landesregierung B vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg haben?
 
 
Unverbindliche Lösungsskizze
A. Zulässigkeit
I. Zuständigkeit des BVerfG
Hier:Abstrakte Normenkontrolle, Art. 93 I Nr. 2 GG; §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG.
 
II. Antragsteller, § 76 I BVerfGG
Hier: Landesregierung des Bundeslandes B.
 
III. Antragsgegenstand, § 76 I BVerfGG
Hier: Bundesrecht (LuftVStG)
 
IV.Antragsbefugnis
– Problem: „Für nichtig halten“, § 76 I Nr. 1 BVerfGG
– „Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten“ ausreichend, Arg.: Art. 93 I Nr. 2 GG.
 
B. Begründetheit
(+), wenn LufVStG verfassungswidrig.
 
I. Formelle Verfassungsmäßigkeit
 
1.Gesetzgebungszuständigkeit
Hier: Bund; Arg: Art. 105 II, 106 I Nr. 3 GG („motorisierte Verkehrsmittel“).
 
2. Gesetzgebungsverfahren
a) Einleitungsverfahren, Art. 76 GG (+)
 
b) Hauptverfahren
aa) Beschluss des BTages (+)
bb) Mitwirkung des BRates
Hier: Zustimmungsgesetz
– Problem: Uneinheitliche Stimmabgabe des Bundeslandes A
– aA: Stimmführer des betreffenden Landes maßgeblich -> keine Angaben
– hM: Landesstimmen ungültig -> 33:32
 
3.Form, Art. 82 I 1 GG (+)
 
II. Materielle Verfassungsmäßigkeit
Verletzung von Art. 12 I GG
 
a) Bzgl. Airlines
aa) Schutzbereich
(1) Persönlicher Schutzbereich
(+); Arg: Berufsfreiheit dem Wesen nach auf Airlines anwendbar, Art. 19 III GG.
 
(2) Sachlicher Schutzbereich
-> Beruf (+)
 
bb) Eingriff
Hier: Besteuerung
 
cc) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
(1) Bestimmung der Schranke
– „Verfassungsmäßige Ordnung“ i.S.v. Art. 12 I GG = jedes formell wie materiell verfassungsgemäße Gesetz = einfacher Gesetzesvorbehalt.
 
(2) Verhältnismäßigkeit
 
(a) Zulässiger Zweck
Hier: Umweltschutz, Art. 20a GG, und Haushaltskonsolidierung.
 
(2) Geeignetheit (+)
 
(3) Erforderlichkeit (+)
 
(4) Verhältnismäßigkeit i.e.S.
-> 3-Stufen-Theorie 
Hier: (+); Arg.: „Berufsausübungsregel“ (3. Stufe); „Vernünftige Gründe des Gemeinwohls“ ausreichend.
 
dd) Ergebnis: (-)
 
b) Bzgl. Passagiere
aa) Schutzbereich (+)
 
bb) Eingriff
 
(1) „Klassischer“ Eingriff
(-); Arg.: zumindest nicht final.
 
(2) „Moderner“ Eingriff (berufsregelnde Tendenz)
(-); Arg: auch nicht intensiv; eventuelles Abwälzen der Kosten auf Passagiere nicht ausreichend.
cc) Ergebnis: (-)
 
Verletzung von Art. 3 I GG 
 
a) Herausnahme von Fracht- und Privatflügen
aa) Vergleichspaar
– Luftverkehr in Gestalt von gewerblichen Passagierflügen
– Luftverkehr in Gestalt von Fracht- und Privatflügen
 
bb) Ungleichbehandlung (+)
 
cc) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
 
(1) Verfassungsmäßigkeit des Zwecks
Hier: Umweltschutz und Haushaltskonsolidierung.
 
(2) Verfassungsmäßigkeit des Mittels
Hier: Differenzierung nach Art des Luftverkehrs.
 
(3) Verfassungsmäßigkeit der Zweck-Mittel-Relation
-> Verhältnismäßigkeit
– Voraussetzung: Hohe Belastungsintensität („Neue Formel“)
– Hier: hohe Belastungsintensität (+); Arg: zugleich Freiheitsgrundrechte betroffen (s.o.)
– Im Ergebnis wohl: (+); Arg.: Gewerbliche Passagierflüge hauptverantwortlich für Umweltbelastung.
 
dd) Ergebnis: (-)
 
b) Herausnahme von Transit- und Transferflügen
– Ungleichbehandlung wohl zumindest gerechtfertigt; Arg.: Wettbewerbsfähigkeit („Drehkreuze“).
 
c) Berechnung der Distanzklassen
aa) Vergleichspaar
– Distanzflüge zu wichtigstem Flughafen des Ziellandes (z.B. New York)
– Distanzflüge zu anderen Flughäfen des Ziellandes (z.B. Wladiwostok)
 
bb) Ungleichbehandlung
Hier: Konkrete und abstrakte Berechnungsweise.
 
cc) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
– Wohl (+); Arg: Pauschalisierte Berechnung dient der Vereinfachung im Steuerrecht.
dd) Ergebnis: (-)
 

  1. Verstoß gegen Bestimmtheitsgebot

– Verankerung: Allgemein im Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG; speziell bei Verordnungsermächtigungen, Art. 80 I 2 GG.
– Hier: Konkrete Ermächtigung zur jährlichen Anpassung der Distanzklassen durch Bundesregierung wohl in Ordnung.
 
III. Ergebnis: (-)
 

  1. Gesamtergebnis: (-)

 
 
 

14.11.2015/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-11-14 10:00:182015-11-14 10:00:18Klausurlösung: ÖR II – April 2015 – Berlin/Brandenburg
Redaktion

Strafrecht SII – Oktober 2015 – 1. Staatsexamen Berlin, NRW

Berlin, Examensreport, Nordrhein-Westfalen

Vorliegend erhaltet ihr auch ein Gedächtnisprotokoll der zweiten gelaufenen Klausur des 1. Staatsexamens im Strafrecht in Berlin im Oktober 2015. Der gleiche Sachverhalt lief so auch in NRW im Oktober 2015. Vielen Dank auch hierfür. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
Aufgrund seiner momentan schlechten finanziellen Lage beschließt A mehrere Autos aufzubrechen und so Wertgegenstände zu besorgen. Er fährt mit seinem Motorroller zu einer ruhigen Vorortstraße. Mit einem handelsüblichen Schraubendreher öffnet er den Kofferraum des Fahrzeugs von X, ohne das Schloss dabei zu beschädigen. Die dort befindliche teure Spiegelreflexkamera steckt er in seinen Stoffbeutel. Dann muss A sein Vorhaben unterbrechen, da mehrere Leute mit ihren Hunden an ihm vorbei Gassi gehen. Aber da es so gut geklappt hat, möchte er nicht aufhören, sondern weitere Autos aufbrechen.
Nach zehn Minuten sind wieder alle weg und A setzt mit dem Schraubendreher an, um das Fahrzeug der F zu öffnen. Freudig stellt er fest, dass das Fahrzeug bereits offen ist. Es zieht an dem Radio, um es aus der Halterung zu lösen, doch das Radio verklemmt. Dabei wird Alarm ausgelöst. In aller Hektik durchsucht A noch Handschuhfach und Rückbank, aber es sind keine weiteren Wertgegenstände vorhanden. Sodann will A mit seinem Motorroller davon fahren.
B, der Freund der F, wird vom Alarm geweckt. Er denkt sofort, dass sich ein Dieb am Auto der F zu schaffen macht. Also nimmt er sein Gewehr, denn er ist ein sehr guter Sportschütze. Die F sagt, lass das Auto doch sein, nicht dass dir was passiert. Aber B möchte der F seine Liebe und seinen Mut beweisen. Unten auf der Straße sieht B, wie A sich vom Auto der F abwendet und mit einem Stoffbeutel in der Hand mit dem Motorroller wegfahren will. Er ruft dem A zu: Halt, bleib stehen oder ich schieße. Aber A fährt los. Nach 100 Metern muss er allerdings umkehren weil es eine Sackgasse ist und fährt geradewegs auf B zu. B gibt einen Warnschuss ab aber A beschleunigt weiter. A hält eine Verletzung des B für ausgeschlossen, aber möchte unbedingt mit seiner Beute fliehen. B kann sich tatsächlich mit einem schnellen Sprung zwischen zwei parkende Autos retten. Er zielt dann auf den Hinterreifen des A, um ihn zu Fall zu bringen, da er glaubt, dass sich im Stoffbeutel Wertgegenstände der F befinden. Tatsächlich kommt der Roller in Schleudern und A erleidet durch den Sturz auf das Straßenpflaster wie von B vorhergesehen und in Kauf genommen einen Beinbruch.
Strafbarkeit von A und B?
Die §§ 123, 211, 212, 239, 241, 246, 253, 255, 303 und 315c sind nicht zu prüfen.
Strafanträge sind gestellt. Auf Strafverfolgungshindernisse ist nicht einzugehen.

23.10.2015/52 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-10-23 12:00:372015-10-23 12:00:37Strafrecht SII – Oktober 2015 – 1. Staatsexamen Berlin, NRW
Redaktion

Strafrecht SI – Oktober 2015 – 1. Staatsexamen Berlin

Berlin, Examensreport

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll der Strafrechtsklausur des 1. Staatsexamens in Berlin im Oktober 2015. Vielen Dank für die Zusendung. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
Fan D ist erbost über den Sponsor (Geflügelmastanlage) seines Lieblingsfußballvereins V. Um zu demonstrieren kettet er sich am Haupteingang des Trainingsplatzes mit zwei schweren Ketten um seine Hüfte fest, die mit mehreren Schlössern an den Pfosten befestigt sind. Dadurch kann der Mannschaftsbus mit den Spielern nicht auf das Gelände fahren. Die Ketten können erst nach 2 Stunden unter Einsatz von Werkzeug wieder entfernt werden. Weitere Fahrzeuge werden nicht behindert, innerhalb des Geländes befinden sich keine Personen.
D findet, dass die Gänse der Geflügelmastanlage einen überdurchschnittlich hohen Fettanteil aufweisen. Er recherchiert ausführlich und stellt einen Verstoß gegen § 3 Nr. 9 TierSchG fest, in dem verboten ist, Gänse zu stopfen.
D daher schreibt dem Vorsitzenden G der Geflügelmastanlage einen Brief an seine Privatadresse, in dem er ihn persönlich den Vorwurf macht gegen § 3 Nr. 9 TischSchG zu verstoßen. G liest den Brief und wirft ihn ohne zu antworten weg.
D ist sauer, dass G nicht antwortet. Er erzählt seinem Bekannten B alles, der auch Tierschützer ist. Sie beschließen gemeinsam dem G eins auszuwischen. Zwei Wochen später verfolgen sie den G unbemerkt auf seiner Wanderung durchs Hochgebirge. Als kein anderer Mensch mehr in der Nähe ist, rufen B und D unter Vorhalt ihrer ungeladenen Pistolen (was für G nicht erkennbar ist) dem G, der sich in 50 Metern Entfernung befindet zu, dass sie ihn erschließen werden. Dabei wollen sie ihm nur Angst machen und ihn später ordentlich verprügeln. G bekommt Panik und rennt weg. Die sportlichen B und D haben ihn fast eingeholt als er auf dem unwegsamen Gelände stürzt, in die Tiefe fällt und sofort an seinen Verletzungen stirbt. Damit haben B und D nicht gerechnet.
Der Fußballspieler F ist homosexuell und in einer langjährigen Beziehung mit seinem Partner P, was außer seinem engsten Familienkreis niemand erfahren darf, da er Angst vor den negativen Reaktionen der Fans hat. Sein ehemals guter Freund Y ist sauer auf ihn und erzählt daher bei einem Fanstammtisch, dass F homosexuell ist und in einer festen Beziehung lebt. Dies habe ihm Z erzählt. Z ist ein sehr bekannter Mann, der stets gut informiert ist. Außerdem erzählt Y, dass Z ihm von einer nicht bezahlten Restaurantrechnung des F erzählt hat. Y macht dabei deutlich, dass er selbst nicht weiß, ob beide Gerüchte stimmen. Es lässt sich nicht mehr aufklären, ob die Restaurantrechnung tatsächlich nicht bezahlt wurde. Wie vom Y vorhergesehen, verbreitet sich das Gerücht der Homosexualität schnell. Die Fans sind aggressiv und pfeifen den F beim nächsten Spiel aus. Obwohl F eine sehr gute Spielleistung erbringt, wird er beim nächsten Spiel vom Trainer bereits nach 20 Minuten ausgewechselt, wegen der aggressiven Stimmung im Stadion.
Strafbarkeit von D, B und Y?
Eine Strafbarkeit zum Nachteil des Z ist nicht zu prüfen. Erforderliche Strafanträge sind gestellt. Etwaige Strafverfolgungshindernisse sind nicht zu prüfen.

21.10.2015/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-10-21 13:00:482015-10-21 13:00:48Strafrecht SI – Oktober 2015 – 1. Staatsexamen Berlin
Gastautor

In der deutschen Bundeshauptstadt

Startseite, Verschiedenes

Wir freuen uns im Monat Juni wieder einen Beitrag eines Mitglieds des Phi Delta Phi – Michael Hoffmann-Becking Inn Frankfurt am Main veröffentlichen zu können. Der Beitrag stammt diesmal von Fritz Grosch. Er ist Gründungsmitglied von Phi Delta Phi in Frankfurt am Main und neben seinem Studium politisch engagiert. In seinem Beitrag berichtet Fritz von seinem Praktikum im Deutschen Bundestag.
Berlin ist durch den Hauptstadtbeschluss seit 1999 wieder deutsche Hauptstadt und Sitz der Bundesregierung. Seitdem steht die gesamte Stadt und Metropolregion unter einem ständigen Wandel und dass in vielerlei Hinsicht. Im März konnte ich das Tempo der Hauptstadt selbst erfahren, als ich mein Praktikum im Deutschen Bundestag in einem Abgeordnetenbüro absolvierte. Als politisch Interessierter versuche ich neben dem Studium mein eigenes politisches Engagement aufrechtzuerhalten und mit dem Studium zu verknüpfen. Durch mein politisches Engagement konnte ich bereits ein breites Erfahrungsspektrum hinsichtlich Wahlkampf und Vorstandsarbeit in einer politischen Partei sammeln.  Ein Praktikum im Deutschen Bundestag war besonders reizvoll, da – wie allseits bekannt – die Juristendichte in politischen Tätigkeitsfeldern besonders hoch ist und viele Juristen eine politische Laufbahn einschlagen. Ich konnte dabei erleben, inwieweit und wie genau die eigentliche politische Arbeit „an der Quelle“ abläuft und inwieweit sich meine bisher gesammelten Erfahrungen und Fähigkeiten damit verbinden ließen.
Ich konnte im Laufe meines Praktikums den Alltag eines Bundestagsabgeordneten kennenlernen und dabei besonders das Gesetzgebungsverfahren und den Prozess der politischen Willensbildung verfolgen.
Das deutsche Parlamentswesen und die Arbeit eines Bundestagsabgeordneten
Im Folgenden möchte ich anhand ausgewählter Aufgabenfelder eines Bundestagsabgeordneten und meiner persönlichen Erfahrungen verdeutlichen wie der Arbeitsalltag im deutschen Parlament abläuft: 
Die Ausschussarbeit
Eines der Haupttätigkeitsfelder eines Bundestagsabgeordneten ist die Ausschussarbeit. Jeder Abgeordnete ist Teil eines Ausschusses. Die Bundestagsausschüsse bereiten die Entscheidungen des Bundestages vor. Aufgrund der Größe des Plenums, welches regulär aus 598 Bundestagsabgeordneten und den Überhangmandaten sowie – seit 2013 – Ausgleichsmandaten besteht, können nicht alle Beschlüsse und Gesetzesentwürfe den Bundestag in seiner Gesamtheit durchlaufen. In den Bundestagsausschüssen werden die Gesetzesentwürfe deshalb „abstimmungsreif“ vorbereitet. So werden Gesetze im Vorfeld von den betreffenden Ausschüssen entworfen und ausgestaltet. In gemeinsamen (normalerweise nicht öffentlichen) Ausschusssitzungen, die von einem Obmann geleitet werden, beraten die Ausschussmitglieder die Gesetze und hören ggf. Experten an. Die Vorladung und Vernehmung von Zeugen sowie das Veranlassen sonstiger Ermittlungen durch Gerichte und Verwaltungsbehörden ist Privileg der Untersuchungsausschüsse. Jeder Ausschuss ist entsprechend der Größe der einzelnen Fraktionen im Bundestag zusammengesetzt.
Ich durfte im Zuge meines Praktikums  bei einem Abgeordneten die Arbeit des Ausschusses für Gesundheit näher kennenlernen. Im Rahmen einer von mir besuchten Ausschusssitzung wurden Gesetze zu gesundheitspolitischen Themen besprochen. Im Zuge der Sitzung konnte ich die Diskussionskultur sowie die anschließenden Entscheidungsprozesse miterleben. Insbesondere konnte ich verfolgen, auf welchem Weg eine Gesetzesvorlage konkretisiert und im weiteren Prozess an den Bundestag weitergeleitet wird. Der einzelne Abgeordnete bringt sich dabei mit eigenem Engagement in die Diskussion ein und versucht den Gesetzgebungsprozess auch entsprechend seiner Parteilinie zu beeinflussen.
Das Plenum
Diese Vorarbeiten kommen im Anschluss zur Abstimmung in den Bundestag. Leider konnte ich während meines Praktikums keinen vollständigen Gesetzgebungsprozess erleben. Da ein Gesetzgebungsverfahren im Durchschnitt mehrere Jahre (von dem Zeitpunkt, an dem es vorgeschlagen wurde bis zum Inkrafttreten) andauert, ist dies im Rahmen eines Praktikums aber auch kaum möglich. Die Gesetze, die zur Abstimmung in den Bundestag gelangen, werden im Vorfeld der Abstimmung noch einmal diskutiert um der politischen Diskussionskultur Rechnung zu tragen.
Während meines Praktikums besuchte ich mehrere Plenarsitzungen des Bundestags. In einer dieser Sitzungen ging es um die Abstimmung über weitere Hilfszahlungen für Griechenland. Vor der eigentlichen Abstimmung wurde das Thema diskutiert. Anhand solcher Abstimmungen lässt sich der Arbeitsalltag des Bundestages sehr gut verdeutlichen. Der Bundestag ist eines der wichtigen Verfassungsorgane, welche den politischen Willensbildungsprozess maßgeblich beeinflussen. Die Bedeutung eines gut funktionierenden und vor allem ausgeglichen besetzten Parlaments zeigt sich an der Zusammensetzung des momentanen 18. Deutschen Bundestages. Nach Bildung der Großen Koalition aus den regierenden Parteien CDU und SPD vereinigt die Regierungskoalition im Plenum über 75 Prozent der Mandate. Im Gegensatz dazu ist die Opposition aus den Parteien DIE LINKE und Bündnis 90/DIE GRÜNEN entsprechend klein. Im parlamentarischen Alltag besteht die Möglichkeit des „Durchregierens“ der Regierungskoalition. Ich konnte bei meinen Besuchen des Plenums so auch feststellen, dass eine relativ geringe Diskussionskultur im Vergleich zu anderen Legislaturperioden herrscht. Die Opposition kommt zwar zu Wort, eine ausschlaggebende Kraft ist sie jedoch nicht und hat in dieser Mandatsaufteilung keine sonderlich große Einflussmöglichkeit, da ihr die Stimmen fehlen. Bei der genannten Griechenland-Debatte wurden – wie bei jeder Parlamentsdebatte – Redebeiträge aller Parteien zugelassen. Eine wirkliche Debatte wird jedoch nur auf Seiten der Opposition geführt, da sich CDU und SPD als Koalitionspartner natürlich nicht widersprechen, wenn es um ein gemeinsames Anliegen geht. Zwar kritisiert die Opposition ganz nach ihrer bestimmungsgemäßen Aufgabe die Arbeit der Regierungskoalition, jedoch scheint diese mehr oder minder durch das ungleichmäßige Stimmgewicht zwischen Regierungskoalition und Opposition zu verblassen. So wurde im Nachgang zur Bundestagswahl selbstverständlich kritisiert, dass eine Regierungskoalition, die mit einer solchen Parlamentsmehrheit ausgestattet ist, auf lange Sicht die Minderheitsrechte aushöhlt. Beispielsweise kann die Opposition eigeständig keinen Untersuchungsausschuss einleiten, weil ihr die notwendigen 25 Prozent Stimmanteil fehlen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Erlass einer Sonderregelung (§ 126a GOBT), um den notwendigen Stimmenanteil zu senken und der Opposition so die Kontrolle der Regierungskoalition zu ermöglichen.
Als Jurist ist man angesichts einer solchen Entwicklung im ersten Moment natürlich beunruhigt. Es gehört zu den wesentlichen Elementen einer Demokratie, dass sich das Parlament aus einer ausgeglichenen Mandatsverteilung zusammensetzt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Regierung nicht ausreichend genug kontrolliert wird und unsere verfassungsmäßigen Prinzipien unterlaufen werden. Jedoch zeigt die genannte Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages, dass auf jeden Fall ein gesundes verfassungsmäßiges Demokratieverständnis vorherrscht.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 
Ein Bundestagsabgeordneter wird in erster Linie gewählt, um seinen Wahlkreis in der Hauptstadt zu vertreten und dessen Interessen entsprechend durchzusetzen. Durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bildet sich daher die eigentliche politische Arbeit des Abgeordneten heraus. Dabei versucht er stets auch die Bedürfnisse einzelner Bürger in seine politische Arbeit mitaufzunehmen. So besteht für jeden Bürger die Möglichkeit im Berliner Büro oder im Wahlkreisbüro seine Interessen darzulegen.
Ich arbeitete somit vor allem während des Praktikums an Rechercheaufgaben für öffentliche Veranstaltungen und Diskussionen. Vor allem das Thema der Organspende hat mich beschäftigt. Seit dem Organspendeskandal im Jahr 2010 ist das Vertrauen in den Organspendeprozess in der Bevölkerung erheblich gesunken. Ärzte in ganz Deutschland hatten Richtlinienverstöße begangen, um die Wahrscheinlichkeit der Leber-Organvergabe an Patienten des eigenen Transplantationszentrums zu erhöhen. So versucht die Politik momentan dieses Vertrauen wieder zu stärken, indem vor allem die neue Gesetzgebung weiter modifiziert und verbessert wird. Das Transplantationsgesetz (TPG) wurde im Zuge des Organspendeskandals in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Im Vorfeld der Gesetzesreform hatten sich Befürworter der Organspende, wie die Bundesärztekammer oder der Nationale Ethikrat, für eine Änderung ausgesprochen, um dem Mangel an Spenderorganen in Deutschland abzuhelfen. So sollte ihrer Meinung nach eine Kombination von Entscheidungs- und Widerspruchsregelung Eingang in die Gesetzgebung finden. Von Februar bis April 2011 wurden 1165 Schüler von Mainzer Gymnasien im Alter zwischen 14 und 20 Jahren per Fragebogen zu den Themen Hirntod und Organspende befragt. Auffällig ist, dass 63 Prozent der Befragten die postmortale Organspende befürworten, jedoch nur 11,3 Prozent einen Organspendeausweis besitzen. Unter denen, die die Organspende ablehnen, gaben 72,4 Prozent ein Informationsdefizit als Grund für die Ablehnung an. Wissensfragen zum Hirntod wurden teilweise von über der Hälfte der Befragten falsch beantwortet, was belegt, dass dieses Defizit nicht vollständig subjektiv ist.
Am 25. Mai 2012 beschloss der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit eine umfassende Reform der Organspende. Künftig sollen alle Krankenversicherten ab dem 16. Lebensjahr regelmäßig befragt werden, ob sie nach ihrem Tod zur Organspende bereit sind. Diese Entscheidungslösung soll im Transplantationsgesetz verankert werden. Am 15. Juni 2012 stimmte auch der Bundesrat der Entscheidungslösung und den Änderungen im Transplantationsgesetz zu.
Zudem ist in Zukunft auch ein bundesweites Transplantationsregister geplant, um eine kontrollierbares Verzeichnis zu schaffen, dass weiteren Missbräuchen vorbeugen soll.
Anhand solcher Aufgaben konnte ich mir meine im Studium erlernte juristische Recherchefähigkeit und Arbeitsweise zunutze machen. Juristen müssen dazu fähig sein, eine bestimmte Prioritätensetzung vornehmen zu können. In seiner Ausbildung erlernt der Jurist die so oft erwähnten analytischen Fähigkeiten zur Differenzierung. Bei Recherchearbeiten wie der oben genannten ist dies von besonderem Vorteil. Bei einer solchen Recherchearbeit ist es oft nicht anders als bei der Erstellung eines juristischen Gutachtens. Man beschäftigt sich zu allererst mit dem betreffenden Sachverhalt, versucht entscheidende Fragen voranzustellen und diese mit entsprechenden Informationen zu beantworten. Eine von Anfang an gut organisierte Arbeitsverwaltung ist daher von erheblichem zeitlichem Vorteil, weil so effektives Arbeiten möglich ist. Allgemein sind Juristen durch ihre Fähigkeit zu Prioritätensetzung ein nicht zu vernachlässigender Teil der Legislative.
Fazit
Durch das Praktikum erhielt ich einen fundierten Einblick in das deutsche Parlamentswesen. Ich konnte erleben wie der Arbeitsalltag eines Bundestagsabgeordneten abläuft und inwieweit er in das eigentliche politische Geschehen eingeflochten ist. Der einzelne Bundestagsabgeordnete ist zwar nur ein einzelner Abgeordneter unter 598 anderen, jedoch kann er oder sie selbst durch genügend Engagement einen erheblichen Einfluss nehmen. Ich konnte bei diesem Praktikum vor allem erfahren, welcher Bedeutungsgehalt einem solchen Mandat inne wohnt. Man muss sich verdeutlichen, dass man als Teil des Parlaments zwar einen kleinen aber trotzdem einen spürbaren Einfluss auf  das politische Tagesgeschehen hat und somit eine direkte Einflussnahmemöglichkeit wahrnimmt. Es war sehr aufregend, diese Arbeitsatmosphäre zu erfahren, dabei aktiv beteiligt zu werden und mitzuarbeiten. Für einen Juristen, der sich in der Regel der Bedeutung der verfassungsmäßigen Ordnung bewusst ist, wird deutlich, wie wichtig die Funktionsfähigkeit eines Parlaments ist. Und eine solche Funktionsfähigkeit kann sich schließlich nur aus den einzelnen Abgeordneten ergeben. Mir wurde nach Abschluss des Praktikums daher vor allem eines klar: Die Arbeit eines Bundestagsabgeordneten ist vor allem auch ein Dienst an unserem Land, damit dessen verfassungsmäßige und demokratische Grundordnung aufrechterhalten erhalten wird. Dieser Geist ist vor allem durch den Arbeitseifer und die Moraldisziplin im Bundestag zu spüren. Schlussendlich habe ich durch dieses Praktikum Erfahrungen gesammelt, die ich keinem Fall eintauschen will. Das sind in erster Linie Erlebnisse, die mir sicherlich in meinem politischen Engagement aber natürlich auch für meinen beruflichen Werdegang einen nicht zu vernachlässigenden Erfahrungsschatz garantieren.

26.06.2015/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2015-06-26 09:00:432015-06-26 09:00:43In der deutschen Bundeshauptstadt
Redaktion

Öffentliches Recht ÖII – April 2015 – 1. Staatsexamen Berlin / Brandenburg

Berlin, Brandenburg, Examensreport

Nachfolgend erhaltet ihr auch ein Gedächtnisprotokoll der zweiten Klausur im Öffentlichen Recht des 1. Staatsexamens in Berlin / Brandenburg im April 2015. Nochmals vielen Dank hierfür an Adrian. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt

Die Bundesregierung möchte mit der Einführung einer Luftverkehrssteuer Anreize zu umweltgerechterem Verhalten bieten und den Haushalt konsolidieren. Daher beschließt sie im Jahr 2010 das LuftVStG, welches im Wesentlichen folgenden Inhalt hat:
Flüge aus dem Inland unterliegen der Steuerpflicht. Sie wird nach drei Distanzklassen unterteilt (Kurz-, Mittel- und Langstrecke), wobei deren Berechnung der Einfachheit halber pauschal vom Flughafen Frankfurt am Main zum wichtigsten Flughafen des Ziellandes erfolgt. In der Kurzstrecken- Distanzklasse fallen 8 € pro Passagier an, in der Mittelklasse 25 € (Anm.: ungefähr) und in der Langstreckenklasse 45 €. Das Bundesministerium für Finanzen wird ermächtigt, die Distanzklassen zu Beginn jedes Jahres mittels Rechtsverordnung entsprechend anzupassen. Herausgenommen aus dem Anwendungsbereich des LuftVStG sind militärische und medizinische Flüge, Fracht- und Privatflüge sowie Transit- und Transferflüge (letzteres: „Umsteigerprivileg“).
Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens stimmen 4 Mitglieder des Bundeslandes A im Bundesrat uneinheitlich ab (2 dafür, 2 dagegen). Von 69 Mitgliedern des Bundesrats stimmten 35 (mit den Mitgliedern des Bundeslands A) dafür und 34 dagegen.
Das Bundesland B möchte im Januar 2015 die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes überprüfen, da sie Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hat. Es ist der Ansicht, dass der Bund schon keine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG inne hätte. Zudem sei die Verordnungsermächtigung im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig, da das Parlament selbst sich mit der Höhe der Steuerbelastung durch die Distanzklassen auseinandersetzen müsse. Zudem verstoße das LuftVStG gleich mehrfach gegen den Gleichheitssatz, indem Fracht- und Privatflüge sowie Transit- und Transferflüge aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden. Zudem komme die Orientierung am wichtigsten Flughafen des Ziellandes zu absurden Ergebnissen: Während ein Flug nach New York mit über 6.000 Flugkilometern der höchsten Distanzklasse mit dem höchsten Steuersatz unterliegt, falle ein Flug nach Wladiwostok mit einer Distanz von 8.500 km in die niedrigste Steuerklasse, da der wichtigste Flughafen Russlands – Moskau – nur knapp 2.000 km von Frankfurt am Main entfernt ist. Auch dies sei ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz.
Zudem greife das LuftVStG in nicht zu rechtfertigender Weise in die Berufsfreiheit der Airlines sowie der Passagiere ein. Zudem führe die Herausnahme der Transfer- und Transitflüge dazu, dass Ausweichreaktionen durch einen Beginn der Reise an einem ausländischen Flughafen geradezu provoziert werden.
Die Bundesregierung tritt dem entgegen. Die Privilegierung der Transfer- und Transitflüge sei nötig, um die wichtigsten „Drehkreuze“ in ihrer europäischen Wettbewerbsfähigkeit zu schützen. Die teilweise absurden Ergebnisse des Berechnungsmodus der Distanzklasse seien absolute Ausreißer, die hinzunehmen wären. Zudem habe der Gesetzgeber eine weites Ermessen in Steuerangelegenheiten. Auch die Herausnahme von Fracht- und Privatflügen sei zulässig, da Passagierflüge hauptverantwortlich für die Umweltbelastung seien.
Wird der Antrag der Landesregierung B vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg haben?

10.06.2015/2 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-06-10 10:00:052015-06-10 10:00:05Öffentliches Recht ÖII – April 2015 – 1. Staatsexamen Berlin / Brandenburg
Redaktion

Öffentliches Recht ÖI – April 2015 – 1. Staatsexamen Berlin / Brandenburg

Berlin, Brandenburg, Examensreport, Lerntipps

Vielen Dank an Adrian für das Zusenden eines Gedächtnisprotokolls der ersten gelaufenen Klausur des 1. Staatsexamens im Öffentlichen Recht in Berlin / Brandenburg. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.

Sachverhalt
Die U-Ltd mit Sitz in Manchester bietet die U-App (Anm.: gemeint ist „Uber“) an, bei der die Nutzer eine Fahrt ordern können, bei der sie von einem Fahrer mit einem privaten PKW abgeholt werden. Über die U-App läuft die Abrechnung, die Bestellung und die Bewertung der Fahrer. Jede Fahrt kostet 1 € Grundgebühr sowie 1,20 € pro Kilometer. U behält 20% der Fahrtkosten für sich ein. Die Fahrer schließen einen „Join and Support“-Vertrag mit U ab, in dem sie sich zu einer Bereitstellung ihrer Dienste zu gewissen Zeiten verpflichten. Zudem bestehen mit einigen Fahrern, die mindestens 40 Stunden pro Woche arbeiten, zusätzliche Verträge mit einem zusätzlichen Grundentgelt. U führt keine Sozialversicherungsbeträge für die Fahrer ab.
Die zuständige Behörde der Freien Hansestadt Hamburg (FHH) untersagt U die Vermittlung der Fahrten mit dem Hinweis darauf, dass es sich um genehmigungspflichtige Fahrten nach dem PBefG handele. Zudem ordnet die FHH den sofortigen Vollzug an.
Die FHH begründet den Sofortvollzug folgendermaßen: Zunächst wolle sie keine massenhaft illegalen Fahrten dulden. Zudem könnten – was zutrifft – die Haftpflichtversicherer im Falle eines Unfalls eine Zahlung an die geschädigten Kunden verweigern. Schließlich sei es ihre Aufgabe, den lokalen Taximarkt vor illegaler Konkurrenz zu schützen.
Die Untersagungsverfügung begründet sie damit, dass es sich um entgeltliche Beförderung im Sinne des § 1 I PBefG handele und auch keine Ausnahme nach § 1 II PBefG vorliege.
U tritt der Verfügung damit entgegen, dass es sich bei ihrem Angebot nur um sogenannte „ride sharing“-Dienste handele und die Fahrten reine Privatfahrten seien, die sie nur vermittele. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei unangemessen, da sie einem Berufsverbot gleichkomme und derart komplizierte Fragen einem Hauptsacheverfahren vorbehalten werden müssten.
Ohne weitere gerichtliche Schritte unternommen zu haben, stellt U einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem zuständigen VG Hamburg.

09.06.2015/2 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-06-09 16:30:132015-06-09 16:30:13Öffentliches Recht ÖI – April 2015 – 1. Staatsexamen Berlin / Brandenburg
Redaktion

Zivilrecht ZII – April 2015 – 1. Staatsexamen Hamburg, Berlin / Brandenburg und NRW

Berlin, Brandenburg, Examensreport, Hamburg, Nordrhein-Westfalen

Vielen Dank für das Zusenden eines Gedächtnisprotokolls der zweiten gelaufenen Klausur des 1. Staatsexamens im April 2015 in Hamburg, Berlin / Brandenburg und NRW. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
V aus Hamburg inseriert Mitte Oktober 2014 seinen alten Golf (Baujahr 2003) in der Zeitung. K aus Bochum meldet sich, macht Probefahrt, will kaufen. V hat gesagt, er habe nie Probleme mit dem Auto gehabt, er sehe daher keinen Anlass zu Zweifeln, ob der Wagen durch die nächste HU kommt. Er sei „technisch einwandfrei“.
K bezahlt 4000 €, der KV wird schriftlich geschlossen. Übergabe soll am 26.10.2014 bei K in Bochum sein. V wollte dort sowieso Freunde besuchen und lieferte bei Gelegenheit das Auto ab.
Am 1.12.2014 geht K zur HU bei D. D stellt fest, dass die HU nicht erfolgreich durchgeführt werden kann, da sich Löcher in der Auspuffanlage befinden. Dies sei allerdings auch bei 11 Jahre alten Autos nicht unbedingt zu erwarten. Die Reparatur würde 2.500 € kosten. Mangelbehaftet ist der Wagen bloß 2.500€ wert, ohne Mangel hingegen 5.000€.
K ruft bei V an und erklärt ihm die Situation. Sie fragt, ob er die Reparatur ausführen würde. V sagt zu, verlangt jedoch, dass K ihm dafür das Auto nach HH bringt. Schließlich habe er ihr das Auto damals extra nach Bochum gebracht. K lehnt dies ab. V sagt, dann habe sie halt Pech gehabt. K wird zornig und sagt, unter diesen Umständen wolle sie nichts mehr mit dem Auto zu tun haben und sich vom Vertrag lösen. V meint, auch dazu müsse K ihm das Auto bringen, sonst kriege sie den Kaufpreis nicht wieder. K setzt ihm eine Frist bis zum 15.12.14, um das Auto aus Bochum abzuholen und ihr den Kaufpreis zu erstatten.
Solange bleibt das Auto bei D auf dem gesicherten Hof stehen. D hatte K gesagt, dass dies nicht allzu lange so bleiben könnte, da er den Platz brauche.
Die Frist läuft erfolglos ab. K und V kümmern sich nicht weiter um die Angelegenheit.
Am 8.1.15 stellt D das Auto an die Straße. Am 15.1.15 wird es gestohlen, wie dies in dem verwaisten Gewerbegebiet öfter vorkommt.
K informiert V und verlangt den Kaufpreis zurück. V erwidert, sie müsse ihm erstmal das Auto ersetzen, er verrechne dies dann.
Frage 1: Hatte K am 1.12.14 einen Anspruch gegen V auf Reparatur und Abholung in Bochum?
Frage 2: Angenommen, V hätte das Auto in Bochum abholen müssen (und hat dies nicht getan): Hat K einen Anspruch auf Rückzahlung des KP?

05.06.2015/5 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-06-05 15:00:192015-06-05 15:00:19Zivilrecht ZII – April 2015 – 1. Staatsexamen Hamburg, Berlin / Brandenburg und NRW
Redaktion

Klausurlösung: ZI – April 2014 – 1. Staatsexamen Berlin, Brandenburg und NRW

Berlin, Brandenburg, Examensreport, Lösungsskizzen, Nordrhein-Westfalen

Nachfolgend erhaltet Ihr in Kooperation mit dem Repetitorium Jura Online (www.jura-online.de) eine unverbindliche Lösungsskizze der im April 2015 gelaufenen ZI Klausur in Berlin / Brandenburg und NRW (Sachverhalt und auch unten). Mittels der Skizze soll es euch möglich sein, euch noch besser auf eure eigenen Klausuren vorzubereiten und die wesentlichen Problemkreise zu erfassen. Am Ende des Beitrags verweist Jura Onlineabschließend auf eigene Lernangebote.
Bitte beachten:
Die Lösungsskizze ist absolut unverbindlich und erhebt keinerlei Anspruch auf inhaltliche Richtigkeit oder Vollständigkeit. Sie beruht allein auf den uns zugesandten Gedächtnisprotokollen und soll allenfalls eine Richtschnur für eure eigenen Überlegungen sein. Bitte habt auch Verständnis dafür, dass wir oder Jura Online evtl. Fragen zu euren eigenen Klausurlösungen nicht beantworten können. Gleichwohl ist jeder herzlich eingeladen, sich im Kommentarbereich mit anderen Lesern auszutauschen. Wir werden versuchen, auf die ein oder andere Frage dort einzugehen.
Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll
G ist Vorstandsvorsitzender in der nach ihm benannten G-Bank-AG. Die B hat ein Grundkapital von 25.000.000€ und ist zurzeit geschäftlich mittelmäßig erfolgreich. R ist Redakteur des wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazins N. N gehört der V-AG. Dort schreibt er einen Artikel, der sich mit den privaten Zahlungsschwierigkeiten des G beschäftigt. Die B wird dabei nur am Rande genannt. So wird erwähnt, dass sie in den vergangenen Jahren häufig bei Jahresschluss Verluste zu verzeichnen hatte. Die Bankaufsicht war jedoch nie veranlasst, einzuschreiten. Außerdem wird beschrieben, dass die B sich erfolglos bemüht hat, in einen Anlegerschutzfond aufgenommen zu werden, bei welchem die Anlagen der Kunden der B abgesichert gewesen wären. Der Artikel ist sachlich geschrieben und entspricht der Wahrheit. R hatte als ursprüngliche Überschrift “Bankier in Not” gewählt. Diese war jedoch seinem Chefredakteur C zu unverständlich und nicht plakativ genug. Er änderte darum, ohne Rücksprache mit R zu halten, das Titelbild und die Überschrift, sodass dort nun die Geschäftszentrale der B abgebildet war und die Überschrift “Liquidität gefährdert – Anleger bangen um ihr Geld!?” lautete. Nachdem die Zeitschrift erscheint, beginnen am Montag die Kunden der B massenhaft damit, ihr Geld abzuheben. Binnen weniger Stunden verliert die B dadurch 11 Mio €. Kurze Zeit darauf wird die Bankaufsicht tätig und verbietet der B den Weiterbetrieb. Kurze Zeit später geht die B insolvent und das Insolvenzverfahren wird eröffnet.
1. Der Insolvenzverwalter I möchte für die B von R Schadensersatz für den Untertang der B. Er meint, der Artikel habe die Grundsätze der Sensibilität bei Bankenthemen verletzt.
2. I möchte auch von C Schadensersatz, da letztlich die Überschrift mit Sicherheit die Grenzen der deliktsrechtlichen Vorwerfbarkeit überschritten habe.
3. Angenommen, der Anspruch des I gegen C besteht – kann auch ein Anspruch des I gegen die V-AG geltend gemacht werden?
4. Auch G möchte, da er nun sein Vorstandsgehalt i.H.v. 2 Mio Euro jährlich verloren habe, von C Schadensersatz. Prüfen Sie alle Rechtsfragen gutachterlich und gehen sie notfalls hilfsgutachterlich darauf ein.
Abgedruckt:
§ 80 Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts
(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.
Unverbindliche Lösungsskizze
A. Forderungsberechtigung des I
(+); Arg.: § 80 I InsO
B. Ansprüche B gegen R
I. § 823 I BGB
1. Rechtsgutsverletzung
a) Eigentum
(-); Arg.: nicht betroffen
b) Vermögen
(-); Arg.: betroffen, aber nicht von § 823 I BGB geschützt
c) Sonstige Recht i.S.v. § 823 I BGB
-> Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wohl (+); Arg.: „Liquidität gefährdet“ mit Abbildung der Geschäftszentrale der B finaler und intensiver Eingriff.
2. Verletzungsverhalten des R
Hier: Verfassen des Ausgangstextes
3. Zurechnung
a) Kausalität (+)
b) Objektive Zurechnung
(-); Arg.: Eigenverantwortliches Dazwischentreten des C
4. Ergebnis: (-)
II. § 823 II BGB i.V.m. § 186 StGB bzw. § 187 StGB
1. Verletzung eines Schutzgesetzes
a) Bzgl. des von R selbst verfassten Textes (-)
b) Bzgl. der von C eingefügten Überschrift und Bebilderung
(-); Arg.: zumindest keine Zurechnung des Verhaltens des C
III. § 824 BGB
1. Bzgl. des von R selbst verfassten Textes (-)
2. Bzgl. der von C eingefügten Überschrift und Bebilderung (-); Arg.: zumindest keine Zurechnung des Verhaltens des C
IV. § 826 BGB (-), wie oben
Frage 2: I (für B) gegen C auf Schadensersatz
A. Forderungsberechtigung des I (+);
Arg.: § 80 InsO
B. Ansprüche gegen C
I. § 823 I BGB
1. Rechtsgutsverletzung
Hier: Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (s.o.)
2. Verletzungsverhalten
Hier: Einfügen der Überschrift und der Bebilderung
3. Zurechnung (+)
4. Rechtswidrigkeit
-> Interessenabwägung (vgl. auch § 193 StGB):
– Berufsfreiheit, Art. 12 I GG, bzw. Eigentumsgarantie, Art. 14 GG (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb) auf Seiten der B
– Meinungsfreiheit, Art. 5 I 1 GG bzw. Pressefreiheit, Art. 5 I 2 GG, auf Seiten des C.
Hier: „Liquidität gefährdet“ mit Bild der Geschäftszentrale der B weist keinen Bezug zum eigentlichen Inhalt des Artikels (private Liquiditätsprobleme des G) auf. Außerdem: Keine Anhaltspunkte für tatsächliche Liquiditätsprobleme der B, insbesondere kein Einschreiten der Bankenaufsicht.
5. Verschulden des C (+)
6. Rechtsfolge: Schadensersatz
– Jeder kausal-adäquate Schaden
Hier: alle Schäden, die dadurch einstanden sind, dass die alarmierten Kunden ihr Geld abgehoben haben und die B in der Folge Insolvenz anmelden musste. Höhe nicht bekannt.
7. Kein Ausschluss (+)
8. Ergebnis: (+)
II. § 823 II BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB
1. Verletzung eines Schutzgesetzes
a) Üble Nachrede, § 186 StGB
aa) Tatsache in Bezug auf einen Dritten
= Umstände, die dem Beweise zugänglich sind. Abgr.: Meinung = jedes Werturteil
Hier: „Liquidität gefährdet“ wohl Tatsachenbehauptung
bb) Behaupten oder Verbreiten (+)
cc) Vorsatz (+)
dd) Objektive Bedingung der Strafbarkeit: Nichterweislichkeit der Wahrheit Hier: Keine Anhaltspunkte für tatsächliche Liquiditätsgefährdung der B
ee) Ergebnis: (+)
b) Verleumdung, § 187 StGB
aa) Tatsache in Bezug auf einen Dritten (+)
bb) Behaupten oder Verbreiten (+)
cc) Vorsatz
dd) Wider besseres Wissen bzgl. der Unwahrheit der Behauptung Hier: wohl kein sicheres Wissen bei C.
ee) Ergebnis: (-)
2. Rechtswidrigkeit
-> Interessenabwägung (s.o.)
3. Verschulden (+)
4. Rechtsfolge: Schadensersatz (+)
5. Kein Ausschluss (+)
6. Ergebnis: (+)
III. Kreditgefährdung, § 824 BGB
1. Behauptung einer unwahren Tatsache
(+), s.o.
2. Eignung zur Kreditgefährdung (+)
3. Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis bzgl. Unwahrheit
Hier: zumindest fahrlässige Unkenntnis des C
4. Rechtsfolge: Schadensersatz (+)
5. Kein Ausschluss (+)
6. Ergebnis: (+)
IV. § 826 BGB
1. Schadenszufügung (+)
2. Sittenwidrigkeit
Hier: „Liquidität gefährdet“ wohl Verstoß gegen Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.
3. Schädigungsvorsatz
Hier: Schädigung der B wohl zumindest billigend in Kauf genommen (abweichende Subsumtion vertretbar).
4. Ergebnis: (+) V. Konkurrenzen
Zwischen den §§ 823 I, II, 824, 826 BGB besteht Anspruchskonkurrenz. Sie können also neben einander geltend gemacht werden.
Frage 3: I (für B) gegen V-AG auf Schadensersatz
A. §§ 823 I, II, 824, 826 BGB i.V.m. § 31 BGB analog
I. Anwendbarkeit (Analogievoraussetzungen)
(+); Arg.: eingetragener Verein und Aktiengesellschaften sind jeweils Körperschaften und daher vergleichbar.
II. Voraussetzungen des § 31 BGB
1. Zum Schadensersatz verpflichtende Handlung eines Organs Hier: §§ 823 I, II, 824, 826 BGB durch Chefredakteur C (s.o.). 2. In Ausführung (+)
III. Ergebnis: (+)
B. § 831 BGB bzgl. C
I. Verrichtungsgehilfe
Hier: C wohl weisungsgebunden
II. Unerlaubte Handlung des C
(+), s.o.
III. In Ausführung
IV. Verschulden der V-AG bzgl. Auswahl und Überwachung des C (+); Arg.: Vermutet, keine Exkulpation
V. Rechtsfolge: Schadensersatz (+)
VI. Kein Ausschluss (+)
VII. Ergebnis: (+)
C. § 831 BGB bzgl. R
(-); Arg.: Keine unerlaubte Handlung des R.
Frage 4: G gegen C auf Schadensersatz
A. § 823 I BGB
I. Rechtsgutsverletzung
– Eigentum (-); Arg.: nicht betroffen
– Vermögen (-); Arg.: nicht geschützt
– Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (-); Arg.: Verlag
nicht Gewerbebetrieb des G
– Sonstige absolute Rechtsgüter (-); Arg.: nicht ersichtlich
II. Ergebnis: (-)
B. § 823 II BGB; § 186 StGB
I. § 186 BGB bzgl. G selbst (-)
II. § 186 BGB bzgl. C
(+), aber: „Schutzzweck der Norm“ – geschützt werden soll nur der unmittelbar Betroffene, und nicht etwa G.
III. Ergebnis: (-)
C. § 824 BGB
(-); Arg.: Schutzzweck der Norm – geschützt werden soll nur derjenige, über
den kreditgefährdende Behauptungen aufgestellt werden, und nicht etwa G.
D. Ergebnis: (-)
Vertiefende Exkurse:
§ 823 I BGB

https://jura-online.de/learn/rechtsgutsverletzung-823-i-bgb/145/excursus
§ 823 II BGB
https://jura-online.de/learn/823-ii-bgb/141/excursus
Üble Nachrede
https://jura-online.de/learn/ueble-nachrede-186-stgb/762/excursus
Verleumdung
https://jura-online.de/learn/verleumdung-187-stgb/763/excursus
05.06.2015/4 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-06-05 10:58:202015-06-05 10:58:20Klausurlösung: ZI – April 2014 – 1. Staatsexamen Berlin, Brandenburg und NRW
Redaktion

Zivilrecht ZI – April 2015 – 1. Staatsexamen Berlin, Brandenburg und NRW

Berlin, Brandenburg, Examensreport, Nordrhein-Westfalen

Vorliegend erhaltet ihr auch ein Gedächtnisprotokoll der ersten Klausur im Zivilrecht des 1. Staatsexamens im April 2015 in Berlin, Brandenburg und NRW. Vielen Dank hierfür. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
G ist Vorstandsvorsitzender in der nach ihm benannten G-Bank-AG. Die B hat ein Grundkapital von 25.000.000€ und ist zur Zeit geschäftlich mittelmäßig erfolgreich.
R ist Redakteur des wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazins N. N gehört der V-AG. Dort schreibt er einen Artikel, der sich mit den privaten Zahlungsschwierigkeiten des G beschäftigt. Die B wird dabei nur am Rande genannt. So wird erwähnt, dass sie in den vergangenen Jahren häufig bei Jahresschluss Verluste zu verzeichnen hatte. Die Bankaufsicht war jedoch nie veranlasst, einzuschreiten. Außerdem wird beschrieben, dass die B sich erfolglos bemüht hat, in einen Anlegerschutzfond aufgenommen zu werden, bei welchem die Anlagen der Kunden der B abgesichert gewesen wären. Der Artikel ist sachlich geschrieben und entspricht der Wahrheit.
R hatte als ursprüngliche Überschrift „Bankier in Not“ gewählt. Diese war jedoch seinem Chefredakteur C zu unverständlich und nicht plakativ genug. Er änderte darum, ohne Rücksprache mit R zu halten, das Titelbild und die Überschrift, sodass dort nun die Geschäftszentrale der B abgebildet war und die Überschrift „Liquidität gefährdert – Anleger bangen um ihr Geld!?“ lautete.
Nachdem die Zeitschrift erscheint, beginnen am Montag die Kunden der B massenhaft damit, ihr Geld abzuheben. Binnen weniger Stunden verliert die B dadurch 11 Mio €. Kurze Zeit darauf wird die Bankaufsicht tätig und verbietet der B den Weiterbetrieb. Kurze Zeit später geht die B Insolvent und das Insolvenzverfahren wird eröffnet.
1. Der Insolvenzverwalter I möchte für die B von R Schadensersatz für den Untertang der B. Er meint, der Artikel habe die Grundsätze der Sensibilität bei Bankenthemen verletzt.
2. I möchte auch von C Schadensersatz, da letztlich die Überschrift mit Sicherheit die Grenzen der deliktsrechtlichen Vorwerfbarkeit überschritten habe.
3. Angenommen, der Anspruch des I gegen C besteht – kann auch ein Anspruch des I gegen die V-AG?
4. Auch G möchte, da er nun sein Vorstandsgehalt i.H.v. 2 Mio Euro jährlich verloren habe, von C Schadensersatz.
Prüfen Sie alle Rechtsfragen gutachterlich und gehen sie notfalls hilfsgutachterlich darauf ein.
Abgedruckt:
§ 80 Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts
(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

29.04.2015/10 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-04-29 13:30:472015-04-29 13:30:47Zivilrecht ZI – April 2015 – 1. Staatsexamen Berlin, Brandenburg und NRW
Redaktion

Strafrecht SII – April 2015 – 1. Staatsexamen Berlin / Brandenburg und NRW

Berlin, Brandenburg, Examensreport

Nachfolgend erhaltet ihr auch ein Gedächtnisprotokoll der zweiten gelaufenen Klausur im Strafrecht des 1. Staatsexamens in Berlin, Brandenburg und der ersten gelaufenen Klausur des 1. Staatsexamens in NRW im April 2015. Vielen Dank dafür. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt

A ist notorisch pleite und geht gerne mal im Supermarkt billig einkaufen.
Eines Tages im X-Supermarkt findet er Gefallen an einem Döschen Handcreme. Für 20€ ist ihm diese aber zu teuer. Daraufhin reißt er eine Keksverpackung an einer Stelle auf, nimmt einen Keks heraus und isst diesen sofort auf. Die Lücke füllt er mit der Handcreme und verschließt die Verpackung nur notdürftig.
An der Kasse legt er die Verpackung aufs Band, bezahlt und verlässt den Laden.
Einige Tage später im Z-Supermarkt. Der Supermarkt hat seit neustem SB-Scannerkassen – dann wird erklärt, wie diese funktionieren – an denen man mit Kreditkarte und Bargeld zahlen kann.
Eine freundliche Mitarbeiterin, die auf Wunsch beim Scannen hilft, aber den einzelnen Scan- und Bezahlvorgang nicht kontrolliert, steht an diesen Kassen. Dem A gefällt eine Computerzeitschrift im Wert von 9,90€. Da ihm diese jedoch zu teuer ist, scannt er an der Kasse den Strichcode einer Tageszeitung im Wert von 1,10€, welche er danach wieder zurücklegt. An der Kasse bezahlt er die 1,10€ und verlässt den Laden. Bei diesem Vorgang wurde er von dem Hausdetektiv H beobachtet, welcher den A auf dem Kundenparkplatz direkt vor dem Supermarkt stellt.
Auf die Frage nach dem Kassenbon schlägt der A mit der Faust den H, um mit der Zeitschrift zu fliehen. Der H geht dabei zu Boden, sodass er den A nicht aufhalten kann.
A wird einige Zeit später aufgrund der Vorkommnisse (Handcreme, Keks und Computerzeitschrift) angeklagt. Der A hält seine Beweisposition zu Recht für schlecht und beantragt eine Untersuchung mittels Polygraph. Er erklärt, dass er dadurch beweisen könne, zum Tatzeitpunkt nicht in den Läden gewesen zu sein und somit als Täter ausscheide. Schließlich sei er nicht so innerlich erregt wie es der Täter bei der Beantwortung der Fragen zur Tat wäre. A glaubt den Polygraph überlisten zu können.
Das Gericht lehnt den Antrag per Beschluss ab und begründet dies zutreffend damit, dass zum derzeitigen Stand der Forschung eine solche Untersuchung (noch) keine zuverlässigen Ergebnisse bezüglich Schuld/Unschuld liefern könne.
Darüberhinaus äußert das Gericht Bedenken bezüglich der Freiheit der Willensbetätigung und –entschließung des Beschuldigten
Bearbeitervermerk
1. Prüfen sie gutachterlich wie sich A strafbar gemacht hat. Die §123; §303a StGB sowie der 23. Abschnitt des StGB sind nicht zu prüfen. Weiterhin sind Regelbeispiele und Strafverfolgungshindernisse nicht zu prüfen.

2. War die Ablehnung des Antrages rechtmäßig?

28.04.2015/10 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-04-28 15:00:322015-04-28 15:00:32Strafrecht SII – April 2015 – 1. Staatsexamen Berlin / Brandenburg und NRW
Redaktion

Strafrecht SI – April 2015 – 1. Staatsexamen Berlin / Brandenburg

Berlin, Brandenburg, Examensreport

Vielen Dank für das Zusenden eines Gedächtnisprotokolls der ersten gelaufenen Klausur im Strafrecht im April 2015 des 1. Staatsexamens in Berlin / Brandenburg. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
T ist ein bekannter TV-Koch mit eigenem Restaurant und bekannt für seine Wutausbrüche.
Als er eines Tages einmal wieder ein zu dick geratenes Schnitzel des B (irgendein Koch in seinem Restaurant) entdeckt, tritt er unbemerkt von hinten an den B, nimmt seinen Kopf und schlägt ihn mit Wucht gegen einen metallischen Fleischklopfer mit spitzem Profil, der an einem Haken an der Wand hängt. Dabei hält er es für möglich und nimmt billigend in Kauf, dass der B – wie tatsächlich eingetreten – erhebliche Schmerzen und eine Schürfwunde davonträgt. Eine tatsächliche Gefahr für das Leben Bestand zu keinem Zeitpunkt.
Als der T eines Abends die Kritiken des Restaurantkritikers R liest, ist er verärgert. Er greift den oben beschriebenen Fleischklopfer und will zur Wohnung des R, um ihn durch verbale Attacken hervorzulocken und ihn dann zu schlagen.
Als T an der Tür klingelt, macht der R diese auf. Sofort beginnt T zu schreien, dass R keine Ahnung und keinen Geschmack habe und dass das ruhig alle seine Nachbarn wissen dürfen.
Um den, auf dem Bürgersteig stehenden, T „loszuwerden“, verpasst der R dem T eine Ohrfeige und droht ihm weitere Ohrfeigen an, wenn er nicht verschwindet. T nutzt diese Situation und schlägt mehrere Male mit Wucht den Fleischklopfer auf den Kopf des R. Dass der Tod des R Folge davon sein könnte, hat der T nicht angenommen. Eine tatsächliche Lebensgefahr bestand in diesem Fall zu keiner Zeit.
R erleidet eine schwere Gehirnerschütterung, mit zeitweisiger Bewusstlosigkeit, erhebliche und langanhaltende Schmerzen, sowie mehrere blutige Schürfwunden.
In einer seiner Live-Sendungen, die ein Millionenpublikum hat, verrät der T seinen Zuschauern, dass der Gast, der eben das Studio verlassen hat, der bayerische Politiker H, eine außereheliche Affäre mit dem Model M hat und ein außereheliches Kind hat. Dass er dies in einer Boulevardzeitung gelesen hat, verschweigt er seinen Zuschauern. Die Boulevardzeitung hatte diese Geschichte jedoch nur aufgrund eines „Sommerlochs“ frei erfunden. Der T war davon ausgegangen, dass das, was die Zeitung geschrieben hat, schon wahr sein wird.
Als er eines Tages im Taxi des F sitzt und sich über diesen ärgert, da F der Meinung ist Schnitzel sollten nur aus Schweinefleisch sein, fällt ihm auf, dass er sein Portemonnaie vergessen hat. Spontan entscheidet er sich den F zu erleichtern. Als dieser am Ende der Fahrt das Fahrgeld verlangen will und sich umdreht, schreit der T diesen an. Sollte er nicht sein Portemonnaie herausgeben, dann wäre dies wohl seine letzte Taxifahrt. Dabei hält er ihm ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 15cm an den Bauch, was der F jedoch nicht wahrnimmt. Verängstigt durch die Art des T und um sein Leben fürchtend zeigt dieser nur auf seine Jackentasche. T nimmt das Portemonnaie mit den darin enthaltenen 250€ und der EC-Karte des F. Danach verlässt er das Taxi und lässt das Küchenmesser zurück.
Daraufhin geht der T zur Bank des F und hebt dort mit der erlangten EC-Karte – auf der Karte stand hinten die Pin-Nummer drauf – 1000€ ab. Die Bank erstattet dem F diesen Schaden. Als sie jedoch erfährt, dass die Pin-Nummer hinten geschrieben stand, macht sie gerechtfertigte Schadensersatzansprüche gegen F geltend und hebt umgehend die 1000€ wieder zurück.
Bearbeitervermerk:
1. Prüfen sie gutachterlich wie sich T nach dem StGB strafbar gemacht hat.
2. Tatbestände außerhalb des StGB sowie die 239-241 und 316a sind nicht zu prüfen.

27.04.2015/6 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-04-27 12:00:302015-04-27 12:00:30Strafrecht SI – April 2015 – 1. Staatsexamen Berlin / Brandenburg
Redaktion

Zivilrecht ZIII – Oktober 2014 – 1. Staatsexamen Niedersachsen

Berlin, Examensreport, Lerntipps, Niedersachsen, Startseite, Zivilrecht
Vielen Dank für das Zusenden eines Gedächtnisprotokolls der dritten gelaufenen Klausur des 1. Staatsexamens im Zivilrecht im Oktober 2014 in Niedersachsen. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
Die G-GmbH (im folgenden G) betreibt einen Supermarkt. Um ihren Kunden eine größere Anzahl an Parkplätzen zur Verfügung zu stellen, mietet sie eine vor dem Supermarkt befindliche Stellfläche des Eigentümers E an. Auf ihr befanden sich entsprechende Markierungen für Parkbuchten.
Weiterhin befand sich ein Schild auf dem Parkplatz mit dem Hinweis: „Parken für Kunden erlaubt von Montags bis Freitags von 08:00 bis 22:00 Uhr. Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt.“ Zusätzlich befand sich oberhalb dieses ausformulierten Hinweis ein Abschlepp-Piktogramm.
Eines Tages parkte F von 09:00 bis 11:30 Uhr auf diesem Parkplatz, um einen in der Nähe befindlichen Geschäftstermin wahrzunehmen. Daraufhin beauftragte der A, alleiniger Geschäftsführer der G, im Namen der G, den Abschleppunternehmer U damit das Fahrzeug des F zu entfernen. Um 9:00 Uhr morgens waren zwei von 20 Stellflächen beparkt und um 11:30 Uhr, acht von 20 Stellflächen beparkt. Die Abschleppkosten betrugen 150 €. Als F um 16:30 Uhr wiederkam, verlangte A von F, dass er an G 150 € zahlen solle.
Zu Recht? 
Abwandlung:
Die Abwandlung war im Wesentlichen gleich, beinhaltete jedoch Abweichungen hinsichtlich eines zwischen G und U geschlossenen Rahmenvertrages. Die überschrittene zulässige Höchstparkdauer war dieselbe, jedoch mit einer anderen Zeitangaben versehen. Der Rahmenvertrag beinhaltete folgende Regelungspunkte:
(1) Für jedes Kfz, das er anschleppt, solle U 150€ erhalten.
(2) 10€ für eine Parkraumüberwachung.
(3) 15€ dafür, dass U selbst gegen die jeweiligen Falschparker hinsichtlich seiner Forderungen vorgeht.
Es sei darauf hinzuweisen, dass die G erfüllungshalber und im Voraus sämtliche Ansprüche an den Abschleppunternehmer abtritt. In der Abwandlung parkte der F ebenfalls in einer die zulässige Höchstparkdauer überschreitenden Weise und wurde von dem Abschleppunternehmer aufgefordert, an ihn 175 € zu zahlen.
Kann F von G / U die 175 € zurückverlangen? 
25.10.2014/7 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2014-10-25 12:00:442014-10-25 12:00:44Zivilrecht ZIII – Oktober 2014 – 1. Staatsexamen Niedersachsen
Redaktion

Zivilrecht ZI – Oktober 2014 – 1. Staatsexamen NRW, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern

Berlin, Examensreport, Lerntipps, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen

Vielen Dank an Henrik und Carolin für das Zusenden eines Gedächtnisprotokolls der ersten gelaufenen Klausur des 1. Staatsexamens im Zivilrecht im Oktober 2014 in NRW und Berlin. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt

M (Architektin) und V (Bauingenieur) sind seit Juli 2013 verheiratet im Güterstand der Zugewinngemeinschaft und leben im Haus der M.

M hat aus der Ehe mit dem bereits verstorbenen O eine 20 jährige Tochter T, die aber aufgrund von Differenzen mit V bei ihrer Tante H wohnt. Weitere Verwandte hat die T nicht.

V hat aus erster Ehe den 16 jährigen Sohn S der mit M und V in einer häuslichen Gemeinschaft wohnt.

V schreibt am 31.12.2013 ein Testament gemeinsam mit seiner Ehefrau M. Er schreibt handschriftlich mit Füller auf ein Blatt Papier.

„M und V setzen sich gegenseitig zum alleinigen Erben des zunächst Versterbenden auf den gesamten Nachlass ein. Als Erbe des zuletzt Versterbenden werden die gemeinsamen Kinder eingesetzt.“

Beide Eheleute unterschreiben rechts neben der Datumsangabe (31.12.2013) und verwahren das Testament in einem Kuvert bei ihren Unterlagen.

Am 20.8.2014 hat M einen Unfall, sie fällt auf der Baustelle vom Gerüst.

Sie wird in die Klinik der K-GmbH eingeliefert und unterschreibt dort die Aufnahmeunterlagen. M ist privatversichert. Nach einer Woche ist sie bereits wieder auf dem Weg der Besserung.

An einem Tag führt der sonst sehr gewissenhafte und fachlich kompetente Stationsarzt (A) eine Gruppe Studenten durch die Klinik und will ihnen zeigen, wie man eine Infusion legt.

Er verwechselt jedoch nachlässig die Krankenakte der M und gibt ihr deshalb eine viel zu starke Infusion. A fällt deshalb ins Koma.

Die Ärzte meinen, dass der M Kontakt mit nahen Angehörigen gut tun würde, und den  Heilungsprozess von Komapatienten beschleunigen (dies belegten auch Studien). Deshalb fährt V mit S (und T?) mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Krankenhaus (er ist nämlich umweltbewusst).

Dennoch verstirbt M.

V ist über den Tod der V bestürzt. Zwar ist er finanziell abgesichert, dennoch will er Ersatz für seine Trauer und für seine Fahrtkosten iHv 90 € (60 € für V und 30€ für S). Er will zudem Ersatz für die Schmerzen, die seine Frau erleiden musste.

Nachdem V vom Nachlassgericht ein Erbschein erteilt wurde, erfährt T, dass sie leer ausgehen würde. Sie empfindet das als ungerecht, da M doch ihre Mutter ist. Der Nachlass besteht aus einem Sparbuch (40.000€) und einem Grundstück (360.000€).

A.      Kann V aus eigenem Recht/übergegangenem Recht Ersatz für die Fahrtkosten, eigenes Schmerzensgeld und Schmerzensgeld für M

–          Von K

–          Von A

erhalten?

B.      Kann T von V Zahlung eines Pflichtteilanspruchs gemäß § 2303 BGB verlangen?

Auf §2311 wird hingewiesen. Alle Probleme sind zu erörtern, ggf. im Hilfsgutachten.

22.10.2014/14 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2014-10-22 08:25:132014-10-22 08:25:13Zivilrecht ZI – Oktober 2014 – 1. Staatsexamen NRW, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern
Redaktion

Strafrecht SII – Oktober 2013 – 1. Staatsexamen Berlin

Berlin, Examensreport

Vielen Dank an Niko für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der im Oktober 2013 in Berlin gelaufenen zweiten Klausur im Strafrecht, welches im Folgenden in Stichpunkten wiedergegeben ist. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt

1. Teil

– A will Bank überfallen

– geht mit Spielzeugpistole aus Kunststoff in die X-Bank

– hält Kassierer K die Waffe direkt vor die Nase und fordert zur Herausgabe des gesamten Bargeldbestandes auf

– K macht gerade privat seinen Waffenschein und erkennt deshalb, dass die Waffe nicht „scharf“ ist, drückt den Alarmknopf

– A merkt, dass K das Geld nicht herausgeben wird und flieht in Panik aus der Bank

2. Teil

– A findet bei seiner alten Freundin F Unterschlupf nach seiner Flucht aus der Bank

– F gibt A einen Zweitschlüssel, damit A ein- und ausgehen kann

– F weiß aber nichts von der Tat des A

– A schreibt seiner Verlobten V einen Brief, in dem er die Details des fehlgeschlagenen Überfalls schildert

– F liest den Brief zufällig und weiß von da an, dass sie einen Verbrecher beherbergt, unternimmt jedoch zunächst nichts

– F kriegt jedoch Angst vor der Polizei – sie schlägt A deshalb vor, sich ins Ausland abzusetzen

– sie gibt ihm 2000 €, damit A sich ein Flugticket kauft (ggf.kauft sie es sogar selbst)

– F rechnet damit, dass A gefasst wird, aber dass eine zeitl.Verzögerung durch ihr Handeln eintritt

– A wird von österreichischer Polizei festgenommen

– ohne Hilfe der F wäre A schon 3 Monate zuvor gefasst worden

3. Teil

– Hauptverhandlung von A

– die Verlobung mit V ist zwischenzeitl. aufgelöst worden

– dennoch gibt sie dem A bewusst wahrheitswidrig ein Alibi, weil sie sich ihm noch verbunden fühlt

– V rechnet damit, vereidigt zu werden und will diesen zunächst auch ablegen

– Richter R beendet die Vernehmung und will V dann vereidigen

– V verlässt der Mut, sie berichtigt ihre Aussagen und erklärt die Wahrheit – dann wird sie vereidigt

– K ist auch als Zeuge in der Hauptverhandlung geladen

– er hatte bei der polizeilichen Vernehmung das Aussehen des A sehr detailliert beschrieben, kann sich in der Hauptverhandlung aber nicht mehr erinnern (A hat eine rasierte Glatze, K kann ihn nicht mehr erkennen)

– R hält dem K sein Vernehmungsprotokoll vor – selbst an das im Protokoll Gesagte kann sich K jedoch nicht erinnern

– daraufhin verliest R den das Aussehen bezüglichen Teil

Wie haben sich A, F und V strafbar gemacht?

Kann das Gericht seine Überzeugung über die Täterschaft des A auf die Verlesung des polizeilichen Vernehmungsprotokolls stützen?

 

28.10.2013/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-10-28 10:00:202013-10-28 10:00:20Strafrecht SII – Oktober 2013 – 1. Staatsexamen Berlin
Redaktion

Zivilrecht ZIII – Oktober 2013 – 1. Staatsexamen Berlin

Berlin, Examensreport

Im Folgenden erhaltet Ihr das Gedächtnisprotokoll der in Berlin im Oktober 2013 gelaufenen dritten Klausur im Zivilrecht, welcher in Stichpunkten wiedergegeben ist. Vielen Dank dafür an Niko. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt

– Käufer K will von V einen Gebrauchtwagen kaufen

– V ist KFZ-Meisterin und Händlerin

– K gefällt ein pinker Mercedes ML mit Laufleistung XXX (?) mit Kaufpreis von XXX (?)

– K fragt V, ob das Auto unfallfrei sei, da K nur einen unfallfreien Wagen kaufen will

– V hatte bei der Probefahrt mit dem Voreigentümer Indizien feststellen können, die auf einen über Gebrauchsspuren hinausgehenden Schaden hinweisen

– V hat aber weder den Voreigentümer danach gefragt, noch in ihrer eigenen Werkstatt eine Kontrolle durchgeführt

– gleichwohl bekundet sie vor K, der Wagen sei unfallfrei

– K kauft daraufhin den Wagen

– als Unfallwagen hätte das Auto einen viel geringeren Kaufpreis gehabt und K hätte einen anderen Wagen gekauft

– am 6.6.12 übergibt V dem K das Auto samt Schlüssel und Papieren

– K meldet das Auto um für 30 €, kauft passgenaue Fußabtreter für 70 € und Winterreifen für 400 €

– am 18.4.2013 lässt K das Auto in einer Fachwerkstatt zur Vorbereitung für die Hauptuntersuchung auf Mängel untersuchen; dort wird festgestellt, dass am Auto ein nicht fachgerecht reparierter Unfallschaden besteht

– K informiert V über den Mangel

– V sagt, sie und K würden sich schon einigen, womit K sich zunächst abfindet

– K nutzt den Wagen in der Folge jedoch nicht

– als V sich nach 2 Monaten noch nicht gemeldet hat, schreibt K der V ein Schreiben am 18.6.13, in dem er das ganze Geschäft anficht

– das Schreiben geht der V am 19.6.13 zu

– daraufhin verlangt V neben der Herausgabe des Mercedes Entschädigung für die Nutzung(auf Grundlage der genau berechneten Kilometer) in Höhe von XXXX (?)

– K wendet seine Posten ein: Ummeldung, Inspektion, Fußmatten und Winterreifen. Weiterhin will er den Kaufpreis zurück.

Frage 1: Wer ist Eigentümer?

Frage 2: Hat V gegen K Anspruch auf Nutzungsentschädigung?

Frage 3: Welche Ansprüche hat K gegen V?
 

27.10.2013/2 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-10-27 16:43:142013-10-27 16:43:14Zivilrecht ZIII – Oktober 2013 – 1. Staatsexamen Berlin
Redaktion

Zivilrecht ZII – Oktober 2013 – 1. Staatsexamen Berlin

Berlin, Examensreport

Vielen Dank an Niko für das folgende Gedächtnisprotokoll der im Oktober 2013 gelaufenen zweiten Klausur im Zivilrecht in Berlin, welches wieder in Stichpunkten wiedergegeben ist. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt

– A kennt B seit Kurzem

– A ist 16 und leiht sich von B 100 € in einem Schein; dabei gibt sie ggü.B an, sie sei volljährig, hat aber bereits in diesem Zeitpunkt vor, die 100 € nie zurückzuzahlen; B hat zu diesem Zeitpunkt zwar Sorge, dass Geld nie wieder zu sehen, leiht es A dennoch

– Die Eltern der A finden den 100 € Schein bei A und sprechen sie darauf an; A beichtet alles und die Eltern verweigern ihr Einverständnis; sie vergessen jedoch, A den 100 € Schein wegzunehmen

– A geht mit dem Schein in das Geschäft des K und kauft sich dort eine Jeans im Wert von 100 €

– als sie bezahlen will, ist nur L im Laden; L ist angestellt, um den Verkäufer zu unterstützen und den Laden aufzuräumen

– weil L in der Vergangenheit nicht zuverlässig war, durfte L die Kasse nicht bedienen

– L will dem Geschäftsinhaber K jedoch beweisen, dass er zuverlässig ist und geht an die Kasse und kassiert

– der 100 € Schein wird zu anderen Scheinen in die Kasse gelegt; im Laufe des Tages kommen weitere 100 € Scheine hinzu

– Auf dem Nachhauseweg vergisst A die Tüte mit der Jeans aber an einer Bushaltestelle; die Jeans verschwindet für immer

– B verlangt von A die 100 € zurück – A verweigert die Zahlung und weißt auf ihre Minderjährigkeit hin; auch die Eltern verweigern die Rückzahlung

– daraufhin erklärt B vor A und den Eltern der A, dass er sich an die Vereinbarung mit A nicht mehr gebunden fühle, weil er sich von A getäuscht fühlt

– B verlangt 100 €

Welche Ansprüche hat B gegen A?
 

27.10.2013/9 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-10-27 16:31:442013-10-27 16:31:44Zivilrecht ZII – Oktober 2013 – 1. Staatsexamen Berlin
Redaktion

Zivilrecht ZI – Oktober 2013 – 1. Staatsexamen Berlin

Berlin, Examensreport

Im Folgenden findet Ihr das Gedächtnisprotokoll der in Berlin gelaufenen ersten Klausur im Zivilrecht im Oktober 2013, welcher in Stichpunkten wiedergegeben ist. Hierfür vielen Dank an Niko. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt

1. Teil:

– A,B, C gründen KG
– A ist Komplementär; B und C sind Kommanditisten
– A bringt 300.000 € ein, C bringt Grundstück ein, am Hafen gelegen, mit Lagerhalle (A und B sind mit dem Einbringen des Grundstücks einverstanden)
– die KG wird eingetragen
– KG will Grundstück wieder verkaufen; beauftragt (vertreten durch A) den Makler M
– arbeiten mit M schon mehrere Jahre zusammen
– M erstellt Exposé, wonach die Lagerhalle Grundfläche von 1000 qm hat (M misst nicht nach, sondern legt nach besten Gewissen fest
– laut Exposé objektiver Wert: 300.000 €
– K GmbH: hat ihrem langjährigen Mitarbeiter P Prokura erteilt und den Antrag auf Eintragung gestellt
– Innenverhältnis K und P: P darf keine Grundstücke kaufen
– noch vor Eintragung des P erfährt dieser von dem Exposé und will kaufen
– lässt sich von M das Exposé zuschicken, telefoniert mit M, fragt nach bzgl.der Größe der
Lagerhalle; P weist M darauf hin, dass es sich bei 1000 qm Größe um die Mindestgröße
handele, um eine Spedition betreiben zu können
– M antwortet, dass die Lagerhalle mit Sicherheit die angegebene Größe haben werde
– P trifft sich mit M beim Grundstück und besichtigt die Halle von außen; da Halle aber noch vermietet, kann er nur einen kleinen Teil der Halle betreten und besichtigen
– P und M sind sich handelseinig und machen Notartermin
– beim Notar: P fragt nochmal, da im Vertrag keine Größenangaben der Halle genannt sind; M weist auf die vorausgehenden Absprachen hin
– Vertrag wird beurkundet; M unterschreibt in Vertretung der KG unter Vorlegung einer Vollmacht
– P unterschreibt für die K
– in Vertrag enthalten ist Klausel von Makler M, die er üblicherweise in seine Immobiliengeschäfte einbringt: „gekauft wird Grundstück nach jetzigem Zustand; Gewährleistung ist ausgeschlossen, außer Verkäufer handelt arglistig“
– P bestellt in der gleichen notariellen Urkunde eine Restkaufpreishypothek zur Sicherung der 2. Kaufpreisrate
– zweite Rate wird gezahlt, GmbH wird als Eigentümer eingetragen und erfährt so davon
– K ist zwar nicht so zufrieden mit der Lage, will aber nicht anfechten; ist aber der Meinung, dass der Vertrag eh nicht wirksam zustande gekommen sei, da P solche Geschäfte gar nicht hätte tätigen dürfen
Ist der Grundstückskaufvertrag wirksam zustande gekommen?
 
2. Teil (Fortsetzung des Sachverhalts):
– 2008 wird Grundstück der K übergeben
– C scheidet aus der KG aus
– 2010 will GmbH Grundstück wieder verkaufen
– K will Grundstück wieder verkaufen; erfährt von Kaufinteressenten, dass Lagerhalle 20% kleiner ist als angegeben → Kaufpreis wäre auch 20 % geringer angemessen gewesen
– K will das nicht auf sich sitzen lassen, fordert die KG und A und C im März 2011 auf, 60.000 € zurückzuzahlen: der Makler M hätte falsche Angaben gemacht und die Aussagen seien der KG zuzurechnen; die Aussagen seien Vertragsgrundlage geworden; P habe damals die Anlage nicht richtig besichtigen können
– KG erwidert, P hätte weitere Unterlagen anfordern können; außerdem sei Anspruch eh verjährt; außerdem hätte Mangel in den letzten zwei Jahren von K bemerkt werden müssen
– K erhebt Leistungsklage im Mai 2012 auf Zahlung von 60.000 €; da sie aber den Kostenvorschuss noch nicht gezahlt hat, wird Klage der KG erst im Januar 2013 zugestellt
Hat die K-GmbH einen Anspruch gegen V-KG auf Zahlung von 60.000 €?
Hat die K auch gegen A und gegen C diesen Anspruch?
Bearbeitervermerk: Der Grundstückswert verändert sich im Laufe der Jahre nicht.

27.10.2013/4 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-10-27 16:21:242013-10-27 16:21:24Zivilrecht ZI – Oktober 2013 – 1. Staatsexamen Berlin
Seite 1 von 212

Über Juraexamen.info e.V.

Deine Online-Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat.

Wir sind ein gemeinnütziger Verein aus Bonn und auf Eure Unterstützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch Gastbeiträge. Über Zusendungen und Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • Gedächtnisprotokoll Öffentliches Recht I April 2025 NRW
  • Gedächtnisprotokoll Zivilrecht I April 2025 NRW
  • Gedächtnisprotokoll Strafrecht April 2025 NRW

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Monika Krizic

Sittenwidrig günstige Miete?

BGB AT, Mietrecht, Rechtsprechung, Schuldrecht, Uncategorized, Zivilrecht, Zivilrecht

§§ 138, 166, 242 BGB – all dies sind Normen, welche Jurastudierende bereits in den ersten Semestern kennenlernen. Umso bedeutender sind sie, wenn sich der BGH (BGH, Urt. v. 26.03.2025 […]

Weiterlesen
29.04.2025/0 Kommentare/von Monika Krizic
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Monika Krizic https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Monika Krizic2025-04-29 13:42:562025-04-29 15:13:04Sittenwidrig günstige Miete?
Marie-Lou Merhi

Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage – ein Grundlagenbeitrag

Aktuelles, Baurecht, Karteikarten, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Uncategorized, Verschiedenes

Die Fortsetzungsfeststellungsklage gehört zu den Klassikern im öffentlichen Recht. Insbesondere im Polizei- und Ordnungsrecht hat sie große Relevanz, da polizeiliche Maßnahmen ihrer Natur nach auf kurze Zeit angelegt sind und […]

Weiterlesen
28.03.2025/0 Kommentare/von Marie-Lou Merhi
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Marie-Lou Merhi https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Marie-Lou Merhi2025-03-28 08:01:442025-05-12 13:52:59Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage – ein Grundlagenbeitrag
Gastautor

„Hausbau auf fremden Grund“ – Verwendungsersatzanspruch aus EBV unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsänderung des BGH

Aktuelles, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Sachenrecht, Schon gelesen?, Startseite, Uncategorized, Zivilrecht, Zivilrecht

Die Frage nach dem Verwendungsersatz beim „Hausbau auf fremdem Grund“ ist ein Klassiker des EBV in der juristischen Ausbildung und bildet gemeinsam mit der diesbezüglichen Rechtsprechungsänderung des BGH (Urt. v. […]

Weiterlesen
18.03.2025/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2025-03-18 09:00:002025-03-19 11:19:39„Hausbau auf fremden Grund“ – Verwendungsersatzanspruch aus EBV unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsänderung des BGH

Mitmachen

Du hast Lust, Autor bei uns zu werden? Wir freuen uns!

Mitmachen

  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© juraexamen.info e.V.

Nach oben scrollen Nach oben scrollen Nach oben scrollen