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Schlagwortarchiv für: Urteile

Dr. Yannik Beden, M.A.

Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick: Strafrecht (Quartal 3/2018)

Rechtsgebiete, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, StPO, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT, Verschiedenes

Sowohl während des Studiums, als auch in der Vorbereitung auf Examensklausuren oder die mündliche Prüfung: Nur wer die aktuelle Rechtsprechung im Blick hat, ist auf neue Sachverhaltskonstellationen gut vorbereitet. Für das dritte Quartal 2018 haben wir euch im Zivilrecht und Öffentlichen Recht bereits die prüfungsrelevantesten Gerichtsentscheidungen präsentiert. Zur Vervollständigung unseres Quartalsberichts werden im nachstehenden Beitrag die wichtigsten Urteile und Beschlüsse zum materiellen Strafrecht und Strafprozessrecht besprochen:
I. Materielles Strafrecht
1. BGH Beschl. v. 5.7.2018 – 1 StR 201/18 zu den Rücktrittsanforderungen bei beendetem Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB
Die Entscheidung des Ersten Senats betraf den Rücktritt vom versuchten Mord, §§ 211, 22, 23 StGB sowie der versuchten Brandstiftung mit Todesfolge, §§ 306c, 22, 23 StGB. Im zu entscheidenden Fall setzte der Angeklagte – ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr – ein mehrstöckiges Wohnhaus in Brand, um dadurch einen Feuerwehreinsatz auszulösen und im Anschluss an der Bekämpfung des Feuers mitzuwirken. Damit wollte der Täter die auszulobende Einsatzvergütung erlangen, um seine schlechte finanzielle Situation aufzubessern. Der Täter wirkte dabei nicht vor Ort, sondern verrichtete seine Dienste in der Funkzentrale. Der BGH sah hierdurch die Voraussetzungen des Rücktritts vom beendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB nicht erfüllt. Eine – für einen wirksamen Rücktritt notwendige – eigene Kausalkette, die für die Nichtvollendung der Tat zumindest mitursächlich ist, habe der Täter durch sein Verhalten nicht in Gang gesetzt:

„Nach der Rechtsprechung des BGH kommt ein Rücktritt vom Versuch gem. § 24 Absatz I 1 Var. 2 StGB schon dann in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder „optimale“ gewählt hat, sofern sich das auf Erfolgsabwendung gerichtete Verhalten des Versuchstäters als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung als ursächlich erweist. Es kommt nicht darauf an, ob dem Täter schnellere oder sicherere Möglichkeiten der Erfolgsabwendung zur Verfügung gestanden hätten; das Erfordernis eines „ernsthaften Bemühens“ gem. § 24 Absatz I 2 StGB gilt für diesen Fall nicht. Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich oder jedenfalls mitursächlich geworden ist. Ohne Belang ist dabei, ob der Täter noch mehr hätte tun können, sofern er nur die ihm bekannten und zur Verfügung stehenden Mittel benutzt hat, die aus seiner Sicht den Erfolg verhindern konnten.“

2. BGH Beschl. v. 7.8.2018 – 3 StR 47/18 zum Totschlag in besonders schwerem Fall
Die bisherige Rechtsprechung zur Frage, wann von einem besonders schweren Fall eines Totschlags i.S.v. § 212 Abs. 2 StGB ausgegangen werden kann, wurde vom BGH nochmals bestätigt. Es handelt sich um ein Problem der Strafzumessung, welches grundsätzlich eine Würdigung und Abwägung aller Einzelfallumstände bedarf. Im Ausgangspunkt nimmt die Rechtsprechung erst dann einen besonders schweren Fall an, wenn das Verschulden des Täters ebenso schwer wiegt wie das eines Mörders nach § 211 StGB. Dieses Verständnis liegt bereits aufgrund des gleichen Strafmaßes (lebenslange Freiheitsstrafe!) nahe. Im Einzelnen führte das Gericht aus:

„Ein besonders schwerer Fall des Totschlags setzt voraus, dass das in der Tat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters außergewöhnlich groß ist. Es muss ebenso schwer wiegen wie das eines Mörders. Dafür genügt nicht schon die bloße Nähe der die Tat oder den Täter kennzeichnenden Umstände zu gesetzlichen Mordmerkmalen. Es müssen vielmehr schulderhöhende Gesichtspunkte hinzukommen, die besonders gewichtig sind“

Sowohl in subjektiver als auch objektiver Hinsicht bedarf es jedoch mehr als einer bloßen Möglichkeit, dass der Täter gleichermaßen wie ein Mörder hätte handeln können. Für den vom Dritten Senat zu entscheidenden Fall bedeutete das:

„Daraus, dass „zahlreiche, nicht fernliegende Handlungsalternativen und Motivationslagen in Betracht“ kommen, die Mordmerkmale ausfüllen könnten, ergibt sich indes noch keine Nähe zu diesen. Das gilt insbesondere in Bezug auf die subjektive Tatseite. So vermochte die Strafkammer keine Feststellungen zu den „Vorstellungen und Motiven“ des Angeklagten zu treffen. Damit fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, dass eine Nähe zu den Mordmerkmalen der niedrigen Beweggründe oder der Verdeckungsabsicht bestehe. Entsprechendes gilt im Hinblick auf das Mordmerkmal der Heimtücke. Da die Strafkammer nicht ausschließen konnte, dass das Kind zum Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mehr arglos war, kann nicht ohne Weiteres von einer Nähe zu heimtückischem Handeln ausgegangen werden.“

Deutlich wird, dass der BGH für das Merkmal der „Nähe zum Mord“ äußerst hohe Anforderungen stellt. In der Klausur bedeutet das, dass in Ermangelung eines Mordmerkmals tendenziell von einem „normalen“ Totschlag gem. § 212 Abs. 1 StGB und nicht von einem besonders schweren Fall ausgegangen werden sollte.
3. BGH Beschl. v. 8.8.2018 – 2 ARs 121/18 zur Strafvereitelung durch einen Strafverteidiger – § 258 StGB
Im streitgegenständlichen Verfahren teilte der Strafverteidiger der Ermittlungsbehörde wahrheitswidrig mit, dass die gesuchten Unterlagen sich in der Garage seines Mandanten befänden, obwohl sich tatsächlich noch wesentliche Teile der Dokumente in den Räumlichkeiten des Strafverteidigers befanden. Zudem erklärte der Strafverteidiger nach einer Sichtung seiner Büroräume, im Rahmen derer beweiserhebliche Materialien gefunden wurden, dass er über keine weiteren Beweismittel dieser Art verfüge, obwohl er jedenfalls über einen weiteren Ordner mit wichtigen Beweisurkunden verfügte. Der BGH entschied hier:

„Eine Strafvereitelung in diesem Sinn kann auch durch Vereitelung des staatlichen Beschlagnahmezugriffs auf Beweisgegenstände durch einen Strafverteidiger begangen werden. So gehen etwa wahrheitswidriges Bestreiten des Besitzes gesuchter Beweisurkunden und ein falscher Hinweis auf einen anderweitigen Belegenheitsort zur Vereitelung eines bevorstehenden Beschlagnahmezugriffs über die Grenzen zulässiger Strafverteidigung hinaus. Ein solches Verhalten erfüllt den Tatbestand der Strafvereitelung, wenn dadurch der Abschluss des staatlichen Strafverfahrens für geraume Zeit verzögert wird und der Strafverteidiger absichtlich oder wissentlich handelt.
[…]
Anders liegt es, wenn durch die Ermittlungsbehörde oder das Strafgericht die Herausgabe solcher Beweismittel, die nicht originär durch die Verteidigung hervorgebracht wurden, verlangt (§ 95 Abs. 1 StPO) oder deren Beschlagnahme (§ 94 Abs. 2 StPO) angestrebt wird. In diesem Fall darf der Verteidiger solche Beweismittel, die nicht spezifisches Verteidigungsmaterial darstellen, nicht dem staatlichen Zugriff entziehen, indem er sie verborgen hält oder falsche Angaben zum Belegenheitsort macht. In Bezug auf solche Beweismittel, namentlich „verfängliche Geschäftsunterlagen“, besteht kein Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO.
[…]
Der Verteidiger darf „Überführungsstücke“, auf die ein staatlicher Beschlagnahmezugriff zielt, nicht in seinen Räumen verstecken. Sein Mandat soll nicht dazu genutzt werden können, gesuchten Beweisgegenständen „Asyl“ zu gewähren. Erst recht gestattet keine der Regelungen zum Schutz des Vertrauensverhältnisses gemäß §§ 53, 97, 160a, 148 StPO es dem Strafverteidiger, falsche Angaben über seinen Besitz an Beweisgegenständen zu machen.“

4. BGH Urt. v. 15.5.2018 – 2 StR 152/18 zur Sittenwidrigkeit einer Körperverletzung nach § 228 StGB
Wird in eine Körperverletzung eingewilligt, ist die Tat nur rechtswidrig, wenn sie trotz Einwilligung gegen die „guten Sitten“ verstößt. Dieses äußert weit gefasste Merkmal konkretisierte der BGH erneut. Für die ex-ante zu bestimmende Sittenwidrigkeit sei vordergründig auf die Art und Schwere des Rechtsgutsangriffs abzustellen. Die Tat müsse in Anbetracht des Umfangs der Verletzung sowie des damit verbundenen Gefahrengrads für Leib und Leben trotz Einwilligung des Rechtsgutsträgers „nicht mehr als von der Rechtsordnung hinnehmbar erscheinen“. Viel ist damit freilich noch nicht gesagt, da auch der Begriff der Hinnehmbarkeit vieles bedeuten kann. Der BGH grenzt allerdings ein: Ebenso wie die Zwecksetzung der Tat sei unbeachtlich, welche gesellschaftliche Vorstellung über die Tat vorliegen mögen.

„Die Weite und Konturenlosigkeit des Merkmals der guten Sitten in § 228 StGB erfordert, dieses strikt auf das Rechtsgut der Körperverletzungsdelikte zu beziehen und auf seinen Kerngehalt zu reduzieren. Gesellschaftliche Vorstellungen oder der durch die Tat verfolgte Zweck können lediglich dazu führen, dass ihretwegen eine Einwilligung trotz massiver Rechtsgutsverletzungen Wirksamkeit entfalten kann. Zur Feststellung eines Sittenverstoßes und damit – über die Unbeachtlichkeit der Einwilligung – zur Begründung der Strafbarkeit von einvernehmlich vorgenommenen Körperverletzungen können sie nicht herangezogen werden.“ 

5. BGH Beschl. v. 12.6.2018 – 3 StR 171/17 zum subjektiven Schadenseinschlag beim Betrug (Nachtrag zu Quartal 2/2018)
Besondere Prüfungsrelevanz dürfte die Entscheidung des BGH zu den Grundsätzen des subjektiven Schadenseinschlags bei § 263 StGB haben. Das Gericht konkretisierte die Anforderungen an den persönlichen Schadenseinschlag: Ausgehend vom Grundsatz, dass ein Vermögensschaden trotz objektiver Gleichwertigkeit der Gegenleistung auch vorliegen kann, wenn diese für das Opfer unter Berücksichtigung der individuellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Verhältnisse subjektiv wertlos ist, stellte der Dritte Senat nun fest:

„Insofern kann als Schaden die gesamte Leistung des Gesch. anzusehen sein, wenn die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck brauchbar ist und er sie auch nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden, namentlich ohne besondere Schwierigkeiten wieder veräußern kann“  

Da im streitgegenständlichen Verfahren die verkauften Geräte nur mit „erheblichen Verlusten“ hätten weiterveräußert werden können, nahm der BGH einen persönlichen Schadenseinschlag und mithin einen Vermögensschaden an. Eine ausführliche Besprechung dieses besonders prüfungsrelevanten Urteils findet sich im hierzu erstellen Beitrag von Sebastian Rombey.
II. Strafprozessrecht
1. BGH Urt. v. 4.7.2018 – 5 StR 46/18 zur Verhandlungsunfähigkeit eines Angeklagten
Die Entscheidung behandelt die Grenze zur Verhandlungsunfähigkeit bei einem Angeklagten, dessen geistige, psychische oder körperliche Fähigkeit zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte eingeschränkt ist. Der 5. Strafsenat geht von einer Verhandlungsunfähigkeit erst aus, wenn dem Angeklagten auch bei Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Hilfe – also insbesondere einem Verteidiger – eine eigenständige, selbstverantwortliche Entscheidungen über die wesentlichen Belange seiner Verteidigung sowie eine sachgerechte Wahrnehmung der ihm zustehenden Verfahrensrechte nicht mehr möglich ist. Dabei geht es vor allem um solche Verfahrensrechte, die der Angeklagte selbst, d.h. persönlich wahrnehmen muss. Danach soll es speziell für das Revisionsverfahren ausreichen, wenn der Beschwerdeführer zumindest zeitweilig zur Konsensfindung mit seinem Verteidiger darüber, ob das Rechtsmittel aufrechterhalten oder zurückgenommen werden soll, in der Lage ist.

„Verhandlungsfähigkeit im strafprozessualen Sinne bedeutet, dass der Angekl. in der Lage sein muss, seine Interessen in und außerhalb der Verhandlung vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Angekl. auch tatsächlich fähig sein muss, die ihm gesetzlich eingeräumten Verfahrensrechte in jeder Hinsicht selbständig und ohne fremden Beistand wahrzunehmen. Auch bei solchen Angekl., deren geistige, psychische oder körperliche Fähigkeit zur Wahrnehmung der Verteidigungsrechte eingeschränkt ist, muss die Schuld- und Straffrage in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren geklärt und entschieden werden können. Danach liegt Verhandlungsunfähigkeit bei solchen Einschränkungen der geistigen, psychischen oder körperlichen Fähigkeiten nicht vor, wenn die Auswirkungen dieser Einschränkungen auf die tatsächliche Wahrnehmung der Verfahrensrechte durch Hilfen für den Besch. hinreichend ausgeglichen werden können. Die Grenze zur Verhandlungsunfähigkeit ist erst dann überschritten, wenn dem Angekl. Auch bei Inanspruchnahme solcher verfahrensrechtlichen Hilfen eine selbstverantwortliche Entscheidung über grundlegende Fragen seiner Verteidigung und eine sachgerechte Wahrnehmung der von ihm persönlich auszuübenden Verfahrensrechte nicht mehr möglich ist“

2. BGH Beschl. v. 5.7.2018 – 1 StR 42/18 zur Selbstbelastungsfreiheit, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO
Äußert sich der Angeklagte nicht zu den Gründen seines Aufenthalts am Ort seiner polizeilichen Festnahme und stellt das erkennende Gericht sowohl in seiner Beweiswürdigung, als auch seiner rechtlichen Würdigung ausdrücklich hierauf ab, wird das Schweigen zum Nachteil des Angeklagten gewertet, sein Schweigerecht mithin konterkariert. Dies verstößt gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens und gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit gem. §§ 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1 StPO:

„Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, insoweit also ein Schweigerecht besteht, ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens. Es steht dem Angeklagten frei, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Absatz 5 Satz 1 StPO). Macht ein Angeklagter von seinem Schweigerecht Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. So liegt der Fall aber hier.
Es ist zwar rechtlich zutreffend, dass der Zweifelssatz es nicht gebietet, zugunsten eines Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen keine Anhaltspunkte bestehen. Das Landgericht stellt jedoch in seiner Beweiswürdigung, aber auch in der rechtlichen Würdigung, an mehreren Passagen ausdrücklich darauf ab, dass sich die Angeklagten nicht zu den Gründen ihres Aufenthalts im Bereich des Festnahmeortes geäußert oder erklärt haben. Damit wird im Ergebnis zum Nachteil gewertet, dass die Angeklagten von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht haben.“


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23.10.2018/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-10-23 09:30:292018-10-23 09:30:29Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick: Strafrecht (Quartal 3/2018)
Dr. Maximilian Schmidt

Rechtsprechungsüberblick des BGH in Zivilsachen

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Im Folgenden eine Übersicht von im letzten halben Jahr veröffentlichten, interessanten und examensrelevanten Entscheidungen des BGH in Zivilsachen (größtenteils den Urteilen entnommene Leitsätze mit Hervorhebungen und Erläuterungen d. Verf.)
I. BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 – VI ZR 340/14
Der BGH klärt hier Grund und Grenzen der Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts durch eine Wortberichterstattung im Internet.

  • Zur Beseitigung eines Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung kann der Betroffene den Störer grundsätzlich nicht nur auf Berichtigung, sondern auch auf Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen in Anspruch nehmen.
  • Die Löschung bzw. das Hinwirken auf Löschung im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen kann im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs nur verlangt werden, wenn und soweit die beanstandeten Behauptungen nachweislich falsch sind und die begehrte Abhilfemaßnahme unter Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen, insbesondere der Schwere der Beeinträchtigung, zur Beseitigung des Störungszustands geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar ist.
  • Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft, jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Von der Norm erfasst wird sowohl der unmittelbare Störer, der durch sein Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, als auch der mittelbare Störer, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat.

II. BGH, Urteil vom 01. Juli 2015 – VIII ZR 14/15

Bei einem einheitlichen Mischmietverhältnis, das wegen überwiegender Wohnnutzung als Wohnraummietverhältnis anzusehen ist, braucht sich ein vom Vermieter geltend gemachter Eigenbedarf nur auf die Wohnräume zu beziehen. Bei gewerblich oder geschäftlich genutzten Räumen hängt die Befugnis des Vermieters zur ordentlichen Kündigung gerade nicht vom Vorliegen eines berechtigten Interesses ab, so dass die besonderen Wertungen der Wohnraummiete nicht übertragbar sind.
III. BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 249/14
Bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Heizöl ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht nach § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF ausgeschlossen, denn kennzeichnend für diese Ausnahmevorschrift ist, dass der spekulative Charakter den Kern des Geschäfts ausmacht. Sinn und Zweck des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. besteht darin, das Risiko eines wenigstens mittelbar finanzmarktbezogen spekulativen Geschäfts nicht einseitig dem Unternehmer aufzubürden, sondern mit seinem Abschluss in gleicher Weise auf beide Parteien zu verteilen. Einen spekulativen Kern weist der Ankauf von Heizöl durch den Verbraucher jedoch nicht auf.
IV. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – VII ZR 216/14 (s. hierzu unseren Beitrag)
Ist ein Werkvertrag wegen Verstoßes gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG vom 23. Juli 2004 nichtig, steht dem Besteller, der den Werklohn bereits gezahlt hat, gegen den Unternehmer kein Rückzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung zu.
V. BGH, Urteil vom 02. Juni 2015 – VI ZR 387/14
Zwar gilt grundsätzlich, dass in Abweichung vom Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Ersatz des Reparaturaufwands (Reparaturkosten zuzüglich einer etwaigen Entschädigung für den merkantilen Minderwert) bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs verlangt werden kann, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.
Allerdings ist die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig, wenn die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur  mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen. In einem solchen Fall, in dem das Kraftfahrzeug nicht mehr reparaturwürdig ist, kann der Geschädigte vom Schädiger grundsätzlich nur Ersatz der für die Beschaffung eines gleichwertigen Fahrzeuges erforderlichen Kosten, also den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts, verlangen. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren, so können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen (bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden.
VI. BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 – VII ZR 190/14
Bei Überschreitung einer mit dem Architekten vereinbarten Bausumme kann zwar ein Schaden in den überschießenden Baukosten bestehen. Der Bauherr erleidet jedoch insoweit keinen Schaden, als der zu seinen Lasten gehende Mehraufwand zu einer Wertsteigerung des Objekts geführt hat. Um diesen Schaden festzustellen, ist die Vermögenslage des Bauherrn mit und ohne die Pflichtverletzung des Architekten zu vergleichen.
VII. BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 – XII ZR 65/14
Verhindert der Mieter – etwa indem er Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig nicht duldet oder ihre Duldung von ungerechtfertigten Forderungen abhängig macht – unberechtigt die Mangelbeseitigung durch den Vermieter, folgt aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, dass er sich ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die Minderung berufen kann, ab dem die Mangelbeseitigung ohne sein verhinderndes Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre und der Vermieter wieder die ungeminderte Miete hätte verlangen dürfen.
VIII. BGH, Urteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 197/14
Die bei einer Mietsache für eine konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Einigung kommt nicht schon dadurch zustande, dass dem Vermieter eine bestimmte Beschaffenheitsvorstellung des Mieters bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert.

08.09.2015/0 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2015-09-08 09:00:032015-09-08 09:00:03Rechtsprechungsüberblick des BGH in Zivilsachen
Gastautor

Examensrelevante Entscheidungen zum Kaufrecht

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Wir freuen uns, heute einen Gastbeitrag von Lars Stegemann veröffentlichen zu können. Der folgende Beitrag fasst die bisher in diesem Jahr zum Kaufrecht ergangenen examensrelevanten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zusammen und weist auf die jeweilige Prüfungsrelevanz hin. Der zweite Teil dieses Beitrages folgt in Kürze an dieser Stelle.
 
Beweislastumkehr für Mangelursache beim Verbrauchsgüterkauf
BGH Urteil vom 15.1.2014, VIII ZR 70/13, NJW 2014, 1086
Leitsätze:
Zur Beweislastumkehr hinsichtlich eines latenten Mangels beim Verbrauchsgüterkauf (hier: Vorschädigung der Sehnen eines Pferdes als Ursache einer akuten Verletzung).
Entscheidungsinhalt:
Der Bundesgerichtshof bestätigt in dieser Entscheidung seine Rechtsprechung[1] zur Beweislastumkehr im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufes nach § 476 BGB. Danach wird grundsätzlich vermutet, sofern sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrenübergang ein Sachmangel zeigt, dass die Sache bereits bei Gefahrenübergang mangelhaft war. Die Parteien stritten in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsstreit über die Mangelhaftigkeit eines verkauften Pferdes (§§ 433, 434, 474 I, 90a BGB).
Der der Entscheidung zu Grunde liegende Streit dürfte bekannt sein. Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass die Vermutung des § 476 BGB nur in zeitlicher Hinsicht wirkt ­– es wird also nur vermutet, dass der konkret sich zeigende Mangel bei Gefahrenübergang vorhanden war. So führt er in der Entscheidung aus: „Beruft sich der Käufer […] darauf, dass der nach Gefahrübergang sichtbar gewordene – akute – Mangel auf einer Ursache beruhe, die ihrerseits einen vertragswidrigen Zustand darstelle, so muss er dies beweisen. […]; ob hinsichtlich einer solchen Ursache ein Sachmangel vorliegt, hat […] der Kläger zu beweisen […]. Beweist der Käufer, dass der sichtbar gewordene Mangel auf einem – latenten – Mangel beruht, so greift zu Gunsten des Käufers auch insoweit die Vermutung des § 476 BGB ein, dass dieser – latente – Mangel bereits bei Gefahrenübergang bestand […].“[2]
Demgegenüber entnimmt die wohl herrschende Lehre der Norm eine weitergehende Wirkung. Danach wird über diese zeitliche Komponente hinaus vermutet, dass ein sich nach Gefahrenübergang zeigender Sachmangel auf einem schon bei Gefahrenübergang vorhandenen „Grundmangel“ beruht.[3] Dafür spricht nicht nur der Wortlaut des § 476 BGB, sondern auch der Zweck der Vorschrift. Vor allem bei technischen Geräten würde der § 476 BGB dem Verbraucher sonst in den allermeisten Fällen nicht helfen.[4]
Im vorliegenden Fall gelang dem Käufer aber auch der Nachweis des Grundmangels, sodass § 476 BGB insofern eingriff. Der BGH nahm auch zu dem Streit nicht weiter Stellung,[5] ebenso wenig zieht er auch weiterhin eine Vorlage an den BGH in Erwägung.[6]
Interessant sind auch die kurzen Ausführungen des Senats zu Beginn der Entscheidung, der § 446 BGB (und damit wohl auch § 447 BGB) auch im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufes für abdingbar erklärt.[7] Im vorliegenden Fall hatten die Parteien den Gefahrenübergang auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorverlegt.
Prüfungsrelevanz:
Der Streit um die Reichweite der Vermutung des § 476 BGB ist prüfungsrelevant, die Entscheidung bietet somit Anlass, sich erneut mit ihm zu beschäftigen, auch wenn der BGH nur in aller Kürze seine Rechtsprechung bestätigt. Prüfungsstandort hierfür ist die Mangelhaftigkeit der Kaufsache, die für die in § 437 BGB genannten Rechtsbehelfe des Gewährleistungsrechts nötig ist. Lässt sich nicht aufklären, ob die Kaufsache bereits bei Gefahrenübergang[8] mangelhaft war, ist auf § 476 BGB einzugehen, sofern ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt (zu denken ist hier auch stets an § 478 Abs. 3 BGB). Insofern enthält die Norm eine Abweichung von der Grundregel des § 363 BGB. Im Rahmen dessen sollte man nun auch bei entsprechenden Hinweisen im Sachverhalt an die Abdingbarkeit des § 446 BGB denken.
 
Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung und deren Auswirkungen auf den Schadensersatz statt der Leistung
BGH Urteil vom 14.4.2014, V ZR 275/12, BeckRS 2014, 12422
Leitsätze:

  1. Stellen sich die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten als unverhältnismäßig dar, so kann der Käufer von dem Verkäufer nur Ersatz des mangelbedingten Minderwerts der Sache verlangen.
  2. Ob die Kosten unverhältnismäßig sind, ist aufgrund einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der in § 439 Abs. 3 BGB genannten Kriterien festzustellen.
  3. Bei Grundstückskaufverträgen kann als erster Anhaltspunkt davon ausgegangen werden, dass die Kosten der Mängelbeseitigung unverhältnismäßig sind, wenn sie entweder den Verkehrswert des Grundstücks in mangelfreiem Zustand oder 200% des mangelbedingten Minderwerts übersteigen.
  4. Für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Kosten kommt es auf den Beginn der Mängelbeseitigung durch den Käufer an. Stellt sich während deren Ausführung heraus, dass die Kosten höher als erwartet sind, steht dies einer Ersatzpflicht nur entgegen, wenn ein wirtschaftlich denkender Käufer die Arbeiten auch unter Berücksichtigung der bereits angefallenen Kosten nicht fortführen würde bzw. fortgeführt hätte.

Entscheidungsinhalt:
Der BGH überträgt die Grundsätze einer im vorletzten Jahr zum Werkvertragsrecht ergangenen Entscheidung auf das Kaufrecht.[9] Dabei geht es im Schwerpunkt um die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung und deren Auswirkungen auf den Schadensersatz statt der Leistung. Da es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf handelte (schon keine bewegliche Sache im Sinne des § 474 Abs. 1 BGB, sondern ein Grundstückskauf), konnte der BGH vorliegend eine absolute Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 3 BGB annehmen und gelangte so zu den zu erörternden Problemen.[10] Die prozessrechtlichen Ausführungen zu Beginn der Entscheidung werden hier nicht weiter vertieft, ebenso bleiben die Ausführungen zur Kausalität außer Betracht.[11]
Nach kurzen Ausführungen zur Vorteilsausgleichung und zum Abzug „neu für alt“ ­– also Ausführungen zum Schadensumfang – geht der Senat auf den eigentlichen Schwerpunkt des Urteils ein, nämlich die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung und die Folgen für den Umfang des Schadensersatzes. Während die Nacherfüllung in Form der Nachlieferung im vorliegenden Fall unmöglich war,[12] kam für die Nachbesserung eine absolute Unverhältnismäßigkeit nach § 439 Abs. 3 S. 3 Hs. 2 BGB in Betracht. Hier ist zu begrüßen, dass der Senat, obwohl er wiederum die Relevanz der jeweiligen Umstände des Einzelfalls betont, zumindest sachlich beschränkt auf Grundstückskaufverträge feste Prozentgrenzen als Anhaltspunkt nennt. Entsprechend dem Wortlaut des § 439 Abs. 3 S. 2 BGB wird ausgeführt, dass § 439 Abs. 3 S. 3 Hs. 2 BGB eingreift, wenn die Kosten „entweder den Verkehrswert des Grundstücks in mangelfreiem Zustand oder 200% des mangelbedingten Minderwerts übersteigen“[13]. Es bleibt angesichts der Vielfalt der hierzu vertretenen Prozentgrenzen zu hoffen, dass der BGH diese Richtwerte auch auf andere Fälle überträgt.
Sofern der Verkäufer die mögliche Art der Nacherfüllung zu Recht gem. § 439 Abs. 3 S. 3 Hs. 2 BGB verweigert, steht dem Käufer ohne weitere Fristsetzung ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zu. Das ergibt sich zwar nicht direkt, aber aus dem Sinn und Zweck des § 440 S. 1 Var. 2 BGB, die in solchen Fällen sinnlose Nachfristsetzung für entbehrlich zu erklären.[14] Der Senat geht in der Entscheidung ohne Diskussion von der Anspruchsgrundlage der §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. 1 BGB aus, wie es auch § 440 S. 1 Var. 2 BGB offensichtlich vorsieht.[15] Dennoch bestehen Bedenken hinsichtlich dieser Anspruchsgrundlage und auch ob dies im Sinne des Gesetzgebers ist,[16] doch ist angesichts des geringen Echos auf diesen Punkt der Entscheidung hier die weitere Diskussion abzuwarten.[17]
Neues bringt die Entscheidung insofern auch hier erst wieder bei den Ausführungen zum Umfang des Schadensersatzes statt der Leistung. Grundsätzlich kann im Falle des kleinen Schadensersatzes statt der Leistung der Käufer zwischen dem Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts und dem Ersatz der Mängelbeseitigungskosten wählen.[18] Verweigert der Verkäufer allerdings die Nachbesserung wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten, so würde es dem Schutzzweck des § 439 Abs. 3 BGB widersprechen, wenn der Käufer nun über den Umweg des Schadensersatzes diese Kosten dennoch vom Verkäufer ersetzt verlangen könnte. Ein eventuelles Vertretenmüssen hat insofern nur Auswirkungen auf die im Rahmen des § 439 Abs. 3 BGB relevante Grenze dessen, was dem Verkäufer zumutbar ist.[19] Der BGH stützt dies auf eine analoge Anwendung des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB und zieht im Rahmen dessen die Werte zu § 439 Abs. 3 BGB heran.[20] Einer Analogie bedarf es deshalb, weil nach herrschender, aber nicht unbestrittener Auffassung beim Schadensersatz statt der Leistung die Naturalrestitution ausscheidet ­– diese bestünde gerade in der Nacherfüllung. Stattdessen ist stets Schadensersatz in Geld zu leisten, die Wiederherstellung kann entsprechend nicht unverhältnismäßig im Sinne des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB sein.[21]
Prüfungsrelevanz:
Würde man die Entscheidung in eine Klausur übersetzen, würde der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung im Zentrum stehen. Der BGH hat sich hier für die §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. 1 BGB entschieden; das sollte man angesichts von § 440 S. 1 Var. 2 BGB vorbehaltlich weiterer Diskussionen in der Literatur auch ohne größere Erörterungen tun. Die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung, die der BGH erst im Rahmen des Schadens anspricht, wären hier bereits im Rahmen der Fristsetzung zu erläutern, sofern eine solche nicht ohnehin gesetzt wurde und verstrichen ist. Im Rahmen des Schadens bzw. der Schadensberechnung ist dann auf die analoge Anwendung des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB einzugehen.
 
Erheblicher Mangel bei Mangelbeseitigungskosten von mehr als fünf Prozent des Kaufpreises
BGH Urteil vom 28.5.2014, VIII ZR 94/13, BeckRS 2014, 11378
Leitsätze:

  1. Die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (Bestätigung der Senatsurteile vom 17. Februar 2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 23; vom 6. Februar 2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 16).
  2. Bei einem behebbaren Mangel ist im Rahmen dieser Interessenabwägung von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB jedenfalls in der Regel nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises übersteigt.

Entscheidungsinhalt:
In dieser Entscheidung setzt sich der BGH damit auseinander, wann eine Pflichtverletzung im Rahmen der §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 5 S. 2 BGB und §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 S. 3 BGB unerheblich ist, sodass Rücktritt und Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht in Betracht kommen. Zum ersten Mal äußert sich der BGH zu einer konkreten Prozent-Grenze, ab der bei einem behebbaren Mangel im Regelfall von einer Erheblichkeit ausgegangen werden kann. Zuvor hatte er nur entschieden, dass jedenfalls bei Mangelbeseitigungskosten von unter 1 % des Kaufpreises von einer Unerheblichkeit auszugehen ist und diese Grenze auch auf einen merkantilen Minderwert übertragen.[22]
Der Senat setzt sich ausführlich mit den zahlreichen in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansichten zu Prozent-Grenzen auseinander, bezieht in seine Auslegung die Gesetzesbegründung und rechtsvergleichend auch die entsprechende Regelung im CISG mit ein. Diese Ausführungen können in einer Prüfung regelmäßig nicht erwartet werden. Nur einige Punkte aus der Entscheidung verdienen eine genauere Betrachtung. So betont der BGH auch hier wieder die Einzelfallentscheidung und erklärt eine umfassende Interessenabwägung für maßgeblich. Insgesamt kommt er zu dem Schluss, „[…] dass bei einem behebbaren Mangel im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB in der Regel dann nicht mehr auszugehen ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand mehr als fünf Prozent des Kaufpreises beträgt.“[23]
Der BGH hält damit einerseits an seiner vorherigen Rechtsprechung fest, bei behebbaren Mängeln nicht auf die Funktionsbeeinträchtigung, sondern nur auf den Mängelbeseitigungsaufwand abzustellen.[24] Andererseits stellt er ausdrücklich nur auf „die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung“[25] ab, wobei fraglich ist, ob dies wirklich als Abkehr von seiner umstrittenen Rechtsprechung anzusehen ist, hier auch eine vorvertragliche Pflichtverletzung in Gestalt einer arglistigen Täuschung einzubeziehen.[26] Der BGH begründet diese Grenze wie folgt: „Bei behebbaren Sachmängeln unterhalb der genannten Schwelle wird es dem Käufer in der Regel zuzumuten sein, am Vertrag festzuhalten und sich – nach erfolglosem Nachbesserungsverlangen – mit einer Minderung des Kaufpreises oder mit der Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes zu begnügen. Den Verkäufer wiederum vermag diese Lösung in ausreichendem Maße vor den für ihn wirtschaftlich meist nachteiligen Folgen eines Rücktritts des Käufers wegen geringfügiger Mängel zu schützen […]“.[27]
Prüfungsrelevanz
Das vorliegende Problem kann sowohl im Rahmen eines Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung (§§ 281 Abs. 1 S. 3, 283 S. 2, 311a Abs. 2 S. 3 BGB) als auch im Rahmen eines Rücktritts (§§ 323 Abs. 5 S. 2, 326 Abs. 5 Hs. 2 BGB) bzw. der daraus resultierenden Ansprüche begegnen. Es bietet sich an, in problematischen Fällen kurz darzustellen, dass diesen Vorschriften eine Abwägung zwischen den Interessen des Käufers und Verkäufers zu Grunde liegt, die nur im konkreten Einzelfall entschieden werden kann, um dann gegebenenfalls auf die vom BGH aufgestellte Grenze zurückzukommen. Bekannt sein sollte, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung und erst recht eine übernommene Garantie für eine bestimmte Beschaffenheit ebenfalls die Erheblichkeit indizieren.[28] Ein wenig versteckt kann einem das Problem im Rahmen der Frage begegnen, ob der Käufer eine mangelhafte Sache zurückweisen durfte, da der BGH dieses Recht dem Käufer zumindest bei einem erheblichen Mangel im Sinne der genannten Vorschriften und einem damit einhergehendem Rücktrittsrecht zugesteht.[29]
 
[1] BGH, NJW 2004, 2299; BGH, NJW 2005, 3490; BGH, NJW 2006, 434.
[2] BGH, NJW 2014, 1086 (1087); das Berufungsgericht wollte die Reichweite der Vermutung gar auf den akuten Mangel beschränkt sehen, § 476 BGB also nicht einmal in zeitlicher Hinsicht auf den latenten Mangel anwenden.
[3] Siehe nur S. Lorenz in: MüKo BGB, 6. Auflage 2012, § 476 Rn. 25; ausführlich auch Huber/Bach, SchuldR BT I, 4. Auflage 2013, Rn. 278; Gsell, JuS 2005, 967 (970 ff.).
[4] So auch Faust in: BeckOK BGB, 32. Edition 2014, § 476 Rn. 8 ff.
[5] Eine kurze Auseinandersetzung mit der Gegenansicht findet sich in BGH, NJW 2006, 434.
[6] Kritisch dazu Faust in: BeckOK BGB, § 476 Rn. 12.
[7] BGH, NJW 2014, 1086 (1086); so wohl auch die h.L., dazu S. Lorenz in: MüKo BGB, § 475, Rn. 5 m.w.N.: § 446 BGB ist in der Norm nicht genannt, zudem enthält die RL keine entsprechenden Vorgaben, auf deren Rahmen der Gesetzgeber aber die zwingenden Regelungen beschränken wollte.
[8] Dies ist nach ganz h.M. der für die Mangelhaftigkeit der Kaufsache relevante Zeitpunkt und der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs des Gewährleistungsrechts, siehe ausführlich Huber/Bach, SchuldR BT I, Rn. 62 f., 85 ff.
[9] BGH, NJW 2013, 370.
[10] Die hierzu ergangene Rechtsprechung sollte unbedingt bekannt sein, siehe dazu unseren Beitrag https://www.juraexamen.info/eugh-ausbau-mangelhafter-und-neu-einbau-mangelfreier-fliesen-von-nacherfullung-erfasst/.
[11] Siehe dazu die Rn. 7-18 und 27-30 der Entscheidung.
[12] Es handelte sich ganz offensichtlich um eine Stückschuld, siehe zu den Voraussetzungen, unter denen dennoch eine Nachlieferung in Betracht kommt, BGH, NJW 2006, 2839.
[13] BGH, BeckRS 2014, 12422 Rn. 41 ff., wobei der BGH die Verkehrswert-Grenze mit der Rechtsprechung zu § 251 II 1 BGB bei Grundstücken begründet; offengelassen noch in BGH, NJW 2009, 1660 (1661); eine Übersicht zu den verschiedenen Ansichten liefert Faust in: BeckOK BGB, § 439 Rn. 49 f.
[14] Der Wortlaut erfasst dies streng genommen nicht, siehe aber nur H. P. Westermann in: MüKo BGB, § 440 Rn. 6.
[15] BGH, BeckRS 2014, 12422 Rn. 35; so auch Pammler in: jurisPK BGB, 6. Auflage 2012, § 440 Rn. 65; unklar Weidenkaff in: Palandt, 70. Auflage 2011, § 439 Rn. 21.
[16] Siehe zu den Bedenken und der Gesetzesbegründung ausführlich Jaensch, NJW 2013, 1121, bezogen auf die zuvor zum Werkvertragsrecht ergangene Entscheidung; ebenso bereits Jaensch, JURA 2005, 649 (652 f.); das hat zahlreiche Auswirkungen, insbesondere auf den Bezugspunkt des Vertretenmüssens sowie den relevanten Zeitpunkt, ab dem die Schäden dem Schadensersatz statt der Leistung zuzurechnen sind.
[17] Vorsichtig die Anmerkung von S. Lorenz hierzu unter https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/viizr179_11.htm#8, Abruf vom 29.09.2014.
[18] BGH, BeckRS 2014, 12422, Rn. 33.
[19] Zu den umstrittenen Kriterien im Rahmen des § 439 Abs. 3 BGB Faust in: BeckOK BGB, § 439 Rn. 49 m.w.N.
[20] BGH, BeckRS 2014, 12422, Rn. 36, 43 ff.
[21] Ausführlich Riehm, JuS 2014, 833 (834).
[22] BGH, NJW 2008, 1517 (1519): In Abweichung von einer vorherigen Entscheidung sind unbehebbare Mängel nicht stets als erheblich anzusehen; BGH, NJW 2011, 2872 (2874): 1 %-Grenze und alleiniges Abstellen auf Beseitigungsaufwand, außer der Mangel ist nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar.
[23] BGH, BeckRS 2014, 11378, Rn. 30.
[24] Sehr deutlich bereits BGH, NJW 2011, 2872 (2874).
[25] BGH, BeckRS 2014, 11378, Rn. 16.
[26] Grundlegend BGH, NJW 2006, 1960 (1961); zu recht kritisch Lorenz, NJW 2006, 1925 (1926); zustimmend hingegen Faust in: BeckOK BGB, § 437 Rn. 27 m.w.N.
[27] BGH, BeckRS 2014, 11378, Rn. 38. Lesenswert auch die Ausführungen in den Rn 31, 33, 37, ebenso Rn. 44 mit Bezug zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.
[28] BGH, NJW-RR 2010, 1289 (1291); Huber/Bach, SchuldR BT I, Rn. 157.
[29] BGH, NJW-RR 2010, 1289 (1291); ebenso BGH, NJW 2013, 1365 (1366); in beiden Entscheidungen für Fälle ohne Rücktrittsrecht wegen Unerheblichkeit offen gelassen; ausführlich dazu Jud, JuS 2004, 841.

03.10.2014/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2014-10-03 10:00:122014-10-03 10:00:12Examensrelevante Entscheidungen zum Kaufrecht
Dr. Christoph Werkmeister

Examensrelevante Rechtsprechung für das Jahr 2012

Rechtsprechung

Das Jahr 2012 neigt sich dem Ende zu. Wie zu erwarten war, erging – wie jedes Jahr – eine ganze Reihe von gerichtlichen Entscheidungen, die den juristischen Examensstoff, wie er aus den Lehrbüchern und Repetitorienunterlagen bekannt ist, noch um einige Facetten erweitern. Einige dieser Entscheidungen iterieren für die Examenskandidaten ohnehin nahe liegende Sachverhalte. Andere wiederum erschaffen gänzlich neue Topoi, ungeschriebene Tatbestandsmerkmale oder argumentieren entgegen der klassischen Muster.
Bedeutsamkeit der aktuellen Rechtsprechung
So oder so… angesichts der Tatsache, dass derartige Entscheidungen äußerst häufig – meist sogar mit unveränderten Sachverhalten – den Eingang in Examensklausuren finden (siehe dazu nur die Originalklausuren für das erste Staatsexamen sowie das zweite Staatsexamen), kommt der ambitionierte Examenskandidat von heute nicht daran vorbei, obschon der Masse an Entscheidungen, zumindest zu versuchen, sich mit der bedeutsamsten Rechtsprechung des letzten Jahres vertraut zu machen.
Ein Ansatzpunkt, um sich in dieser Hinsicht zu informieren, besteht darin, den aktuellen Jahrgang einer der juristischen Ausbildungszeitschriften durchzuarbeiten (siehe zu den verschiedenen Zeitschriften und deren Vor- sowie Nachteile hier). Darüber hinaus bietet juraexamen.info kostenfreie Übersichten mit den diesjährigen examensrelevanten Entscheidungen. Unsere Übersicht erhebt (genauso wie die der Fachzeitschriften) keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sofern aber gewisse Entscheidungen bei uns sowie auch bei einer der Fachzeitschriften gelistet werden, kann mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dieser Entscheidung eine besonders erhöhte Examensrelevanz zukommt.
Strafrecht
Unsere Rechtsprechungsübersicht im Strafrecht findet Ihr hier. Die Auflistung der Entscheidungen zeigt, dass in diesem Rechtsgebiet die wenigsten (zumindest für die Examenskandidaten) wirklich relevanten Entscheidungen gefällt wurden. Einen guten Überblick über die Rechtsprechung in diesem Gebiet sollte sich der Kandidat somit in relativ kurzer Zeit verschaffen können. Anderes gilt für die Kandidaten im zweiten Staatsexamen zumindest für die Bundesländer, in denen auch eine strafrechtliche Revision zum Prüfungsstoff gehört. Um für diese Art der Prüfungsform im Hinblick auf die Rechtsprechung gerüstet zu sein, empfiehlt es sich, den aktuellen Jahrgang der NStZ durchzugehen, wobei ein besonderes Augenmerk auf verfahrensrechtliche Probleme gerichtet sein sollte.
Zivilrecht
Unsere Rechtsprechungsübersicht im Zivilrecht findet Ihr hier. In diesem Gebiet gab es in materiellrechtlicher Hinsicht einiges mehr an examensrelevanten Entscheidungen als im Strafrecht. Insbesondere im Schuldrecht, aber auch in anderen examensrelevanten Gebieten, gab es einige wichtige Entscheidungen. Das vertiefte Studium der zivilrechtlichen Entscheidungen des letzten Jahres sei also jedem Kandidaten ans Herz gelegt. Bei komplizierteren Konstellationen kann es ratsam sein, nicht bloß unsere Anmerkung zu lesen, sondern darüber hinaus auch den Volltext der Entscheidung. Zu den Volltextveröffentlichungen gelangt Ihr schnell, unkompliziert und kostenfrei, wenn Ihr bei unseren Artikeln auf das Aktenzeichen der jeweils besprochenen Entscheidung klickt.
Öffentliches Recht
Unsere Rechtsprechungsübersicht im öffentlichen Recht findet Ihr hier. Im öffentlichen Recht gab es die meisten Entscheidungen, die potentiellen Stoff für Examensklausuren bieten. Von der Masse der examensrelevanten Entscheidungen darf man sich in diesem Gebiet jedoch nicht abschrecken lassen. Bei den wenigsten der judizierten Sachverhalte bringt die Kenntnis der zugrunde liegenden Entscheidung einen enormen Wissensvorsprung im Rahmen einer Klausur. Im öffentlichen Recht kommt es meist auf Argumentation, penible Normenlektüre sowie einen nachvollziehbaren Aufbau an. Die Kenntnis des „richtigen“ Ergebnisses und bestimmter Argumentationsstränge stellt dabei zwar einen Vorteil dar; dies heißt aber nicht, dass ein Kandidat, der die examensrelevante Entscheidung nicht kennt, nicht ebenso eine gut vertretbare Lösung produzieren kann. Aus diesem Grunde ist es bei der Recherche im Hinblick auf examensträchtige öffentlich-rechtliche Entscheidungen wichtig, den Wald vor lauter Bäumen im Blick zu behalten. Das bedeutet konkret, dass nur wenige (der ohnehin schon von uns sowie den Ausbildungszeitschriften selektierten) Entscheidungen einer vertieften Nachbereitung unterliegen. Für das Gros der Entscheidungen genügt in diesem Rechtsgebiet meist also das einmalige Überfliegen der Entscheidungsanmerkung.

28.12.2012/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-12-28 12:34:592012-12-28 12:34:59Examensrelevante Rechtsprechung für das Jahr 2012
Dr. Christoph Werkmeister

Examensträchtige verwaltungsgerichtliche Problemkreise

Aktuelles, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht

In den letzten Tagen sind eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Problemkreisen durch Presse und Judikatur gegangen. Kandidaten, für die bald die mündliche Prüfung ansteht, sollten sich deshalb mit den im Folgenden genannten Problemkreisen einmal kurz auseinandergesetzt haben. Daneben ist bei den folgenden Sachverhalten zumindest denkbar, dass diese – wenigstens als Aufhänger – auch in Klausuren Eingang finden.
Anti-Islam-Film „Die Unschuld der Muslime“

In Deutschland ist ein Streit darüber entbrannt, ob der islamfeindliche Film «Die Unschuld der Muslime» öffentlich aufgeführt werden darf. Während Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dies mit allen rechtlichen Mitteln verhindern will, lehnt die Opposition ein Verbot ab und verweist auf die Meinungsfreiheit. Hintergrund ist die Ankündigung der Rechts-Partei «Pro Deutschland», den Film im Kino zeigen zu wollen (mehr dazu hier und hier).

Stadt darf sichergestellte Häuser nicht verwerten

Das OVG Koblenz hat entschieden, dass die Stadt Mainz zwei von ihr sichergestellte Wohnhäuser, die wegen Verstößen gegen die Anforderungen an die Trinkwasserversorgung und an den Brandschutz nicht mehr genutzt werden dürfen, nicht verwerten kann. Verwertungsanordnungen könnten entgegen der Auffassung der Stadt nicht auf das allgemeine Polizeirecht gestützt werden, da die entsprechenden Bestimmungen nur auf die Verwertung beweglicher Sachen, nicht jedoch von Immobilien zugeschnitten seien. Die Versteigerung von Grundstücken stelle einen massiven Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentum dar, die in der Wirkung einer Enteignung gleichkomme. Deshalb sei sie verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn der Gesetzgeber Verfahrensvorschriften erlassen habe, die eine unverhältnismäßige Verschleuderung von Grundeigentum verhindere. Solche Vorschriften, wie sie etwa das Zwangsversteigerungsgesetz enthalte, fehlten in den Bestimmungen des Polizeirechts über die Verwertung sichergestellter (beweglicher) Gegenstände (mehr dazu hier).

Gemeinde darf sich an Internetaufruf gegen NPD-Versammlung beteiligen

Die NPD ist mit ihrem Antrag auf Unterlassung eines Internetaufrufs gegen eine Versammlung am 15.09.2012 in Potsdam auch in zweiter Instanz gescheitert. Die Stadt Potsdam habe sich im Rahmen des Bündnisses «Potsdam bekennt Farbe» an dem Aufruf beteiligen dürfen. Solange sie sich im Rahmen des Sachlichkeitsgebots halte, sei sie berechtigt, sich an der Diskussion um eine öffentliche Versammlung auch mit kritischen Äußerungen zu beteiligen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2012, Az.: OVG 1 S 127.12). Der Argumentation der NPD, wonach staatliche Hoheitsträger wie die Landeshauptstadt Potsdam zu strikter Neutralität verpflichtet seien und keine Stimmung gegen ihre Versammlung machen dürften, ist das OVG nicht gefolgt (mehr dazu hier).

Anwesenheit von Rechtsanwälten darf Räumung einer Blockade nicht behindern

Kläger des Verfahrens sind zwei Rechtsanwälte und eine Rechtsanwältin. Als Mitglieder eines sog. „Anwaltlichen Notdienstes“ waren sie im November 2006 im Rahmen der Proteste gegen den Castor-Transport nach Gorleben tätig. Die Kläger begehrten die Feststellung, dass die von ihnen als Behinderung ihrer anwaltlichen Berufsausübung bezeichneten polizeilichen Maßnahmen, insbesondere die Beschränkungen des Zuganges zu ihren angeketteten Mandanten und die Erteilung von Platzverweisen, rechtswidrig gewesen seien (mehr dazu hier).

19.09.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-09-19 08:12:312012-09-19 08:12:31Examensträchtige verwaltungsgerichtliche Problemkreise
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuelle prüfungsgeeignete verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung

Baurecht, Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

In der letzten Zeit wurden einige durchaus prüfungsgeeignete Sachverhalte von verschiedensten Verwaltungsgerichten entschieden, die sich sehr gut im Rahmen mündlicher sowie schriftlicher Staatsprüfungen abprüfen lassen. Aus diesem Grund erfolgt eine Auflistung der examensrelevanten Entscheidungen. Die Sachverhalte weisen allesamt keinerlei besondere Schwierigkeiten auf; die Besonderheiten des Falles lassen sich den unten knapp zitierten Passagen im Regelfall entnehmen, so dass die vertiefende Lektüre der Urteile nicht notwendig erscheint.
VG München, Urteil vom 22.05.2012 – M 16 K 11.5642: Erotik-Laden darf auch an Sonn- und Feiertagen öffnen

Das VG München hat entschieden, dass die Betreiberin eines Erotik-Ladens im Untergeschoß des Münchener Hauptbahnhofes auch an Sonn- und Feiertagen bestimmte Gegenstände verkaufen darf.
Es handelt sich dabei um die folgenden Gegenstände:

  • DVDs
  • Druckerzeugnisse (Bücher, Zeitschriften, Magazine)
  • Kondome
  • Cremes und
  • Einweg-Cameras.

Die Klage blieb hingegen erfolglos, soweit auch weitere Gegenstände (wie etwa Spiele und Geschenkartikel) verkauft werden sollten.
Dies ergibt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts daraus, dass sich das Ladenlokal der Klägerin einerseits noch auf einem Personenbahnhof (Hauptbahnhof) befindet und es sich andererseits bei den erstgenannten Artikeln unabhängig von deren Inhalt tatsächlich um „Reisebedarf“ handeln kann.

VG Würzburg, Beschluss vom 19.06.2012 – W 5 S 12.494: Asylbewerber dürfen mit zugenähten Mündern protestieren

Iranische Asylbewerber in Würzburg dürfen bei ihrem Hungerstreik auch mit zugenähten Mündern in der Öffentlichkeit protestieren. Dies sei weder strafbar noch eine Ordnungswidrigkeit, entschied das Verwaltungsgericht Würzburg am 19.06.2012 in einem Eilbeschluss. Vielmehr seien solche Aktionen vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt, selbst wenn diese Protestform in weiten Kreisen der Bevölkerung als abstoßend empfunden werde, befanden die Richter. Damit hob das Gericht ein Verbot der Stadt auf, das mit dem nötigen Schutz der Öffentlichkeit begründet worden war.

VG Stuttgart, Urteil vom 19.06.2012 – 2 K 1627/12: Verletzung der kommunalen Planungshoheit einer Gemeinde bei Weiterbau von ungenehmigten Bauvorhaben 

Die Zulassung der Fertigstellung des ohne Baugenehmigung errichteten Rohbaus und seine Nutzung zu Wohnzwecken durch das Ministerium sei ohne die erforderliche Beteiligung und entgegen dem ausdrücklichen Willen der Gemeinde erfolgt. Die Gemeinde habe in einem solchen Fall das Recht auf mitentscheidende Beteiligung nach § 36 Abs. 1 BauGB. Werde dieses Recht nicht beachtet, sei die Gemeinde in ihrer Planungshoheit und damit in ihrem nach Artikel 28 Abs. 2 GG (und Art. 71 Abs. 1 und 2 der Landesverfassung Baden-Württemberg) gewährleisteten Selbstverwaltungsrecht verletzt. Für den damit vorliegenden Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinde fehle es auch an einer rechtlichen Grundlage. Die Bindung der Landesregierung an einen Beschluss des Petitionsausschusses des Landtags (§ 67 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg) enthalte zwar eine politische Verpflichtung, stelle jedoch keine Ermächtigungsgrundlage für derartige Eingriffe in Rechte Dritter, also der Gemeinde, dar.

VG Mainz, Beschluss vom 08.06.2012 – 3 L 487/12.MZ zur Untersagung der Nutzung eines nicht genehmigten Campingplatzes

Der Campingbetrieb im Außenbereich sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig, so die Richter weiter. Entsprechendes gelte für die Wohnnutzung. Obwohl die Baubehörde bislang von einem Einschreiten gegen den jahrzehntelangen Betrieb auf dem Campinggelände abgesehen habe, sei auch die Anordnung des Sofortvollzugs der Nutzungsuntersagung nicht zu beanstanden. Es bestehe eine konkrete Gefahr für Rechtsgüter Dritter. Denn es fehlten auch die notwendigen Genehmigungen für die auf dem Campinggelände vorhandene Trinkwasserversorgung. In dieser seien bei Messungen bezüglich einzelner Stoffe die zulässigen Grenzwerte überschreitende Mengen festgestellt worden.

VG Freiburg, Urteil vom 22.06.2012 – 2 K 972/10: „Tierrettungsfahrt“ verstößt gegen Tierschutzgesetz

Das VG Freiburg hat die Klage einer Tierschutzorganisation abgewiesen, die sich gegen verschiedene Maßnahmen des Veterinäramtes des Landratsamts Offenburg nach Kontrolle eines Tiertransportes richtete.
Die Klägerin ist eine Tierschutzorganisation, die u.a. sog. „Tierrettungsfahrten“ von Südeuropa nach Deutschland durchführt und Hunde in verschiedene deutsche Tierheime und zu Tierschutzvereinen (zur Weitervermittlung) bringt. Bei einem Transport im September 2009 von Portugal aus wurde ein Kleinlaster, in dem sich 43 Hunde in Boxen befanden, wegen Überladung von der Autobahnpolizei im Bereich Rust angehalten. Die hinzu gerufene Amtstierärztin ordnete an, die Tiere zur Tierherberge Offenburg zu bringen, damit sie dort entladen und bis zum Abtransport in einem verkehrssicheren Fahrzeug mit Wasser und Futter versorgt würden. Außerdem wurden verschiedene veterinärrechtliche Untersuchungen durchgeführt sowie der seuchenrechtliche Status der Tiere geprüft. Später zog das Landratsamt Ortenaukreis die Klägerin zum Ersatz der Kosten in Höhe von 457 Euro für die vorübergehende Unterbringung und Versorgung der Tiere im Tierheim heran.
Das VG Freiburg hat die Klage abgewiesen.
Die veterinärrechtlichen Anordnungen seien durch das Tierschutzgesetz gedeckt. Daher sei auch der Kostenbescheid rechtmäßig. Die im überladenen Kleintransporter aufgefundenen Tiere seien nach Aussage der Amtstierärztin i.S.v. § 16a Nr. 2 Tierschutzgesetz erheblich vernachlässigt und erschöpft gewesen. Nach Aussage des Fahrers gegenüber der Autobahnpolizei seien die Tiere während des ohne nennenswerte Unterbrechungen durchgeführten 30-stündigen Transports nicht gefüttert und getränkt worden. Da die Fahrt zum Zielort noch sechs bis acht Stunden länger gedauert hätte und die Tiere in dem einzelnen Fahrzeug ohnehin nicht mehr hätten weiter transportiert werden können, habe man die Tiere ins Tierheim gebracht und untersucht. Insgesamt seien alle Hunde geschwächt gewesen, einen größeren Hund habe man sogar aus dem Transporter heben müssen, er sei dann über das Gelände geschwankt. Die Hunde hätten nach dem Ausladen ihren Wasserbedarf von ca. 24 Stunden gedeckt.
Die Klägerin vermochte das Gericht auch nicht mit der Erklärung zu überzeugen, die Hunde seien nicht geschwächt, sondern wegen erlittener Trauma auf der Tötungsstation verschüchtert gewesen. Das Gericht führte aus, das akute Problem der Tiere sei laut Amtstierärztin die – fehlende – Wasserversorgung gewesen sei. Gegen einen Aufenthalt der Tiere in einer Tötungsstation spreche zudem, dass sie bereits ca. zwei Monate vor dem Transport mit einem Mikrochip versehen worden seien, um sie über die Ländergrenzen bringen zu können. Entgegen der Ansicht der Klägerin hätte man die Tiere auch nicht bis zum Weitertransport in dem Kleinlaster in ihren Boxen belassen und darin auf der Autobahnraststätte versorgen können; wegen der mehrstündigen Wartezeit bis zur Weiterfahrt und der Dauer des anschließenden Transports zum Bestimmungsort hätte dies nämlich einen Aufenthalt der Hunde von insgesamt 42 bis 45 Stunden in ihren Boxen bedeutet. Der bereits beim Anhalten durch die Polizei vorhandene tierschutzwidrige Zustand wäre dadurch weiter eklatant verlängert worden.

VG Augsburg, Urteil vom 19.06.2012 – Kirche darf lesbische Erzieherin in Elternzeit nicht rauswerfen

Eine Frau aus dem Landkreis Neu-Ulm hatte ihre sexuelle Orientierung jahrelang geheim gehalten. Nach der Geburt ihres Kindes informierte sie ihren kirchlichen Arbeitgeber, dass sie eine Lebenspartnerschaft mit einer Frau eingegangen sei. «Ich wollte es sagen, um dieser Geheimnistuerei, dieser Lügerei, ein Ende zu setzen», so die Erzieherin. Die Kirche sah in der Homosexualität einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß und wollte die 39-Jährige sofort hinauswerfen – trotz Elternzeit. Weil für Mütter in dieser Zeit aber besondere Schutzbestimmungen gelten, musste das Gewerbeaufsichtsamt zustimmen. Doch die Behörde weigerte sich. Die Pfarrkirchenstiftung zog deshalb gegen den Freistaat Bayern vor Gericht.
Dem Verwaltungsgericht zufolge hat die Kirche sehr wohl das Recht, jemandem zu kündigen, der gegen religiöse Glaubenssätze verstößt. Religionsgemeinschaften könnten ihre Angelegenheiten grundsätzlich eigenverantwortlich regeln. «So etwas wie eine Lebensgemeinschaft zwischen Frauen ist natürlich für die Kirche undenkbar», sagte Richter Ivo Moll. Dies rechtfertige aber nicht, die besonderen Elternzeit-Schutzbestimmungen außer Kraft zu setzen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Spätestens nach Ablauf der Elternzeit ist der Rauswurf der 39-Jährigen aber wohl unvermeidlich.

Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 21.06.2012 – Vf. 77-II-11: Sonntagsöffnung der Läden und Videotheken zulässig, aber nicht der Autowaschanlagen

Der VerfGH Leipzig hat die gesetzlichen Regelungen in Sachsen zur Ladenöffnung aus besonderem Anlass an maximal vier Sonntagen im Jahr sowie zur Sonntagsöffnung von Videotheken für verfassungsgemäß erklärt.
Der Sächsische Landtag hatte im Sächsischen Ladenöffnungsgesetz vom 01.12.2010 die Gemeinden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Öffnung der Läden an bis zu vier Sonntagen im Jahr aus besonderem Anlass zwischen 12 und 18 Uhr zu gestatten (§ 8 Abs. 1 SächsLadÖffG). Der Sächsische Gesetzgeber hatte gleichzeitig außer an besonderen Feiertagen die Sonntagsöffnung von Videotheken zwischen 12 und 20 Uhr und den Betrieb von Autowaschanlagen an Sonntagen ganztägig freigegeben (§ 4 Abs. 3 Nr. 4 und 5 SächsSFG). Gegen diese Regelung wandten sich 43 Mitglieder des Sächsischen Landtags (Abgeordnete der SPD-Fraktion sowie der Fraktion DIE LINKE), die die entsprechenden Regelungen wegen Verstoßes gegen den verfassungsrechtlich garantierten Sonn- und Feiertagsschutz für verfassungswidrig hielten.
Der VerfGH Leipzig hat die gesetzlichen Regelungen in Sachsen zur Ladenöffnung aus besonderem Anlass an maximal vier Sonntagen im Jahr sowie zur Sonntagsöffnung von Videotheken für verfassungsgemäß erklärt. Allein die ebenfalls angegriffene Regelung zur Sonntagsöffnung der Autowaschanlagen verstoße gegen den verfassungsrechtlich garantierten Sonn- und Feiertagsschutz und sei deshalb nichtig.
Der Verfassungsgerichtshof stellte fest, dass sowohl die ausnahmsweise mögliche Sonntagsöffnung der Läden als auch die Regelung zur Sonntagsöffnung der Videotheken den Schutz der Sonn- und Feiertage wahrt. Die Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen bleibe nach der gesetzlichen Regelung die klare Ausnahme. Die Sonntagsöffnung der Videotheken, die zeitlich beschränkt ist, die Hauptgottesdienstzeiten berücksichtigt und nicht besonders störend wirkt, sei durch sachliche Gründe ausreichend gerechtfertigt. Etwas anderes gelte insoweit für die Autowaschanlagen. Der Gesetzgeber habe deren Betrieb ohne zeitliche oder örtliche Beschränkung und ohne Differenzierung der von einer Waschanlage im Einzelfall ausgehenden Störung an Sonntagen allgemein zugelassen. Diese weitreichende Ausnahmeregelung sei nicht durch hinreichende Sachgründe gerechtfertigt. Wie dem Sonntagsschutz beim Betrieb von Autowaschanlagen in verfassungskonformer Weise Rechnung getragen werden soll, sei Sache des Gesetzgebers.
Der Verfassungsgerichtshof bekräftigte in seiner Entscheidung die sich aus der Sächsischen Verfassung ergebende Garantie der Sonn- und Feiertage. Geschützt sei damit der allgemein wahrnehmbare Charakter des Tages als eines grundsätzlich für alle verbindlichen Tages der Arbeitsruhe. Bei der Umsetzung eines Konzeptes zum Schutz der Sonn- und Feiertage stehe dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, innerhalb dessen er auch geänderten Freizeitbedürfnissen Rechnung tragen dürfe. Eine Verletzung der Schutzpflicht sei nur dann festzustellen, wenn Vorkehrungen zum Schutz der Sonn- und Feiertage entweder überhaupt nicht getroffen seien, die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückblieben. Lediglich die ohne jede Einschränkung erlaubte Sonntagsöffnung der Autowaschanlagen unterschreite das Mindestniveau des Sonntagsschutzes.

24.06.2012/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-06-24 11:59:242012-06-24 11:59:24Aktuelle prüfungsgeeignete verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung

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