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Schlagwortarchiv für: Strafrecht

Redaktion

Strafrecht – Juni 2020 – NRW – 1. Staatsexamen

Examensreport, Lerntipps, Nordrhein-Westfalen

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zur Examensklausur Strafrecht, 1. Staatsexamen, NRW, Juni 2020. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken sehr herzlich für die Zusendung.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt.
 
Ausgangsfall:
K ist Medizinerin und hat ihr drittes Mediziner-Staatsexamen endgültig nicht bestanden. Sie ist somit nicht zur Ausübung des Berufs einer Ärztin zugelassen. K ist mit der D liiert, die an einer Klinik als Abteilungsdirektorin arbeitet. K erzählt der D nichts von ihrem fehlenden Abschluss. D geht daher davon aus, dass K zugelassen ist und drängt die K, sich bei ihr in der Klinik als Ärztin zu bewerben.
Die K gibt schließlich dem Drängen der D nach. Um sich die passenden Zeugnisse zu besorgen, betritt sie eines Tages heimlich die Wohnung der D, während diese nicht zuhause ist. Die K lebt zwar nicht in der Wohnung, hat aber von D einen eigenen Schlüssel überlassen bekommen und geht frei ein und aus.
Im Sekretär der D findet die K das Studienabschlusszeugnis sowie die Approbationsbescheinigung der D. Diese steckt sie in ihre Handtasche. Bei sich zuhause legt die K die Dokumente auf einen Farbkopierer, wobei sie die Stellen der Dokumente, die die persönlichen Daten der D enthalten, mit Papierstreifen überdeckt, die mit den Daten der K beschriftet sind. Die Beschriftung der Papierstreifen entspricht nach verwendeter Schriftart und -größe den jeweiligen Dokumenten. Zudem deckt die K auch auf diese Weise das Ausstellungsdatum der Dokumente ab. Anschließend fertigt sie Farbkopien an. Auf diesen sind Ränder der Papierstreifen zu erkennen. Von diesen Kopien fertigt sie weitere Kopien an. Auf diesen sind die Ränder nicht mehr zu erkennen, die Kopien „hingegen“ als Kopien zu erkennen. Anschließend bringt die K die Dokumente wieder heimlich zurück zur D, wie von Anfang an vorgesehen.
Mit den als Kopien zu erkennenden Kopien der Kopien bewirbt sich K bei der Klinik auf dem Postweg. Die zuständige Personalerin, die in allen Personalangelegenheiten vollständige Vertretungsbefugnis hat, erkennt zwar, dass es sich um Kopien handelt, stellt die K aber aufgrund von Personalmangel zu einem Bruttolohn von 4.600 € / Monat als Assistenzärztin ein.
Daraufhin nimmt die K an einer medizinisch notwendigen Operation des Patienten P teil. Vor der Operation wird der P ordnungsgemäß über alle Chancen und Risiken der Operation aufgeklärt. Auch wird ihm das Operationsteam vorgestellt, inkl. der K als „Assistenzärztin“. P willigt in die Operation ein. Bei der Operation setzt die K mittels eines Skalpells fachgerecht nach allen Regeln der Kunst einen ca. 6 cm langen Schnitt auf dem Bauch des P und näht den Schnitt später wieder zu. Die Operation ist erfolgreich. K stellt sich vor, die Wirksamkeit der Einwilligung des P werde nicht dadurch berührt, dass sie tatsächlich nicht zugelassen ist.
Die D weiß nichts von alledem. Sie ist als Abteilungsdirektorin nämlich hauptsächlich mit Managementaufgaben betraut. In Beschaffungsangelegenheiten ist zwar die Klinikverwaltung alleinvertretungsberechtigt, aufgrund ihrer fachlichen Kenntnisse verhandelt die D aber in Absprache mit der Klinikverwaltung regelmäßig die Kaufverträge für die Klinik vor.
So kommt es, dass sie eines Tages einen Vertreter der V-GmbH, die Herzkatheter verkauft, auf einen Preis von 1.600 € pro Herzkatheter herunterhandelt. Marktpreis sind eigentlich 2.000 €. Anstatt aber das Angebot an die Klinikverwaltung weiterzuleiten, vereinbart sie mit dem Vertreter der V-GmbH einen Kaufpreis von 2.000 € pro Herzkatheter (35 Stück). Die Differenz von 400 € x 35 soll die V-GmbH auf ein geheimes Konto der D überweisen. Der Vertreter erstellt darauf ein Angebot über 35 Herzkatheter à 2.000 €, das D anschließend an die Klinikverwaltung weiterleitet. Der zuständige Sachbearbeiter macht sich überhaupt keine Gedanken über das Angebot und bestellt wie vorgeschlagen. Im Laufe der nächsten Tage gehen auf dem Konto der D die 14.000 € ein, von denen sie ein neues Computersystem für ihre Klinikabteilung kauft.
Frage 1: Wie haben sich K und D nach dem StGB strafbar gemacht? Bestechlichkeit (§ 332 StGB) und Vorteilsannahme (§ 331 StGB) sind nicht zu prüfen.
Abwandlung:
Die Sache fliegt auf. Die D sagt in einer Vernehmung gegen die K nach ordnungsgemäßer Belehrung gegenüber einem Polizeibeamten aus. Darauf erkennen aber K und D, dass sie zusammenhalten müssen, verloben sich und heiraten. In der Hauptverhandlung soll die D gegen die K aussagen. Die D weigert sich jedoch unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Daraufhin wird der Polizeibeamte vernommen. Dieser kann sich jedoch nicht mehr richtig erinnern. Das Gericht lässt deshalb das Protokoll der Vernehmung verlesen, worauf sich der Polizeibeamte wieder erinnern kann und zulasten der K aussagt.
Frage 2: Darf die Aussage des Polizeibeamten verwertet werden?

06.07.2020/2 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2020-07-06 08:30:452020-07-06 08:30:45Strafrecht – Juni 2020 – NRW – 1. Staatsexamen
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel in Abgrenzung zur „Mehrfachtötung“

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT

Mit aktuellem Beschluss vom 14.04.2020 hat der BGH (Az.: 5 StR 93/20) die Anforderungen an das Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel gem. § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 4 StGB speziell für den Fall naturgemäß gemeingefährlicher Mittel – wie der Brandstiftung – abermals konturiert. Eine sichere Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals gehört zu den absoluten Basics, die von jedem Examenskandidaten beherrscht werden sollten. Das Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel hat zudem insbesondere infolge der Raserfälle in jüngerer Vergangenheit erhöhte Aufmerksamkeit erfahren (s. hierzu LG Berlin v. 27.02.2017 − (535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16); offen gelassen in der Revisionsinstanz: BGH v. 16.01.2019 – 4 StR 345/18), sodass von einer gesteigerten Prüfungsrelevanz auszugehen ist. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, sich – unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Abgrenzung von der „schlichten Mehrfachtötung“ – eingehender mit dem Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel auseinanderzusetzen.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der Täter T zündete in dem von ihm bewohnten Zimmer im ersten Obergeschoss eines Wohnkomplexes aus Unzufriedenheit mit seiner Wohnsituation eine auf seinem Bett liegende Wolldecke an, schloss die Zimmertür und verließ anschließend das Haus. Dabei war dem T bewusst, dass sich im ersten Obergeschoss zwei weitere Bewohner aufhielten. Zudem rechnete er damit, dass sich im Dachgeschoss mindestens eine weitere Person befand. Ihm war das hohe Gefahrenpotential eines Feuers in einem Wohnhaus bewusst und er erkannte die naheliegende Möglichkeit einer körperlichen Verletzung oder des Todes der im Wohnhaus anwesenden Personen durch das Feuer oder entstehende Rauchgase und fand sich mit dem möglichen Eintritt dieser Folgen ab. Das Feuer entwickelte sich zunächst unbemerkt. Als ein im selben Geschoss wohnender Bewohner den Brand entdeckte, stand bereits das ganze Bett des T in Flammen. Er machte einen weiteren im ersten Obergeschoss wohnenden Zeugen auf den Brand aufmerksam, beide alarmierten einen im Dachgeschoss wohnenden Bewohner; sie flüchteten gemeinsam ins Freie und alarmierten die Feuerwehr. Zwei der drei Bewohner erlitten leichte bis mittelschwere Rauchgasvergiftungen. Als die Feuerwehr eintraf, konnte sie ohne Atemschutz nur bis zur Hälfte der Holztreppe ins Obergeschoss vordringen. Aufgrund der Hitze, des Rauchgases und des fehlenden Sauerstoffs bestand ab dort akute Lebensgefahr. Erst zwölf Minuten später konnten mit Atemschutzgeräten und Wärmeschutzanzügen ausgestattete Feuerwehrtrupps das Gebäude betreten und in die Obergeschosswohnung vordringen. Der im Zimmer des T lodernde Vollbrand konnte gelöscht werden.
 
B) Rechtsausführungen
Der Fokus der Prüfung soll auf der Frage liegen, ob sich T wegen versuchten Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln in drei tateinheitlichen Fällen gemäß §§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Gr. 2 Var. 3, 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat.
 
Anmerkung: Das Landgericht Saarbrücken hatte den Angeklagten in erster Instanz wegen versuchten Mordes in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung, schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt. Aus didaktischen Gründen wird im Rahmen dieses Beitrags von der Prüfung der weiteren Delikte abgesehen; sie sollten in einer Klausur aber zwingend bedacht werden.
 
I. Vorprüfung
Mangels Erfolgseintritts wurde die Tat nicht vollendet. Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus dem Verbrechenscharakter des Mordes, §§ 211 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB.
 
II. Tatentschluss
T müsste mit Tatentschluss gehandelt haben. Dies setzt Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes sowie das Vorliegen etwaiger subjektiver Tatbestandsmerkmale voraus. Zweifelsohne kann nach den Feststellungen der Tötungsvorsatz bejaht werden. Fraglich ist allein, ob es sich bei der Brandstiftung um eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln i.S.v. § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 3 StGB handelt.
 
1. Präzisierung der Gemeingefährlichkeit
Ein Tötungsmittel ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH gemeingefährlich, „wenn es in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Anzahl von Menschen an Leib oder Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters.“ (S. etwa BGH, Beschl. v. 18.07.2018 – 4 StR 170/18, NStZ 2019, 607 mwN). Für die Gemeingefährlichkeit ist mithin entscheidend, inwieweit das spezifische Mittel infolge seines Einsatzes nicht mehr beherrschbar und aufgrund dessen im Allgemeinen in seiner Wirkung geeignet ist, mehrere Menschen an Leib und Leben zu verletzen. Dabei kommt es – so ausdrücklich der BGH in seiner aktuellen Entscheidung – auf den Umfang des konkreten Gefährdungsbereichs nicht an:

„Seine Beschränkung auf eine Räumlichkeit schließt die Eigenschaft als gemeingefährliches Mittel nicht aus, denn jede auch noch so allgemeine Gefahr hat der Natur der Sache nach irgendeine örtliche Grenze.“ (Rn. 8)

Mit anderen Worten: Dass der T den Brand in seinem Zimmer gelegt hat, schließt die Gemeingefährlichkeit des Mittels nicht grundsätzlich aus. Im Gegenteil wohnt bestimmten Handlungen, zu denen der Einsatz von Brandsetzungsmitteln oder Explosionsstoffen zählen, aufgrund ihrer naturgemäß fehlenden Beherrschbarkeit die Gemeingefährlichkeit bereits inne. Ausdrücklich formuliert der BGH:

„Es gibt nach ihrer Eigenart grundsätzlich gemeingefährliche Mittel, bei denen allenfalls im Einzelfall die Beherrschbarkeit bejaht oder bei der speziellen Art ihrer Handhabung die Gefahr für eine Vielzahl von Menschen ausnahmsweise verneint werden kann. Dazu zählen Brandsetzungsmittel und Explosionsstoffe. Bei ihnen hat der Täter die Folgen seines Tuns typischerweise nicht in der Hand (…). An der gemeingefährlichen Verwendung fehlt es bei an sich nicht beherrschbaren Mitteln nur dann, wenn der Täter im konkreten Fall davon ausgeht, es könne dadurch nur die zur Tötung ins Auge gefasste Person getroffen werden.“ (Rn. 9)

Kurzum: Es kommt also darauf an, dass der Täter gerade aufgrund der Unbeherrschbarkeit des von ihm gewählten Mittels nicht ausschließen kann, eine Mehrzahl von Personen zu töten. Wählt er ein Mittel, das – wie hier die Brandstiftung – schon seiner Art nach im Regelfall nicht beherrscht werden kann, fehlt es an der Gemeingefährlichkeit nur in Ausnahmefällen.
 
2. Eine Abgrenzung zu „Mehrfachtötungen“
Die Gemeingefährlichkeit des Mittels war aber nach bisheriger Rechtsprechung des BGH auch bei ihrer Eigenart nach unbeherrschbaren Mitteln dann abzulehnen, wenn es sich bei der konkreten Tat um eine „bloße Mehrfachtötung“ handelte (vgl. BGH, Beschl. v. 18.07.2018 – 4 StR 170/18, NStZ 2019, 607, und v. 12.11.2019 – 2 StR 415/19; MüKo-StGB/Schneider, 3. Aufl., § 211 Rn. 127 mwN). Die Abgrenzung erfolge danach, ob sich der Täter mit Tötungsvorsatz gegen eine bestimmte Anzahl individualisierter Opfer wende – dann liege eine Mehrfachtötung und keine Gemeingefährlichkeit vor – oder ob er auch die Tötung von Zufallsopfern billigend in Kauf nehme (s. hierzu auch Altvater, NStZ 2006, 86, 90). Konnte also festgestellt werden, dass sich die Tat trotz Einsatzes eines naturgemäß gemeingefährlichen Mittels gegen einen individualisierten Kreis von Personen richtet, war das Vorliegen dieses Mordmerkmals zu verneinen (s. hierzu insbesondere die lesenswerte Entscheidung des BGH v. 18.07.2018 – 4 StR 170/18, NStZ 2019, 607).
In seiner aktuellen Entscheidung äußert der BGH hingegen zu Recht begründete Zweifel an der Aufrechterhaltung dieser Rechtsprechung:

„Es erscheint wertungswidersprüchlich, den Täter, der von vornherein eine konkrete Vielzahl von Opfern durch ein in seinem Gefahrenpotential nicht beherrschbares Mittel tötet, gegenüber demjenigen zu privilegieren, der ohne diese Konkretisierung aufgrund der Gemeingefahr des Tötungsmittels auch nicht bereits individualisierte Opfer in Kauf nimmt (vgl. näher Schneider, aaO Rn. 127). Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung müsste in Fällen nicht weiterer Aufklärbarkeit der Tätervorstellung der Zweifelssatz für die Annahme sprechen, dem Täter sei es gerade auf die Tötung aller in die Gefahrenlage einbezogenen Personen angekommen. Weder die Formulierung noch der Sinn und Zweck des Mordmerkmals gebieten nach Ansicht des Senats eine solche Auslegung. Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal stellt lediglich auf die vom Vorsatz umfasste Art des Tatmittels, nicht auf die Konkretisierung des Opfers in der Vorstellung des Täters ab. Die Unbestimmbarkeit des Opferkreises folgt vielmehr aus der besonderen Art des Tötungsmittels, das nach Freisetzung der in ihm ruhenden Kräfte für den Täter nicht mehr beherrschbar ist. Entscheidend muss es deshalb darauf ankommen, ob für den Angeklagten nicht mehr berechenbar ist, wie viele Menschen durch das Tatmittel verletzt und getötet werden können, weil er den Umfang der Gefährdung nicht beherrscht (…). Hat es der Täter bewusst nicht in der Hand, wie viele Menschen in den von ihm geschaffenen Gefahrenbereich geraten und durch sein Verhalten gefährdet werden, tötet er nach Ansicht des Senats auch dann mit gemeingefährlichen Mitteln, wenn er mit dem für ihn unbeherrschbaren Mittel eigentlich nur eine bestimmte Zahl konkreter Menschen töten will (…).“ (Rn. 11 f.)

 
III. Im konkreten Fall ohnehin fehlende Individualisierung des Opferkreises
Ob die Rechtsprechung, die bei der Abgrenzung zur Mehrfachtötung auf die Individualisierung des Personenkreises beim Einsatz per se unbeherrschbarer Mittel abstellt, aufrechterhalten werden kann, konnte jedoch letztlich offenbleiben, da dem T nach den Urteilsfeststellungen jedenfalls bewusst war, dass weitere, nicht näher konkretisierte Bewohner des Hauses an Leib und Leben gefährdet werden konnten. Er hatte weder kontrolliert, welche Personen sich in dem Wohnkomplex aufhielten, noch sichergestellt, dass weitere Bewohner oder Besucher das Haus nach der Brandlegung nicht mehr betreten. Zwar bezog sich sein bedingter Tötungsvorsatz auf zwei konkrete Hausbewohner, er rechnete aber auch damit, dass mindestens eine weitere, nicht konkretisierte Person im Haus war. Zudem wurden mit den Rettungskräften der Feuerwehr auch weitere Personen gefährdet. Der Kreis der potentiell durch die Brandlegung an Leib und Leben Gefährdeten war durch die Eigenart des Brandobjekts und die Dauer des Brandes letztlich unbestimmbar. (Rn. 15) Damit ist selbst nach der einschränkenden bisherigen Rechtsprechung des BGH der Einsatz gemeingefährlicher Mittel in diesem Fall anzunehmen. Der T hatte Vorsatz in Bezug auf die Begehung eines Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln i.S.v. § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 3 StGB.
 
Achtung: Liegt die Sachverhaltskonstellation anders, ist dem T etwa versehentlich eine Zigarette auf die Decke gefallen und verlässt er daraufhin das Haus, kommt lediglich ein versuchter Mord durch Unterlassen gem. §§ 211, 212, 13 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB in Betracht (Garantenstellung durch Ingerenz). Nach zweifelhafter Ansicht des BGH (Grundlegend BGHSt 34, 13; zutr. a.A. Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 211 Rn. 61) kann die Variante der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln aber nicht durch Unterlassen verwirklicht werden. Nach diesen Maßstäben würde sich die hiesige Problematik (Gemeingefährlichkeit nur bei fehlender Individualisierung des Personenkreises) gar nicht stellen – so fragwürdig das sein mag. 
 
Anmerkung: In Betracht könnte man zudem das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe gemäß § 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB ziehen. Hierunter fällt die Tötung aus solchen Motiven, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb als besonders verwerflich anzusehen sind. Beurteilt wird dies nach der gesellschaftlich anerkannten und gelebten Sozialmoral, wobei die Umstände der Tat, ihre Vorgeschichte, die Lebensverhältnisse des Täters sowie seine Persönlichkeit in einer Gesamtschau zu bewerten sind (ausführlich MüKo-StGB/Schneider, 3. Aufl. 2017, § 211 Rn. 70 ff.). Aufgrund der restriktiven Handhabe des Merkmals wird man im vorliegenden Fall das Motiv des T – die Unzufriedenheit mit seiner Wohnsituation – aber mangels weiterer Informationen wohl nicht als in besonderem Maße verwerflich einordnen können.
 
III. Unmittelbares Ansetzen
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat aber erst dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat. Zwar ist dies nach ständiger Rechtsprechung des BGH bereits dann der Fall, wenn eine vorgelagerte Handlung „nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet (s. exemplarisch BGH, Urt. v. 16.09.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203; v. 16.01.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297 f. und v. 20.03.2014 – 3 StR 424/13, NStZ 2014, 447; Besch. v. 29.01.2014 – 1 StR 654/13, JR 2014, 299, 300 und v. 20.09.2016 – 2 StR 43/16, NStZ 2017, 86 f.).“ Jedenfalls aber ist der Eintritt ins Versuchsstadium dann erfolgt, wenn der Täter bereits mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung dergestalt begonnen hat, dass bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde. Dies ist hier der Fall: Durch das Anzünden der Decke und das anschließende Verlassen des Hauses hat der T die Tathandlung vorgenommen. Damit hat er unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
 
IV. Rechtswidrigkeit und Schuld
Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
 
V. Ergebnis
T hat sich wegen versuchten Mordes gemäß §§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Gr. 2 Var. 3, 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
C) Fazit
Zusammenfassend kommt es für die Qualifikation eines Tötungsmittels als gemeingefährlich darauf an, ob das Mittel – wegen seiner abstrakten Gefährlichkeit, aber auch wegen seiner Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters – eine unbestimmte Anzahl von Menschen an Leib oder Leben gefährden kann, gerade weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht beherrschen kann. Bestimmte Mittel wie beispielsweise der Einsatz von Sprengstoff sind dabei schon ihrer Art nach typischerweise nicht zu kontrollieren, sodass sie nur in besonderen Fällen nicht als gemeingefährlich einzuordnen sind. Nach bisheriger BGH-Rechtsprechung kommt gleichwohl eine Verneinung der Gemeingefährlichkeit dann in Betracht, wenn sich der Täter mit Tötungsvorsatz gegen eine bestimmte Anzahl individualisierter Opfer richtet. Ob diese Rechtsprechung gerade in Fällen der Brandlegung in einem Wohnhaus künftig aufrechterhalten bleibt, wird man indes abwarten müssen; in der hier besprochenen Entscheidung hat der BGH dies mit überzeugenden Argumenten in Zweifel gezogen.
 
 

29.06.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-06-29 09:00:462020-06-29 09:00:46BGH: Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel in Abgrenzung zur „Mehrfachtötung“
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft

Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens i.S.v. § 22 StGB findet die Abgrenzung zwischen – grundsätzlich straflosen – Vorbereitungshandlungen und dem Eintritt ins Versuchsstadium statt, die insbesondere im Fall der mittelbaren Täterschaft, in dem der Täter den Geschehensablauf zwar aktiv anstößt, aber die unmittelbare Ausführung einem nicht volldeliktisch handelnden Werkzeug überlässt, auf besondere Schwierigkeiten stößt. Mit Urteil vom 23.10.2019 (Az.: 2 StR 139/19) hat sich der BGH unter anderem nun wieder einmal mit dem Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft auseinandergesetzt und auf die Feinheiten seiner Rechtsprechung hingewiesen. Eine sichere Beherrschung der Versuchsvoraussetzungen ist nicht nur für Strafrecht AT-Klausuren unentbehrlich, wobei neben dem Vorliegen des Tatentschlusses oder einer Rücktrittsproblematik auch immer wieder das unmittelbare Ansetzen als beliebter Schwerpunkt einer Versuchsprüfung Einzug findet. Zur Erhöhung des Schwierigkeitsgrades eignet sich die Kombination mit der mittelbaren Täterschaft hervorragend. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, um sich mit der Problematik und den zum Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft vertretenen verschiedenen Auffassungen eingehender auseinanderzusetzen und die Thematik gutachterlich aufzuschlüsseln.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der T erwarb den gestohlenen Pkw des Halters H. Das Fahrzeug wurde auf den T zugelassen. Dabei hatte er schon von Beginn an den Eindruck, dass mit dem Kilometerstand des Fahrzeugs und – nach den landgerichtlichen Feststellungen und Wertungen – „auch darüber hinaus“ etwas „nicht stimmte“. Dennoch entschloss sich der T dazu, das Fahrzeug zeitnah zu veräußern. Nach einem erfolglosen Verkaufsangebot im Internet nahm er Kontakt zu dem gutgläubigen W auf, der einen Autohandel betrieb. T beauftragte W damit, das Fahrzeug „im Kundenauftrag“ für etwa 75.000 Euro zu verkaufen und versprach ihm dafür eine Provision von 2000 Euro. Der T legte dem Zeugen S eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vor. Dabei war ihm bewusst, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte, deren Fahrzeugidentifikationsnummer auch bei einem Fahrzeug vorhanden war, das in den USA existierte. Der W bot das Fahrzeug über eine Internet-Plattform an und nannte – unbewusst wahrheitswidrig – eine Erstzulassung im Jahre 2008 sowie einen Kilometerstand von 17.000 km. Daraufhin meldete sich der Interessent I, der aber letztlich keinen Kaufvertrag abschloss.
Strafbarkeit des T nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB?  
 
B) Rechtsausführungen
Die Vorinstanz, das LG Wiesbaden, hat eine Strafbarkeit des T unter anderem wegen versuchten Eingehungsbetrugs in mittelbarer Täterschaft nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W angenommen. Der BGH kritisierte  die Feststellungen zu der auch als versuchter Betrug gewerteten Tat als lückenhaft; diese könnten den Schuldspruch nicht tragen. Denn den Urteilsgründen sei nicht zu entnehmen, dass der Betrug bereits das Versuchsstadium i.S.v. § 22 StGB erreicht hatte. Im Folgenden ist daher die Versuchsprüfung en détail nachzuzeichnen.
 
I. Vorprüfung
Unstreitig lag mangels Erfolgseintritts keine vollendete Tat vor. Die Strafbarkeit des Betrugs ergibt sich aus § 263 Abs. 2 StGB.
 
II. Tatentschluss
Dass der T Tatentschluss, mithin Vorsatz hinsichtlich der Merkmale des objektiven Tatbestandes des § 263 Abs. 1 StGB sowie Bereicherungsabsicht als subjektives Merkmal, aufwies, war ebenfalls nicht zu bezweifeln. Die Tat sollte auch im Wege mittelbarer Täterschaft i.S.v. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W ausgeführt werden. Von mittelbarer Täterschaft wird gesprochen, wenn der Täter „die Straftat (…) durch einen anderen begeht“. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Tatmittler ein Strafbarkeitsdefizit aufweist, aufgrund dessen er nicht volldeliktisch handelt, und das der Täter planvoll lenkend für seine Zwecke ausnutzt, sodass der tatbestandliche Erfolg letztlich als sein Werk anzusehen ist (BeckOK StGB/Kudlich, 45. Ed. 2020, § 25 Rn. 20). Vorliegend sollte der W, der unbewusst wahrheitswidrige Informationen über den Pkw auf der Internetplattform veröffentlichen sollte, nach der Vorstellung des T als vorsatzlos handelnder Tatmittler agieren. Dies wollte der T für seine Zwecke ausnutzen, sodass auch Vorsatz bezüglich der Tatbegehung im Wege mittelbarer Täterschaft bestand.
 
III. Unmittelbares Ansetzen
Hinsichtlich der Strafbarkeit des T wegen versuchten Betrugs in mittelbarer Täterschaft gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist also allein problematisch, ob er bereits ins Versuchsstadium eingetreten ist. Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist zwar jedenfalls dann der Fall, wenn der Täter bereits mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung dergestalt begonnen hat, dass bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch eine „frühere, vorgelagerte Handlung […] die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Das ist der Fall, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet“ (BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203). Dies bedeutet, dass der Täter nach der Formel der herrschenden gemischt subjektiv-objektiven Theorie „subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzen [muss], sodass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht“ (vgl. bereits BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 202 f.).
 
Anmerkung: Die Bestimmung des Versuchsbeginns ist auch bezogen auf den Alleintäter mitunter noch umstritten. Eine ausführliche Darstellung verschiedener Ansätze findet sich in LK-StGB/Hillenkamp, § 22 Rn. 63 ff.
 
Fällt die Subsumtion unter diese abstrakte Formel schwer, so hat der BGH mitunter Konkretisierungen vorgenommen, indem er Kriterien, die zur Beurteilung des Versuchsbeginns herangezogen werden können, in verschiedenen Entscheidungen ausdrücklich benannt hat. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium sollen unter anderem „die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird“ (BGH, Beschl. v. 29.5.2018 – 1 StR 28/18, BeckRS 2018, 16394, Rn. 9), sein. Gelten diese Grundsätze für den Alleintäter, so kommen besondere Schwierigkeiten hinzu, wenn ein Fall mittelbarer Täterschaft vorliegt, in dem sich der Täter wie in der vorliegenden Konstellation zur Tatausführung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs bedient. Wann der mittelbare Täter ins Versuchsstadium eintritt, ist wiederum umstritten.
 
1. Einwirkungstheorie
Eine Mindermeinung in der Literatur (s. etwa Bockelmann, JZ 1954, 468, 473; Meyer, ZStW 87 (1975), 598, 609; Puppe, GA 2013, 514, 530) nimmt den Versuchsbeginn für den mittelbaren Täter bereits mit der Einwirkung auf das Werkzeug an. Der Ausgangspunkt dieser Ansicht ist eine isolierte Betrachtung von Täter und Tatmittler, die in der Konsequenz ausschließlich auf das maßgebliche eigene Tun des Täters abstellt. Argumentiert wird damit, dass der Tatbeitrag des mittelbaren Täters ja gerade in seinem Einwirken auf den Tatmittler besteht und angesichts dessen die versuchte Tatbegehung schon dann angenommen werden muss, wenn er diese Einwirkung vornimmt oder vorzunehmen versucht.
Nach diesen Maßstäben müsste ein Eintritt ins Versuchsstadium schon in dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der T den W mit der Veräußerung des Fahrzeugs beauftragt und ihm hierzu eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vorgelegt hat, obwohl ihm bewusst war, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte. Folgt man der Einwirkungstheorie, ist mithin ein unmittelbares Ansetzen zu bejahen.
Gegen die Einwirkungstheorie ist indes einzuwenden, dass sie das Versuchsstadium bedenklich weit nach vorn verlagert, sodass die Gefahr besteht, den Grundsatz der grundsätzlichen Straflosigkeit von Vorbereitungshandlungen auszuhöhlen. Dies ist unvereinbar mit dem gesetzgeberischen Willen, der sich in dem Erfordernis der Unmittelbarkeit ausdrückt. Diesem liegt der Gedanke zugrunde, dass nur derjenige wegen Versuchs strafbar sein soll, der sich vorstellt, die Tatbestandsverwirklichung stehe als Folge seines Handelns unmittelbar bevor (hierzu MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 135).
 
2. Gesamtlösung
Das andere Extrem, die Gesamtlösung, betrachtet dagegen mittelbaren Täter und Tatmittler als Einheit, die nur ganzheitlich unmittelbar ansetzen kann. Ein Versuchsbeginn ist nach dieser Ansicht auch für den mittelbaren Täter erst dann gegeben, wenn unmittelbar (durch das Werkzeug) zur eigentlichen Tatausführung angesetzt wird (hierzu Erb, NStZ 1995, 424, 426; Krack, ZStW 110 (1998), 611, 625 ff.; Kühl, JuS 1983, 180, 181 f.; Küper, JZ 1983, 361, 369). Es muss also im konkreten Fall die Frage beantwortet werden, ob der W seinerseits durch das Einstellen des Fahrzeugs auf der Verkaufsplattform  sowie die Interessenbekundung des I unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung insofern angesetzt hat, als keine wesentlichen Zwischenschritte mehr erforderlich gewesen wären. Dies ist wohl dann zu verneinen, wenn der I letztlich nur sein Interesse bekundet, der W ihm aber noch kein konkretes Angebot unterbreitet hat. Da die Feststellungen keine klare Einschätzung zulassen, ist ein unmittelbares Ansetzen durch den W und damit bei Zugrundelegung der Gesamtlösung auch ein unmittelbares Ansetzen des T zu verneinen.
Auch die Gesamtlösung stößt aber auf berechtigte Kritik: Eine einheitliche Betrachtung von mittelbarem Täter und Tatmittler erscheint insofern sachwidrig, als der mittelbare Täter oftmals bereits vorher alles seinerseits zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. Damit wird der Versuchsbeginn von Zufälligkeiten abhängig gemacht und das Versuchsstadium zu weit nach hinten verschoben.
 
3. Entlassungstheorie (h.M.)
Sachgerecht erscheint vor diesem Hintergrund die sog. Entlassungstheorie: Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Lehre geht zu Recht davon aus, dass der mittelbare Täter dann unmittelbar ansetzt, wenn er nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, sodass dieser dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist (s. etwa BeckOK StGB/Cornelius, 45. Ed. 2020, § 22 Rn. 65; MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 129 m.w.N.). „Denn wer die Tat durch einen anderen begehen will (§ 25 I StGB), setzt zur Verwirklichung des Tatbestandes der geplanten Straftat unmittelbar an (§ 22 StGB), wenn er den Tatmittler zur Tatausführung bestimmt hat und ihn aus seinem Einwirkungsbereich in der Vorstellung entläßt, daß er die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr vornehmen werde.“ (BGH, Urt. v. 26.01.1982 – 4 StR 631/81, NJW 1982, 1164). Diese Maßstäbe legt der BGH auch in der hier zu besprechenden Entscheidung an, betont aber die Wichtigkeit der zeitlichen Nähe zwischen Entlassung des Tatmittlers und Tatbestandsverwirklichung sowie der hiermit einhergehenden konkreten Gefährdung des Tatobjekts für den Versuchsbeginn:

„Bezieht der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan ein, so liegt ein Ansetzen des Täters zur Begehung der Tat (hier: eines Eingehungsbetrugs) im Allgemeinen zwar schon dann vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Jedoch fehlt es an einem unmittelbaren Ansetzen durch abgeschlossene Einwirkung auf den Tatmittler, wenn dies erst nach längerer Zeit zur Tatbegehung führen soll oder wenn ungewiss bleibt, ob und wann es die gewünschte Folge hat, also wann eine konkrete Gefährdung des angegriffenen Rechtsguts eintritt; in diesen Fällen der Verzögerung oder Ungewissheit der Tatausführung durch den Tatmittler beginnt der Versuch erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Erfüllung des Tatbestands ansetzt.“ (Rn. 22)

Der Eintritt ins Versuchsstadium erfordert also nach der h.M. als notwendige Bedingung, dass der mittelbare Täter nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, ihn also aus seinem Machtbereich entlassen hat. Als hinreichende Bedingung – und dies wird bei der Darstellung der Entlassungstheorie in der Klausur oft vergessen – muss aber hinzukommen, dass der Tatmittler dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss (also in zeitlicher Nähe) die Tat ausführen soll und das Tatobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits konkret gefährdet ist. Ist dies bei Entlassung des Tatmittlers noch nicht der Fall, beginnt der Versuch auch für den mittelbaren Täter erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt.  An dieser Stelle führte der BGH aus, den Urteilsgründen der Vorinstanz könne nicht entnommen werden, ob nach diesen Maßstäben ein Eintritt ins Versuchsstadium erfolgt sei, sodass die Revision insoweit begründet sei:

„Die Voraussetzungen des Versuchsbeginns hat das LG nicht geprüft. Es hat zum Vorstellungsbild des Angekl. vom weiteren Geschehensablauf keine Feststellungen getroffen. Auch bleibt unklar, ob mit der Bekundung des Kaufinteressenten […] als eigentliches Tatgeschehen eine konkrete Rechtsgutsgefährdung vorlag. Das Urteil teilt nicht mit, ob nur eine Sondierung der Lage durch den Kaufinteressenten stattgefunden oder ob der [W] ihm bereits ein konkretes Kaufangebot unterbreitet hatte und wie danach aus der Sicht des Angekl. ein Vertragsschluss […] hätte zustande kommen sollen.“ (Rn. 21)

 
Anmerkung: Scheitert eine Versuchsstrafbarkeit am unmittelbaren Ansetzen, ist bei Verbrechen auch stets an § 30 Abs. 2 StGB zu denken – dieser wird oft übersehen.
 
C) Fazit
Mit seiner Entscheidung folgt der BGH konsequent seiner bisherigen Rechtsprechungslinie, hebt aber die Erforderlichkeit einer präzisen Prüfung der einzelnen Voraussetzungen besonders hervor: Der Eintritt ins Versuchsstadium bei der Einschaltung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs erfolgt, wenn der Täter seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Dies gilt aber nur dann, wenn der Tatmittler der Vorstellung des Täters entsprechend auch im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist. Fehlt es hieran, beginnt auch für den mittelbaren Täter der Versuch erst in dem Zeitpunkt, in dem das Werkzeug seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. In einer Klausur bedarf es also einer genauen Betrachtung der konkreten Umstände; vorschnell den Versuchsbeginn nach abgeschlossener Einwirkung auf den Tatmittler anzunehmen, wäre verfehlt.

09.03.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-03-09 09:00:452020-03-09 09:00:45BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft
Charlotte Schippers

OLG Karlsruhe zur Manipulation von Warenetiketten

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Im Strafecht sind besonders Vermögens-, aber auch Urkundendelikte examensrelevant. Ein klassischer Fall ist in diesem Kontext der Austausch von Warenetiketten bzw. Strichcodes, wie er dem vorliegenden Beschluss des OLG Karlsruhe vom 13.3.2019 (1 Rv 3 Ss 691/18) zugrunde lag. Hierbei geht es maßgeblich um eine Strafbarkeit wegen Betrugs gem. § 263 Abs. 1 StGB sowie wegen Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Diese Straftatbestände sollten unbedingt für das Examen beherrscht werden.
 
 I. Sachverhalt (leicht abgewandelt und gekürzt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: T nahm im Baumarkt eine Gartenschlauch-Anschlussgarnitur zum Preis von 14,50 € aus der Auslage. Auf dem zugehörigen Karton befand sich u.a. die für die Anschlussgarnitur ausgegebene European Article Number (EAN) bzw. Global Trade Item Number (GTIN-13) mit zugehörigem Strichcode, die zur Feststellung der Artikel- und Preisinformationen dient. Diese Garnitur brachte er mittels der für den Betrieb des Schlauchs vorgesehenen Steckvorrichtung an einer Schlauchtrommel zum Verkaufspreis von 54,95 € an. T riss das an der Schlauchtrommel angeklebte Etikett mit EAN und Strichcode ab, sodass auf dem Karton nur EAN und Strichcode der günstigeren Anschlussgarnitur angebracht waren. Mit der so manipulierten Ware begab er sich zur Kasse und legte die Schlauchtrommel mit dem Anschlussstück der Kassiererin K in der Absicht vor, diese über den wahren Kaufpreis zu täuschen. K scannte die auf der Kartonverpackung der Anschlussgarnitur aufgedruckte EAN in den Kassencomputer ein. Sie machte sich hierüber keine weiteren Gedanken, fragte T aber, ob der Preis „richtig“ sei, was er bejahte. Nach Zahlung der 14,50 € wollte T den Markt verlassen, wurde aber direkt hinter der Kasse von einer Ladendetektivin aufgehalten, die ihn von Anfang an beobachtet hatte.
 
II. Rechtliche Ausführungen
1. Zunächst kommt eine Strafbarkeit des T wegen Betrugs gem. § 263 Abs. 1 StGB infrage:
a) Das Vorlegen der manipulierten Schlauchtrommel zur Bezahlung an der Kasse beinhaltet eine konkludente Täuschung über den Preis für die Ware. Dies wurde weiterhin durch die bewusst wahrheitswidrige Erklärung, die T auf Nachfrage von K abgab, es handle sich um den „richtigen“ Preis, bestätigt.
b) Hierdurch sollte bei K eine Fehlvorstellung, also ein Irrtum, über den Preis hervorgerufen werden. Hier beschäftigte sich das OLG kurz mit der Aussage der K, sie habe sich keine weiteren Gedanken über den Preis gemacht. Denn dies könne darauf schließen lassen, dass die konkrete Fehlvorstellung fehle und K möglicherweise gar keine Vorstellung über den Preis habe. Allerdings lasse die Frage nach der Richtigkeit des Preises und die Aushändigung erst nach der Bestätigung durch T darauf schließen,

„[…] dass [K] […] – auch wenn sie sich üblicherweise keine Gedanken über die Richtigkeit der Preise der ihr zur Bezahlung vorgelegten Ware machte – jedenfalls im vorliegenden Einzelfall der positiven Fehlvorstellung unterlag, der Preis für Schlauchtrommel und Anschlussschlauch betrage lediglich 14,50 €“. (Rn. 18)

c) In Abgrenzung zum Diebstahl liegt hier infolge des Irrtums eine freiwillige Gewahrsamsübertragung von K an T vor, also eine Vermögensverfügung. Der Verfügungswille war auf die Schlauchtrommel konkretisiert.
d) Diese Vermögensverfügung führte auch zu einem Vermögensschaden: Ohne den Kaufpreis für die Ware zu bekommen, also ohne dass die Vermögensminderung kompensiert wurde, hatte K gem. § 929 S. 1 BGB das Eigentum an der Schlauchtrommel durch Übergabe und konkludente Einigung über den Eigentumswechsel an T übertragen.
e) Zu beachten ist noch, dass T durch die Ladendetektivin beobachtet und nach Abschluss des Bezahlvorgangs gestellt wurde. Das steht einer Vollendung des Betrugs aber nicht entgegen, denn der Vermögensschaden, der unmittelbar aus der Vermögensverfügung resultiert, ist zumindest teilweise eingetreten.

„Dass der von dem Täter erstrebte Vermögensvorteil erlangt oder auch nur erreichbar ist, ist hingegen wegen der überschießenden Innentendenz zur Tatbestandsvollendung nicht erforderlich. Danach ist erst recht dann von Vollendung auszugehen, wenn der Täter die rechtswidrig erstrebte Vermögensposition – wie hier Eigentum und Besitz an der Schlauchtrommel – bereits erlangt hat, diese aber noch nicht gegen die unmittelbar drohende Erhebung berechtigter Rückgabeansprüche des Geschädigten sichern konnte, weil er sich noch in dessen Herrschaftsbereich aufhält und seine Tat von einem im Auftrag des Geschädigten handelnden, eingriffsbereiten Dritten beobachtet wurde.“ (Rn. 22)

Daher ist T wegen Betruges strafbar.
 
2. Darüber hinaus kommt eine Strafbarkeit des T wegen Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht.
a) Schwerpunkt ist die Überlegung, ob das Etikett zusammen mit der Schlauchtrommel eine zusammengesetzte Urkunde ist. Zur Erinnerung: Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die ihren Aussteller erkennen lässt und zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist. So können auch mit einer Sache fest verbundene Zeichen Urkundenqualität aufweisen, so z.B. Nummernschilder an Autos.
Die mit der Ware fest verbundene EAN ist eine verkörperte Gedankenerklärung. Denn: Diese Nummer ermöglicht es, jedes Produkt weltweit zu identifizieren. Darüber hinaus kann mit der Nummer auf Produktinformationen zugegriffen werden, insbesondere den Preis der Ware, wofür lediglich der Strichcode eingescannt werden muss. Dieser hat selbst keinen eigenständigen Erklärungswert, sondern dient nur als für den Scanner lesbare Darstellung der Nummer. Die Tatsache, dass die Nummer dazu dient, die Ware zu identifizieren, ist auch allgemein bekannt. Das OLG führt hierzu aus:

„Die GTIN-13 dient danach nicht nur zur Unterscheidung und Erfassung verschiedener Produkte in der Sphäre eines Herstellers oder Händlers. Aufgrund der Bedeutung, welche sie insbesondere durch ihre massenhafte Verwendung bei der Abwicklung von Kaufgeschäften zwischen Einzelhändlern und Verbrauchern, wenn auch nicht durch Rechtsvorschriften, so aber doch durch entsprechende Übung erlangt hat, fungiert die GTIN-13 in ihrer festen Verbindung mit einer Ware vielmehr auch im Rechtsverkehr als Identitätsnachweis eines Produkts. Die Beweiserheblichkeit dieses Identitätsnachweises zeigt sich insbesondere daran, dass Einzelhandel und Verbraucher sich bei der Ermittlung des Preises für eine Ware während des Bezahlvorgangs an der Kasse gleichermaßen auf die Richtigkeit dieses Identitätsausweises verlassen. Auch bei der Frage, ob es sich bei einem bestimmten Produkt um eine Fälschung oder ein Original handelt, kann der mit einem Produkt fest verbundenen GTIN-13, die aussagt, dass das fragliche Produkt von einem bestimmten, aus der Basisnummer ersichtlichen Hersteller gefertigt und als nach seiner Gattung weltweit einzigartiges Produkt in den Verkehr gebracht wurde, Beweisbedeutung zukommen.“ (Rn. 28)

Folglich verkörpere die mit einem bestimmten Produkt fest verbundene GTIN-13 die Erklärung des Herstellers, dass die Nummer dem jeweiligen Produkt zur Identifizierung im Handelsverkehr zugeordnet ist.

„Beweisrechtliche Relevanz erlangt dieser Umstand insbesondere in Fallkonstellationen wie der vorliegenden, in der sie an der Kasse eines Einzelhandelsgeschäfts nach der Verkehrsübung zur verlässlichen Ermittlung des Preises herangezogen wird, zum dem der Einzelhändler die jeweilige Ware zum Verkauf anbietet.“ (Rn. 28)

Der Aussteller muss nach außen erkennbar sein. Hierbei ist ausreichend, dass er sich aus dem Inhalt ergibt, was hinsichtlich der GTIN-13 der Fall ist: Das Unternehmen, das die GTIN-13 vergeben hat, kann durch die Nummer identifiziert werden.
Des Weiteren ist eine feste Verbindung zwischen Etikett und Ware erforderlich. Weil das Etikett hier so fest mit der Schlauchtrommel verbunden war, dass es abgerissen werden musste, ist auch diese Voraussetzung gegeben.
Mithin liegt eine zusammengesetzte Urkunde vor.
b) Die Urkunde gehörte auch nicht dem T. Er hob durch das Abreißen die Gebrauchsfähigkeit dieser Urkunde und damit ihre Beweisfunktion auf: Der gedankliche Inhalt wurde völlig beseitigt, die Urkunde daher i.S.v. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB vernichtet.
Im Ergebnis hat T sich, da auch der subjektive Tatbestand verwirklicht wurde, wegen Urkundenunterdrückung strafbar gemacht.
 
3. Eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 StGB scheidet aus:

„Zwar können zusammengesetzte Urkunden auch durch Auswechseln ihres Bezugsobjekts verfälscht werden. Dies setzt jedoch voraus, dass auch die neue in der Verbindung von Bezugsobjekt und Beweiszeichen liegende Gedankenerklärung den Anschein erweckt, sie rühre unverändert von dem ursprünglichen Aussteller her. Auch bei der neu zusammengesetzten Urkunde muss daher eine feste und dauerhafte, wenn auch nicht untrennbare Verbindung zwischen Beweiszeichen und Bezugsobjekt zu einer Beweiseinheit bestehen.“ (Rn. 36)

Das ist hier mit dem Anbringen des Anschlussschlauchs auf die Steckvorrichtung, wodurch keine ausreichend feste Verbindung zwischen Umkarton und Schlauchtrommel erzeugt wird, gerade nicht der Fall. Ein Bedürfnis, den Tatbestand der Urkundenfälschung insoweit auszudehnen, besteht mangels Strafbarkeitslücken ebenfalls nicht.
 
4. Herauszustellen ist schließlich noch, dass Betrug und Urkundenunterdrückung in Tateinheit gem. § 52 StGB stehen:

„Denn beide Gesetzesverletzungen beruhten nicht nur auf demselben Tatentschluss, sie standen auch in einem engen räumlichen und zeitlichen sowie finalen Zusammenhang, weil das Zerstören der zusammengesetzten Urkunde nach dem Tatplan des [T] der Vorbereitung der Täuschungshandlung dienen sollte. Gesetzeskonkurrenz liegt nicht vor, weil § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 263 StGB verschiedene Rechtsgüter schützen.“ (Rn. 35)

 
III. Summa
Festzuhalten bleibt, dass es sich hiermit um einen spannenden und examensrelevanten Fall handelt. Vermögensdelikte stehen häufig im Zentrum strafrechtlicher Examensklausuren, ebenso die Urkundendelikte. Gerade die Überlegungen zur zusammengesetzten Urkunde bilden in Fällen wie hier den Schwerpunkt. Diesen Beschluss jedenfalls sollte man kennen.

12.02.2020/1 Kommentar/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2020-02-12 09:31:062020-02-12 09:31:06OLG Karlsruhe zur Manipulation von Warenetiketten
Dr. Lena Bleckmann

Grundlagen des Strafrechts: Straftaten gegen die persönliche Ehre

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Die Beleidigungsdelikte der §§ 185 ff. StGB bilden zwar nur selten den alleinigen Schwerpunkt einer Klausur – ihre Bedeutung sollte dennoch nicht unterschätzt werden. Sie eignen sich hervorragend zur Kombination mit anderen Deliktstypen, wie etwa Straftaten gegen die Rechtspflege, und werden hierbei von den Klausurbearbeitern gern übersehen. Auch können sie in öffentlich-rechtlichen Klausuren Bedeutung erlangen: Für die Bestimmung der Grenzen der Grundrechte aus Art. 5 GG ist ihre Kenntnis zum Teil unerlässlich.
Die Klausurrelevanz ergibt sich nicht zuletzt aus mehreren aktuellen und vieldiskutierten Gerichtsentscheidungen, die sich mit dem Thema der Ehrverletzungsdelikte befassen und deren Kenntnis vor allem von Examenskandidaten, aber auch im Rahmen der fortgeschrittenen Strafrechtsklausuren erwartet werden dürfte – siehe etwa die Entscheidungen des BVerfG zur Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik (Az. 1 BvR 2433/17) und des LG Berlin zu beleidigenden Äußerungen gegenüber einer Politikerin (Az. 27 AR 17/19).
Der Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Tatbestände und eignet sich daher hervorragend für die Wiederholung sowie die Schärfung des Problembewusstseins.
I. Systematik
Die wichtigsten Tatbestände im Rahmen der Straftaten gegen die persönliche Ehre bilden die § 185 StGB, § 186 StGB und § 187 StGB. Während der Ehrbegriff als solcher umstritten ist (siehe MüKoStGB/Regge/Pegel, § 185 Rn. 7), ist weitgehend anerkannt, dass sowohl die innere Ehre, d.h. die persönliche Würde und der innere Wert des Menschen, als auch die äußere Ehre, d.h. der Geltungsanspruch in der Gesellschaft, geschützt sind. Die § 186 StGB und § 187 StGB können jeweils gem. § 188 StGB qualifiziert sein, wenn sich die Ehrverletzung gegen eine Person des politischen Lebens richtet. Die persönliche Ehre Verstorbener wird von § 189 StGB geschützt.
 Die Prüfung sollte in umgekehrter Reihenfolge erfolgen, d.h. zunächst die Verleumdung gem. § 187 StGB, dann die üble Nachrede gem. § 186 StGB und zuletzt die Beleidigung gem. § 185 StGB. Das bietet sich deswegen an, weil die § 186 StGB und § 185 StGB je nach Fallkonstellation als mögliche Auffangtatbestände in Betracht kommen – dazu sogleich.
II. Die Beleidigungsfähigkeit des Opfers
Alle genannten Delikte setzen voraus, dass das Opfer möglicher Ehrträger ist. Erfasst sind unstrittig alle lebenden Menschen (für Verstorbene siehe § 189 StGB). Schwieriger liegt der Fall, wenn mehrere Personen von der Äußerung betroffen sind. Fraglich ist insoweit, ob Personengemeinschaften als solche beleidigungsfähig sind und ob eine Beleidigung unter Nutzung einer Kollektivbezeichnung einzelne oder alle Mitglieder der Gruppe in ihrer persönlichen Ehre betrifft.
Nach der herrschenden Meinung haben Personengemeinschaften zwar keine individuelle persönliche Würde, ihre Beleidigungsfähigkeit kann aber aus einem schutzwürdigen sozialen Ansehen folgen (siehe zum Streitstand BeckOK StGB/Valerius, § 185 Rn. 11 ff.). Sie sind daher mögliche Opfer der §§ 185 ff. StGB, wenn sie
(a)eine rechtlich anerkannte soziale Aufgabe wahrnehmen und
(b) einen einheitlichen Willen bilden können.
Im Rahmen von Beleidigungen unter einer Kollektivbezeichnung ist zu differenzieren: Erfasst die Äußerung alle Mitglieder einer Gruppe (z.B. alle Soldaten, alle Regierungsmitglieder, alle Studenten, alle Mitglieder der Gruppe X), kann dadurch das einzelne Mitglied in seiner persönlichen Ehre verletzt sein, wenn die Gruppe sich von der Allgemeinheit abhebt, klar abgrenzbar und überschaubar ist und sich die einzelnen Mitglieder zweifelsfrei bestimmen lassen. Bezieht sie sich hingegen nur auf ein Mitgliedder Gruppe (z.B. ein Minister der Regierung, ein Mitglied der Gruppe X), können dadurch alle Mitglieder in ihrer Ehre verletzt sein, wenn die Gruppe klein und überschaubar ist und jedes Mitglied individualisierbar ist.
Gerade die letzte Fallgruppe ist beliebter Prüfungsstoff. Zum besseren Verständnis bietet sich die Lektüre der bekanntesten Entscheidungen zum Thema an, etwa BGH, Az. 1 StR 572/63 („Ein bayerischer Minister ist Kunde eines Call-Girl-Rings), BVerfG, Az. 1 BvR 1476/91 („Soldaten sind Mörder“) und BVerfG, Az. 1 BvR 1036/14 (Anstecker „FCK CPS“).
 III. Verleumdung: Tatbestand des § 187 StGB
 Der Tatbestand des § 187 StGB setzt die Kundgabe von Tatsachen in einem Drei-Personen-Verhältnis voraus, d.h. das Opfer darf weder Täter noch Empfänger der Äußerung sein. Dies folgt aus dem Wortlaut „in Beziehung auf einen anderen“. Fehlt es an einem Drei-Personen-Verhältnis, kommt insoweit § 185 StGB als Auffangtatbestand in Betracht (dazu sogleich).
Tatsachen sind alle Zustände der Gegenwart oder Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind. Diese müssen geeignet sein, das Opfer verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Verächtlich machen bedeutet, die Person so darzustellen, als würde sie ihren sittlich-moralischen Pflichten nicht genügen. Herabgewürdigt wird, wessen gesellschaftlicher Ruf geschmälter wird (siehe hierzu MüKoStGB/Regge/Pegel, § 186 Rn. 14). Es genügt jeweils die bloße Eignung der Aussage, ein messbarer Erfolg ist nicht erforderlich. In seiner dritten Variante (Kreditgefährdung) handelt es sich bei § 187 StGB nicht um ein Ehrverletzungs-, sondern um ein Vermögensgefährdungsdelikt.
Die Tatsache muss behauptet, d.h. als nach eigener Überzeugung wahr hingestellt, oder verbreitet werden, d.h. mitgeteilt, ohne dass der Täter sich die Aussage zu eigen macht. Hierzu muss sie entäußert werden, das heißt insbesondere den privaten Bereich verlassen haben. Äußerungen im engen Privaten Bereich sind der „beleidigungsfreien Sphäre“ zuzuordnen und daher nicht entäußert.
Weiteres Tatbestandsmerkmal im Rahmen des § 187 StGB ist die objektive Unwahrheit der Tatsache – dies ist gerade für die Abgrenzung zu § 186 StGB wichtig und darf nicht übersehen werden. Eine Tatsache ist unwahr, wenn sie im Kern unzutreffend ist, was sich auch aus ihrer Unvollständigkeit ergeben kann (BeckOK StGB/Valerius, § 187 Rn. 2). Aus der Eigenschaft als Tatbestandsmerkmal folgt, dass Zweifel zugunsten des Täters gehen: kann die Unwahrheit nicht nachgewiesen werden, gilt indubio pro reo.
Im subjektiven Tatbestand ist wie üblich Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale sowie positive Kenntnis der Unwahrheit (siehe Wortlaut des § 187 StGB „wider besseres Wissen“) erforderlich.
IV. Üble Nachrede: Tatbestand des § 186 StGB
Für § 186 StGB gelten zunächst dieselben Grundsätze wie für § 187 StGB. Auch hier ist eine Tatsachenbehauptung oder -verbreitung im Drei-Personen-Verhältnis erforderlich. Wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass die Unwahrheit der Tatsache kein objektives Tatbestandsmerkmal ist. Vielmehr fordert § 186 StGB, dass die Tatsache nicht erweislich wahr ist. Hierbei handelt es sich um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit. Daraus folgt im Einzelnen: Der Vorsatz des Täters muss sich nicht auf die Unwahrheit der Tatsache beziehen. Auch trägt er die Beweislast – solange nicht erwiesen ist, dass die Tatsache wahr ist, bleibt die Strafbarkeit bestehen. Indubio pro reo findet auf diese objektive Bedingung der Strafbarkeit keine Anwendung.
V. Beleidigung: Tatbestand des § 185 StGB
Demgegenüber unterscheidet sich der Tatbestand des § 185 StGB in vielerlei Hinsicht von den vorgenannten Delikten. Der Gesetzeswortlaut ist hier ausgesprochen knapp. Beleidigung im Sinne des § 185 StGB ist die Kundgabe eigener Miss- oder Nichtachtung. Erfasst wird hier vor allem die Kundgabe von Werturteilen, sowohl gegenüber dem Betroffenen selbst als auch gegenüber Dritten. Ein bloßes Verbreiten wie bei §§ 186, 187 StGB genügt nicht, der Täter muss sich die Aussage zu eigen machen.
Tatsachenbehauptungen werden von § 185 StGB erfasst, soweit sie gegenüber dem Betroffenen selbst erfolgen – insoweit fungiert dieser als Auffangtatbestand gegenüber den §§ 186, 187 StGB. Nach h.M. ist hier die Unwahrheit der Tatsache ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal – bei der Kundgabe wahrer Tatsachen ist die Ehrverletzung ausgeschlossen (siehe hierzu BeckOK StGB/Valerius, § 185 Rn. 22).
Merke also: Die §§ 186, 187 StGB erfordern stets die Kundgabe von Tatsachen in einem Drei-Personenverhältnis, wobei der Täter sich die Aussage nicht zwingend zu eigen machen muss. Für § 185 StGB genügen auch Werturteile und die Kundgabe im Zwei-Personen-Verhältnis, aber auch nur die Kundgabe eigener Missachtung.
Im subjektiven Tatbestand genügt dolus eventualis.
VI. Was es sonst zu beachten gilt
In Fällen mit Bezug zu Ehrverletzungsdelikten kann es häufig erforderlich sein, einen Bezug den Grundrechten aus Art. 5 GG herzustellen und deren Grenzen herauszuarbeiten. Dies kann bereits im Tatbestand relevant werden – mehrdeutige Äußerungen sind im Lichte der Kunst- und Meinungsfreiheit auszulegen, eine Strafbarkeit besteht nur, wenn alle nicht strafbaren Auslegungsmöglichkeiten ausscheiden (siehe BeckOK StGB/Valerius, § 185 Rn. 31 ff.).
Auf der Ebene der Rechtfertigung ist zunächst eine mögliche Einwilligung des Betroffenen zu beachten. Weiterhin darf der besondere Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB nicht übersehen werden. In diesem Rahmen kann erneut eine Abwägung mit den Grundrechten aus Art. 5 StGB erforderlich sein (siehe dazu eingehend MüKoStGB/Joecks/Pegel/Regge, § 193 Rn. 40 ff.).
Für alle Ehrverletzungsdelikte gilt das Strafantragserfordernis nach § 194 Abs. 1 StGB.
Wer diese Grundlagen in strafrechtlichen Klausuren beachtet, kann sich schon deutlich von der Vielzahl der Bearbeiter abheben, die die Beleidigungsdelikte übersehen oder mit der Systematik nicht vertraut sind. Ergänzend sei auf unser Prüfungsschema zu den §§ 185 ff. StGB hingewiesen. 

03.02.2020/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2020-02-03 08:31:582020-02-03 08:31:58Grundlagen des Strafrechts: Straftaten gegen die persönliche Ehre
Redaktion

Strafrecht – Dezember 2019 – NRW – 1. Staatsexamen

Examensreport, Examensvorbereitung, Lerntipps, Nordrhein-Westfalen, Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zur Examensklausur Strafrecht, 1. Staatsexamen, NRW, Dezember 2019. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken sehr herzlich für die Zusendung.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt.
A und V haben einen notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück mit Haus zum – dem Wert entsprechenden – Preis von 200.000 € (Wert des Hauses: 150.000 €) geschlossen. Es wird vereinbart, dass A erst nach vollständiger Kaufpreiszahlung Eigentümer werden soll.
Im Haus befinden sich zwei Wohnungen, eine im Untergeschoss und eine im Obergeschoss, die durch ein offenes Treppenhaus ohne besondere Brandschutzsicherung verbunden sind.
A hat bereits 180.000€ an V gezahlt. Mit Einverständnis des V zieht A bereits in die Wohnung im Untergeschoss und vermietet die obere Wohnung – ebenfalls mit Einverständnis des V –  an die Mieterin M. M wird häufig von ihrem Lebensgefährten L besucht, was A weiß.
A kann den restlichen Kaufpreis nicht aufbringen. V fordert ihn auf, auszuziehen, A denkt jedoch nicht daran. Stattdessen beschließt er, bei der Versicherungsgesellschaft G, bei der er einen Gebäudebrandversicherungsvertrag für die Zeit bis zum Eigentumsübergang abgeschlossen hat, einen Einbruch mit Brandstiftung zu melden, um an die Versicherungssumme in Höhe von 40.000 € zu kommen. Er bittet seinen Freund B, dem er erzählt, dass er sonst nicht Eigentümer des Hauses werden kann, einen Brand in der Wohnung des A zu legen. Er will das Geld aus der Versicherung nutzen, um die Wohnung zu renovieren und den restlichen Kaufpreis zu zahlen, was er B auch mitteilt.
Wahrheitswidrig behauptet er gegenüber B, die M sei noch nicht in die Wohnung eingezogen, sondern die Wohnung im Obergeschoss sei leerstehend. B hält das Vorgehen für geeignet, A die Versicherungssumme zu verschaffen. Er erklärt sich mit dem Plan einverstanden, um A einen Gefallen zu tun und auch damit A in der Wohnung bleiben kann.
An einem Samstagabend, an dem A – um ein Alibi zu haben – nicht zu Hause ist, schreibt er B eine SMS und bittet ihn, den Plan umzusetzen. Dabei weiß A, das M und L allein in der Wohnung der M sind und geht davon aus, dass sie zum Tatzeitpunkt schlafen. A hält es für möglich, dass die Brandfolgen auch auf die Wohnung im Obergeschoss übergreifen können und es zu tödlichen Verletzungen für M und L kommen kann. Mit einem Übergreifen des Feuers auf Nachbargebäude rechnet A nicht. Er geht nicht davon aus, dass B bis zur Tat Kenntnis davon erlangt, dass M bereits in der Wohnung wohnt und sich M und L in der Wohnung aufhalten.
B begibt sich zur Wohnung des A. Dort angekommen hört er Stimmen aus dem Obergeschoss. Er geht durch das Treppenhaus nach oben und bemerkt, dass sich außer ihm noch zwei andere Personen im Haus aufhalten. Er hält es für möglich, dass das Feuer auch das Obergeschoss erfassen könnte und es zu tödlichen Verletzungen der dort befindlichen Personen kommen kann. B denkt sich jedoch „Na und wenn schon, Hauptsache dem A ist geholfen“. Er geht davon aus, dass M und L ihn nicht bemerkt haben und daher auch nicht rechtzeitig Rettungsmaßnahmen ergreifen können. Er ist sich jedoch sicher, dass das Feuer keine Nachbargebäude erfassen wird.  Er begibt sich in die Wohnung des A und legt unter Zuhilfenahme eines Kanisters Benzin als Brandbeschleuniger ein Feuer. Nach Verbrennen des Benzins greift das Feuer auf die Bausubstanz des Gebäudes über und erfasst auch das Treppenhaus außerhalb der Wohnung des A. B verlässt das Gebäude und fährt mit dem Auto davon.
M und L bemerken frühzeitig den Rauch und können von der Feuerwehr durch das Fenster gerettet werden, bevor das Feuer auf die Wohnung der M übergreift. Die Wohnung des A brennt – wie von A und B geplant – komplett aus. Die Wohnung der M ist aufgrund der durch die Rauchentwicklung entstandenen Verrußung für die Dauer der dreiwöchigen Renovierungsarbeiten unbewohnbar. Nachbargebäude werden nicht beeinträchtigt.
Am nächsten Tag meldet A den Brand bei der G und gibt gegenüber dem Sachbearbeiter S einen Einbruch mit Brandstiftung als Ursache an. S veranlasst daraufhin die Auszahlung von 40.000 € an A.
Prüfen Sie, ob und ggf. inwiefern sich A und B nach dem StGB strafbar gemacht haben.
Die §§ 223 – 231, 265, 303, 305, 306b und 306c StGB sind nicht zu prüfen.
Auf § 28 StGB ist nicht einzugehen.
Auf § 81 VVG wird hingewiesen.

16.12.2019/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2019-12-16 09:00:522019-12-16 09:00:52Strafrecht – Dezember 2019 – NRW – 1. Staatsexamen
Redaktion

Strafrecht – Oktober 2019 – NRW – 1. Staatsexamen

Examensreport, Nordrhein-Westfalen, Startseite

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zur Examensklausur Strafrecht, 1. Staatsexamen, NRW, November 2019. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken sehr herzlich für die Zusendung.
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Ausgangsfall:
 A wohnt mit ihren Kindern, dem einjährigen S und der zweijährigen T in einer Wohnung in Köln. B, der Lebensgefährte der A, kann sein Miete nicht mehr bezahlen und zieht zu A. A und B sind beide drogenabhängig.
A arbeitet nach dem Tod ihres Ehemannes in Nachtschicht bei einem Logistikunternehmen. Durch die anstrengende Nachtarbeit ist A zunehmend erschöpft und müde. Daher übernimmt B auf Bitte der A öfters die Ernährung und Pflege der Kinder. Zum Teil übernimmt B auch selbstständig diese Aufgaben. Eines Tages ist B sehr unzufrieden über die aktuelle Situation und mit der Betreuung der Kinder überfordert. Er ruft die A zu sich und erklärt ihr: „Ich werde mich zukünftig nicht mehr um Deine blöden Kinder kümmern. Schau, dass du das alleine auf die Reihe bekommst“.
A ernährt und pflegt ihr Kinder daraufhin ebenfalls nicht. Diese verwahrlosen zunehmend. Dabei ist A bewusst, dass die Kinder erhebliche Schmerzen erleiden und auch sterben könnten. Sie denkt sich aber: „Das ist mir alles zu viel. Das ist mir jetzt auch alles völlig egal“. Auch B erkennt die Zustände der Kinder und die Möglichkeit, dass diese ohne Ernährung sterben könnten, unternimmt allerdings aus Gleichgültigkeit nichts. Dabei ist A und B jeweils bewusst, dass sie ohne Weiteres die Kinder ernähren und dadurch retten könnten.
Als die Nachbarin N von den Zuständen der Kinder erfährt, alarmiert sie das Jugendamt, das die Kinder vor den Augen der regungslosen A aus der Wohnung schaffen. Die Kinder überleben, haben allerdings durch die Unterernährung erhebliche Schäden an inneren Organen erlitten und müssen daher auf der Intensivstation behandelt werden. Nach mehreren Wochen sind die Verletzungen allerdings folgenlos abgeheilt. Hätten die Kinder in den nächsten zwei Tagen nach dem Eingreifen des Jugendamtes keine Nahrung erhalten, wären sie gestorben.
Aufgabe 1: Wie haben sich A und B nach dem StGB strafbar gemacht?
 
Fallfortsetzung:
 S und T werden in einer Pflegefamilie untergebracht. Eines Tages bietet die abergläubische Freundin C der Familie an, mit S und T einen Ausflug zu unternehmen. Die Pflegeeltern stimmen dem zu. C versichert ihnen, dass sie gut auf die beiden aufpassen werde. C besteigt mit den Kindern, die beide noch nicht schwimmen können, ein Schiff, um eine Seen-Rundfahrt zu unternehmen. Plötzlich rast ein Motorboot aufgrund eines Defekts der Steuerung auf das Schiff zu und kollidiert mit diesem. Das Schiff kentert und geht unter. C, T und S fallen ins Wasser. C rettet T und schwimmt mit ihm mit Mühe an das Seeufer, wo beide medizinisch versorgt werden. S wird kurz nachdem er in das Wasser fällt bewusstlos und ertrinkt. C stellte sich vor, beide Kinder retten zu können. Sie rettete S allerdings nicht, da sie davon ausging, dass S ein schlechtes Wesen habe, das erst in späteren Lebensjahren zum Vorschein kommen werde. Sie ließ S ertrinken, um die zukünftige Bevölkerung vor ihm zu schützen. Tatsächlich war es der C allerdings nur möglich ein Kind zu retten, da sie eine schlechte Schwimmerin war.
Aufgabe 2: Wie hat sich C nach dem StGB strafbar gemacht? Berücksichtigen Sie dabei nur Straftatbestände aus dem 16. Abschnitt des StGB.
 Eventuell erforderliche Strafanträge gelten als gestellt. Gehen Sie bei der Bearbeitung davon aus, dass A, B und C völlig schuldfähig sind.

14.11.2019/11 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2019-11-14 09:00:462019-11-14 09:00:46Strafrecht – Oktober 2019 – NRW – 1. Staatsexamen
Gastautor

Rechtsprechungsüberblick Strafrecht und Strafprozessrecht 2019

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, StPO, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Wir freuen uns, heute einen Beitrag von Charlotte Schippers veröffentlichen zu können. Die Autorin hat an der Universität Bonn Jura studiert und ist derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Bonn (Lehrstuhl Thüsing).
 
Bei der Vorbereitung auf die schriftliche und vor allem mündliche Examensprüfung, aber auch auf Klausuren des Studiums, ist die Kenntnis aktueller Rechtsprechung unbedingt erforderlich. Neue Urteile und Beschlüsse werden immer wieder als ein Teil der Prüfung herangezogen oder bei besonders wichtigen Entscheidungen ausdrücklich abgefragt. Der folgende Überblick soll für die examensrelevanten Entscheidungen in Strafsachen des Jahres 2019 als Stütze dienen und Ausgangspunkt für eine tiefere Auseinandersetzung sein.
 
Strafrecht
 
BGH, Beschl. v. 8.1.2019 – 1 StR 356/18: Bestätigung der Verurteilung gegen Waffenverkäufer im Fall des Amoklaufs in Münchener Olympia-Einkaufszentrum
Der BGH hat Anfang des Jahres das Urteil des LG München (19.1.2018 – 12 KLs 111 Js 239798/16) gegen den Verkäufer der Waffe, die der Amokläufer im Münchener Olympia-Einkaufszentrum verwendete, bestätigt, indem er die Rechtsmittel von Verteidigung und Nebenklage zurückwies: Der Verkäufer wurde durch das LG München wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen und wegen fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen verurteilt. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord, wie sie auch die Nebenkläger forderten, lehnte das LG München ab, denn der notwendige doppelte Beihilfevorsatz fehle. Es liege aber eine Sorgfaltspflichtverletzung durch den illegalen Verkauf von Schusswaffen und Munition, der sogar selbst den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2c WaffG verwirklicht, vor. Darüber hinaus sei der Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs erkennbar und vorhersehbar. Das Dazwischentreten eines Dritten, also des Täters, stehe der Strafbarkeit nicht entgegen:

„[E]ine Mitverantwortung Dritter [führt] nur dann zum Wegfall des Zurechnungszusammenhangs zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Täters und dem eingetretenen Erfolg, wenn das für den Erfolg ebenfalls kausale Verhalten des Dritten außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt. Erforderlich ist demnach, dass die vom Täter ursprünglich gesetzte Ursache trotz des in den Kausalverlauf eingreifenden Verhaltens des Dritten wesentlich fortwirkt, der Dritte also hieran anknüpft. Hiervon ist jedenfalls in solchen Fallgestaltungen auszugehen, in denen sich in dem pflichtwidrigen Handeln des Dritten gerade das Risiko der Pflichtwidrigkeit des Täters selbst verwirklicht.“

Vgl. hier unsere ausführliche Besprechung.
 
Raserfälle: Relevant waren dieses Jahr auch die Verurteilungen von Rasern. Dies ist gerade mit Blick auf die Neueinführung des § 315d StGB ein hoch examensrelevantes Themengebiet, aber auch das mediale Interesse um die Verurteilungen wegen Mordes rückt entsprechende Urteile auch in den Fokus der Examensprüfer.
BGH, Beschl. v. 16.1.2019 – 4 StR 345/18: Bestätigung des Mordurteils gegen einen Raser
Anfang des Jahres hat der BGH ein Mordurteil gegen einen Raser bestätigt. Vorangegangen war die Entscheidung des LG Hamburg (Az.: 621 Ks 12/17) zu folgendem Sachverhalt: Bei einer Verfolgungsfahrt mit der Polizei in einem gestohlenen Taxi und fuhr der alkoholisierte A in der Innenstadt bewusst auf die Gegenfahrbahn. Diese war leicht kurvig und baulich von der übrigen Fahrbahn abgetrennt. A fuhr mit einer Geschwindigkeit von bis zu 155 km/h, bis er wegen Kollisionen mit dem Kantstein der Fahrbahn und einer Verkehrsinsel die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und nach Überqueren einer Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h frontal mit einem ihm mit nur ca. 20 km/h entgegenkommenden Taxi zusammenstieß. Einer der Insassen verstarb, zwei weitere wurden schwer verletzt.
Das LG ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass A mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe, was auch der BGH bestätigte:

„[A war] bewusst, ,dass es mit hoher, letztlich unkalkulierbarer und nur vom Zufall abhängender Wahrscheinlichkeit zu einem frontalen Zusammenstoß mit entgegenkommenden Fahrzeugen kommen würde.‘ Ihm war auch ,bewusst, dass ein Frontalunfall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod eines oder mehrerer direkter Unfallbeteiligter sowie eventuell zur Schädigung weiterer Personen führen würde.‘ All dies, auch der eigene Tod, wurde vom Angekl. gebilligt, weil er ,kompromisslos das Ziel, der Polizei zu entkommen‘, verfolgte.“

Das Vorliegen eines Mordmerkmals mag mit Blick auf die Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels einschlägig sein, das ließ der BGH aber offen. Erfüllt sei vorliegend jedenfalls die Verdeckungsabsicht, da es A maßgeblich darauf ankam, zu entkommen.
Zu mehr Einzelheiten vgl. auch unsere Besprechung.
 
LG Berlin, Urt. v. 26.3.2019 – 532 Ks 9/18: Bedingter Tötungsvorsatz bei Autorennen
Im medialen Fokus stand bereits letztes Jahr das Urteil des LG Berlin, mit dem es zwei Raser, die bei einem illegalen Autorennen einen unbeteiligten Verkehrsteilnehmer getötet hatten, wegen Mordes verurteilte. Dieses erste Urteil hatte der BGH zwar aufgehoben, sodass das LG Berlin erneut entscheiden musste. Es blieb aber dabei, die Angeklagten wegen Mordes zu verurteilen: Zunächst maßgeblich war der Vorsatz. Die Angeklagten hätten das Risiko des Todes anderer Verkehrsteilnehmer erkannt, hätten aber – aus Gleichgültigkeit – dennoch entsprechend gehandelt. Dieses Bewusstsein habe schon in dem Zeitpunkt vorgelegen, in dem die volle Kontrolle über das Fahrzeug noch vorhanden gewesen sei – zur Erinnerung: Der BGH war davon ausgegangen, dass der Tötungsvorsatz erst nach der Tat gegeben sei und demnach unbeachtlich war.
An Mordmerkmalen bejahte das LG das Auto als gemeingefährliches Mittel, die Heimtücke, da das Opfer die Ampel bei Grün überquert habe und damit arglos gewesen sei, sowie niedrige Beweggründe.
Zu weiteren Details sei auf unsere ausführliche Besprechung verwiesen.
 
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.1.2019 – 2 Ws 341/18: Beendigung einer Beziehung als empfindliches Übel
Das OLG Karlsruhe hatte dieses Jahr darüber zu entscheiden, ob die Ankündigung der Beendigung einer Beziehung als ein empfindliches Übel bei der Strafbarkeit wegen (sexueller) Nötigung verstanden werden kann. Nachdem der Täter T die 17 Jahre alte O über ein soziales Netzwerk kennengelernt und mit dem falschen Profil X eine Internet-Beziehung aufgenommen hatte, traf er sich selbst als T mit O und kündigte an, dass, sollte sie sich weigern, mit ihm in sexuellen Kontakt zu treten, die Internet-Beziehung mit X beendet werde.
Das OLG entschied, dass T hierdurch den Tatbestand der sexuellen Nötigung gem. § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB verwirklicht habe, da bei der Frage, ob eine Drohung mit einem empfindlichen Übel vorliege, ein individuell-objektiver Maßstab zugrunde zu legen sei:

„Danach ist das angedrohte Übel dann empfindlich, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil von solcher Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinn des Täterverlangens zu motivieren, und von dem Bedrohten in seiner Lage nicht erwartet werden kann, dass er der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standhält. Mithin kommt es auf eine den Opferhorizont berücksichtigende Sichtweise und nicht auf einen besonnenen Durchschnittsmenschen an. Auch unter Berücksichtigung des Schutzgutes der Nötigungsdelikte – die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung – kommt deshalb der Individualität des Bedrohten und der Frage, weshalb gerade von ihm in seiner konkreten Situation ein Standhalten gegenüber der Drohung erwartet werden kann, entscheidende Bedeutung. Danach kann auch ein angedrohter Beziehungsabbruch ein empfindliches Übel darstellen, wenn dieser Beziehung für den Bedrohten ein hoher Stellenwert zukommt.“

Das OLG Karlsruhe ging mithin im Ergebnis von der Strafbarkeit des T wegen sexueller Nötigung aus, s. auch unsere Besprechung.
 
OLG Köln, Beschl. v. 4.4.2019 – 2 Ws 122/19: Strafbarkeit eines gedopten Profiboxers nach § 223 StGB
Das OLG Köln beschäftigte sich im April mit der Strafbarkeit eines gedopten Profiboxers wegen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB. Profiboxer T besiegte in einem Boxkampf seinen Kontrahenten; allerdings war die nachfolgende Dopingprobe im Hinblick auf das synthetische anabole Steroid Stanozolol positiv. Nach Bejahung des objektiven Tatbestandes der einfachen Körperverletzung – ein Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs wegen der eingesetzten Boxhandschuhe lehnte des OLG ausdrücklich ab – ist maßgeblich nach der rechtfertigenden Einwilligung zu fragen, die bei einem Sportwettkampf regelmäßig konkludent vorliegt. Hierbei ist ein Irrtum des Einwilligenden denkbar, denn der Gegner geht regelmäßig von einem anderen Leistungsniveau aus, als von dem, welches erst durch das Doping erzielt wird. So führt das OLG Köln aus:

„Die vom Teilnehmer eines Boxkampfes zumindest konkludent erteilte Einwilligung erstreckt sich ausschließlich auf solche Verletzungen, die bei regelkonformem Verhalten des Gegners üblich und zu erwarten sind. Doping als schwere Missachtung der anerkannten Sport- und Wettkampfregeln, die der Gegner nicht zu erwarten braucht, kann der wirksamen Einwilligung entgegenstehen.“

All dies steht unter dem Vorbehalt, dass das Doping dem Täter sicher nachgewiesen wird, was im konkreten Fall noch aussteht. Sollte dies jedenfalls der Fall sein, handelte er ohne Rechtfertigung und hat sich mithin wegen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Vgl. hierzu unsere ausführlichere Besprechung.
 
BGH, Urt. v. 6.4.2019 – 5 StR 593/18: Konkretisierung des Gewahrsamswechsels bei kleinen, leicht transportablen Sachen
Im Frühjahr dieses Jahres hat der BGH eine Konkretisierung des Gewahrsamswechsels beim Diebstahl vorgenommen, wobei es insbesondere um die examensrelevante Frage der Begründung neuen Gewahrsams durch Verbringen der Sache in eine Gewahrsamsenklave ging. Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Es ging um die Mitnahme von sechs Flaschen Alkohol, die der Täter T in einen Einkaufskorb und dann in seine Sporttasche legte, welche er verschloss, um die Flaschen ohne Bezahlung für sich zu behalten. Er wurde aber vor Verlassen des Ladens vom Ladendetektiv aufgehalten.
Zur Bestimmung, ob eine Wegnahme vorliegt, stellt der BGH auf die Gesamtumstände des konkreten Falls unter Berücksichtigung von Größe, Gewicht und Transportmöglichkeit der jeweiligen Sache ab:

„Danach macht es einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, namentlich schwere Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht. Bei unauffälligen, leicht beweglichen Sachen […] lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Wegnahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen. Steckt der Täter einen Gegenstand in Zueignungsabsicht in seine Kleidung, so schließt er allein durch diesen tatsächlichen Vorgang die Sachherrschaft des Bestohlenen aus und begründet eigenen ausschließlichen Gewahrsam.“

Das gilt unabhängig davon, wenn sich die handelnde Person noch im Gewahrsamsbereich des Berechtigten – hier des Supermarktes befindet. Für Fälle wie den Vorliegenden gilt daher:

„Für ohne Weiteres transportable, handliche und leicht bewegliche Sachen kann jedenfalls dann nichts anders gelten, wenn der Täter sie in einem Geschäft – wie hier – in Zueignungsabsicht in eine von ihm mitgeführte Hand-, Einkaufs-, Akten- oder ähnliche Tasche steckt; hierdurch bringt er sie in ebensolcher Weise in seinen ausschließlichen Herrschaftsbereich wie beim Einstecken in seine Kleidung.“

Die Strafbarkeit wegen vollendeten Diebstahls ist im vorliegenden Fall somit gegeben. S. zu diesem Urteil unsere Besprechung.
 
BGH, Beschl. v. 7.5.2019 – 1 StR 150/19: Niedrige Beweggründe bei Tötung des Intimpartners
Zu folgendem Fall (gekürzt) erging im Mai dieses Jahres ein Beschluss des BGH: Zwischen T und seiner Ehefrau F kam es vor allem wegen des täglichen Alkoholkonsums des T zu Streit, wobei sich F von T trennte und ihn aufforderte, aus ihrer Wohnung auszuziehen. Auch am nächsten Morgen beharrte sie auf ihrem Entschluss. Als sie das Haus verließ, um zur Arbeit zu gehen, folgte T ihr mit einem Messer in der Jackentasche und dem Vorhaben, sie zu töten, sollte sie ihm keine weitere Chance geben. F verneinte das Ansinnen des T und wandte sich von ihm ab, sodass T ihr, die sich keines Angriffs versah, von hinten vier Mal in den Rücken stach. F drehte sich überrascht um und ging infolge weiterer gegen die Brust geführter Stiche zu Boden. T setzte sich sodann auf die auf dem Rücken liegende F und stach weiter wuchtig auf ihren Brustbereich ein, wobei ihre Versuche, die Stiche abzuwehren, erfolglos blieben. T ließ erst von ihr ab, als sie regungslos liegenblieb. F starb durch die Blutungen.
Die Überlegungen des LG München, es handle sich um einen Mord, bei welchem die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe vorliegen, stimmte der BGH nur teilweise zu: Während das Merkmal der Heimtücke gegeben sei, sei hinsichtlich der niedrigen Beweggründe, anders als vom LG vorgenommen, weder maßgeblich darauf abzustellen,

„ob der Täter tatsachenfundiert auf den Fortbestand der Verbindung zum Opfer vertrauen durfte, noch darauf, wie der Zustand der Beziehung war, ob sich das Tatopfer aus nachvollziehbaren Gründen zur Trennung entschlossen hat, ob der Täter seinerseits maßgeblich verantwortlich für eine etwaige Zerrüttung der Partnerschaft war und ob er – dies ist ohnehin stets der Fall – ,die Trennungsentscheidung‘ des Partners ,hinzunehmen‘ hatte. Derartige Erwägungen sind zwar für die entscheidende Frage, ob die – stets als verwerflich anzusehende – vorsätzliche und rechtswidrige Tötung eines Menschen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehrt, nicht ohne jede Bedeutung; allein der Umstand, dass sich die Trennung des Partners wegen des Vorverhaltens des Täters und des Zustands der Beziehung als „völlig normaler Prozess“ darstellt und (daher) von diesem hinzunehmen ist, ist aber nicht geeignet, die Tötung des Partners, die wie jede vorsätzliche und rechtswidrige Tötung verwerflich ist, als völlig unbegreiflich erscheinen zu lassen.“

Zu beachten ist bei der Prüfung auch, dass nach Auffassung des BGH der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden darf.
 
BGH, Urt. v. 3.7.2019 – 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18: Grundsatzurteile zur Sterbehilfe
Medial auch im Fokus standen zwei Urteile zur Sterbehilfe, die der BGH diesen Sommer erlassen hat. Es ging um die Strafbarkeit zweier Ärzte: Der im Hamburger Verfahren angeklagte Facharzt erstellte für zwei Frauen, die sich an einen Sterbehilfeverein gewandt hatten, neurologisch-psychiatrische Gutachten zu ihrer Einsichts- und Urteilsfähigkeit. Hierbei hatte er an der Festigkeit und Wohlerwogenheit ihrer Suizidwünsche keine Zweifel. Auf ihr Verlangen wohnte er auch der Einnahme der tödlich wirkenden Medikamente bei und unterließ Rettungsmaßnahmen. Eine Strafbarkeit nach §§ 216 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB und nach § 323c StGB wurde bereits in der Vorinstanz aufgrund der Tatherrschaft der Frauen über die Todesherbeiführung verneint. Der andere Arzt, um dessen Strafbarkeit es im Berliner Verfahren ging, war Hausarzt der Suizidwilligen, die an einer nicht lebensbedrohlichen, aber stark krampfartige Schmerzen verursachenden Krankheit litt und bereits mehrere Suizidversuche unternommen hatte. Er besorgte ihr ein tödlich wirkendes Medikament und betreute sie, als sie nach der Einnahme des Medikaments bewusstlos wurde. Auch er nahm keine Rettungsmaßnahmen vor. Auch hier wurde die Strafbarkeit abgelehnt, denn die Beschaffung des Medikaments eine straflose Beihilfe zur eigenverantwortlichen Selbsttötung.
Zwar lagen die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit durch Unterlassen im Grundsatz wohl vor, wenn auch die Frage nach der Garantenstellung weitestgehend offen gelassen wurde. Allerdings verneinte der BGH die Pflicht zur Abwendung des Todeserfolgs:

„Beide Angeklagte waren nach Eintritt der Bewusstlosigkeit der Suizidentinnen auch nicht zur Rettung ihrer Leben verpflichtet. Der Angeklagte des Hamburger Verfahrens hatte schon nicht die ärztliche Behandlung der beiden sterbewilligen Frauen übernommen, was ihn zu lebensrettenden Maßnahmen hätte verpflichten können. Auch die Erstellung des seitens des Sterbehilfevereins für die Erbringung der Suizidhilfe geforderten Gutachtens sowie die vereinbarte Sterbebegleitung begründeten keine Schutzpflicht für deren Leben. Der Angeklagte im Berliner Verfahren war jedenfalls durch die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der später Verstorbenen von der aufgrund seiner Stellung als behandelnder Hausarzt grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Rettung des Lebens seiner Patientin entbunden.“ (Pressemitteilung Nr. 90/2019)

Konsequenterweise war daher auch nicht von einer Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB auszugehen. Im Ergebnis verneinte der BGH daher insgesamt die Strafbarkeit der Ärzte. Da sich im Rahmen der Sterbehilfe jedenfalls komplizierte Fälle stellen lassen, sind diese Entscheidungen besonders (examens-)relevant.
Vgl. hierzu auch unsere umfassende Besprechung.
 
Strafprozessrecht
 
BVerfG, Beschl. v. 5.7.2019 – 2 BvR 167/18: Neues zur Wahlfeststellung
Das BVerfG hat sich im Sommer mit der echten Wahlfeststellung beschäftigt. Zur Erinnerung: Die echte Wahlfeststellung kommt infrage, wenn sicher ist, dass der Täter einen von mehreren möglichen Straftatbeständen erfüllt hat, aber nicht klar ist, welches Delikt er tatsächlich vorliegt. Daher erfolgt nach Auffassung der Rechtsprechung bei rechtsethischer und physiologischer Vergleichbarkeit oder nach der h. L. bei Identität des Unrechtskerns eine wahlweise Bestrafung. Teilweise bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Wahlfeststellung, insbesondere da es an einer gesetzlichen Grundlage fehle, die aber wegen ihrer strafbarkeitsbegründenden Wirkung erforderlich sei, vgl. Art. 103 Abs. 2 GG. Das BVerfG hat nun jedoch die Verfassungsmäßigkeit bejaht. Zunächst stellte es heraus, dass es sich um eine Entscheidungsregel des Strafverfahrens handle, die nicht den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG berühre. Darüber hinaus sei auch kein Verstoß gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ festzustellen:

„In der Wahlfeststellungssituation hat das Tatgericht aufgrund des jeweils anwendbaren Straftatbestands zu prüfen, auf welche Strafe zu erkennen wäre, wenn eindeutig die eine oder die andere strafbare Handlung nachgewiesen wäre. Von den so ermittelten Strafen ist dann zugunsten des Angeklagten die mildeste zu verhängen. Dass sich hiernach die zu verhängende Strafe durch einen Vergleich (der für jede Sachverhaltsvariante konkret ermittelten Strafen) bestimmt, ändert nichts daran, dass das Tatgericht Art und Maß der Bestrafung einem gesetzlich normierten Straftatbestand entnimmt, genauer dem Gesetz, das für den konkreten Fall die mildeste Bestrafung zulässt.“

Auch der Unschuldsvermutung sei Genüge getan: Zwar könne dem Angeklagten eine konkrete, schuldhaft begangene Straftat nicht nachgewiesen werden, dennoch stünde zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Angeklagte sicher einen von mehreren alternativ in Betracht kommenden Straftatbeständen schuldhaft verwirklicht habe. Demnach ist die echte Wahlfeststellung als verfassungsgemäß zu betrachten.
Diesen Beschluss haben wir ebenfalls ausführlich besprochen.
 
 

11.11.2019/2 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2019-11-11 09:51:002019-11-11 09:51:00Rechtsprechungsüberblick Strafrecht und Strafprozessrecht 2019
Carlo Pöschke

Klassiker des Strafrechts: Tankstellenfälle

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT, Verschiedenes

Zu den Fallkonstellationen, die Jura-Studenten von den ersten Semestern bis zum Examen begleiten, gehören die sog. Tankstellenfälle. Hierbei betankt der Täter sein Fahrzeug an einer Selbstbedienungstankstelle, ohne den Kaufpreis an der Kasse zu entrichten. Die Komplexität dieser Fälle wird bereits deutlich, wenn man das Stichwort in die Google-Suche eingibt. So stellt eine Rechtsratgeber-Seite fest: „Inwieweit hier eine Strafbarkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und unter Juristen umstritten.“ Und genau deshalb erfreuen sich die Tankstellenfälle sowohl in universitären Klausuren als auch im Examen größter Beliebtheit: Zu prüfen sind Straftatbestände wie Diebstahl (§ 242 StGB), Betrug (§ 263 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB), die bereits in frühen Semestern zum Standard-Repertoire eines jeden Prüflings gehören (sollten), Vieles ist juristisch umstritten und durch kleine Abwandlungen lassen sich leicht neue Fallkonstellationen erzeugen. Bei genauem Hinsehen stellt man jedoch fest, dass sich solche Prüfungsaufgaben häufig auf einige wenige Grundfälle zurückführen lassen. Wer diese typischen Fallgestaltungen im Hinterkopf behält, kann auch bei unbekannten Abwandlungen mit der entsprechenden Argumentation und einem guten systematischen Verständnis der Vermögensdelikte in der Klausur punkten.
A. Fallgestaltung 1: Von vornherein zahlungsunwilliger Täter wird nicht beobachtet oder geht irrig davon aus, nicht beobachtet zu werden
Beispielsfall: T, der ständig knapp bei Kasse ist, aber trotzdem mit seinem Sportwagen auf der Straße prahlen möchte, betankt an der Selbstbedienungstankstelle des S seinen fast leeren Tank mit Benzin im Wert von 70 Euro mit der zuvor gefassten Absicht, das Tankstellengelände ohne Entrichten des Kaufpreises wieder zu verlassen. T hat bewusst die Tankstelle des S ausgewählt, da diese noch nicht über moderne Überwachungssysteme verfügt und das Kassenpersonal insb. zu Stoßzeiten mit dem Abkassieren so beschäftigt ist, dass das Geschehen im Außenbereich unbeachtet bleibt. So geschieht es:  Tankstellenmitarbeiter M bekommt von dem Tankvorgang zunächst nichts mit und nimmt von dem Vorfall erst Kenntnis, als T bereits unbehelligt davongefahren ist und ein Kunde ihn über die Sperrung der betreffenden Zapfsäule informiert. Strafbarkeit des T?
I. § 242 Abs. 1 StGB
Indem T den Tank seines Sportwagens an der Selbstbedienungstankstelle des S befüllte, könnte er sich gem. § 242 Abs. 1 StGB wegen Diebstahls strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
a) In objektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand des § 242 Abs. 1 StGB zunächst, dass es sich bei dem Benzin um eine fremde bewegliche Sache handelt. Benzin stellt (unabhängig vom Aggregatzustand) einen körperlichen Gegenstand i.S.d. § 90 BGB dar, der auch tatsächlich fortgeschafft werden kann, mithin eine bewegliche Sache.
Fraglich ist, ob das Benzin für T auch fremd ist. Fremd ist eine Sache, wenn sie zumindest auch im Eigentum eines anderen steht. Insbesondere in der älteren Literatur und Rechtsprechung wurde die Fremdheit des Benzins jedoch abgelehnt: Der Tankstellenbetreiber unterbreite dem sich selbst bedienenden Kunden bereits mit Aufstellen der Tanksäule ein Angebot auf Übereignung des Benzins, das vom Kunden durch Einfüllen des Kraftstoffs in den Tank angenommen werde. Insofern vollziehe sich die Übereignung bereits an der Tanksäule gem. § 929 S. 1 BGB (OLG Düsseldorf NJW 1982, 249; Herzberg, NJW 1984, 896, 898). Nach der Gegenansicht sei die Fremdheit der Sache sehr wohl zu bejahen. Ganz überwiegend wird argumentiert, dass sich – sofern nicht ohnehin ein Eigentumsvorbehalt gem. § 449 BGB vereinbart wurde – die dingliche Einigung wie beim Kauf in Selbstbedienungsläden erst nach § 929 S. 2 BGB an der Kasse vollziehe (OLG Koblenz NStZ-RR 1998, 364; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl. 2017, § 242 Rn. 17). Denkbar wäre auch, einen gesetzlichen Eigentumserwerb des Tankenden gem.  § 948 Abs. 1 BGB i.V.m. § 947 Abs. 1 BGB anzunehmen. Da der Tankende über § 948 Abs. 1 BGB i.V.m. § 947 Abs. 1 BGB jedoch bloß Miteigentümer der Sache wird, wäre das Benzin für T immer noch fremd. Die Ansicht, die einen Eigentumsübergang bereits an der Tanksäule nach Maßgabe des § 929 S. 1 BGB annimmt, vermag nicht zu überzeugen, weil sie den Anschauungen des täglichen Lebens zuwiderläuft und mit einer Auslegung von Willenserklärungen nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB nicht zu vereinbaren ist. Denn es wird regelmäßig nicht dem Willen des Tankstelleninhabers entsprechen, an seine Kunden vorzuleisten. Vielmehr soll die Leistung Zug-um-Zug, d.h. Ware gegen Geld, erfolgen. Ob sich die Übereignung rechtsgeschäftlich nach § 929 S. 2 BGB an der Kasse oder gesetzlich nach § 948 Abs. 1 BGB i.V.m. § 947 Abs. 1 BGB vollzieht, ist nicht zu entscheiden, da beide Ansichten zu dem Ergebnis kommen, dass das Benzin eine für T fremde Sache ist.
Somit stellt das Benzin ein taugliches Tatobjekt dar.
b) Weiterhin müsste T dem S das Benzin weggenommen haben. Unter Wegnahme versteht man den Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendig tätereigenen Gewahrsams. Dabei ist Gewahrsam die tatsächliche Herrschaft eines Menschen über eine Sache, die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen und in ihrer Reichweite von der Verkehrsanschauung begrenzt wird. Vor Beginn des Betankungsvorgangs lag der Gewahrsam am Benzin bei S. Durch Befüllung des Tanks wurde dem S der ungehinderte Zugriff auf das Benzin entzogen, während T fortan – auch unter Zugrundlegung der Verkehrsanschauung – über das Benzin verfügen konnte. Insoweit hat er neuen Gewahrsam am Benzin begründet. Fremder Gewahrsam wird jedoch nur dann gebrochen, wenn der Täter gegen oder ohne den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers handelt. Dies wäre nicht der Fall, wenn die Begründung des neuen Gewahrsams am Benzin von einem tatbestandausschließenden Einverständnis des bisherigen Gewahrsamsinhabers (hier S) gedeckt wäre. Nach h.M. beinhaltet die Eröffnung einer Selbstbedienungstankstelle das generelle Einverständnis in die Entnahme von Kraftstoff. Wer die Zapfsäule ordnungsgemäß bediene, nehme selbst dann nicht weg, wenn er von vornherein nicht vorhat, das Benzin zu bezahlen (MüKo-StGB/Schmitz, 3. Aufl. 2017, § 242 Rn. 108 m.w.N.). Dies wird von einer Mindermeinung bestritten, die das Einverständnis nicht nur an die ordnungsgemäße Bedienung, sondern zusätzlich an die ordnungsgemäße Bezahlung geknüpft sieht und insofern auf einen rein innerlich gebliebenen Vorbehalt abstellt. Letztgenannte Ansicht führt jedoch dazu, dass die Abgrenzung zwischen Wegnahme i.S.v. § 242 Abs. 1 StGB und Täuschung i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB verwischt und ist daher abzulehnen (so auch Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl. 2019, § 242 Rn. 36a). Damit ist auch im vorliegenden Fall von einem unbedingten Einverständnis des S in den Gewahrsamsübergang auszugehen, das eine Wegnahme ausschließt.
2. Ergebnis
T hat sich nicht gem. § 242 Abs. 1 StGB wegen Diebstahls strafbar gemacht.
II. § 263 Abs. 1 StGB
Durch dieselbe Handlung könnte sich T gem. § 263 Abs. 1 StGB wegen Betrugs gegenüber M zu Lasten S strafbar gemacht. Der Betrugstatbestand erfordert im objektiven Tatbestand zunächst eine Täuschung über Tatsachen, worunter jedenfalls jedes Verhalten mit Erklärungswert fällt, das irreführend auf das Vorstellungsbild eines anderen einwirkt. Weil T jedoch bis Beendigung des Tankvorgangs vom Tankstellenpersonal unberücksichtigt blieb, konnte er bereits gar nicht auf das Vorstellungsbild eines anderen einwirken. T hat sich nicht gem. § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Anmerkung: Gäbe es im Sachverhalt nicht den Hinweis darauf, dass die Tankstelle über keine Überwachungssysteme verfügt und die Mitarbeiter regelmäßig nicht das Außengelände überwachen, müsste geprüft werden, ob sich T gem. § 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB wegen versuchten Betrugs gegenüber M zu Lasten S strafbar gemacht hat. Hier könnte bspw. angeführt werden, dass bei realitätsnaher Betrachtung stets mit der Möglichkeit der unmittelbaren oder durch Überwachungsanlagen vermittelten Wahrnehmung zu rechnen ist und deshalb mit bedingtem Täuschungsvorsatz gehandelt wurde (OLG Köln NJW 2002, 1059, 1060).
III. § 246 Abs. 1 StGB durch Befüllen des Tanks
Durch dieselbe Handlung könnte sich T gem. § 246 Abs. 1 StGB wegen Unterschlagung strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
a) Dass das Benzin eine fremde bewegliche Sache ist, wurde bereits zuvor ausgeführt.
b) Des Weiteren müsste sich T das Benzin zugeeignet haben. Erforderlich ist die objektive Manifestation eines Selbst- oder Drittzueignungswillens. T wollte das Benzin der Einwirkungssphäre des S dauerhaft entziehen, um es selbst zu behalten. Er handelte also mit Zueignungswillen. Problematisch erscheint hingegen, ob auch ein über den bloßen Zueignungswillen hinausgehender objektiver Zueignungsakt vorliegt.
Die sog. enge Manifestationstheorie der h.L. stellt darauf ab, ob ein nach außen erkennbares Verhalten des Täters verlässlich zum Ausdruck bringt, dass der Täter die Sache behalten will. Dies sei aus der Sicht eines objektiven Beobachters zu beurteilen, der abgesehen vom Zueignungswillen des Täters alle tatsächlichen Umstände des Falls kennt. Der Tankvorgang stellt sich dabei als ein „an sich neutrale[r] Vorgang“ (Borchert/Hellmann, NJW 1983, 2799, 2800) dar. Zu diesem Zeitpunkt kann ein objektiver Beobachter ohne Kenntnis des Täterwillens nämlich noch nicht sagen, ob der sich ansonsten unauffällig verhaltende Tankende die Tankstelle ohne Bezahlung des Kaufpreises verlassen wird oder ordnungsgemäß bezahlen wird und an der Kasse das Eigentum am Benzin erwerben wird. Nach dieser Ansicht wurde der Zueignungswille mithin nicht manifestiert.
Nach der sog. weiten Manifestationstheorie, die insb. von der Rspr. vertreten wird, kann hingegen jede beliebige Handlung als Ausdruck des Zueignungsinteresses verstanden werden, soweit ein objektiver Beobachter bei Kenntnis des Täterwillens das Verhalten als Bestätigung des Willens ansieht. Vorliegend würde ein objektiver Beobachter bei Kenntnis des Täterwillens das Betanken des Fahrzeugs bereits als Manifestation des Willens betrachten.
Die vorgestellten Ansichten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodass der Streit zu entscheiden ist. Würde man der Ansicht der Rspr. folgen, hätte dies zur Konsequenz, dass eine Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung nahezu unmöglich würde. Außerdem lässt sich aus § 22 StGB, wonach eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung unmittelbar zu ihr ansetzt, e contrario ableiten, dass die Vorstellungen des Täters im Rahmen des objektiven Tatbestands keine Berücksichtigung finden soll. Die weite Manifestationstheorie führt aber gerade dazu, dass der objektive Tatbestand vom subjektiven Tatbestand her interpretiert wird (vgl. MüKo-StGB/Hohmann, 3. Aufl. 2017, § 246 Rn. 18). Aus den genannten Gründen verdient die enge Manifestationstheorie den Vorzug. T hat durch das Befüllen des Tanks den Zueignungswillen nicht manifestiert hat.
2. Ergebnis
T hat sich durch das Befüllen des Tanks nicht gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
IV. § 246 Abs. 1 StGB durch Wegfahren
Dadurch, dass T unbehelligt davonfuhr, könnte er sich jedoch gem. § 246 Abs. 1 StGB wegen Unterschlagung strafbar gemacht haben.
Das Benzin ist ein taugliches Tatobjekt (s.o.).
Durch das Wegfahren wird vorliegend auch nach der engen Manifestationstheorie der Zueignungswille des T nach außen manifestiert.
T hatte keinen fälligen und einredefreien Anspruch auf das Benzin, sodass die Zueignung rechtswidrig war.
T handelte vorsätzlich.
Die Tat war auch rechtswidrig und schuldhaft.
T hat sich, indem er unbehelligt davonfuhr, gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
IV. Gesamtergebnis
T hat sich gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
B. Fallgestaltung 2: Anfänglich zahlungswilliger Täter fasst mit Abschluss des Tankvorgangs den Entschluss, die Tankstelle ohne Bezahlung des Kraftstoffs zu verlassen
Beispielsfall: T hat im vergangenen Monat mit seinem Geld gut gehaushaltet und hat sich 70 Euro beiseitegelegt, um seinen Sportwagen endlich wieder einmal vollzutanken. Er fährt zu der Selbstbedienungstankstelle des S in der Absicht, den Wagen vollzutanken und den Kaufpreis nach Beendigung des Tankvorgangs zu bezahlen. Er befüllt den Tank seines Sportwagens mit Benzin im Wert von 70 Euro. Auf dem Weg zur Kasse regt er sich jedoch über die Gewinnsucht der großen Ölkonzerne auf und sieht es gar nicht ein, die Reichen noch reicher zu machen. Um nicht aufzufliegen, entnimmt er deshalb aus dem Kühlregal des Tankstellenshops eine Dose Bier und bezahlt diese (aber nicht die Tankfüllung) an der Kasse. Wie von T erhofft geht die Tankstellenmitarbeiterin M irrig davon aus, dass T nur die Dose Bier bezahlen möchte und nicht getankt hat. Daraufhin fährt T unbehelligt davon. Strafbarkeit des T?
I. § 242 Abs. 1 StGB
Indem T den Tank seines Sportwagens an der Selbstbedienungstankstelle des S befüllte, könnte er sich gem. § 242 Abs. 1 StGB wegen Diebstahls strafbar gemacht haben.
Das Benzin ist eine für T fremde bewegliche Sache (s.o.).
T müsste den Kraftstoff auch weggenommen haben. Dass T eigenen Gewahrsam am Benzin begründet hat, steht außer Frage. Jedoch ist die Aufhebung des Gewahrsams des S von einem tatbestandsausschließenden Einverständnis gedeckt, da es Sinn und Zweck einer Selbstbedienungstankstelle ist, Benzin in den eigenen Tank zu füllen. Auch die bereits dargestellte Mindermeinung, die das Einverständnis zusätzlich an die ordnungsgemäße Bezahlung geknüpft sieht und insofern auf einen rein innerlich gebliebenen Vorbehalt abstellt, kommt zu keinem anderen Ergebnis. Denn hier hatte T anfänglich vor, den Kaufpreis an der Kasse zu bezahlen. K hat den Kraftstoff nicht weggenommen.
Er hat sich nicht gem. § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
II. § 263 Abs. 1 StGB
T könnte sich gem. § 263 Abs. 1 StGB wegen Betrugs gegenüber M zu Lasten S strafbar gemacht haben, indem er nur die Bierdose an der Kasse vorlegte.
1. Objektiver Tatbestand
a) T müsste M getäuscht haben. Eine Täuschung ist jedes Verhalten mit Erklärungswert, das irreführend auf das Vorstellungsbild eines anderen einwirkt. Ausdrücklich hat T hier nicht getäuscht. Jedoch hat T dadurch, dass er nur die Bierdose vorlegte, zu erkennen gegeben, dass dies alles sei, was er bezahlen müsse. M wurde also konkludent von T getäuscht.
b) Aufgrund dieser Täuschung müsste bei M ein Irrtum hervorgerufen worden sein. Ein Irrtum liegt bei einem Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung und der Wirklichkeit vor. Hier liegt die Abweichung darin, dass M aufgrund des vorangegangenen Verhaltens des T glaubte, T müsse nur die Bierdose und nicht auch für getankten Kraftstoff bezahlen. Es liegt ein Irrtum vor.
c) Dieser Irrtum müsste zu einer Vermögensverfügung geführt haben. Eine Vermögensverfügung wird definiert als jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar zu einer Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinn führt. Vorliegend hat es M unterlassen, die Kaufpreisforderung des S i.H.v. 70 Euro gegen T geltend zu machen. Dass Verfügender (M) und Geschädigter (S) nicht übereinstimmen, stellt grds. kein Problem dar, da im Rahmen des § 263 StGB der Dreiecksbetrug allgemein anerkannt ist. Damit M und S eine Zurechnungseinheit bilden, müssten sich die beiden Personen aber in einem besonderen Näheverhältnis befinden. Streitig ist in diesem Zusammenhang, welche Anforderungen an die Qualität der Nähebeziehung zu stellen sind. Die strengste Ansicht, die sog. objektive Ermächtigungstheorie, fordert, dass der Getäuschte zur Vornahme der Verfügung ermächtigt ist. Für gewöhnlich werden Mitarbeiter zu solchen Verfügungen ausdrücklich oder zumindest konkludent bevollmächtigt. Jedenfalls kann aber auf die Vermutung für das Bestehen von Vertretungsmacht aus § 56 HGB („Ladenvollmacht“) abgestellt werden, die sich anhand der Sachverhaltsangaben nicht widerlegen lässt. Da M und S bereits nach der strengsten Ansicht eine hinreichende Nähebeziehung aufweisen, ist nach allen Ansichten eine Vermögensverfügung anzunehmen.
d) Die Vermögensverfügung müsste auch zu einem Vermögensschaden auf Seiten des S geführt haben. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist durch Vermögensvergleich zu ermitteln und liegt demnach vor, wenn die Vermögensminderung nicht im Wege der Saldierung durch die Gegenleistung ausgeglichen wird. Hier fließt keine Gegenleistung, die die Vermögensleistung kompensieren könnte. Dass S zwar gegen T einen schuldrechtlichen Anspruch hat, ändert daran nichts, da eine Forderung wertlos ist, wenn der Schuldner unbekannt ist. Folglich hat S auch einen Vermögensschaden erlitten.
2. Subjektiver Tatbestand
a) T handelte vorsätzlich bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale.
b) T handelte in der Absicht, sich zu bereichern. Der Vorteil des T (ersparte 70 Euro) erweist sich auch als Kehrseite des Schadens (Nichtgeltendmachung der 70 Euro). T handelte in der eigennützigen Absicht stoffgleicher Bereicherung.
3. Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung und entsprechender Vorsatz
Die Bereicherung des T war zudem rechtswidrig, was er auch wusste. T handelte bzgl. der Rechtswidrigkeit der Bereicherung also ebenfalls vorsätzlich.
4. Rechtswidrigkeit und Schuld
Mangels Eingreifen von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen war die Tat rechtswidrig und schuldhaft.
5. Ergebnis: Strafbarkeit nach § 263 Abs. 1 StGB
T hat sich gem. § 263 Abs. 1 StGB wegen Betrugs gegenüber M zu Lasten S strafbar gemacht.
III. § 246 Abs. 1 StGB durch das Vorlegen der Bierdose an der Kasse
Durch dieselbe Handlung könnte sich T gem. § 246 Abs. 1 StGB wegen Unterschlagung
Das Benzin ist ein taugliches Tatobjekt (s.o.).
Durch das Vorspiegeln an der Kasse, er müsse nur für die Bierdose bezahlen, hat T (auch nach der engen Manifestationstheorie) nach außen zum Ausdruck gebracht, dass er sich das Benzin zueignen will.
T hatte keinen fälligen und einredefreien Anspruch auf das Benzin, sodass die Zueignung rechtswidrig war.
T handelte vorsätzlich.
Die Tat war auch rechtswidrig und schuldhaft.
T hat sich durch das Vorlegen der Bierdose an der Kasse gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 IV. § 246 Abs. 1 StGB durch das Wegfahren
Durch das Wegfahren von der Tankstelle könnte sich T gem. § 246 Abs. 1 StGB wegen Unterschlagung strafbar gemacht haben.
Das Benzin ist ein taugliches Tatobjekt (s.o.).
Im Davonfahren ist eine erneute Manifestation des Zueignungswillens zu sehen.
Fraglich ist, wie sich das Verhältnis zur bereits bejahten Strafbarkeit wegen Betrugs und der vorangegangenen Unterschlagung gestaltet. Nach der von Teilen der Literatur vertretenen Konkurrenzlösung (Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl. 2019, § 246 Rn. 19) würden wiederholte Manifestationen des Zueignungswillens bezüglich derselben Sache jeweils eine weitere tatbestandsmäßige Zueignungshandlung darstellen, die im Konkurrenzfall als mitbestrafte Nachtat zurücktrete. Als Argument für diese Auffassung wird angeführt, dass auf diese Weise Verurteilungen bei nicht strafbarer Erstzueignungshandlung sowie wegen Teilnahme an späteren Zueignungshandlungen ermöglicht würden. Letztgenanntes Argument vermag jedoch nicht zu überzeugen, wenn man bedenkt, dass Anschlussstraftaten wie §§ 257, 259 StGB abschließende Regelungen für Verwertungshandlungen vorsehen. Diesem Einwand trägt die Tatbestandslösung (BGH NJW 1960, 684, 685; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl. 2017, § 246 Rn. 38; Rengier, BT I, 20. Aufl. 2018, § 5 Rn. 51 f.) Rechnung, nach der sich ein Täter nach erfolgter Erstzueignung die Sache schon tatbestandlich nicht noch einmal zueignen kann. Für diese Ansicht streitet schon der Wortsinn des § 246 Abs. 1 StGB: Wer sich eine Sache einmal zugeeignet hat, kann sich die gleiche Sache nicht erneut zueignen. Nicht zuletzt würden durch die Konkurrenzlösung die für die Vortaten geltenden Verjährungsfristen (§§ 78 ff. StGB) faktisch aufgehoben. Es hat sich gezeigt, dass die besseren Argumente für die Tatbestandlösung sprechen, sodass sich im vorliegenden Fall T mangels Erfüllung des Tatbestands nicht erneut gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat.
V. Gesamtergebnis und Konkurrenzen
T hat sich gem. § 263 Abs. 1 StGB wegen Betrugs gegenüber M zu Lasten S strafbar gemacht. Der durch Vorlegen der Bierdose an der Kasse verwirklichte § 246 Abs. 1 StGB tritt im Wege der ausdrücklich in der Vorschrift geregelten Subsidiarität gegenüber § 263 Abs. 1 StGB zurück.
C. Fallgestaltung 3: Von vornherein zahlungsunwilliger Täter wird vom Tankstellenperson beobachtet
Am einfachsten stellt sich der Fall dar, wenn ein von Anfang an zahlungsunwilliger Täter davon ausgeht, beobachtet zu werden und sich deshalb wie ein redlicher Kunde verhält. Hier wäre die Betrugsstrafbarkeit gem. § 263 Abs. 1 StGB lehrbuchmäßig zu prüfen, ohne dass sich neue Probleme ergäben. Durch das Auftreten wie ein redlicher Kunde täuscht der Täter konkludent über seine Zahlungsbereitschaft, wodurch er beim Tankstelleninhaber bzw. dessen Personal den Irrtum hervorruft, er werde den Kaufpreis für den Kraftstoff entrichten. Im Rahmen der Vermögensverfügung wäre dann kurz anzusprechen, dass die Vermögensverfügung nach einer Ansicht in der dinglichen Einigung nach § 929 S. 1 BGB liegt, nach der (überzeugenden) Gegenansicht in der Gestattung des Besitzwechsels, wobei dieser Streit nicht entscheidungserheblich ist. Für den Fall, dass die Täuschung gegenüber einem Angestellten verübt wurde, wäre kurz darauf einzugehen, ob getäuschter Verfügender und Geschädigter eine fiktive Zurechnungseinheit bilden, indem zwischen ihnen eine hinreichende Nähebeziehung besteht. Im Ergebnis ist nach einhelliger Ansicht eine Strafbarkeit wegen Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB oder im Falle fehlender Beobachtung wegen versuchten Betrugs nach §§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB zu bejahen (zu dieser Fallkonstellation s. auch Borchert/Hellmann, NJW 1983, 2799; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl. 2017, § 242 Rn. 46).
D. Fazit
Der eilige Leser wird die längeren Ausführungen wahrscheinlich nur rasch überflogen haben und im Fazit nach der Antwort auf die Frage suchen, wie sich ein Täter strafbar macht, der an einer Selbstbedienungstankstelle tankt ohne zu bezahlen. Die wenig erfreuliche Antwort lautet: Inwieweit hier eine Strafbarkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und unter Juristen umstritten. Die vorgestellten Fallgruppen können jedoch bei einer Ordnung der ersten Gedanken hilfreich sein und können verhindern, dass wichtige Probleme übersehen werden. Nichtdestotrotz sollte man nicht in ein allzu starres „Schubladendenken“ verfallen. Das kann dazu führen, dass eingebaute Probleme übersehen werden oder schlimmstenfalls ein Fall gelöst wird, der so gar nicht zur Bearbeitung steht. Insgesamt sollte der Bearbeiter bei Tankstellenfällen seinen Blick verstärkt auf die Straftatbestände der §§ 242, 263 sowie 246 StGB einschließlich Versuchsstrafbarkeiten richten.

25.09.2019/4 Kommentare/von Carlo Pöschke
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Carlo Pöschke https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Carlo Pöschke2019-09-25 09:30:312019-09-25 09:30:31Klassiker des Strafrechts: Tankstellenfälle
Dr. Lena Bleckmann

BVerfG zur Versammlungsfreiheit: Strafrechtliche Verurteilung eines nur „faktischen Leiters“ einer nicht angemeldeten Versammlung verfassungsgemäß

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In einem nun veröffentlichten Nichtannahmebeschluss vom 9.7.2019 (Az. 1 BvR 1257/19) hatte das Bundesverfassungsgericht sich mit der Frage zu befassen, ob eine strafrechtliche Verurteilung nach § 26 Abs. 2 VersG (Durchführung einer nicht angemeldeten Versammlung) gegen die Versammlungsfreiheit des Beschwerdeführers sowie gegen das strafrechtliche Analogieverbot und das Schuldprinzip verstößt.
Sowohl in Klausuren im Grundstudium als auch im Examen ist die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG ein sehr beliebtes Prüfungsthema. Zusätzlich wandte sich der Beschwerdeführer vorliegend gegen ein Urteil, sodass eine Urteilsverfassungsbeschwerde zu prüfen ist, deren Prüfung vielen Studierenden Probleme bereitet. Die Entscheidung gibt Anlass, die Wesenszüge beider Themengebiete zu wiederholen. 
I. Sachverhalt (verkürzt und abgewandelt)
Der Beschwerdeführer A organisierte im Februar 2017 eine Demonstrationsveranstaltung auf einer Autobahnbrücke, an der neben ihm vier weitere Personen teilnahmen. Die Veranstaltung erfolgte als Ausdruck einer „Anti-Atom-Bewegung“. Zwei Teilnehmer seilten sich von der Brücke ab und spannten ein beschriftetes Banner zwischen sich auf. Die gesamte Veranstaltung wurde vom Beschwerdeführer durch Anweisungen koordiniert und auch beendet. Eine Anmeldung nach § 14 VersG erfolgte nicht. Die Teilnehmer waren mit dem Auto angereist und hatten Banner und Schilder vorbereitet. Zuvor hatten sie auch die Presse über die Veranstaltung informiert. A wurde vom Amtsgericht als faktischer Leiter der Versammlung wegen Durchführung einer nicht angemeldeten Versammlung nach § 26 Abs. 2 VersG verurteilt. Hierdurch fühlt er sich in seinen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten verletzt.
Hat die zulässige Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg?
II. Lösung
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn A durch die gerichtliche Entscheidung in spezifisch verfassungsrechtlicher Weise in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt ist. (Hier sollte der Bearbeiter kurz ausführen, dass das Bundesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz ist und Verletzungen des einfachen Rechts somit außer Betracht bleiben).
1. In Betracht kommt eine Verletzung der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG.
(Anm: Das BVerfG prüfte in seinem Beschluss zunächst die Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG sowie des Gebots „Keine Strafe ohne Schuld“ aus Art. 2 Abs. 1 GG. Um jedoch den Aufbau der Urteilsverfassungsbeschwerde besser darstellen zu können, erfolgt hier zunächst die Prüfung der Versammlungsfreiheit, deren Aufbau Studenten geläufiger sein dürfte).  
a. In den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fällt die Zusammenkunft mehrerer Personen (nach hM mindestens zwei) zu einem gemeinsamen Zweck, wobei die Anforderungen an den Zweck umstritten sind (siehe dazu hier unseren Beitrag zu Art. 8 GG). Die Teilhabe an der Meinungsbildung in öffentlichen Angelegenheiten, wie vorliegend die Demonstration gegen den Einsatz atomarer Energie, genügt den Anforderungen jedenfalls. Die Versammlung muss friedlich und ohne Waffen verlaufen, was hier der Fall ist. Die Veranstaltung auf der Brücke fällt somit unter Art. 8 Abs. 1 GG. Es handelt sich um ein Deutschengrundrecht, von der deutschen Staatsangehörigkeit des A gem. Art. 116 Abs. 1 GG ist auszugehen.
b. Indem das Gericht strafrechtliche Sanktionen an die Ausübung der nach Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Tätigkeit anknüpft, hat es auch in den Schutzbereich eingegriffen.
c. Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein.
Für Versammlungen unter freiem Himmel (d.h. solche, die nicht durch eine seitliche Abgrenzung vor unkontrolliertem Zugang von jedermann geschützt sind) sieht Art. 8 Abs. 2 GG einen einfachen Gesetzesvorbehalt vor. Die Versammlung auf der Brücke war jedermann zugänglich und fand so unter freiem Himmel statt. In diesem Fall ist Art. 8 Abs. 1 GG durch oder auf Grund eines Gesetzes beschränkbar.
(Anm: An dieser Stelle folgt die Prüfung der „Schranken-Schranken“, deren Aufbau vielen Bearbeitern bei der Urteilsverfassungsbeschwerde Schwierigkeiten bereitet. Wichtig ist es zunächst zu prüfen, ob die Norm, aufgrund derer die Einschränkung vorgenommen wird, unabhängig von den Umständen des Falles den Anforderungen des GG standhält. Erst danach folgt die Prüfung des Einzelakts, d.h. hier des Urteils. Wo der Schwerpunkt liegt, richtet sich nach den Umständen des Falles. Der Schwerpunkt bei dieser Falllösung liegt eher auf der Ebene des Einzelaktes, nicht bei der Normprüfung.)
Die Verurteilung erfolgt auf Grundlage des § 26 Abs. 2 VersG i.V.m. § 14 VersG. An deren Wirksamkeit können insoweit Zweifel angestellt werden, als dass Art. 8 Abs. 1 GG das Recht verbürgt, sich ohne Anmeldung zu versammeln. Hier sollte der Bearbeiter ausführen, dass die Anmeldepflicht aus § 14 VersG den legitimen Zweck verfolgt, die Sicherheit der Versammlungsteilnehmer zu garantieren und die Belastung Dritter etwa durch Verkehrsregelungen zu mindern. Sie kann im Einzelfall (etwa bei Eil- oder Spontanversammlungen) verfassungskonform ausgelegt werden. Nach Ansicht des BVerfG ist § 14 VersG ebenso verfassungsgemäß wie § 26 VersG. Insbesondere ist die Strafbarkeit des § 26 Abs. 2 VersG auf den Veranstalter und den Leiter der nicht angemeldeten Versammlung beschränkt, die bloße Teilnahme ist nicht mit Strafe bedroht.
(Anm: Im Rahmen einer Urteilsbeschwerde kann es erforderlich sein, auf der Normebene bereits die Vereinbarkeit mit anderen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten zu prüfen, da es um die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes insgesamt geht. Im vorliegenden Fall betreffen die Fragen der Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG und dem Schuldprinzip allerdings die Auslegung im Einzelfall, nicht die Norm selbst, sodass die Prüfung getrennt erfolgt.)
Das Urteil des Amtsgerichts (Einzelaktsprüfung!) müsste im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 GG verfassungskonform sein.
Ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 GG könnte vorliegen, wenn im Fall keine Anmeldepflicht bestand, weil es sich um eine Spontanversammlung handelte. Für solche Versammlungen, die ungeplant und ohne Veranstalter stattfinden, ist in verfassungskonformer Auslegung eine Ausnahme von der Anmeldepflicht zu machen. Indes war die Versammlung auf der Brücke angesichts der vorangegangenen Planung (Anreise, Organisation von Kletterausrüstung, Information der Presse) ersichtlich nicht spontan, sodass die Ausnahme nicht greift.
Art. 8 Abs. 1 GG könnte verletzt sein, weil § 26 Abs. 2 VersG eine Strafbarkeit nur des „Leiters“ der Versammlung vorsieht. Hierbei könnte es sich ausschließlich um den in der Anmeldung gem. § 14 Abs. 2 VersG bezeichneten Leiter handeln. Die vorliegende Versammlung war nicht angemeldet, sodass A auch nicht der angegebene Leiter sein konnte.
Nach Auffassung der Rechtsprechung soll Leiter jedoch der sein, „der persönlich bei der Veranstaltung anwesend sei, die Ordnung der Versammlung handhabe und den äußeren Gang der Veranstaltung bestimme, insbesondere die Versammlung eröffne, unterbreche und schließe“ (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1978, 118).
Das BVerfG führt aus:

„Im Gegenteil legt es der Wortlaut des § 26 Nr. 2 VersammlG nahe, als Leiter im Sinne der Bestimmung auch denjenigen anzusehen, der die Rolle des Versammlungsleiters tatsächlich ausfüllt. Denn die Norm begründet ausdrücklich eine Strafbarkeit nicht nur des Veranstalters, sondern auch des Leiters von Versammlungen oder Aufzügen, die ohne die erforderliche Anmeldung durchgeführt werden.“

„Denn eine solche Auslegung ist geeignet, einer Umgehung des Erfordernisses einer Anmeldung unter Benennung eines Versammlungsleiters entgegenzuwirken, die ansonsten nur gegenüber dem Veranstalter – der gerade bei nicht angemeldeten Versammlungen oftmals nicht ohne weiteres festgestellt werden kann – sanktioniert werden könnte. Sie verwirklicht somit die legitimen Ziele des gesetzlichen Anmeldeerfordernisses, ohne die Versammlungsfreiheit in übermäßiger Weise einzuschränken (…).“

A kontrollierte die Versammlung durch seine Anweisungen und beendete sie auch. Er nahm die Position eines faktischen Leiters ein. Eine Auslegung des § 26 Abs. 2 VersG, nachdem nur der strafrechtlich sanktioniert werden könnte, der in einer Anmeldung nach § 14 Abs. 2 VersG als Leiter angegeben wurde, ließe die Norm faktisch ins Leere laufen, da es bei einer unangemeldeten Versammlung nie einen Leiter geben könnte. Mithin ist die Auslegung des Gerichts, nach der auch der faktische Leiter von § 26 Abs. 2 VersG erfasst ist, mit Art. 8 Abs. 1 GG vereinbar, insbesondere verhältnismäßig.
(Anm: Die Verhältnismäßigkeit ist vom Bearbeiter selbstverständlich im bekannten Schema Legitimer Zweck – Geeignetheit – Erforderlichkeit – Angemessenheit zu prüfen).
A ist durch das Urteil nicht in seiner Versammlungsfreiheit verletzt.
2. Die Auslegung des § 26 Abs. 2 VersG, nach der auch der faktische Leiter erfasst sein soll, könnte gegen das strafrechtliche Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen.

BVerfG: „Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Bedeutung dieser Verfassungsnorm erschöpft sich nicht im Verbot der gewohnheitsrechtlichen oder rückwirkenden Strafbegründung. Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein striktes Bestimmtheitsgebot für die Gesetzgebung sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie.“

Nach Ansicht des BVerfG schließe der Begriff es zwar aus, die bloße Teilnahme zu bestrafen, der Begriff des Leiters unterliege aber einem Auslegungsspielraum (siehe dazu bereits die Argumentation oben). Aus § 14 Abs. 2 VersG könne nicht entnommen werden, dass nur der in der Anmeldung genannte Leiter von der Strafbarkeit des § 26 Abs. 2 VersG erfasst sein soll, da vorgenannte Norm nur die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Anmeldung regle. Die Wortlautgrenze ist nicht überschritten, das Analogieverbot ist nicht verletzt.
3. Die Auslegung könnte gegen das Schuldprinzip verstoßen, weil dem faktischen Leiter die unterbliebene Anmeldung (die dem Veranstalter, nicht dem Leiter obliegt) nicht zur Last gelegt werden kann. Der Grundsatz „nulla poena sine culpa“ ist als Verfassungsprinzip anerkannt. Er besagt, dass Handeln nur bestraft werden kann, wenn es vorwerfbar ist. Der Grundsatz hat keinen Niederschlag im Wortlaut des Grundgesetzes gefunden, wird vom BVerfG aber aus einem Zusammenspiel von Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet (siehe Adam/Schmidt/Schumacher, NStZ 2017, 7 ff.; BVerfG, NvwZ 2003, 1504 m.w.N.). Indes sanktioniert § 26 Abs. 2 VersG nicht die unterbliebene Anmeldung, sondern die Durchführung der nicht angemeldeten Versammlung. Wer in leitender Funktion tätig wird, führt aber die Versammlung gleichwohl durch. Dazu das BVerfG:

„Insoweit steht es jedoch jedem Teilnehmer einer Versammlung frei, an dieser nicht in leitender Funktion mitzuwirken und sie so nicht selbst durchzuführen. Ein Verstoß gegen das Schuldprinzip ist insoweit nicht ersichtlich.“

A ist nicht in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
 
III. Ausblick
Fragen zum Versammlungsrecht sind häufiger Prüfungsgegenstand öffentlich-rechtlicher Klausuren. Sie können in Gestalt einer Grundrechtsklausur oder verbunden mit Fragen des Polizeirechts auftauchen. Die Prüfung der Urteilsverfassungsbeschwerde anhand einer Verurteilung nach § 26 Abs. 2 VersG dürfte eher ungewöhnlich sein, bietet sich aber gerade deswegen besonders für zukünftige Klausuren an. Es gilt, sich nicht von der unbekannten Norm verunsichern zu lassen, und anhand der bekannten Schemata eine vertretbare Lösung zu erarbeiten. Insbesondere bei der verschachtelten Prüfung der Urteilsverfassungsbeschwerde sollte dabei darauf geachtet werden, die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes und des Urteils getrennt zu prüfen.

28.08.2019/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2019-08-28 08:45:212019-08-28 08:45:21BVerfG zur Versammlungsfreiheit: Strafrechtliche Verurteilung eines nur „faktischen Leiters“ einer nicht angemeldeten Versammlung verfassungsgemäß
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zur Erforderlichkeit der Notwehrhandlung

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Mit Beschluss vom 17.04.2019 (Az.: 2 StR 363/18) hat der BGH die Anforderungen an die Erforderlichkeit der Notwehrhandlung i.S.d. § 32 Abs. 2 StGB präzisiert. Konkret widmete er sich der Frage, ob der sofortige Einsatz eines Messers gegenüber dem Angreifer durch Notwehr gerechtfertigt sein kann oder ob die vorherige Androhung des Gebrauchs als milderes Mittel vorrangig zu wählen ist. Anders als die Vorinstanz ging der BGH davon aus, dass im konkreten Fall gemessen an den Besonderheiten der Kampflage der sofortige Messereinsatz ohne vorherige Androhung gegenüber dem unbewaffneten Angreifer erforderlich sein kann. Die Entscheidung soll zum Anlass genommen werden, um sich mit den Voraussetzungen der Notwehr mit besonderer Fokussierung auf das Merkmal der Erforderlichkeit eingehender auseinanderzusetzen. Eine sichere Kenntnis der Notwehrvoraussetzungen ist insbesondere für ein gutes Abschneiden in Strafrecht AT-Klausuren oder der Übung im Strafrecht unentbehrlich. Ein Blick in die Entscheidung lohnt aber nicht nur für die unteren Semester: Auch in Examensklausuren oder mündlichen Prüfungen eignet sich ein Abstecher in die Rechtfertigungsgründe hervorragend, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. 
 
I. Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt):
Was war passiert? W war Wirt in einer Gaststätte und hatte dem C dort Hausverbot erteilt, nachdem dieser die Frau F des W respektlos behandelt hatte. Zudem war der Verdacht aufgekommen, C würde in der Gaststätte mit Drogen handeln. Gleichwohl suchte C die Gaststätte erneut auf. Dies bemerkte die verärgerte F und forderte den W auf, das Lokalverbot durchzusetzen. Zudem fiel auf, dass der C mehrfach in kurzen Abständen die Toilette aufsuchte, sodass F und W vermuteten, dass C dort abermals Drogengeschäfte abwickelte. Daraufhin begab sich W zur Toilette und forderte C auf, die Gaststätte umgehend zu verlassen. Nachdem dieser der Aufforderung nicht nachkam und ausfällig wurde, kündigte W an, die Polizei zu verständigen und ergriff das hinter der Theke im Gastraum befindliche Telefon. C folgte ihm und schlug ihm das Telefon aus der Hand. Im folgenden Verlauf kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung und anschließendem Gerangel, zu dessen Beginn C den W mit der Faust – wenngleich nicht mit voller Wucht – schlug. Die F holte einen Billardstock hervor und hielt ihn drohend in die Höhe, ohne aber einzugreifen. Weitere in der Gaststätte befindliche Personen versuchten, den C zu beruhigen, wohingegen W zunehmend über das Verhalten des C in Wut geriet und sich zudem um das körperliche Wohl der F sorgte. Im Zuge der nun „längstens seit wenigen Minuten andauernden Auseinandersetzung“ ergriff W schließlich für den C unbemerkt ein 26 cm langes Bowiemesser mit einer ca. 16 cm langen und ca. 2,7 cm breiten Klinge. Während C den W weiterhin durch Schubsen und einfaches Schlagen bedrängte, war dem W bewusst, dass der C unbewaffnet war und die von ihm vereinzelt verabreichten Schläge mit allenfalls mittlerer Intensität geführt wurden. Es bestand zu diesem Zeitpunkt weder für den W noch für F Lebensgefahr. Der W wusste überdies, dass C das Messer nicht bemerkt hatte, und dass sich dieser aller Voraussicht nach zurückgezogen hätte, wenn ihm seine zwischenzeitliche Bewaffnung zur Kenntnis gelangt wäre. Auch ging er nicht davon aus, dass seine Möglichkeiten zur Beendigung der körperlichen Attacken beeinträchtigt würden, wenn er dem C zuvor das Messer zeigte. W war aber zwischenzeitlich so in Wut geraten, dass er gleichwohl zum unmittelbaren Messereinsatz entschlossen war. Ohne weitere Ankündigung führte er mehrere schnelle, tangentiale Stichbewegungen in Richtung des Oberkörpers des C aus, um weitere Einwirkungen von ihm abzuwenden. C erlitt Stichverletzungen, die allerdings nicht lebensbedrohlich waren und ließ endgültig von W ab.
 
Strafbarkeit des W?
 
II. Rechtserwägungen
Den Kernpunkt der Entscheidung bildet die Frage, ob die tatbestandlich offensichtlich vorliegende gefährliche Körperverletzung im Wege der Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt ist. Gemäß § 32 Abs. 2 StGB handelt es sich bei Notwehr um die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
 
1. Notwehrlage: Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff
Vorliegen muss hierfür zunächst eine Notwehrlage, die als gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut zu definieren ist. Ein Angriff ist „die von einem Menschen drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen“ (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 17). Das Bedrängen des W durch Schubsen und die leichten Schläge drohten ihn in seiner körperlichen Unversehrtheit zu verletzen, sodass ein Angriff seitens des C evident zu bejahen ist. Der Angriff müsste aber auch gegenwärtig gewesen sein. Dies ist der Fall, wenn eine Rechtsgutsverletzung unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert. Unmittelbar bevorstehend ist nach ständiger Rechtsprechung ein Verhalten, „das zwar noch kein Recht verletzt, aber unmittelbar in eine Verletzung umschlagen kann und deshalb ein Hinausschieben der Abwehrhandlung unter den gegebenen Umständen entweder deren Erfolg gefährden oder den Verteidiger zusätzlicher nicht mehr hinnehmbarer Risiken aussetzen würde“ (vgl. beispielhaft BGH, Beschl. v. 1.2.2017 – 4 StR 635/16, BeckRS 2017, 102724, Rn. 7; BGH, Urt. v. 24.11.2016 – 4 StR 235/16, NStZ-RR 2017, 38, 39 m.w.N.). Hat bereits eine Verletzungshandlung durch den Angreifer stattgefunden, so dauert der Angriff so lange fort, wie eine Wiederholung und damit ein erneutes Umschlagen in eine Verletzung unmittelbar zu befürchten ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Verletzung durch eine erneute Handlung vertieft werden könnte (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 21). Maßgeblich ist dabei die objektive Sachlage, subjektive Befürchtungen des Angegriffenen sind ohne Belang (BGH, Urt. v. 24.11.2016 – 4 StR 235/16, NStZ-RR 2017, 38). Im vorliegenden Fall war dem Geschehen bereits eine verbale und körperliche Auseinandersetzung vorangegangen. Zudem bedrängte der C den W zum maßgeblichen Zeitpunkt immer noch durch Schubsen und leichte Schläge, sodass festzustellen ist, dass der Angriff noch fortdauerte. Mithin handelte es sich auch um einen gegenwärtigen Angriff. Der Angriff stand auch – da der C seinerseits nicht gerechtfertigt handelte – im Widerspruch zur Rechtsordnung, er war mithin rechtswidrig. Eine Notwehrlage lag damit vor.
 
Anmerkung: Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Notwehrlage erfolgt hier aus didaktischen Gründen und sollte selbstverständlich in einem Fall, in dem eine Notwehrlage offensichtlich gegeben ist, aus Gründen der Schwerpunktsetzung kürzer ausfallen.
 
2. Notwehrhandlung
Ferner müsste es sich bei dem sofortigen Messereinsatz um eine erforderliche und gebotene Notwehrhandlung gehandelt haben.
 
a) Erforderlichkeit
Eine in einer Notwehrlage verübte Tat ist erforderlich, wenn sie nach objektiver ex-ante-Sicht zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs führt und sie das mildeste Abwehrmittel darstellt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung steht (s. hierzu auch BGH, Beschl. v. 22.6.2016 – 5 StR 138/16, NStZ 2016, 593, 594). Die Notwehrhandlung müsste damit zunächst überhaupt zur sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs geeignet gewesen sein. Hierbei ist ausreichend, dass der Angriff durch die Handlung abgeschwächt wird. Im konkreten Fall beseitigte der Messereinsatz den Angriff sogar; der C ließ von W ab.
Fraglich ist indes, ob es sich hierbei auch um das mildeste Mittel handelte, das dem W in der konkreten Situation zur Abwehr des Angriffs zur Verfügung stand. Es handelt sich bei einer spezifischen Verteidigungshandlung dann um das relativ mildeste Mittel, wenn unter mehreren bereitstehenden Mitteln dasjenige eingesetzt wird, das sich für den Angreifer am wenigsten gefährlich darstellt. So ist beispielsweise ein Schuss auf die Beine grundsätzlich einem Schuss in die Brust vorzuziehen, gleiches gilt für einen Schlag mit einer Pistole anstelle eines Schusses (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 30). Auch ein Messereinsatz ist in der Regel – vor allem gegenüber einem unbewaffneten Angreifer – vorher anzudrohen. Dabei gilt indes – insbesondere angesichts des Schutzzwecks der Notwehr, auch die Rechtsordnung zu verteidigen: Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen. Konkret heißt das, dass der Täter zwar das mildeste Mittel wählen muss, allerdings werden in die Auswahl nur diejenigen Mittel einbezogen, die auch geeignet sind, den Angriff sofort und endgültig abzuwehren. Sofern weniger gefährliche Verteidigungsmittel zur Verfügung stehen, muss der Angegriffene nur dann darauf zurückgreifen, „wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Die mildere Einsatzform muss im konkreten Fall eine so hohe Erfolgsaussicht haben, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann“ (BGH, Beschl. v. v. 22.6.2016 – 5 StR 138/16, NStZ-RR 2016, 271). Dies hat der BGH in seinem Beschluss noch einmal bezogen auf den sofortigen Messereinsatz ausdrücklich festgestellt:

„Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz eines Messers kann danach durch Notwehr gerechtfertigt sein, ohne dass zunächst aufgrund der konkreten Gefährdungslage der Einsatz eines Messers angedroht werden muss, was bei einem unbewaffneten Angreifer in der Regel jedoch der Fall ist, wenn es hinreichenden Erfolg verspricht.“ (Rn. 10)

Ob also der Einsatz zuvor angedroht werden muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Nach diesen Maßstäben hatte die Vorinstanz die Erforderlichkeit unter anderem mit dem Argument verneint, eine Androhung wäre ebenso gut geeignet gewesen, die Einwirkungen sofort zu beenden, denn C sei unbewaffnet und die Intensität des Angriffs nicht hochgradig gewesen. Überdies habe der C nicht bemerkt, dass W das Messer ergriffen habe, sodass er auf die veränderte Kampflage nicht habe reagieren können. Dem ist der BGH entschieden entgegengetreten:

„Es bleibt an dieser Stelle von der Strafkammer unberücksichtigt, dass sich der Angeklagte einem seit einigen Minuten dauernden Angriff durch den Nebenkläger ausgesetzt sah, der immer wieder von Schlägen begleitet wurde. Dass dieser Angriff nur von einem Gegner geführt wurde, nicht auf das Leben des Angeklagten, sondern „nur“ auf seinen Leib und seine körperliche Unversehrtheit zielte und die Intensität des Angriffs nicht „hochgradig“ war, ändert nichts am Vorliegen einer objektiven Notwehrlage, die den Angeklagten grundsätzlich berechtigte, zur Beendigung dieses Angriffs ein sofort wirksames Mittel einzusetzen.“ (Rn. 13)

Überdies sei die Androhung des Messereinsatzes auch nicht ebenso gut geeignet gewesen, den Angriff sofort und endgültig zu beenden:

„Dass diese Auseinandersetzung sich vor den Augen zahlreicher anderer Gäste zutrug und zudem zwei davon dabei waren, den Nebenkläger zu beschwichtigen und aus dem Thekenbereich zu ziehen, ist – entgegen der Ansicht des Landgerichts – kein Umstand, der in der konkreten Situation dafür sprach, die Androhung des Messereinsatzes wäre genau so erfolgversprechend gewesen. Dies schon deshalb, weil der einige Zeit andauernde Angriff trotz des Eingreifens von zwei Personen, die den Nebenkläger erkennbar erfolglos zu beschwichtigen versuchten, nicht beendet werden konnte. (…) In dieser Situation erweist sich mit Blick auf die Angriffslage und die geringe Kalkulierbarkeit eines Fehlschlagrisikos die Entscheidung des Angeklagten für den Messereinsatz und gegen eine vorherige Androhung als rechtlich unbedenklich. Soweit die Strafkammer insoweit anführt, dem Angeklagten hätten keine Anhaltspunkte für eine Eskalation der Situation vorgelegen, stellt dies kein tragfähiges Argument gegen einen ohne vorherige Androhung erfolgten, unmittelbaren Messereinsatz dar. Denn es geht bei der Entscheidung für ein erforderliches Abwehrmittel im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB nicht darum, ob durch die Androhung des Messereinsatzes eine weitere Eskalation der Situation heraufbeschworen wird; maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob es in der zugespitzten Angriffssituation gewährleistet ist, dass der Angriff endgültig beendet wird.“ (Rn. 14 f.)

Auf dieser Grundlage kann sich also auch der sofortige Messereinsatz gegenüber dem unbewaffneten Angreifer als erforderlich darstellen, wenn in der konkreten Kampfsituation die vorherige Androhung nicht gewährleisten kann, dass der Angriff sofort und endgültig beendet wird. Daher ist im konkreten Fall davon auszugehen, dass die Notwehrhandlung des W erforderlich war.
 
b) Gebotenheit
Des Weiteren müsste die Notwehrhandlung auch geboten gewesen sein. In der Regel wird dies angenommen, wenn sie erforderlich ist. Lediglich in Ausnahmefällen kann die Gebotenheit zu verneinen sein, und zwar dann, wenn unter sozialethischen Gesichtspunkten dem Angegriffenen dennoch ein Notwehrrecht verwehrt werden muss. Von den diesbezüglich anerkannten Fallgruppen (s. hierzu ausführlich Schönke/Schröder/Perron/Einsele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 32 Rn. 43 ff.) ist hier aber keine einschlägig. Mithin war der Messereinsatz auch die gebotene Verteidigung.
 
3. Verteidigungswillen
Schließlich wird – als subjektives Rechtfertigungselement – von der h.M. vorausgesetzt, dass der W mit Verteidigungswillen gehandelt hat. Er muss mithin in Kenntnis der Notwehrlage handeln sowie Absicht im Sinne eines zielgerichteten Wollens besitzen, den Angriff abzuwehren oder zumindest abzuschwächen. Dabei ist es unschädlich, wenn andere Motive wie beispielsweise Wut oder Hass vorliegen, solange der Wille zur Verteidigung nicht als ganz nebensächlich zurücktritt (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 46). Den Angaben im Sachverhalt zufolge war wohl die Wut des W bewusstseinsdominant; gleichwohl ist angesichts der Kampfumstände anzunehmen, dass er den Angriff auch zielgerichtet abwehren wollte – so hat es jedenfalls die Vorinstanz angenommen, was auch durch den BGH nicht beanstandet wurde.
 
Anmerkung: Mangels detaillierter Angaben zum Verteidigungswillen könnte hier in einer Klausur mit guter Begründung sicherlich auch anderes vertreten werden, zumal im Sachverhalt eindeutig die Wut des W in den Vordergrund gestellt wird.
 
4. Ergebnis
Damit war das Handeln des W durch Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt. Eine Strafbarkeit nach §§ 223, 224 StGB scheidet aus.
 
III. Fazit
Bezüglich der Erforderlichkeit der Notwehrhandlung sollte man sich also merken: Der Angegriffene muss zwar das relativ mildeste Mittel wählen, aber in die Auswahl der Verteidigungsmittel werden nur diejenigen einbezogen, die auch geeignet sind, den Angriff sofort und endgültig abzuwehren. Welches Verteidigungsmittel hiervon ausgehend in einer konkreten Situation zu wählen ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Pauschale Aussagen dahingehend, dass der sofortige Messer- oder Waffeneinsatz stets nicht erforderlich ist, soweit eine Androhung noch möglich ist, verbieten sich. Wie der BGH festgestellt hat, kann vielmehr auch ein sofortiger Messereinsatz gegen einen unbewaffneten Angreifer im Wege der Notwehr gerechtfertigt sein, sofern nur ein solcher in der konkreten Situation geeignet ist, den Angriff sofort und endgültig zu beenden.

26.08.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-08-26 09:00:022019-08-26 09:00:02BGH: Neues zur Erforderlichkeit der Notwehrhandlung
Dr. Maike Flink

BVerfG: Neues zur echten Wahlfeststellung

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht

Von Prüflingen gefürchtet und bei Prüfern sehr beliebt ist das Institut der Wahlfeststellung. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der sog. unechten Wahlfeststellung und der sog. echten Wahlfeststellung (zur Abgrenzung beider Institute s. bereits unseren Beitrag BGH: Neues zur Wahlfeststellung). Zur sog. echten Wahlfeststellung – d.h. zur wahldeutigen Veruteilung des Täters – kommt es, wenn sicher ist, dass dieser einen von mehreren möglichen Straftatbeständen erfüllt hat, jedoch unklar bleibt, welches dieser Delikte er tatsächlich verwirklicht hat. Eine eindeutige Bestrafung ist in diesem Fall nicht möglich, sodass eine wahlweise Bestrafung erfolgt, wenn die Tatbestände rechtsethisch und physiologisch vergleichbar sind (Rspr.) oder eine Identität des Unrechtskerns besteht (h.L.). Eine rechtsethische Vergleichbarkeit besteht dabei, wenn die Tatvorwürfe nach Art und Schwere auf Grundlage des allgemeinen Rechtsempfindens vergleichbar sind. Die physiologische Gleichwertigkeit setzt hingegen eine einigermaßen gleichgeartete innere Beziehung des Täters zu den möglichen Verhaltensweisen voraus. Nach der Ansicht der Literatur, die überwiegend auf die Identität des Unrechtskerns abstellt, kommt es demgegenüber darauf an, dass dasselbe Rechtsgut durch beide Delikte betroffen ist und der Handlungsunwert in etwa gleichartig erscheint.
 
I. Worum es geht: Die Verfassungsmäßigkeit der Wahlfeststellung
Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der echten Wahlfeststellung, die eine Ausnahme vom Grundsatz „in dubio pro reo“ darstellt, beschäftigt sowohl die Praxis als auch die Literatur seit geraumer Zeit. In der Vergangenheit hegte insbesondere der 2. Strafsenat des BGH wiederholt Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der echten Wahlfeststellung, da sie nicht auf eine gesetzliche Grundlage gestützt werden könne und damit nicht mit dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG zu vereinbaren sei. Dies sei jedoch zwingend erforderlich, da die echte Wahlfeststellung strafbarkeitsbegründend wirke: Die Verurteilung beruhe letztlich auf keinem der alternativ in Betracht kommenden Straftatbestände, sondern auf einer ungeschriebenen dritten Norm, welche die übereinstimmenden Unrechtselemente beider Delikte in sich vereinige. Insofern seien weder Art noch Ausmaß der Strafe durch den parlamentarischen Gesetzgeber vorgegeben, was einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot darstelle. Zudem werde die Unschuldsvermutung durch die echte Wahlfeststellung verletzt, da dem Angeklagten eine konkrete Straftat gerade nicht nachgewiesen werden könne. Da alle übrigen Strafsenate diese Ansicht nicht teilten, hatte der 2. Strafsenat diese Frage mehrfach dem Großen Strafsenat vorgelegt (zuletzt Vorlagebeschluss v. 2.11.2016, 2 StR 495/12), der jedoch weiterhin an der Verfassungsmäßigkeit der echten Wahlfeststellung festhielt (Beschl v. 8.5.2017, GSSt 1/17).
 
II. Die Entscheidung des BVerfG
Nunmehr hat mit Beschluss v. 5.7.2019 (2 BvR 167/18) erstmal auch das BVerfG in diesem Zusammenhang Stellung bezogen und die sog. echte Wahlfeststellung als verfassungsgemäß eingeordnet. Die echte Wahlfeststellung verletze bereits nicht das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, denn sie wirke nicht strafbarkeitsbegründend. So führt das BVerfG aus:

„Die Regeln zur Wahlfeststellung dienen nicht dazu, materiell-rechtliche Strafbarkeitslücken zu schließen, was allein Aufgabe des Gesetzgebers ist; sie ermöglichen ausschließlich die Bewältigung verfahrensrechtlicher Erkenntnislücken […]. Die ungleichartige Wahlfeststellung ist damit eine besondere, dem Strafverfahren zuzuordnende Entscheidungsregel, die nicht den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG berührt.“

Damit komme es auch nicht zur Anwendung einer ungeschriebenen „dritten Norm“, denn der Angeklagte habe entweder den einen oder den anderen – jeweils gesetzlich bestimmten – Tatbestand erfüllt, sodass er ausschließlich wegen der Verletzung dieser Einzelstraftatbestände wahldeutig verurteilt werde. Dabei stelle das Erfordernis der rechtsethischen und physiologischen Vergleichbarkeit kein materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal dar, sondern diene lediglich dazu, zu gewährleisten, dass der Schuldspruch den Angeklagten nicht unverhältnismäßig belastet, indem sichergestellt wird, dass die Verurteilung an einen ausreichenden einheitlichen Unrechts- und Schuldvorwurf anknüpfe.
Auch sei der Grundsatz „nulla poena sine lege“ des Art. 103 Abs. 2 GG durch die echte Wahlfeststellung nicht verletzt. Dieser dehne zwar das Bestimmtheitsgebot auch auf die Strafandrohung aus, indes werde bei der Wahlfeststellung Art und Ausmaß der Bestrafung einem gesetzlich normierten Tatbestand – nämlich dem für den konkreten Fall mildesten – entnommen:

„In der Wahlfeststellungssituation hat das Tatgericht aufgrund des jeweils anwendbaren Straftatbestands zu prüfen, auf welche Strafe zu erkennen wäre, wenn eindeutig die eine oder die andere strafbare Handlung nachgewiesen wäre. Von den so ermittelten Strafen ist dann zu Gunsten des Angeklagten die mildeste zu verhängen. […] Da bei einer wahldeutigen Verurteilung in allen Punkten die dem Angeklagten günstigste der alternativen Tatgestaltungen zugrunde zu legen ist […], ist schließlich die Verhängung einer den Schuldgrundsatz verletzenden, weil die tatsächliche Schuld übersteigenden, Strafe […] ausgeschlossen.

Zudem sei auch die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung nicht verletzt, denn es stehe jedenfalls fest, dass der Angeklagte sicher eines von mehreren alternativ in Betracht kommenden Delikten verwirklicht habe:

„Jedenfalls dann, wenn diese Straftatbestände einen vergleichbaren Unrechts- und Schuldgehalt besitzen […],  fordert die Unschuldsvermutung keinen Freispruch. Vielmehr stünde ein Freispruch trotz unzweifelhaft strafbaren Verhaltens aufgrund mehrfacher Anwendung des Zweifelssatzes seinerseits in Widerspruch zu dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.“

Denn das Rechtsstaatsprinzip erfordere insbesondere auch die Herstellung materieller Gerechtigkeit, um das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Strafverfahrens zu erhalten. Der Täter werde wegen der alternativen Fassung des Schuldspruchs auch nicht unverhältnismäßig belastet, da eindeutig zum Ausdruck komme, dass die Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage beruht. Ein Verfassungsverstoß liege damit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht vor.
 
III. Ausblick
Das BVerfG hat sich mit seiner Entscheidung der bereits bislang durch den Großen Strafsenat des BGH vertretenen Ansicht angeschlossen und ist ihm auch in der Begründung der Verfassungsmäßigkeit gefolgt. Damit ergeben sich für die Klausurbearbeitung nur wenige Neuerungen. Dennoch ist die echte Wahlfeststellung ein „Dauerbrenner“ in Examensklausuren und erfreut sich auch in der mündlichen Prüfung auf Seiten der Prüfer großer Beliebtheit. Die aktuelle Entscheidung des BVerfG sollte daher zum Anlass genommen werden, sich dieses Rechtsinstitut noch einmal zu vergegenwärtigen um für Prüfungen mit aktuellem Bezug weiterhin gewappnet zu sein.

08.08.2019/2 Kommentare/von Dr. Maike Flink
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maike Flink https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maike Flink2019-08-08 09:36:482019-08-08 09:36:48BVerfG: Neues zur echten Wahlfeststellung
Gastautor

Kurzüberblick: Standardprobleme beim Diebstahl in Selbstbedienungsläden

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Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Dr. Jesko Baumhöfener veröffentlichen zu können. Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht Dr. Baumhöfener ist seit dem Jahr 2008 Strafverteidiger in Hamburg (https://strafverteidigung-hamburg.com). In seiner Praxis betreut er Delikte aus dem Wirtschaftsstrafrecht ebenso wie Schwurgerichtsverfahren oder „kleinere“ Vorwürfe wie Diebstahl und Betrug. Er hat sich besonders auf die Bearbeitung einer Revision im Strafrecht (https://revision-strafrecht.com) spezialisiert.
Der Diebstahl gemäß §242 StGB beinhaltet bereits für sich genommen eine Vielzahl von Problemfeldern, die auch stets Bestandteil von Examensklausuren sind. Dazu gehört sicherlich die Abgrenzung vom Trickdiebstahl zum Betrug gemäß § 263 StGB, das Exklusivitätsverhältnis dürfte den Kandidatinnen und Kandidaten bekannt sein. Während bei einem Diebstahl eine fremde, bewegliche Sache weggenommen wird, stellt der Betrug ein Selbstschädigungsdelikt dar und bedarf einer Vermögensverfügung.
Weitere Probleme liegen in der Definition des Begriffs ,,Wegnahme“, denn es muss sich um einen Bruch fremden Gewahrsams handeln.

,,Wegnahme definiert man als den Bruch fremden Gewahrsams und der Begründung neuen, nicht notwendig tätereigenen Gewahrsams.“

Die Subsumtion des Sachverhaltes unter das Merkmal der ,,Wegnahme“ ist regelmäßig ein Schwerpunkt strafrechtlicher Klausuren. Schon die Frage eines Bruchs kann problematisch sein, oftmals versteckt sich im Sachverhalt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis. Dieses muss aber durch den Gewahrsamsinhaber erfolgen, das Einverständnis des Eigentümers ist an dieser Stelle nicht relevant und vielmals eine falsche Fährte. Ebenso kommt es nicht auf den Besitzer im zivilrechtlichen Sinne an, sondern auf den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft. Ein mittelbarer Besitzer hat keinen Gewahrsam, ein Besitzdiener hat dafür Gewahrsam, ohne Besitzer zu sein.
Dies sind nur Problemfelder im objektiven Tatbestand, zudem können auch Probleme im subjektiven Tatbestand sowie im Bereich der Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe auftauchen.
Für den Selbstbedienungsladen, gemeinhin ein Supermarkt, entstehen Besonderheiten, die im Folgenden dargestellt werden sollen.
1. Vollendung der Tat- Versuchsstrafbarkeit und Gewahrsamsenklave
Eine Tat ist vollendet, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Ist dies der Fall, ist das Stadium des Versuchs gemäß §§ 22, 23 StGB überschritten. Nach der vollendeten Tat kann Beendigung eintreten. Beendigung meint das Manifestieren des gesamten Unrechts der Tat nach außen. Dies ist bei einem Diebstahl dann der Fall, wenn sich der Täter entsprechend weit vom Tatort entfernt hat und die Beute gesichert ist.
 

,,Die Beendigung des Diebstahls setzt voraus, dass der Täter den Gewahrsam an den entwendeten Gegenständen bereits gefestigt und gesichert hat. Dies ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Verlässt der Täter den unmittelbaren Herrschaftsbereich des Opfers (hier: einen Supermarkt), befindet er sich aber noch in Sichtweite des ihn sofort verfolgenden Berechtigten und bleibt damit einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die Beute infolge der Nacheile wieder herausgeben zu müssen, scheidet eine Beendigung selbst dann aus, wenn bis zur Konfrontation durch den Berechtigten mehrere Minuten vergehen.“ BGH 5 StR 395/14 – Urteil vom 8. Oktober 2014

 
Im Selbstbedienungsladen könnte eine Vollendung der Tat daran scheitern, dass ein Ladendetektiv die Ausführung der Tat beobachtet. Hier kommt es darauf an, ob der Ladendetektiv dem vermeintlichen Täter eine sogenannte Diebesfalle gestellt hatte. Wird also ein sehr werthaltiger, kleiner Gegenstand im Regal platziert und hofft der Ladendetektiv, dass jemand die Gunst der Stunde ausnutzt und den Gegenstand einsteckt, liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor. Es fehlt mithin am Bruch im Rahmen der Definition der ,,Wegnahme“.
Der Diebstahl ist jedoch kein heimliches Delikt, weswegen grundsätzlich der beobachtete Diebstahl strafbar ist (BGH, StV 1985, 323), sofern dieser nicht auf einer präparierten Diebesfalle beruht. Es gibt dennoch Mindermeinungen, die einen Gewahrsamsbruch dann verneinen, sobald ein Hindernis in Form des Beobachtens vorliegt. Mit dieser Mindermeinung könnte man sich im ersten Examen noch in der gebotenen Kürze auseinandersetzen, in der Strafrechtsklausur für das zweite Examen wäre dies fatal.
Wie bereits dargelegt, erfordert die Bejahung einer Wegnahme neben dem Bruch fremden Gewahrsams auch zwingend die Begründung nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Daher kann eine Vollendung im Selbstbedienungsladen gegeben sein, sofern eine Gewahrsamsenklave entsteht. Dies bedeutet, während der vermeintliche Täter im Supermarkt steht und die Kassen und den Ausgangsbereich noch nicht passiert hat, können Dritte vom Gewahrsam ausgeschlossen sein. Nach sozialen Anschauungen haben Kunden eines Selbstbedienungsladens jedenfalls dann Alleingewahrsam, wenn sie die Kasse mitsamt Einkaufswagen passiert haben. Das Verstauen in der Hosentasche beispielsweise führt stets dazu, dass ein Dritter vom Gewahrsam ausgeschlossen wird. Nach der Verkehrsauffassung wird kein Fremder ungefragt in die Hosentasche eines anderen Menschen greifen.
Daher hat sich eine Faustformel entwickelt. Zusammenfassend besagt diese, dass eine Gewahrsamsenklave leichter zu begründen ist, desto kleiner die Sache ist.
 

“Namentlich bei Geldscheinen, Münzen und ähnlich handlichen Gegenständen wird regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten als Wegnahmehandlung genügen. Bei anderen Sachen geringen Umfangs ist die Wegnahme in aller Regel jedenfalls dann vollzogen, wenn der Täter diese in seine Kleidung oder in eine mitgeführte Tasche steckt. Damit hat er nach der Verkehrsauffassung die Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers aufgehoben und ein eigenes, dessen freie Verfügungsgewalt ausschließendes, tatsächliches Sachherrschaftsverhältnis hergestellt. Daran ändert auch eine etwaige Beobachtung nichts. Weder ist Diebstahl eine “heimliche” Tat, noch setzt die Vollziehung des Gewahrsamswechsels voraus, dass der Täter endgültigen und gesicherten Gewahrsam erlangt.” (BGH, Urt. v. 3.7.1986, Az. 4 StR 199/86 – Juris)

 
Diese Faustformel wird auch durch ganz aktuelle Urteile bestätigt. So ist ein Diebstahl noch nicht vollendet, wenn ein vermeintlicher Täter einen recht sperrigen Gegenstand noch vor Passieren des Kassenbereichs sichtbar durch den Supermarkt trägt. Dabei ist es gleichgültig, ob der Täter für sich schon entscheiden hat, die Sache zu stehlen. Dies führt dazu, dass der vermeintliche Täter nach wie vor die Möglichkeit hat, durch einen Rücktritt gemäß § 24 StGB die ,,goldene Brücke“ zur Straflosigkeit wahrzunehmen. Derjenige Täter, der kleine Sachen in die Hosentasche steckt, hat diese Möglichkeit aufgrund der Gewahrsamsenklave und der entstehenden Vollendung der Tat nicht mehr. Ungerecht ist diese Rechtsauffassung nicht. Wer Sachen für Dritte sichtbar im Einkaufswagen schiebt, hat in diesem Zeitpunkt nicht dieselbe kriminelle Energie freigesetzt als ein Täter, der kleine Sachen in der Hosen- oder Jackentasche verbirgt.
 

„Das sichtbare Wegtragen von Waren begründet innerhalb der Geschäftsräume noch keinen neuen Gewahrsam des Täters. Sofern er sich dabei noch innerhalb des durch Sicherungsmaßnahmen begrenzten Geschäftsbereichs aufhält, ist der Diebstahl daher nur versucht, nicht aber vollendet.“ (Leitsatz des Gerichts), KG Berlin, Beschluss vom 22.10.2018 – (2) 161 Ss 59/18 (12/18), BeckRS 2018, 31492

 
Nutzt der vermeintliche Täter dagegen mehrere – auch mitgebrachte – Einkaufstüten, um einen Teil der Sachen zu bezahlen und steckt er eine zu stehlende Sache ebenfalls in die Tüte, liegt in diesem Zeitpunkt noch keine Gewahrsamsenklave vor. Dies begründet das Gericht damit, dass eine Einkaufstüte etwas anderes als eine Jackentasche sei und es nicht unüblich sei, dass Kunden mitgebrachte Einkaufstüten dafür verwenden, temporär die Einkäufe zu verstauen. Insoweit muss auf eine objektive Sicht abgestellt werden und nicht auf die subjektive Sicht des Täters.

 

,,Das Wegtragen der umfangreicheren Beute in zwei Tüten begründete innerhalb der Gewahrsamssphäre des Ladeninhabers noch keine Gewahrsamsenklave.” (BGH, Beschl. v. 18.6.2013, Az. 2 StR 145/13)

2. Das Geschehen an der Kasse- Diebstahl, versuchter Diebstahl oder Betrug
Der Täter wird aller Voraussicht tunlichst vermeiden, dass der Kassierer den eingesteckten Gegenstand wahrnimmt und den Täter darauf anspricht oder gar den Ladendetektiv ruft. Daher stellt sich die Frage, ob es eine Vermögensverfügung darstellt, dass der Kassierer den vermeintlichen Täter durch den Kassenbereich passieren lässt, obgleich eine versteckte Sache nicht bezahlt wurde. Dies ist nach einhelliger Rechtsprechung abzulehnen, da der Kassierer gar keine Kenntnis von der versteckten Sache hat. Dann fehlt es bereits an der Situation einer Selbstschädigung, denn es wurde schon gar kein Irrtum durch den Täter hervorgerufen. Der Kassierer hatte sich von vornherein keine Gedanken über einen etwaigen versteckten Gegenstand gemacht, insoweit wurde keine Fehlvorstellung hervorgerufen. Dies ist jedoch Tatbestandsmerkmal gemäß § 263 StGB.
 

,,Wer in einem Selbstbedienungsladen eine Ware in seinem Einkaufswagen verbirgt und die Kasse ohne Bezahlung der versteckten Ware passiert, begeht regelmäßig – vollendeten oder versuchten – Diebstahl, nicht Betrug (im Anschluss an BGH, 13. April 1962, 1 StR 41/62, BGHSt 17, 205). (BGHSt)“

 
Für eine Versuchsstrafbarkeit bleibt insoweit nur Platz, sofern der Täter eine größere Sache vor dem Kassierer verbergen wollte und aufgrund der Sperrigkeit der Sache eine Gewahrsamsenklave noch nicht entstehen konnte. Ein Versuch kommt in aller Regel auch dann zum Tragen, wenn der Täter auf frischer Tat ertappt und spätestens beim Anstellen an der Kasse in das Detektivbüro beordert wird (LG Zwickau, NJW 2006, 166).
Der BGH macht in einem Beschluss (BGH Beschl. v. 26.7.1995 – 4 StR 234/95 (BGHSt 41, 198 ff.) deutlich, dass ein Betrug als Selbstschädigungsdelikt in einer solchen Situation nicht in Betracht kommt, da der Kassierer gerade kein generelles Verfügungsbewusstsein über den gesamten Einkaufswagen des Kunden und vermeintlichen Täters habe. Mit dieser Konstruktion hatte die Vorinstanz einen Betrug angenommen. Letztlich sollte auch in Examensklausuren der Auffassung des BGH gefolgt werden, da ein Kassierer nur über die Sachen verfügen kann, die er tatsächlich im Wagen oder auf dem Band wahrgenommen hat.
In der Zukunft wird es in Selbstbedienungsläden auch immer mehr Selbstbedienungskassen geben. Hierbei treten auch Problemfelder auf, die auf der Abgrenzung von Diebstahl und (Computer-) Betrug beruhen. Wer eine Zeitschrift selbst an der Kasse einscannt und vorher einen falschen Zahlencode auf das Heft geklebt hatte, begeht mit dem Entfernen des Heftes aus dem Kassenbereich einen vollendeten Diebstahl. Ein Computerbetrug nach § 263 a StGB wird abgelehnt, da das Scannen selbst noch keine Vermögensverfügung darstellt und letztlich nur Vorbereitungshandlung zum vollendeten Diebstahl sei. Eine Wegnahme erfolge, da eine hypothetische Einwilligung des Ladeninhabers in den Gewahrsamswechsel darauf basiert, dass nur ordnungsgemäß gescannte Hefte aus dem Kassenbereich entfernt werden (OLG Hamm, Beschluss v. 08.08.2013, 5 RVs 56/13).

22.07.2019/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2019-07-22 09:00:292019-07-22 09:00:29Kurzüberblick: Standardprobleme beim Diebstahl in Selbstbedienungsläden
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Grundsatzurteile zur Sterbehilfe

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Mit Urteilen vom 3.7.2019 (Az.: 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18) hat der BGH in zwei Sterbehilfe-Fällen Freisprüche der Vorinstanzen (LG Hamburg und LG Berlin) bestätigt. Konkret ging es um die Strafbarkeit zweier Ärzte, die ihren Patienten bei den Suiziden assistiert hatten. Einer Strafbarkeit der Ärzte stehe nach Ansicht des BGH sowohl in Bezug auf im Vorfeld geleistete Unterstützungsmaßnahmen als auch hinsichtlich des Unterlassens von Rettungsmaßnahmen nach Eintritt der Bewusstlosigkeit die Eigenverantwortlichkeit der Suizidwilligen entgegen. Dies ist eine eindeutige Abkehr von älterer Rechtsprechung des BGH, nach der ein Garant auch gegenüber einem freiverantwortlich handelnden Suizidenten jedenfalls zur Einleitung von Rettungsmaßnahmen verpflichtet ist, sobald der Garant nach Eintritt der Bewusstlosigkeit die Tatherrschaft über das Geschehen erlangt (BGH, Urt. v. 4.7.1984 – 3 StR 96/84, NJW 1984, 2639). Die extrem hohe Klausur- und Examensrelevanz der Entscheidungen liegt damit auf der Hand – die Auseinandersetzung mit der Rechtsprechungsänderung ist für jeden Examenskandidaten ein Muss. Im Rahmen dieses Beitrags sollen daher die Grundzüge der Entscheidungen dargestellt und erläutert werden.
 
A) Sachverhalte (vereinfacht)
Die den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte ähneln sich insoweit, als in beiden Fällen von einem freiverantwortlichen Suizid auszugehen war, der von Ärzten begleitet wurde. Im Hamburger Verfahren ging es um zwei befreundete ältere Frauen, die an mehreren nicht lebensbedrohlichen, jedoch ihre Lebensqualität und persönlichen Handlungsmöglichkeiten zunehmend einschränkenden Krankheiten litten. Sie wandten sich an einen Sterbehilfeverein, der seine Unterstützung bei ihrer Selbsttötung von der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens zu ihrer Einsichts- und Urteilsfähigkeit abhängig machte. Dieses erstellte ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, der an der Festigkeit und Wohlerwogenheit der Suizidwünsche keine Zweifel hatte und auf Verlangen der beiden Frauen auch der Einnahme der tödlich wirkenden Medikamente beiwohnte sowie Rettungsmaßnahmen unterließ. Im Berliner Verfahren verschaffte der Hausarzt der Suizidwilligen, die an einer nicht lebensbedrohlichen, aber stark krampfartige Schmerzen verursachenden Krankheit litt und bereits mehrere Suizidversuche unternommen hatte, dieser ein tödlich wirkendes Medikament. Er betreute die nach der Einnahme des Medikaments Bewusstlose und ergriff ebenfalls keine Rettungsmaßnahmen.

B) Rechtsausführungen

Sowohl das LG Hamburg als auch das LG Berlin verneinten die Strafbarkeit der beiden Ärzte nach §§ 216 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB und § 323c StGB. Im ersten Fall hätten die beiden Frauen die Tatherrschaft über die Herbeiführung ihres Todes gehabt und im zweiten Fall sei die Beschaffung des Medikaments als straflose Beihilfe zur eigenverantwortlichen Selbsttötung zu qualifizieren. Zu Rettungsbemühungen nach Eintritt der Bewusstlosigkeit seien die Ärzte aufgrund der Eigenverantwortlichkeit der Sterbewilligen in beiden Fällen nicht verpflichtet gewesen. Der BGH hat die Urteile bestätigt.
 
I. Beihilfe zur Selbsttötung
Eine Strafbarkeit anknüpfend an die Beschaffung des tödlich wirkenden Medikaments kam schon nicht in Betracht, da es an der für eine Beihilfe zwingend erforderlichen Haupttat fehlte – ein Suizid ist nicht strafbar. Auch weitere Vorfeldmaßnahmen stellten kein strafrechtlich relevantes Verhalten dar, wie der BGH ausdrücklich feststellte:

„Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten für ihre im Vorfeld geleisteten Beiträge zu den Suiziden hätte vorausgesetzt, dass die Frauen nicht in der Lage waren, einen freiverantwortlichen Selbsttötungswillen zu bilden. In beiden Fällen haben die Landgerichte rechtsfehlerfrei keine die Eigenveranwortlichkeit der Suizidentinnen einschränkenden Umstände festgestellt. Deren Sterbewünsche beruhten vielmehr auf einer im Laufe der Zeit entwickelten, bilanzierenden „Lebensmüdigkeit“ und waren nicht Ergebnis psychischer Störungen.“ (Pressemitteilung Nr. 90/2019)

 
II. Tötung auf Verlangen durch Unterlassen, §§ 216 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB
Zu prüfen war daher zunächst eine Strafbarkeit der Ärzte wegen Tötung auf Verlangen durch Unterlassen, §§ 216 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB, indem nach Eintritt der Bewusstlosigkeit keine Rettungsmaßnahmen ergriffen wurden.
 
Anmerkung: Im Berliner Verfahren kam nur eine Strafbarkeit wegen versuchter Tötung auf Verlangen durch Unterlassen in Betracht, da nicht sicher festgestellt werden konnte, ob der Eintritt des Todeserfolgs durch zeitnah eingeleitete Rettungsmaßnahmen überhaupt noch hätte verhindert werden können. In einer Klausur würde dies einen erhöhten Schwierigkeitsgrad bedeuten, da auf diese Weise auch noch klassische Probleme des Versuchs – etwa der Versuchsbeginn bei Unterlassen – abgeprüft werden können.
 
1. Objektiver Tatbestand
a) Ausdrückliches und ernstliches Verlangen
Die Verstorbenen müssten die Ärzte durch ausdrückliches und ernstliches Verlangen zu ihrer Tötung bestimmt haben. Der Begriff des „Verlangens“ beschreibt den Todeswunsch des Tatopfers, wobei er seinem Wortsinn nach mehr als ein einverständliches Hinnehmen oder Geschehenlassen einer Fremdtötung voraussetzt. Erforderlich ist, dass eine auf das Vorstellungsbild des Erklärungsadressaten abzielende Einwirkung in Form einer Willensäußerung vorliegt (MüKoStGB/Schneider, 3. Aufl. 2017, § 216 Rn. 13). Vorliegend bestand hinsichtlich des Todeswunsches der Suizidenten kein Zweifel; dass keine Rettungsmaßnahmen ergriffen werden sollten, wurde auch ausdrücklich gegenüber den Ärzten geäußert. Ebenso stellt sich das Verlangen auch als ernstlich dar. Dies ist der Fall, wenn ein subjektiv frei verantwortlicher Willensentschluss gegeben ist. Hierzu genügen beiläufig oder leichthin artikulierte Tötungsverlangen, die einer depressiven Augenblicksstimmung entspringen, nicht. Vielmehr ist eine durch Willensfestigkeit gekennzeichnete innere Haltung des Lebensmüden erforderlich (MüKoStGB/Schneider, 3. Aufl. 2017, § 216 Rn. 19; Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 216 Rn. 9). Eine solche war hier, wie bereits angesprochen, in beiden Fällen anzunehmen: Bei den beiden älteren Frauen erstellte ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie ein Gutachten, das die Festigkeit und Wohlerwogenheit der Suizidwünsche attestierte. Aber auch die Verstorbene im Berliner Verfahren hatte sich viele Jahre mit der Thematik des Suizids auseinandergesetzt und war sich der Tragweite ihres Tuns bewusst. Mithin bestand ein ausdrückliches und ernstliches Verhalten, durch das die Ärzte auch bestimmt wurden.
 
b) Abgrenzung Tun / Unterlassen
Ein tatbestandliches aktives Tun ist den Ärzten evident nicht anzulasten. Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt hierbei im Unterlassen der Rettungsmaßnahmen nach Eintritt der Bewusstlosigkeit.
 
Zur Erinnerung: Ob eine Strafbarkeit wegen aktiven Tuns oder Unterlassens in Betracht kommt, ist auf den ersten Blick nicht immer eindeutig. Wie eine Abgrenzung vorzunehmen ist, ist umstritten. Die herrschende Meinung stellt auf normative Kriterien ab, konkret: ob der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit bei einem aktiven Tun oder Unterlassen liegt. Eine andere Ansicht – die Lehre vom Energieeinsatz – stellt die Frage, ob der Täter den Erfolg durch positiven Energieeinsatz verursacht hat oder ob er seine Energie gegenüber einem anderweitig in Gang gesetzten Kausalverlauf nicht eingesetzt hat (Zum Ganzen Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl. 2019, Vorb. § 13 Rn. 158 ff.)
 
c) Garantenstellung
Weiterhin müssten die Ärzte eine Garantenstellung aufweisen, d.h. eine Summe von Voraussetzungen erfüllen, aus denen die rechtliche Pflicht resultiert, gegen Rechtsgutsgefährdungen einzuschreiten (Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl. 2019, § 13 Rn. 7). Für den Hausarzt kommt eine Beschützergarantenstellung aufgrund des zwischen ihm und der Verstorbenen bestehenden Arzt-Patienten-Verhältnisses in Betracht. Zwar kann nicht der bloße Umstand, dass ein Arzt einem Suizid beiwohnt, eine Garantenstellung begründen (hierzu BGH, Urt. v. 26.10.1982 – 1 StR 413/82, NJW 1983, 350, 351). Hier hat der Arzt aber die Betreuung der Patientin übernommen, sodass insofern eine Garantenstellung anzunehmen ist. Diese Überlegungen können für den Gutachter, der auch als solcher auftrat, jedoch nicht übertragen werden. Diesbezüglich könnte allenfalls eine Garantenstellung aus Ingerenz, also pflichtwidrigem Vorverhalten, erwogen werden. Ein pflichtwidriges Vorverhalten begründet eine Garantenstellung, wenn es die nahe Gefahr des Eintritts des konkret untersuchten tatbestandsmäßigen Erfolgs verursacht (BGH, Urt. v. 19.4.2000 – 3 StR 442/99, NJW 2000, 2754, 2756).
 
d) Verpflichtung zur Vornahme von Rettungsmaßnahmen
Ob eine Garantenstellung angesichts dessen vorliegt, kann jedoch dahinstehen, wenn die Ärzte, selbst wenn sie grundsätzlich Garanten sind, nicht zur Abwendung des Todeserfolgs verpflichtet waren. Dies haben das LG Hamburg, das LG Berlin und nun auch der BGH aufgrund des Selbstbestimmungsrechts der Suizidentinnen angenommen:

„Beide Angeklagte waren nach Eintritt der Bewusstlosigkeit der Suizidentinnen auch nicht zur Rettung ihrer Leben verpflichtet. Der Angeklagte des Hamburger Verfahrens hatte schon nicht die ärztliche Behandlung der beiden sterbewilligen Frauen übernommen, was ihn zu lebensrettenden Maßnahmen hätte verpflichten können. Auch die Erstellung des seitens des Sterbehilfevereins für die Erbringung der Suizidhilfe geforderten Gutachtens sowie die vereinbarte Sterbebegleitung begründeten keine Schutzpflicht für deren Leben. Der Angeklagte im Berliner Verfahren war jedenfalls durch die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der später Verstorbenen von der aufgrund seiner Stellung als behandelnder Hausarzt grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Rettung des Lebens seiner Patientin entbunden.“ (Pressemitteilung Nr. 90/2019)

Mit anderen Worten: Selbst, wenn man im vorliegenden Fall eine Garantenstellung des Arztes bejaht, traf ihn aufgrund der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der später Verstorbenen nicht die Pflicht, nach Eintritt der Bewusstlosigkeit Maßnahmen zu ergreifen, um den Todeserfolg abzuwenden. Dies stellt eine Abkehr von einem älteren Urteil des BGH dar, in denen eine Pflicht des Garanten zur Einleitung lebensrettender Maßnahmen nach Eintritt der Bewusstlosigkeit selbst dann angenommen wurde, wenn es sich um einen freiverantwortlichen Suizid handelte (BGH, Urt. v. 4.7.1984 – 3 StR 96/84, NJW 1984, 2639). Bereits in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1952 führte der BGH aus: „Beihilfe zur Selbsttötung ist nicht strafbar. Wer aber eine Rechtspflicht hat, Lebensgefahr von einem anderen nach Kräften abzuwenden, und diese Pflicht kennt, die Selbsttötung aber trotzdem nicht hindert, obwohl er es könnte, ist – je nach seinem Willen und seiner Haltung zur Todesfolge – in der Regel der vorsätzlichen oder fahrlässigen Tötung schuldig. Die Rechtspflicht kann auf Gesetz, Gewohnheitsrecht oder Vertrag beruhen, sie besteht für Ehegatten, die in ehelicher Gemeinschaft leben“ (BGH, Urt. v. 12.2.1952 – 1 StR 59/50, BGHSt 2, 150 Ls. 1). In Fortführung stellte der BGH in einem folgenden Urteil darauf ab, dass es im Zeitpunkt des Eintritts der Bewusstlosigkeit zu einem Tatherrschaftswechsel komme, aufgrund dessen der Garant zur Abwendung des Todeserfolgs verpflichtet sei:

„Wenn nämlich der Suizident die tatsächliche Möglichkeit der Beeinflussung des Geschehens („Tatherrschaft”) endgültig verloren hat, weil er infolge Bewußtlosigkeit nicht mehr von seinem Entschluß zurücktreten kann, hängt der Eintritt des Todes jetzt allein vom Verhalten des Garanten ab. […] In diesem Stadium des […] Sterbens hat dann nicht mehr der Selbstmörder, sondern nur noch der Garant die Tatherrschaft und, wenn er die Abhängigkeit des weiteren Verlaufs ausschließlich von seiner Entscheidung in seine Vorstellung aufgenommen hat, auch den Täterwillen. Daß der Garant durch sein Verhalten den früher geäußerten Wunsch des Sterbenden erfüllen will, ändert daran nichts.“ (BGH, Urt. v. 4.7.1984 – 3 StR 96/84, NJW 1984, 2639, 2640 f.)

Die Rechtsprechung ist in der Literatur vielfach unter Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht freiverantwortlich handelnder Suizidenten kritisiert worden. So sei es wertungswidersprüchlich, die Beihilfe zur Selbsttötung als straffrei einzuordnen, bei Nichthandeln nach Eintritt der Bewusstlosigkeit dann aber eine Strafbarkeit nach §§ 216 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB anzunehmen (zum Ganzen etwa MüKoStGB/Schneider, 3. Aufl. 2017, Vor § 211 Rn. 67 ff.; Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, Vor §§ 211-217, Rn. 24 m.w.N.). Zudem – und hierauf stützen sich auch die Vorinstanzen – bestehe einer veränderte gesellschaftliche Vorstellung über die Reichweite und Konsequenzen des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen, die sich auch in der Einführung der §§ 1901a ff. BGB zur Patientenverfügung ausdrücke. Zwar hat der BGH in jüngeren Urteilen dem Selbstbestimmungsrecht erhöhte Bedeutung beigemessen (s. etwa BGH, Urt. v. 21.12.2011 – 2 StR 295/11, NStZ 2012, 319; Urt. v. 5.8.2015 – 1 StR 328/15, NJW 2016, 176), eine ausdrückliche Aufgabe erfolgte indes erst mit dem Urteil vom 3.7.2019.  
 
2. Zwischenergebnis
Da die Ärzte aufgrund des Selbstbestimmungsrechts der Sterbewilligen keine Pflicht traf, nach Eintritt der Bewusstlosigkeit Rettungsmaßnahmen zur Abwendung des Todeserfolgs zu ergreifen, handelten sie nicht tatbestandsmäßig. Eine Strafbarkeit nach §§ 216 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB scheidet aus.
 
III. Unterlassene Hilfeleistung, § 323c StGB
Subsidiär war eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB zu prüfen. Auch dies verneinte der BGH konsequent:

„Eine in Unglücksfällen jedermann obliegende Hilfspflicht nach § 323c StGB wurde nicht in strafbarer Weise verletzt. Da die Suizide, wie die Angeklagten wussten, sich jeweils als Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der sterbewilligen Frauen darstellten, waren Rettungsmaßnahmen entgegen deren Willen nicht geboten.“

 
Anmerkung: Vertretbare erschiene es auch, bereits das Vorliegen eines Unglücksfalls abzulehnen. Hierzu tendiert auch das LG Hamburg, das in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Adressat des § 323c StGB über die Selbsttötungsabsicht in Kenntnis gesetzt wurde und auch keine Willensänderungen ersichtlich sind, bereits das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals Unglücksfall anzweifelt.
 
IV. Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung, § 217 StGB
Seit der Einführung der Norm im Jahre 2015 kam bei Unterstützungshandlungen betreffend Selbsttötungen auch eine Strafbarkeit nach § 217 StGB in Betracht, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellte. Dieser war jedoch zur Zeit der hier gegenständlichen Suizide noch nicht in Kraft, sodass das Verhalten der Ärzte wegen des strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes nicht hieran zu messen war.
Anmerkung: Die Einführung des § 217 StGB war in der überwiegenden Literatur auf Kritik gestoßen, da für eine geschäftsmäßige Förderung bereits das wiederholte Unterstützen genügte. Mit Urteil vom 26.02.2020 hat das BVerfG nun entschieden, dass § 217 StGB verfassungswidrig ist (Az.: 2 BvR 2347/15 u.a.; s. hierzu unseren Beitrag). Damit kommt eine Strafbarkeit nach § 217 StGB künftig auch nicht mehr in Betracht.
 
C) Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der BGH unter besonderer Würdigung des Selbstbestimmungsrechts eines freiverantwortlich handelnden Suizidenten nunmehr die Strafbarkeit eines Garantens wegen Untätigbleibens nach Eintritt der Bewusstlosigkeit ablehnt, was eine Abkehr von früherer Rechtsprechung bedeutet. Die Entscheidung war überfällig: Wie das LG Berlin betont, erfordert der Wertewandel in der Gesellschaft, der sich insbesondere auch in der Einführung der §§ 1901a ff. BGB zur Patientenverfügung ausdrückt, dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen eine erhöhte Bedeutung beizumessen – dann ist es nur konsequent, das Untätigbleiben eines Garanten bei einem freiverantwortlichen Suizid nicht als strafrechtlich relevantes Unterlassen einzuordnen. Dies entspricht auch gänzlich dem Urteil des BVerfG vom 26.02.2020, in dem ein neues Grundrecht auf Sterbehilfe entwickelt wurde.
 
 

18.07.2019/3 Kommentare/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-07-18 09:00:122019-07-18 09:00:12BGH: Grundsatzurteile zur Sterbehilfe
Gastautor

OLG Karlsruhe: Beendigung einer Beziehung als empfindliches Übel

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Wir freuen uns sehr, nachfolgend einen Gastbeitrag von Charlotte Schippers veröffentlichen zu können. Die Autorin hat an der Universität Bonn Rechtswissenschaft studiert und ist am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit tätig. 
 

Beendigung einer Beziehung als empfindliches Übel

Der Beschluss des OLG Karlsruhe vom 17. Januar 2019 – 2 Ws 341/18

 
I. Einleitung
Die Nötigung gem. § 240 StGB kann in jeder strafrechtlichen (Examens-)Klausur zu prüfen sein. Und auch wenn die vorliegend besprochene Entscheidung sich mit den nicht examensrelevanten Sexualdelikten befasst, namentlich der sexuellen Nötigung gem. § 177 StGB, sollte ihr in der Examensvorbereitung Beachtung geschenkt werden, denn die durch das OLG Karlsruhe vorgenommenen Ausführungen lassen sich ohne weiteres auch auf den § 240 Abs. 1 StGB übertragen.
 
II. Entscheidung
Das OLG hatte sich also mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es sich bei einem angedrohten Beziehungsabbruch um ein empfindliches Übel handeln kann. Hierzu kam es aufgrund folgenden Sachverhalts.
 
1. Sachverhalt (leicht abgewandelt)
T meldete sich unter Angabe des falschen Namens X und unter Verwendung weiterer unrichtiger Angaben über seine Person bei einem sozialen Netzwerk an, wo er dann mit der 17 Jahre alten O in Kontakt trat. O ist psychisch labil und lebt in schwierigen Verhältnissen, sodass sie sich in die fiktive Person X verliebte und der Internet-Beziehung einen hohen Stellenwert beimaß, was T auch erkannte. T selbst traf sich in der Folge mit O und kündigte ihr an, dass, sollte sie sich weigern, mit ihm in sexuellen Kontakt zu treten, X die Beziehung zu ihr beenden werde, sodass O ihm Folge leistete.
 
2. Lösung
Durch die Ankündigung, dass X die Beziehung beenden werde, sollte O nicht mit ihm (T) in sexuellen Kontakt treten, hat sich T nach der Entscheidung des OLG wegen sexueller Nötigung gem. § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB strafbar gemacht.
 
Erforderlich hierfür ist eine Nötigungshandlung, die das OLG Karlsruhe in einer Drohung mit einem empfindlichen Übel gesehen hat.
Grundsätzlich ist unter einem empfindlichen Übel ein solch erheblicher Nachteil zu verstehen, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinn des Täterverlangens zu motivieren, und von dem Bedrohten in seiner Lage nicht erwartet werden kann, dass er der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standhält. Das OLG verweist an dieser Stelle auf eine Entscheidung des BGH, in der dieser die Auffassung vertritt, dass die Drohung, eine freundschaftliche Beziehung zu beenden, diese Voraussetzungen nicht erfülle.[1]
Inzwischen sei, anders als in der genannten Entscheidung, aber nach ständiger BGH-Rechtsprechung ein individuell-objektiver Maßstab zugrunde zu legen: Relevant sei eine Sichtweise, die den Opferhorizont und nicht den eines besonnenen Durchschnittsmenschen berücksichtige. Dafür spreche auch, dass die Nötigungsdelikte die Willensentschließungs- und –betätigungsfreiheit schützen sollen. Demnach hat die Frage, weshalb gerade von dem Bedrohten in der konkreten Situation erwartet werden könne, der Drohung standzuhalten, entscheidende Bedeutung. Folglich könne damit auch, wenn die Beziehung für den Bedrohten einen entsprechenden Stellenwert hat, ein angedrohter Beziehungsabbruch ein empfindliches Übel darstellen.
Hierunter subsumierte das OLG nun wie folgt: Da für O die Beziehung mit X aufgrund ihrer psychischen Labilität und ihrer schwierigen familiären Verhältnisse einen erheblichen emotionalen Stellenwert habe, sei der angedrohte Abbruch der Beziehung von ihr subjektiv als massiver Verlust empfunden worden. Dieser hohe Stellenwert zeige sich auch daran, dass O sich auf den sexuellen Verkehr mit einem fremden Mann eingelassen habe, um den Abbruch der Beziehung zu verhindern, obwohl dies nicht ihrem sonstigen sexuellen Verhalten entspreche. Folglich nahm sie nur wegen dieser Ankündigung die sexuellen Handlungen, die T verlangte, vor bzw. ließ ihre Vornahme zu.
Somit liegt nach Auffassung des OLG eine Drohung mit einem empfindlichen Übel vor. Der Nötigungserfolg liegt in den aufgrund der Drohung vorgenommenen/zugelassenen sexuellen Handlungen, sodass im Ergebnis eine Strafbarkeit des T gem. § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB gegeben ist.
 
III. Bewertung und Fazit
In der vom OLG Karlsruhe abgelehnten BGH-Entscheidung, der ein ähnlich gelagerter Fall zugrunde liegt, wird die Drohung mit einem empfindlichen Übel verneint. Die Trennung sei hier als bloße Enttäuschung für das Opfer einzuordnen. Daran änderte auch nichts, dass das Opfer stark an dem „Drohenden“ hing und er wiederum wusste, dass es nach Inaussichtstellen der Trennung seinen Forderungen nachgeben würde.[2] Mit dem Argument, dass das empfindliche Übel im zwischenmenschlichen Bereich restriktiv auszulegen ist, wird die Entscheidung des OLG Karlsruhe daher kritisiert, denn es würden die individuellen Gegebenheiten überbetont.[3]
Dagegen kann man aber anführen, dass persönliche Gründe herangezogen werden können und sollen. So sollten auch in einem Fall wie dem des BGH bspw. die Dauer der Beziehung, Kinder oder soziale Abhängigkeit beachtet werden. Im Grundsatz gilt jedenfalls der Maßstab bzgl. der Empfindlichkeit des Übels, „der bei dem Betroffenen in seiner sozialen Rolle und unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Entscheidungsnotstandes anzulegen ist und der von ihm die Aufrechterhaltung der Integrität der Willensentschließung bei besonnener Selbstbehauptung nicht mehr erwarten lässt“.[4] Legt man nun den konkreten Fall zugrunde, also, dass eine psychisch labile 17-Jährige aus schwierigen familiären Verhältnissen, die in emotionaler Abhängigkeit zu einer durch den Täter geschaffenen Internet-Beziehung steht, dem Drängen eines erwachsenen Mannes nachgibt, scheint es auf der anderen Seite schwer nachvollziehbar, hier noch von einer in Aussicht gestellten „bloßen Enttäuschung“ auszugehen.
Es zeigt sich jedenfalls, dass mit entsprechender Begründung und vernünftiger Argumentation mit den Sachverhaltsangaben an dieser Stelle beide Lösungen vertretbar sind. Was die Bedeutung der individuellen Gegebenheiten und des objektiv-individuellen Maßstabs angeht, lohnt es sich daher, sich mit der vorliegenden Entscheidung zu beschäftigen.
 
[1] BGH, Urt. v. 31.3.1982 – 2 StR 2/82, NStZ 1982, 287
[2] BGH, Urt. v. 31.3.1982 – 2 StR 2/82, NStZ 1982, 287
[3] Ladiges, „Beziehungsabbruch“ als empfindliches Übel, RÜ 2019, 433, 434.
[4] MüKoStGB/Sinn, 3. Aufl. 2017, § 240 Rn. 83.

11.07.2019/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2019-07-11 09:14:242019-07-11 09:14:24OLG Karlsruhe: Beendigung einer Beziehung als empfindliches Übel
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Strafrecht – April 2019 – NRW – 1. Staatsexamen

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Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zur Examensklausur im Strafrecht, 1. Staatsexamen, NRW, April 2019. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken sehr herzlich für die Zusendung.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt.
 
Der A ist in Geldnot. Um seine Situation zu verbessern, entschließt er sich, zusammen mit seinem Komplizen B, den 11-jährigen Sohn (S) des Millionärs V zu entführen und Lösegeld zu fordern. Der A lauert dem S auf, schlägt ihn von hinten mit einem gezielten Schlag nieder, sodass der S bewusstlos wird. A trägt den Jungen zum Auto und packt ihn in den Kofferraum. Er fährt mit dem Auto zu einer nahegelegenen Hütte in einem Wald. Der S ist die ganze Zeit bewusstlos, hiervon geht der A auch aus. An der Hütte ist der B. A und B schließen den S in die Hütte ein, hier kommt der S nach kurzer Zeit wieder zu sich. A und B verpflegen den S abwechselnd. Eine Woche später meldet sich der A, wie vorher mit B abgesprochen, bei dem V und verlangt von diesem 1 Mio EUR, wenn dieser seinen Sohn lebend wiedersehen möchte. Die Übergabe des Geldes sowie die Freilassung des Jungen sollten auf einer Lichtung in der Nähe der Hütte stattfinden.
Der V reagiert jedoch anders als erwartet. Er entscheidet sich, das Lösegeld nicht zu zahlen. Vielmehr lässt er eine Aufnahme im Fernsehen veröffentlichen, in der er 1 Mio EUR „Kopfgeld“ an denjenigen verspricht, der ihm den Täter „tot oder lebendig“ bringt. Daraufhin bekommt es der B mit der Angst zu tun. Er eilt zur Hütte und lässt den S laufen. Der S, der um sein Leben fürchtet, eilt in den Wald hinein, stolpert und stürzt in eine Schlucht. Er stirbt sofort. Der A, der von dem Vorgang nichts mitbekommt hat, ist entschlossen, an seinem Plan festzuhalten und den V erneut zu kontaktieren. Er möchte an sein Mitgefühl appellieren, um so doch noch an das Lösegeld zu kommen. Als er zur Hütte geht, sieht er jedoch den Körper des S und ist erschrocken. Er erkennt jetzt, dass er sein Ziel, das Lösegeld von dem V zu bekommen, unter keinen Umständen erreichen kann. Er fällt entsprechend den Entschluss, den B zu töten. Er will dann seine Leiche zum V bringen und erklären, er habe den B entdeckt, wie er den toten S begrub. Plangemäß tötet der A den B mit einer Schrotflinte. Bei der Tötung geht es dem A nicht vorwiegend darum, dass Lösegeld zu erhalten, hauptsächlich will er nicht als Täter entdeckt werden. Der A bringt die Köper des S und des B zum V. Der V ist von dem Anblick seines Sohnes zu tiefst erschüttert und händigt dem A das „Kopfgeld“ aus.
 
Wie haben sich A und V strafbar gemacht?
 
§ 140, § 225, § 240 StGB sind ausgeschlossen.
 

10.05.2019/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2019-05-10 09:30:202019-05-10 09:30:20Strafrecht – April 2019 – NRW – 1. Staatsexamen
Dr. Melanie Jänsch

BGH bestätigt erstmals Mordurteil gegen Raser

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Erstmals hat der BGH in seinem am vergangenen Freitag veröffentlichten Beschluss vom 16.1.2019 (Az.: 4 StR 345/18) ein Mordurteil gegen einen Raser bestätigt. Das LG Hamburg hatte in seiner Entscheidung vom 19.2.2018 (Az.: 621 Ks 12/17) den Angeklagten unter anderem wegen Diebstahls, wegen Mordes in Tateinheit mit zweifachem versuchten Mord und mit zweifacher gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Der BGH hat die gegen die Verurteilung gerichtete Revision nun verworfen. Die extrem hohe Examensrelevanz ist offensichtlich: Es ist nicht nur das erste Mal, dass der BGH in einem Raser-Fall eine Strafbarkeit wegen Mordes annimmt; die Entscheidung bildet auch einen Kontrast zum medial sehr präsenten Ku’damm-Raser-Fall, in dem der BGH mit Urteil vom 1.3.2018 (Az.: 4 StR 399/17) das Mordurteil des LG Berlin vom 27.2.2017 (Az.: 535 Ks 8/16) gegen zwei Raser aufgehoben hat (s. hierzu unsere ausführliche Besprechung). Raser-Fälle sind Paradebeispiele für die Problematik der Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit, auf die im Rahmen dieses Beitrags noch einmal eingegangen werden soll. Insbesondere ist herauszustellen, auf welche Weise sich der hier darzustellende Hamburger Raser-Fall vom Ku’damm-Raser-Fall unterscheidet und inwieweit dies eine unterschiedliche Beurteilung des Vorsatzes rechtfertigen kann. Ebenso bedarf es – sofern vorsätzliches Handeln angenommen wird – anschließend der Auseinandersetzung mit der Frage, ob in solchen Fällen Mordmerkmale vorliegen oder ob eine Strafbarkeit wegen Totschlags anzunehmen ist.
 
A. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen und vereinfacht):
Der alkoholisierte Angeklagte hatte am Morgen des 4.5.2017 ein Taxi gestohlen und war in der Hamburger Innenstadt auf der Flucht vor der ihn verfolgenden Polizei bewusst auf die dreispurige Gegenfahrbahn gefahren. Den Streckenabschnitt der leicht kurvig verlaufenden und baulich von der übrigen Fahrbahn abgetrennten Gegenfahrbahn befuhr er mit hoher Geschwindigkeit von bis zu 155 km/h. Aufgrund von Kollisionen mit dem Kantstein der Fahrbahn und einer Verkehrsinsel verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug und stieß nach Überqueren einer Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h frontal mit einem ihm mit ca. 20 km/h entgegenkommenden Taxi zusammen. Einer der Insassen dieses Taxis verstarb noch an der Unfallstelle, zwei weitere Personen wurden schwer verletzt.
 
B. Entscheidung
Der Fall beinhaltet zwei Schwerpunktprobleme: Zunächst muss diskutiert werden, ob der Angeklagte vorsätzlich handelt, um dann in einem folgenden Schritt das Vorliegen etwaiger Mordmerkmale zu erörtern.
 
I. Abgrenzung des Eventualvorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit
Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz – auch: bedingtem Vorsatz – und bewusster Fahrlässigkeit gehört vermutlich zu den schwierigsten Abgrenzungsproblematiken im Strafrecht. Dabei unterscheiden sich Eventualvorsatz und bewusste Fahrlässigkeit darin, „dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Erfolgs in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder dass er sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet“ (BGH, v. 14.1.2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79 m.w.N.). Mit anderen Worten: Bei bedingtem Vorsatz erkennt der Täter den Erfolgseintritt als mögliche, nicht gänzlich fernliegende Folge seines Handelns (kognitives Element) und nimmt diesen jedenfalls billigend in Kauf (voluntatives Element). Bei der bewussten Fahrlässigkeit erkennt er zwar auch den Erfolg als mögliche Folge seines Handelns (kognitives Element), vertraut aber ernsthaft und nicht nur vage darauf, dass dieser nicht eintritt (fehlendes voluntatives Element). Dies erfordert eine Gesamtbetrachtung der objektiven und subjektiven Tatumstände. Als wesentlicher Indikator für das Wissens- und Wollenselement kann dabei die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung herangezogen werden, was im vorliegenden Fall die Annahme des Vorsatzes nahelegt.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die sog. Hemmschwellentheorie hinzuweisen, wonach bei Tötungsdelikten eine gegenüber Körperverletzungsdelikten deutlich höhere Hemmschwelle angenommen wird. Dies bedeutet allerdings nur, dass an den Nachweis des Vorsatzes höhere Anforderungen zu stellen sind. Dagegen soll die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges, auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden (BGH v. 5.12.2017 − 1 StR 416/17, NStZ 2018, 206, 207).
Dabei ist es nach Ansicht der Rechtsprechung bei der Würdigung des voluntativen Elements in der Regel auch erforderlich, dass sich das Gericht mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in die Beurteilung einbezieht (BGH, Urt. v. 14.1.2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79 m.w.N.). Insbesondere könne eine mögliche Eigengefährdung des Täters gegen die Annahme eines Vorsatzes sprechen; bei riskantem Verhalten im Straßenverkehr, das nicht von vornherein auf die Verletzung anderer Personen angelegt sei, könne eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung zu der Beurteilung führen, dass er auf das Ausbleiben des Erfolgs vertraut habe.
Indes – so räumt der BGH in ständiger Rechtsprechung ein – seien die Gefährlichkeit der Tathandlung sowie der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts keine ausschließlich maßgeblichen Kriterien für die Annahme des bedingten Vorsatzes; vielmehr komme es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalles an (BGH v. 1.3.2018 – 4 StR 399/17, NStZ 2018, 409, Rn. 19 m.w.N.).
 
Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der BGH im Hamburger Raser-Fall in Übereinstimmung mit der Vorinstanz vorsätzliches Handeln angenommen. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen,

„dass es mit hoher, letztlich unkalkulierbarer und nur vom Zufall abhängender Wahrscheinlichkeit zu einem frontalen Zusammenstoß mit entgegenkommenden Fahrzeugen kommen würde.“ Ihm war auch „bewusst, dass ein Frontalunfall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod eines oder mehrerer direkter Unfallbeteiligter sowie eventuell zur Schädigung weiterer Personen führen würde.“ All dies, auch der eigene Tod, wurde vom Angeklagten gebilligt, weil er „kompromisslos das Ziel, der Polizei zu entkommen“, verfolgte. Der Zurechnung des eingetretenen Todeserfolges zu dem vom Vorsatz des Angeklagten umfassten Kausalverlauf steht daher nicht entgegen, dass der Angeklagte nicht unmittelbar mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidierte, sondern infolge der Kollisionen mit dem Kantstein am rechten Fahrbahnrand und einer der Verkehrsinseln die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und nach Überqueren des Glockengießerwalls auf der gegenüberliegenden Seite (…) mit einer Geschwindigkeit von „ca. 130 bis 143 km/h“ ungebremst frontal mit dem ihm entgegenkommenden Taxi des Geschädigten Y. kollidierte.“

Die Entscheidung sorgt für Aufsehen, hat der BGH in dem Berliner Raser-Fall einen Tötungsvorsatz abgelehnt. Hier liegt der Fall jedoch anders: Während die Täter im Ku’damm-Raser-Fall ein Kräftemessen in Form eines illegalen Autorennens veranstalteten, befand sich der Täter im Hamburger Raser-Fall auf der Flucht vor der Polizei. Dabei war ihm – so hat es das Landgericht festgestellt – „die Chance auf ein Entkommen wichtiger als das sichere Überleben“. Damit kann aber eine als solche erkannte Eigengefährdung, die im Einzelfall gegen die Annahme eines Tötungsvorsatzes sprechen kann, im vorliegenden Fall gerade nicht als Indiz gegen den Tötungsvorsatz herangezogen werden. Vielmehr sprechen die sonstigen Umstände – wie etwa die hohe Geschwindigkeit im Innenstadtbereich – für vorsätzliches Handeln.
 
II. Vorliegen eines Mordmerkmals
Wird der Vorsatz bejaht, so ist sich in einem zweiten Schritt der Frage zuzuwenden, ob Mordmerkmale vorliegen. Dabei scheint sich das Merkmal des gemeingefährlichen Mittels aufzudrängen, dessen Einschlägigkeit in einer Klausur ausführlich diskutiert werden müsste. Gemeingefährlich ist ein Mittel, das in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Maßgeblich ist dabei nicht die abstrakte Wirkung, sondern die Eignung zur Gefährdung Dritter in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (MüKoStGB/Schneider, 3. Aufl. 2017, § 211 Rn. 127 f.). Dies bedeutet, dass ein Mittel selbst dann gemeingefährlich sein kann, wenn es seiner abstrakten Art nach nicht gemeingefährlich ist – wie ein Auto, das seiner Art nach ein Fortbewegungsmittel ist. Die Gemeingefährlichkeit kann sich dann daraus ergeben, dass bei einer derart hohen Geschwindigkeit eine unkontrollierbar hohe Anzahl an Menschen an Leib und Leben gefährdet wird. Ob eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln hier vorliegt, wie es die Vorinstanz angenommen hat, hat der BGH jedoch offengelassen, da jedenfalls das Merkmal der Verdeckungsabsicht gegeben sei:

„Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift steht der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Verdeckungsabsicht nicht entgegen, dass das Schwurgericht „tatsachenalternativ“ ein Handeln des Angeklagten in suizidaler Absicht festgestellt hätte. Das Schwurgericht hat vielmehr „nicht klären“ können, ob „auch suizidale Gedanken mit motivgebend waren“; „im Ergebnis“ – so das Landgericht weiter – „war ihm die Chance auf ein Entkommen wichtiger als das sichere Überleben“; dies stellt das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht nicht in Frage (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 211 Rn. 68b). Daher kann der Senat offenlassen, ob auch die Voraussetzungen des vom Landgericht weiterhin angenommenen Mordmerkmals der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln erfüllt sind.“

In Verdeckungsabsicht handelt, wer als Täter das Opfer tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten (BGH v. 15.2.2017 − 2 StR 162/16, NStZ 2017, 462 m.w.N.). Im vorliegenden Fall betraf dies den Taxi-Diebstahl, den der Täter zu verdecken versuchte.
 
C. Fazit
Zwar unterscheidet sich der hier dargestellte Fall vom Ku’damm-Raser-Fall insofern, als der Täter vor der Polizei flieht und nicht an einem illegalen Autorennen teilnimmt. Gleichwohl hat der BGH mit dieser Entscheidung klargestellt, dass die rücksichtslose Verwendung eines Fahrzeugs im Straßenverkehr und die bewusste Gefährdung von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes rechtfertigen kann, auf den im Einzelfall eine Verurteilung wegen Mordes gestützt werden kann. Maßgeblich sind stets die konkreten Tatumstände. Daher erscheint auch in Autorennen-Fällen eine Strafbarkeit nach § 211 StGB möglich. Diesbezüglich ist aber auch zu bedenken, dass der Gesetzgeber im Oktober 2017 § 315d StGB eingefügt hat, der verbotene Kraftfahrzeugrennen bestraft und in Abs. 5 eine Erfolgsqualifikation für die Verursachung des Todes eines anderen Menschen enthält, die keinen Vorsatz erfordert.
 
 

05.03.2019/2 Kommentare/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-03-05 09:00:242019-03-05 09:00:24BGH bestätigt erstmals Mordurteil gegen Raser
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Konkretisierung des Versuchs der Hehlerei

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht BT

Anschlussdelikte wie die Hehlerei gemäß §§ 259-260a StGB genießen bei den Studierenden erfahrungsgemäß keine große Beliebtheit, sodass sie häufig entweder in der Klausurvorbereitung gänzlich ausgespart werden oder sich die Kenntnisse auf bestimmte Klassiker (Stichwort: Erforderlichkeit eines Absatzerfolgs) beschränken – allerdings ohne, dass eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Delikt stattfindet. Verbunden wird mit dem Verbot der Hehlerei zumeist nur die Formulierung, dass die Perpetuierung einer rechtswidrigen Besitzlage verhindert werden soll. Bei einer Klausur, die schwerpunktmäßig Vermögensdelikte behandelt, ist aber eine saubere Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale unerlässlich, um in obere Notenbereiche vorstoßen zu können. Zudem ist insbesondere, wenn der Tatbestand Gegenstand aktueller BGH-Rechtsprechung ist, von einer erhöhten Klausur- und Examensrelevanz auszugehen. So hat sich der BGH in einem neuen Urteil vom 7.11.2018 (Az.: 4 StR 395/18) mit dem Versuchsbeginn bei der Hehlerei beschäftigt. Das Urteil soll zum Anlass genommen werden, um sich mit dem Tatbestand eingehender auseinanderzusetzen.
 
A. Sachverhalt (vereinfacht und abgewandelt):
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der drogenabhängige H finanzierte seine Sucht durch den regelmäßigen Verkauf von Gegenständen, die aus gewaltsam geöffneten Kraftfahrzeugen entweder durch ihn oder andere Personen gestohlen wurden. Am Morgen des 23. Oktober 2017 bot ihm der D ein Werkzeug im Wert von 2500 Euro zum Weiterverkauf an, das er zuvor aus einem Auto entwendet hatte. H wollte das Angebot annehmen, um das Werkzeug anschließend gewinnbringend zu verkaufen. Er traute dem D allerdings hinsichtlich des Wertes nicht über den Weg. Also tätigte er, bevor er dem D zusagte, zehn Suchanfragen im Internet, um den Gerätewert zu ermitteln. Zudem suchte er bereits nach potentiellen Käufern, konnte aber noch mit keiner konkreten Person in Verhandlung treten, da noch an diesem Tag seine Festnahme erfolgte.
Strafbarkeit des H?
 
B. Lösung
In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei gemäß §§ 259 Abs. 1, Abs. 3, 260 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB, indem der H das Angebot des D zum Weiterverkauf des gestohlenen Werkzeugs angenommen und nach potentiellen Käufern gesucht hat.
 
I. Vorprüfung
Mangels Erfolgseintritt wurde die Tat nicht vollendet. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus §§ 259 Abs. 3, 260 Abs. 2, 23 Abs. 1 StGB.
 
II. Tatentschluss
Der H müsste mit Tatentschluss gehandelt haben. Dies setzt Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes sowie das Vorliegen etwaiger subjektiver Tatbestandsmerkmale voraus.
 
Anmerkung: Das Urteil dient nur als „Aufhänger“, um sich auch mit den Tatbestandsmerkmalen eingehend auseinanderzusetzen. Die nachfolgenden Darlegungen sind daher viel ausführlicher, als es in einer Klausur erforderlich wäre; im Gegenteil müssen in einer Klausur selbstverständlich Problemschwerpunkte gesetzt werden.
 
1.Vorsatz hinsichtlich der Begehung einer Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB
a) Taugliches Tatobjekt
Zunächst müsste es sich bei dem Werkzeug um ein taugliches Tatobjekt handeln. Hierunter fällt jede Sache, die ein anderer aus einer rechtswidrigen, gegen fremdes Vermögen gerichteten Vortat erlangt hat.
 
aa) Rechtswidrige, gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat eines anderen
Der Vorsatz des H muss sich darüber hinaus darauf beziehen, dass diese Sache durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat i.S.v. § 11 I Nr. 5 StGB erlangt wurde. In Betracht kommen hierbei alle Vermögensdelikte im weiteren Sinne – so beispielsweise ein Diebstahl gemäß § 242 StGB. Dabei muss die Vortat rechtswidrig, aber nicht notwendig schuldhaft begangen sein. Wichtig ist aber, dass es sich um die Vortat eines anderen handelt. Das heißt, dass derjenige, der täterschaftlich an der Vortat mitgewirkt hat, nicht zugleich Täter der Hehlerei sein kann. Vorliegend hat der D das Werkzeug aus einem fremden Auto gestohlen, also einen Diebstahl gemäß § 242 I StGB begangen, sodass eine rechtswidrige, gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat eines anderen gegeben ist.
 

Umstritten ist, ob der Teilnehmer der Vortat als Täter einer Hehlerei in Betracht kommt. Das wird von der wohl h.M. mit dem Argument bejaht, dass der Teilnehmer die rechtswidrige Besitzlage nicht selbst geschaffen, sondern lediglich gefördert habe. Nach anderer Ansicht gehe das Unrecht der Perpetuierung der rechtswidrigen Besitzlage bereits in der Teilnahme an der Vortat auf, sodass es sich beim Teilnehmer nicht um einen „anderen“ handeln könne. Ausführlich zum Streit s. MüKoStGB/Maier, 3. Aufl. 2017, § 259 Rn. 61 ff. 

 
bb) Eine durch die Vortat erlangte Sache
Weiterhin müsste das Werkzeug eine Sache darstellen, die durch die Vortat erlangt wurde. Eine Sache ist jeder körperliche Gegenstand, § 90 BGB. Irrelevant sind dabei die Eigentumsverhältnisse; auch eine herrenlose Sache kann taugliches Tatobjekt sein. Bei dem Werkzeug handelt es sich zweifelsohne um einen körperlichen Gegenstand, mithin eine Sache i.S.v. § 90 BGB. Die Sache muss unmittelbar durch die Vortat erlangt worden sein, d.h. dieselbe Sache, die der Vortäter erlangt hat, muss Tatobjekt der Hehlerei sein. Nicht tatbestandsmäßig sind Surrogate – das wird vielen unter dem Stichwort straflose Ersatzhehlerei bekannt sein. Im vorliegenden Fall stellt das Werkzeug gerade die Sache dar, die der D gestohlen hat, sodass es unmittelbar aus der Vortat erlangt wurde.
 
b) Tathandlung
Ferner müsste der H Tatentschluss gehabt haben, im einvernehmlichen Zusammenwirken mit dem Vortäter die Sache anzukaufen oder sonst sich oder einem Dritten zu verschaffen, sie abzusetzen oder Absatzhilfe zu leisten. Bei den ersten beiden Varianten agiert der Hehler als Käufer: Sich Verschaffen bezeichnet die bewusste und gewollte Übernahme der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Sache durch den Täter zu eigenen Zwecken im Wege des abgeleiteten Erwerbs. Bei der Drittverschaffung kommt es darauf an, dass der Hehler durch Weisung die Verfügungsgewalt für einen Dritten herstellt. Das Ankaufen stellt einen Unterfall des Sich Verschaffens dar. Es müssen hierfür alle Merkmale des Sich Verschaffens gegeben sein; insbesondere genügt ein bloßer Vertragsschluss nicht. Unter Absetzen versteht man die wirtschaftliche Verwertung der Sache im Interesse des Vortäters durch selbstständiges Handeln des Täters im Rahmen einer entgeltlichen rechtsgeschäftlichen Weitergabe an einen gut- oder bösgläubigen Dritten. Hierbei agiert der Hehler als „Verkaufskommissionär“. Dagegen zeichnet sich die Absatzhilfe durch die unselbständige Unterstützung des Vortäters bei der wirtschaftlichen Verwertung der Sache aus.
 

Umstritten war jahrelang, ob vollendetes Absetzen und Absatzhilfe einen Absatzerfolg, also die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf den Dritten bedingt (so die h.M. im Schrifttum) oder ob jegliche Unterstützungshandlungen unabhängig vom Vorliegen eines Absatzerfolgs tatbestandsmäßig sind (so die frühere Ansicht des BGH). Dieser Streit hat sich nun erledigt, da der BGH mit Beschluss vom 22.10.2013 (Az.: 3 StR 69/13) seine frühere Linie aufgegeben hat und nunmehr ebenfalls einen Absatzerfolg verlangt.  

 
Vorliegend wollte der H das Werkzeug gewinnbringend verkaufen. Er hatte also Tatentschluss, die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache zu eigenen Zwecken zu erlangen, sie mithin anzukaufen.
 
c) Bereicherungsabsicht
Weiterhin hatte der H auch den finalen Willen, einen Vermögensvorteil anzustreben, also Bereicherungsabsicht.    
 
d) Zwischenergebnis
H handelte mit Tatentschluss in Bezug auf die Begehung einer Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB.
 
Anmerkung: Ein ausführliches Schema zum Tatbestand der Hehlerei findet ihr noch einmal hier. 
 
2.Vorsatz hinsichtlich der Begehung einer gewerbsmäßigen Hehlerei gemäß § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB
Weiterhin könnte H mit dem Tatentschluss gehandelt haben, die Tat gewerbsmäßig zu begehen. Gewerbsmäßig handelt, wer in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (s. hierzu BGH, Beschl. v. 27.2.2014 – 1 StR 15/14, NStZ 2014, 271). Laut Sachverhalt finanzierte der H seine Drogensucht durch den regelmäßigen Verkauf von Gegenständen, sodass davon auszugehen ist, dass sein Vorsatz auch auf die Begehung einer gewerbsmäßigen Hehlerei gerichtet war.
 
III. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB
Ferner müsste der H auch unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt haben. Das setzt nach der gemischt subjektiv-objektiven Theorie voraus, dass der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten hat und objektiv nach seiner Vorstellung von der Tat zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt hat, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht. Den Versuchsbeginn hat der BGH aber im vorliegenden Fall mit folgender Begründung verneint:
 

„Sowohl das Sichverschaffen im Sinne von § 259 Abs. 1 StGB als auch das Ankaufen – als Unterfall des Sicherverschaffens – setzen die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch den Hehler voraus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Juni 2005 – 4 StR 64/05, NStZ-RR 2005, 236; vom 29. März 1977 – 1 StR 646/76, BGHSt 27, 160, 163; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 259 Rn. 10 f.; MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 259 Rn. 78 und 100). Dementsprechend setzt der Versuch sowohl des Sichverschaffens als auch des Ankaufens ein unmittelbares Ansetzen zur Übernahme eigener Verfügungsgewalt voraus; die bloße Vereinbarung mit dem Vortäter, die Sache abnehmen zu wollen, reicht für den Versuchsbeginn nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 – 2 StR 287/90, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Sichverschaffen 4; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, Stand: 1. August 2018, § 259 Rn. 51; MüKo-StGB/Maier, aaO, § 259 Rn. 165 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. November 2007 – 5 StR 371/07, NStZ 2008, 409 zu § 374 AO). Die Feststellungen belegen auch keine andere Tatbestandsvariante des § 259 Abs. 1 StGB. Insbesondere ergibt sich aus der bloßen Suche des Angeklagten nach potentiellen Käufern kein versuchtes Absetzen; es fehlt hierfür an einem unmittelbaren Ansetzen zur Übertragung der Verfügungsgewalt auf einen Erwerber – etwa durch konkrete Verkaufsverhandlungen (vgl. MüKoStGB/Maier, aaO, § 259 Rn. 170; Stree/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 259 Rn. 47).“

 
Ein Versuchsbeginn könne daher nicht schon angenommen werden, wenn der Täter nur nach potentiellen Käufern sucht, ohne mit einer konkreten Person in Kontakt zu treten. Denn dann seien noch Zwischenschritte erforderlich, um zur Übernahme der Verfügungsgewalt anzusetzen. Der H hat folglich nicht unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
 
Anmerkung: Der BGH hat sich im letzten Jahr des Öfteren mit der Konkretisierung des Versuchsbeginns auseinandergesetzt. Ausführlich aufbereitet findet ihr relevante Entscheidungen hier und hier.
 
IV. Ergebnis
H hat sich nicht wegen versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei gemäß §§ 259 Abs. 1, Abs. 3, 260 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
C. Fazit
Die Entscheidung des BGH ist überzeugend. Würde man ein unmittelbares Ansetzen zur Hehlerei bereits bejahen, wenn lediglich Suchanfragen getätigt werden, ohne dass sich bereits ein konkretes Verkaufsgespräch ergeben hat, würde die Strafbarkeit zu weit nach vorn verlagert werden. Zudem – und das ist schlichte Subsumtion – erfordert das unmittelbare Ansetzen zur konkreten Tatvariante das unmittelbare Ansetzen zur Übernahme der tatsächlichen Verfügungsgewalt – und dass dies noch nicht angenommen werden kann, wenn noch gar keine Zusage gegenüber dem Vortäter erfolgt ist, dürfte offensichtlich sein. Festzustellen bleibt aber: Um beurteilen zu können, ob unmittelbar angesetzt wurde, muss Kenntnis über die exakte Definition der Tathandlung bestehen; eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Tatbestand der Hehlerei ist daher in Fallkonstellationen wie der vorliegenden unerlässlich.
 

07.02.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-02-07 09:00:292019-02-07 09:00:29BGH: Konkretisierung des Versuchs der Hehlerei
Dr. Yannik Beden, M.A.

Karteikarte Rücktritt vom Versuch; § 24 I StGB

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05.02.2019/0 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
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Dr. Matthias Denzer

Karteikarte Untersuchungshaft; §§ 112 ff. StPO

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04.02.2019/0 Kommentare/von Dr. Matthias Denzer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Matthias Denzer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Matthias Denzer2019-02-04 17:57:442019-02-04 17:57:44Karteikarte Untersuchungshaft; §§ 112 ff. StPO
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Verkehrspflichten in der zivilrechtlichen Klausur

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Im Ausgangspunkt ist klar: „Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch“ (vgl. nur BGH, Urt. v. 19.1.2021 – VI ZR 194/18) Damit ist allerdings nicht geklärt, welche Anforderungen […]

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12.06.2025/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2025-06-12 09:39:522025-06-12 09:39:53Verkehrspflichten in der zivilrechtlichen Klausur
Redaktion

Gedächtnisprotokoll Öffentliches Recht II April 2025 NRW

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Wir freuen uns sehr, ein Gedächtnisprotokoll zur zweiten Klausur im Öffentlichen Recht des April-Durchgangs 2025 in Nordrhein-Westfalen veröffentlichen zu können und danken Tim Muñoz Andres erneut ganz herzlich für die […]

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04.06.2025/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2025-06-04 08:43:322025-06-04 08:44:08Gedächtnisprotokoll Öffentliches Recht II April 2025 NRW
Miriam Hörnchen

Tätowierungen als Einstellungshindernis im Polizeidienst?

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Die vom VG Berlin zu beantwortende Frage, ob die Ablehnung einer Bewerbung für den Polizeidienst wegen sichtbarer Tätowierungen rechtswidrig erfolgt, wirft eine Vielzahl examensrelevanter Fragestellungen auf: Aufgrund der Eilbedürftigkeit im […]

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03.06.2025/0 Kommentare/von Miriam Hörnchen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Miriam Hörnchen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Miriam Hörnchen2025-06-03 08:45:032025-06-06 10:50:46Tätowierungen als Einstellungshindernis im Polizeidienst?

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