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Schlagwortarchiv für: Neuregelung

Charlotte Schippers

Das „neue“ Kaufrecht 2022 – Teil 4: Der Verbrauchsgüterkauf

Aktuelles, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Jurastudenten und auch Praktiker werden die Nachricht mit gemischten Gefühlen entgegengenommen haben – mit dem Beginn des Jahres 2022 stehen größere Änderungen im allseits prüfungs- und praxisrelevanten Kaufrecht an. Juraexamen.info gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen, die aufgrund der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie (EU) 2019/771 im Kaufrecht der §§ 433 ff. BGB erfolgen. Hierzu veröffentlichen wir eine Reihe von Beiträgen – in diesem vierten Teil der Reihe steht das Verbrauchsgüterkaufrecht im Fokus.
I. Vorbemerkung zur Richtlinie (EU) 2019/771 (Warenkaufrichtlinie)
Die Warenkaufrichtlinie (WKRL), die die bisher geltende Verbrauchsgüterkaufrichtlinie von 1999 ablöst, trifft entsprechend ihres Zwecks, für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen, s. Art. 1 WKRL, umfangreiche Regelungen, die den Verbrauchsgüterkauf betreffen, und das Verbrauchsgüterkaufrecht enger mit dem allgemeinen Schuldrecht verknüpfen. Auf die im deutschen Verbrauchsgüterkaufrecht umgesetzten Vorschriften der WKRL wird in der Folge an passender Stelle verwiesen. Die Regelungen zu den Verbrauchsgüterkaufverträgen über digitale Produkte (vor allem §§ 475a ff. BGB) sollen hier noch ausgeklammert werden.
II. Die Umsetzung in deutschen Recht
Die neuen Vorgaben für den Verbrauchsgüterkauf sind an vielen Stellen in das deutsche Kaufrecht eingeflossen und haben dort größere und kleinere Änderungen der Rechtslage bewirkt. Eine schrittweise, chronologische Betrachtung der neu gefassten Normen bietet sich an dieser Stelle an.
1. Verbrauchsgüterkauf, § 474 BGB
Zunächst hat § 474 BGB Änderungen erfahren: Der Anwendungsbereich der Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf wurde dabei vor allem begrifflich, auch und insbesondere an die WKRL, angepasst (BT-Drs. 19/31116, S. 14 f.). So heißt es (wie im Weiteren auch) jetzt „Ware“ in § 474 I 1 BGB n.F. statt „beweglicher Sache“, wobei auf die Legaldefinition des § 241a I BGB verwiesen wird. Die Ware ist danach eine bewegliche Sache, „die nicht auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft“ wird – das entspricht auch den Richtlinienvorgaben, s. Art. 3 IV b) WKRL. Im Kern ändert sich hierdurch nichts.
Des Weiteren wurde der Anwendbarkeitsausschluss des § 474 II 2 BGB eingegrenzt: Keine Anwendung findet das Verbrauchsgüterkaufrecht danach auf gebrauchte Sachen, die bei öffentlich zugänglichen Versteigerungen verkauft werden – so weit so bekannt (neu ist dabei zunächst lediglich der Verweis auf § 312g II Nr. 10 BGB). Der Ausschluss der Anwendbarkeit erfordert nunmehr jedoch darüber hinaus, dass dem Verbraucher „klare und umfassende Informationen darüber, dass die Vorschriften dieses Untertitels nicht gelten, leicht verfügbar gemacht wurden.“ Zu beachten ist, dass der Begriff „umfassend“ in diesem Kontext weder im BGB noch in Art. 3 WKRL nähere Bestimmung erfahren hat – der Umfang der Informationsobliegenheit des Unternehmers ist damit unklar und wird noch zu konkretisieren sein (Wilke, VuR 2021, 283, 289). Für den Fall, dass es sich um eine Versteigerung aufgrund einer gerichtlichen oder behördlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahme handelt, bestehen allgemein keine kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche, § 806 ZPO, § 283 AO (BT-Drs. 19/27424, S. 28).
2. Anwendbare Vorschriften, § 475 BGB
Erhebliche Änderungen finden sich in § 475 BGB n.F., der die auf den Verbrauchsgüterkauf anwendbaren Vorschriften festlegt. Gestrichen wurden § 475 IV, V BGB a.F. hinsichtlich des relativen Verweigerungsrechts des Unternehmers bei Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung, um der geänderten europarechtlichen Rechtslage gerecht zu werden – nach Art. 13 III WKRL nämlich besteht nun ein absolutes Verweigerungsrecht (dazu BT-Drs. 19/27424, S. 29; Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 25).
Relevant ist § 475 III 2 BGB n.F., der neben §§ 445 und 447 II BGB nun auch § 442 BGB für das Verbrauchsgüterkaufrecht ausschließt. Diese Änderung hat zur Folge, dass der Verbraucher auch dann nicht seine Gewährleistungsrechte verliert, wenn er bei Vertragsschluss Kenntnis von dem Mangel hat. Vielmehr müssten für einen Ausschluss der Gewährleistungsrechte die Voraussetzungen des § 476 I 2 BGB n.F. vorliegen; das entspricht den Vorgaben des Art. 7 V WKRL (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 24).
Auch neu ist § 475 V BGB n.F., der dem Unternehmer in Umsetzung von Art. 14 I WKRL die Rechtspflicht auferlegt, „die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen“. Zu beachten sind dabei die Art der Ware und der Zweck, für den der Verbraucher sie benötigt. Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass dies im Umkehrschluss nicht bedeute,

„dass die Nacherfüllung außerhalb von Verbrauchsgüterkaufverträgen nicht innerhalb angemessener Frist durchgeführt werden muss oder mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Gläubiger verbunden sein darf.“ (BT-Drs. 19/27424, S. 29).

Eine Nacherfüllung, welche die hier aufgeführten Pflichten des Unternehmers verletzt – also z.B. zwar erfolgreich, aber mit erheblichen Unannehmlichkeiten verknüpft ist –, hat indes nicht zur Folge, dass der Verbraucher vom Vertrag zurücktreten kann; er kann lediglich die Nacherfüllung ablehnen oder aber Schadensersatz nach § 280 I BGB verlangen, so dessen Voraussetzungen vorliegen (BT-Drs. 19/27424, S. 37).
Neu sind schließlich noch, entsprechend der Richtlinienvorgabe des Art. 16 III WKRL, die in § 475 VI BGB n.F. enthaltenen, folgenden Klarstellungen in Bezug auf Rücktritt und Schadensersatz statt der ganzen Leistung (§ 281 V BGB): Der Verbraucher ist generell bei Rücktritt oder Geltendmachung des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung nach § 346 BGB zur Rückgabe der Ware (oder zu Wertersatz) verpflichtet. § 475 VI 1 BGB n.F. legt dem Unternehmer nun die Kostentragungspflicht hinsichtlich der Rücksendekosten auf. Auch weicht die neue Regelung des § 475 VI 2 BGB n.F. von dem Grundsatz ab, dass die sich nach dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen bei der Rückabwicklung des Kaufvertrags gem. §§ 346 ff. BGB nach §§ 348, 320 BGB i.d.R. Zug-um-Zug zu erfüllen sind: Ein Rückerstattung des Kaufpreises bzw. Schadensersatzleistung durch den Unternehmer muss nach der neuen Rechtslage bereits dann erfolgen, wenn der Verbraucher nachweist, dass er die Ware abgesendet hat.
3. Sonderbestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz, § 475d BGB
Abweichend von §§ 323 II und 440 BGB legt § 475d I BGB n.F. zur Anpassung an Art. 13 IV WKRL fest, wann bei Rücktritt und Minderung, die automatisch wegen § 441 I 1 BGB miterfasst ist, die grundsätzlich nach § 323 I BGB erforderliche Fristsetzung entbehrlich ist. Die Norm erlangt darüber hinaus gem. § 475d II 1 BGB Geltung für den Schadensersatz statt der Leistung, sodass auch die Fristsetzung nach § 281 I BGB in den aufgezählten Fällen nicht notwendig ist; insoweit werden mit § 475d II 2 BGB n.F. die §§ 281 II und 440 BGB für unanwendbar erklärt. § 475d I BGB n.F. enthält fünf Fälle, in denen die Fristsetzung entbehrlich ist:
Nr. 1: Zunächst ist die Fristsetzung dann entbehrlich, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt der Unterrichtung über den Mangel durch den Verbraucher nicht vorgenommen hat. Das bedeutet, dass der Verbraucher, um die Frist auszulösen, nicht mehr ausdrücklich die Nacherfüllung verlangen muss (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 41; krit. zum Richtlinientext Wilke, VuR 2021, 283, 290).
Nr. 2: Ein weiterer Grund für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung ist das Auftreten eines Mangels trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung. Es besteht damit, als Erleichterung des Rücktritts, die Möglichkeit, bereits nach dem ersten erfolglosen Nacherfüllungsversuch zurückzutreten (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 42). Das Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung wird damit eingeschränkt; § 440 S. 2 BGB kann auf Verbrauchsgüterkäufe nicht mehr angewendet werden (BT-Drs. 19/27424, S. 37).
Zu berücksichtigen ist aber Erwägungsgrund 52 der WKRL, der deutlich macht, dass nicht in jedem Fall ein erfolgloser erster Versuch der Nacherfüllung ein sofortiges Rücktrittsrecht auslöst – Art. 13 IV b) WKRL ist im Zusammenhang mit diesem Erwägungsgrund zu lesen (Wilke, VuR 2021, 283, 290). Hiernach ist eine differenzierte Betrachtung vorzunehmen:

„In bestimmten Fällen könnte es gerechtfertigt sein, dass der Verbraucher Anspruch auf eine sofortige Preisminderung oder Beendigung des Vertrags haben sollte. Wenn der Verkäufer Schritte unternommen hat, um den vertragsgemäßen Zustand der Waren herzustellen, anschließend jedoch eine Vertragswidrigkeit offenbar wird, sollte objektiv bestimmt werden, ob der Verbraucher weitere Bemühungen des Verkäufers, den vertragsgemäßen Zustand der Waren herzustellen, akzeptieren sollte, wobei alle Umstände des Falles wie Art und Wert der Waren und Art und Bedeutung der Vertragswidrigkeit zu berücksichtigen sind. Insbesondere bei teuren oder komplexen Waren könnte es gerechtfertigt sein, dem Verkäufer einen weiteren Versuch zur Behebung der Vertragswidrigkeit zu gestatten. Außerdem sollte berücksichtigt werden, ob vom Verbraucher erwartet werden kann, dass er weiterhin darauf vertraut, dass der Verkäufer in der Lage ist, den vertragsgemäßen Zustand der Waren herzustellen, beispielsweise weil dasselbe Problem zum zweiten Mal auftritt. Gleichermaßen könnte die Vertragswidrigkeit in bestimmten Fällen so schwerwiegend sein, dass der Verbraucher nicht mehr darauf vertrauen kann, dass der Verkäufer in der Lage ist, den vertragsgemäßen Zustand der Waren herzustellen, beispielsweise wenn die Vertragswidrigkeit die Möglichkeit des Verbrauchers zur normalen Verwendung der Waren ernsthaft beeinträchtigt und von ihm nicht erwartet werden kann, darauf zu vertrauen, dass eine Nachbesserung oder Ersatzlieferung durch den Verkäufer dem Problem abhelfen würde.“ (Erwägungsgrund 52 WKRL, Hervorh. d. Verf.)

Nr. 3: Zusätzlich gilt: Bei einem schwerwiegenden Mangel, der den sofortigen Rücktritt rechtfertigt, ist ebenfalls keine Fristsetzung notwendig. Zur Bestimmung, ob ein solch schwerwiegender Mangel vorliegt, ist eine Abwägung der gegenüberstehenden Interessen von Verbraucher und Unternehmer im Einzelfall erforderlich – die genaue Konturierung dieser Abwägung und die Gewichtung der abwägungsrelevanten Belange ist von der Rechtsprechung vorzunehmen (BT-Drs. 19/27424, S. 37 f.).
Nr. 4: Verweigert der Unternehmer die ordnungsgemäße Nacherfüllung, wie sie von §§ 439 I und 475 V BGB n.F. vorgeschrieben wird, kann der Verbraucher ebenfalls ohne Fristsetzung zurücktreten. Ob die Verweigerung berechtigt oder unberechtigt ist, ist nicht entscheidend (BT-Drs. 19/27424, S. 38). Es ist in deutlichem Unterscheid zu §§ 323 II Nr. 1 und 281 II BGB nicht mehr erforderlich, dass der Unternehmer die Nacherfüllung „ernsthaft und endgültig“ verweigert (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 44).
Nr. 5: Darüber hinaus braucht der Verbraucher dann keine Frist zu setzen, wenn es den Umständen nach offensichtlich ist, dass der Unternehmer nicht ordnungsgemäß nacherfüllen wird.
4. Sonderbestimmungen für Verjährung, § 475e BGB
Neu im BGB aufgenommen ist § 475e BGB: Die Norm regelt besondere Bestimmungen für die Verjährung.
Für den vorliegende Beitrag relevant ist zunächst § 475e III BGB n.F.: Verbraucher sollen die Möglichkeit haben, ihre Gewährleistungsrechte auch kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend zu machen (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 49). Das legt auch der Gesetzgeber dar:

„Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass dem Unionsrecht eine möglichst optimale Wirkungskraft zu verleihen ist (effet utile), scheidet eine Gleichsetzung der Länge der Verjährungsfrist mit der Länge der in Artikel 10 Absatz 1 und 2 WKRL bestimmten Gewährleistungsfrist unionsrechtlich aus. Da die Einleitung verjährungshemmender Maßnahmen stets eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, würde eine solche Regelung den Verbraucher faktisch daran hindern, solche Mängel geltend zu machen, die erst zum Ende der Dauer der Gewährleistungsfrist offenbar wurden. Damit würde ein unverändertes Beibehalten der zweijährigen Verjährungsfrist den Vorgaben des Artikel 10 Absatz 5 Satz 2 WKRL nicht gerecht.“ (BT-Drs. 19/27424, S. 40, Hervorh. d. Verf.)

Aus diesem Grund sieht die Vorschrift eine Ablaufhemmung der Verjährung von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt vor, zu dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat.
Auch § 475e IV BGB n.F. kennt einen weiteren Tatbestand der Ablaufhemmung für den Fall, dass der Verbraucher die Ware „zur Nacherfüllung oder zur Erfüllung von Ansprüchen aus einer Garantie […] dem Unternehmer oder auf dessen Veranlassung einem Dritten übergeben“ hat: Die Verjährung tritt nicht vor Ablauf von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt ein, in dem der Verbraucher die nachgebesserte oder ersetzte Ware übergeben wurde. Dies gibt dem Verbraucher die Möglichkeit, die Ware zu überprüfen (BT-Drs. 19/27424, S. 41).
5. Abweichende Vereinbarungen, § 476 BGB
Überarbeitet wurde auch § 476 BGB, der die Möglichkeit zu abweichenden Vereinbarungen zu Lasten des Verbrauchers einschränkt. Im Grunde gleich geblieben ist § 476 I 1 BGB n.F., der grundsätzlich abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Verbrauchers verbietet. Das Umgehungsverbot wurde in § 476 IV BGB n.F. verschoben.
Wichtig ist hier insbesondere die Regelung des § 476 I 2 BGB n.F., die Art. 7 V WKRL umsetzt: Früher waren negative Beschaffenheitsvereinbarungen auch beim Verbrauchsgüterkauf generell möglich (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 55). Diese Möglichkeit erfährt nun eine Einschränkung, da § 476 I 2 BGB n.F. eine Abweichung von den Anforderungen §§ 434 III oder 475b IV BGB n.F. nur dann gestattet, wenn der Verbraucher vor der Abgabe der Vertragserklärung eigens, also besonders, darüber informiert wurde, dass und inwieweit die objektiven Anforderungen an die Ware nicht erfüllt sind, und dies im Vertrag ausdrücklich und gesondert festgehalten wurde. Besonderes Augenmerk ist dabei auf den Begriff „gesondert“ zu werfen:

„Das Merkmal ,gesondert‘, erfordert, dass die Abweichung hervorgehoben wird, damit der Verbraucher sie bewusst in seine Kaufentscheidung einbezieht. Um eine Abweichung von der objektiven Beschaffenheit zu vereinbaren, reicht es daher nicht aus, diese neben zahlreichen anderen Vereinbarungen in einen Formularvertrag oder separate Allgemeinen Geschäftsbedingungen einzustellen. Die Vertragsunterlagen müssen vielmehr so gestaltet sein, dass dem Verbraucher bei Abgabe seiner Vertragserklärung bewusst wird, dass er eine Kaufsache erwirbt, die von den objektiven Anforderungen an die Vertragsgemäßheit abweicht oder abweichen kann.“ (BT-Drs. 19/27424, S. 42, Hervorh. d. Verf.)

Beim Kaufvertragsschluss online z.B. muss der Unternehmer eine entsprechende Schaltfläche vorsehen, die der Verbraucher betätigen können muss, die Option, ein bereits gesetztes Häkchen abzuwählen, reicht nicht (BT-Drs. 19/27424, S. 42).
Des Weiteren untersagt § 476 II 1 BGB n.F. vertragliche Verjährungsvereinbarungen, die kürzer als zwei Jahre, bei gebrauchten Waren kürzer als ein Jahr sind (dies gestattet Art. 10 VI WKRL ausdrücklich). Für jede Verkürzung der Verjährungsfrist setzt § 476 II 2 BGB n.F. voraus, dass der Verbraucher erneut eigens in Kenntnis gesetzt und die Verkürzung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 476 II 2 BGB n.F. auf Vereinbarungen über die Verkürzung der Verjährung bei gebrauchten Waren erschließt sich nicht (so aber Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 58) und ist im Wortlaut der Norm auch nicht angelegt. Die höheren Anforderungen an die Vereinbarungen dienen im Wege der Vereinheitlichung der Rechtsklarheit und Vereinfachung der Rechtsanwendung (BT-Drs. 19/27424, S. 43); das gilt für neue wie für gebrauchte Waren.
Kurz gesagt enthält § 476 BGB n.F. also folgende Regelungen: Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht ist beim Verbrauchsgüterkauf zwingend und Abweichungen zu Lasten des Verbrauchers sind unzulässig. Die Möglichkeit, eine negative Beschaffenheitsvereinbarung zu treffen, wird eingeschränkt und die Verjährungsverkürzung erhält neue Wirksamkeitserfordernisse. Unverändert bleibt übrigens § 476 III BGB, der die Anwendbarkeit der Absätze 1 und 2 unbeschadet der §§ 307 bis 309 BGB für Schadensersatzansprüche verneint.
6. Beweislastumkehr, § 477 BGB
Der höchst examensrelevante § 477 BGB wurde an Art. 11 I WKRL angepasst, sodass die Beweislastumkehr nach § 477 I 1 BGB n.F. nun ein Jahr ab Gefahrübergang beträgt – zeigt sich der Mangel innerhalb dieser Zeit, wird die Mangelhaftigkeit der Ware bereits bei Gefahrübergang vermutet. Der Kauf lebender Tiere erhält eine Sonderregelung, diesbezüglich gilt weiterhin die Frist von sechs Monaten, § 477 I 2 BGB n.F. Die Mitgliedstaaten hätten sich nach Art. 11 2 WKRL auch für eine generelle Frist für die Beweislastumkehr von zwei Jahren entscheiden können (Ausnahme von der Vollharmonisierung). Der deutsche Gesetzgeber hat sich jedoch bewusst dagegen entschieden, da der Informationsvorsprung über den Zustand der Ware des Verkäufers gegenüber dem Verbraucher, welcher der Grund für die Beweislastumkehr ist, sich verringert und der Käufer den größeren Einfluss auf die Ware und ihren Zustand hat (BT-Drs. 19/27424, S. 44). Dies ist sachgerecht.
7. Sonderbestimmungen für Garantien, § 479 BGB
Eine letzte Anpassung soll hier noch betrachtet werden: § 479 BGB n.F., der Sonderbestimmungen für Garantien enthält, wurde den Richtlinienvorgaben des Art. 17 WKRL entsprechend geändert. Die Transparenzanforderungen an die Garantie wurden erweitert und strenger gefasst, § 479 I Nr. 1-5 BGB n.F. Darüber hinaus ist dem Verbraucher die Garantieerklärung spätestens bei Lieferung der Ware zur Verfügung zu stellen, er muss ihre Mitteilung in Textform also nicht mehr selbstständig verlangen, vgl. § 479 II BGB n.F. und a.F. Darüber hinaus regelt die Norm jetzt einen Mindestinhalt der Herstellergarantie, § 479 III BGB n.F.
III. Summa
Auch für das neue Verbrauchsgüterkaufrecht gilt: Vieles erschließt sich bei gründlicher Lektüre der neuen BGB-Normen. Stellenweise schadet es dabei auch nicht, die WKRL und ihre Erwägungsgründe daneben zu legen – diese enthalten wertvolle Hinweise zur Arbeit mit den neuen Vorschriften und helfen dabei, sich Sinn und Zweck der Regelungen vor Augen zu führen. Vor einer Klausur, die sich im neuen Kaufrecht bewegt, braucht niemand Angst zu haben. Wichtig ist es, sich mit den neuen Normen vertraut zu machen und sie zu kennen. Ein kaufrechtlicher Fall, der sich dazu im Verbrauchsgüterkaufrecht abspielt, sollte sich dann bei sauberer Arbeit mit dem Gesetz und gründlicher Subsumtion gut bewältigen lassen.

01.02.2022/1 Kommentar/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2022-02-01 10:12:292024-04-11 07:37:30Das „neue“ Kaufrecht 2022 – Teil 4: Der Verbrauchsgüterkauf
Tom Stiebert

Neues Wahlrecht in der Diskussion oder „Welcome to North Korea“

Aktuelles, Öffentliches Recht, Startseite, Verfassungsrecht

Gestern wurde in zahlreichen Quellen (siehe nur beck aktuell) berichtet, dass nach dem erneuten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtswidrigkeit des Bundeswahlgesetzes (2 BvF 3/11;- 2 BvR 2670/11; 2 BvE 9/11; siehe hierzu unseren Beitrag) nunmehr fertige Modelle für eine Anpassung des Bundeswahlgesetzes vorliegen.
Das Gesetz hat zum Ziel, sämtliche Überhangmandate proportional auszugleichen, so dass keine Stimmwertungleichheit aus diesem Grund mehr bestehen kann. Nicht klar wird anhand der vorliegenden Informationen freilich, ob die Überhangmandate im jeweiligen Bundesland auszugleichen sind, oder ob – natürlich anhand der Zweitstimmen – eine Verteilung über die gesamte Bundesrepublik erfolgen soll. Hier gilt es das endgültige Gesetz abzuwarten. Fest steht allerdings schon jetzt, dass durch den vollständigen Ausgleich der Überhangmandate eine deutliche Steigerung der Abgeordnetenzahl eintritt – die Rede ist hier von einer Erhöhung auf 700 Abgeordnete (ggü. regulären 598). Dies wäre dann, wie der Spiegel mit ironischem Unterton bemerkt, nach China und vor Nordkorea das weltweit zweitgrößte Parlament. Ob man dies will und sich in dieser illusteren Gesellschaft wiederfinden möchte, bleibt dahingestellt.
Viel schwerer wiegt freilich, dass in den bisherigen Meldungen nicht deutlich wird, ob auch das vom BVerfG vielfach gerügte negative Stimmgewicht durch gesetzliche Neuregelungen beseitigt wurde. Zu dieser Problematik und möglichen Lösungsvorschlägen siehe unseren ausführlichen Beitrag zur Verfassungsgerichtseinscheidung. Sollte dies unterblieben sein, bleibt das BWahlG verfassungswidrig. Ein erneutes Urteil des BVerfG wäre dann zu erwarten und würde einem Super-Gau gleichen und die Politikverdrossenheit der Bürger (zu recht) noch deutlich steigern.
Es bleibt damit zu hoffen, dass die Einigung der Fraktionen deutlich weiter geht als die Pressemeldungen vermuten lassen. Dann bekäme Deutschland vor der Bundestagswahl doch noch ein verfassungsgemäßes Wahlgesetz.

19.10.2012/5 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-10-19 18:39:042012-10-19 18:39:04Neues Wahlrecht in der Diskussion oder „Welcome to North Korea“
Dr. Stephan Pötters

Examensrelevante Reform: Sicherungsverwahrung ab 1.1. neu geregelt

Europarecht, Öffentliches Recht, StPO, Strafrecht

Fast einjährige Debatte
Eine der wichtigsten Debatten des letzten Jahres ist nun seit dem 1.1.2011 vorläufig durch ein Tätigwerden des Gesetzgebers beendet worden. Ausgelöst durch ein Urteil des EGMR (Urteil vom 17.12.2009, Az.: 19359/04) wurde in Deutschland fast ein Jahr lang über eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung diskutiert. Der EGMR hatte die deutsche Regelung für menschenrechtswidrig erklärt. Die BRD habe nach Ansicht der Strasbourger Richter mit der rückwirkenden Anwendung des § 67d Abs. 3 StGB in seiner Fassung nach Streichung der zeitlichen Begrenzung der Sicherungsverwahrung die EMRK verletzt. Die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung verstoße gegen das Recht auf Freiheit in Art. 5 EMRK und das Rückwirkungsverbot in Art. 7 EMRK. Über dieses Urteil und auch die andere Ansicht des BVerfG haben wir bereits berichtet (s. hier).
Gesetzgeberische Lösung
Nachdem nun fast ein Jahr über die Konsequenzen der EGMR-Entscheidung und die erforderlichen Reformen gerungen wurde, hat der Bundestag im Dezember 2010 eine Reform beschlossen, die so nun auch sehr zügig vom Bundesrat bestätigt wurde und nunmehr seit dem 1.1.2011 in Kraft ist. Sie sieht eine Streichung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB), eine Ausweitung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung (§ 66a StGB) und eine Beschränkung der normalen Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) auf schwere Gewalt- und Sexualdelikte vor. Vgl. ausführlich zur Sicherungsverwahrung auch den Wikipediaartikel.
Die Sicherungsverwahrung war schon Gegenstand einiger öffentlich-rechtlicher Examensklausuren. Mit der Neuregelung ist sie zumindest weiterhin für die mündlichen Prüfungen interessant, vielleicht sogar auch für eine Zusatzfrage im Strafrecht.

03.01.2011/2 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2011-01-03 12:17:502011-01-03 12:17:50Examensrelevante Reform: Sicherungsverwahrung ab 1.1. neu geregelt
Samuel Ju

Examensrelevante Neuregelungen nach der Familienrechtsreform im Jahr 2009

Familienrecht, Zivilrecht

Zum 1.9.2009 sind im Familienrecht zahlreiche gesetzliche Regelungen reformiert worden. Das ist jetzt nun schon fast ein Jahr her. Da das Familienrecht aber bei der Examensvorbereitung von den meisten als „Nebengebiet“ behandelt wird (es sei denn, man hat Familienrecht im Schwerpunkt) und eine Reform in diesem Rechtsgebiet nicht so stark auffällt wie z.B. die Schuldrechtsreform, soll dieser Artikel die examensrelevanten Neuregelungen zusammenfassen. Und man weiß ja nie: In so manchem Bundesland kommt als Zusatzfrage ja auch ab und an mal ein Themenaufsatz zu einer schon fast zehn Jahre zurückliegenden Reform dran.
Von Examensrelevanz ist insbesondere die Reform des ehelichen Güterrechts. Mit dem Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts sind mehrere Schwachstellen korrigiert worden, die von Betroffenen und von Rechtspraktikern aufgedeckt worden waren. Dabei wurde auch dem Umstand Rechnung getragen, dass heute fast jede dritte Ehe früher oder später geschieden wird.
1. Änderung bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs: Berücksichtigung von Schulden bei der Eheschließung
Sinn und Zweck des Zugewinnausgleichs ist es, dass die Eheleute bei Beendigung der Ehe in gleichem Maße am Vermögenszuwachs während der Ehe partizipieren. An dieser Systematik hat sich auch durch die Reform der Gesetze zum Zugewinnausgleich nichts Grundsätzliches verändert. Jedoch haben sich einige Neuerungen im Vergleich zum bisher maßgeblichen Berechnungsmodus ergeben.
Nach § 1373 BGB ist Zugewinn der Betrag, um den das Endvermögen das Anfangsvermögen eines Ehegatten übersteigt. Sowohl das Anfangs- als auch das Endvermögen berechneten sich bislang durch Saldierung sämtlicher Vermögenspositionen und Abzug der Verbindlichkeiten, wobei weder ein negatives Anfangs- noch ein negatives Endvermögen Berücksichtigung fanden. Das Anfangsvermögen des verschuldeten Ehegatten wurde bislang mit „null“ bewertet.
Ab dem 1.9.2009 wird nun bei der Ermittlung des von den Ehegatten wechselseitig erzielten Zugewinns auch ein sog. „negatives Anfangsvermögen“ berücksichtigt. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass auch die Fälle angemessen ausgeglichen werden, in welchen ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Heirat verschuldet ist und während der Ehe einen Vermögenszuwachs dadurch erfährt, dass er diese Verbindlichkeiten abträgt. Hingegen verbleibt es dabei, dass ein negatives Endvermögen bei der Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs keine Berücksichtigung finden.
Beispiel: Thomas und Regina lassen sich nach 20jähriger Ehe scheiden. Thomas hatte bei Eheschließung gerade ein Unternehmen gegründet und 30.000 € Schulden. Im Verlauf der Ehe erzielte er einen Vermögenszuwachs von 50.000 €. Das Endvermögen von Thomas beträgt also 20.000 €. Seine Frau Regina hatte bei Eheschließung keine Schulden und während der Ehe ein (End-)Vermögen von 50.000 € erzielt. Sie war während der Ehezeit berufstätig und kümmerte sich auch um die Kinder, damit sich ihr Mann seinem Geschäft widmen konnte. Nur so war Thomas imstande, seine Schulden zu bezahlen und Gewinn zu machen. Nach geltendem Recht müsste Regina ihrem Mann einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 15.000 € zahlen, weil seine Schulden bei der Eheschließung unberücksichtigt bleiben. Künftig wird ein sog. negatives Anfangsvermögen berücksichtigt. Regina und Thomas haben jeweils einen Zugewinn von 50.000 € erzielt. Deshalb müsste Regina künftig keinen Zugewinnausgleich an ihren Mann zahlen.
2. Verhinderung von Manipulationsmöglichkeiten
Weiter wollte die Reform des ehelichen Güterrechts den nach bis dato geltendem Recht durchaus bestehenden Manipulationsmöglichkeiten der Ehegatten Einhalt gebieten. In § 1384 BGB war vor der Reform normiert, dass für die Berechnung des Zugewinns der Tag maßgeblich sei, an dem der Scheidungsantrag förmlich zugestellt wird. Jedoch wurde die Höhe der Ausgleichsforderung nach § 1378 Abs. 2 BGB auf den Wert des Vermögens begrenzt, das bei Rechtskraft der Ehescheidung, also zu einem deutlich späteren Zeitpunkt, noch vorhanden ist. In der Zwischenzeit, also im Verlauf des Scheidungsverfahrens, konnte der ausgleichspflichtige Ehegatte bisher sein Vermögen zu Lasten des ausgleichsberechtigten Ehegatten „verbrauchen“ oder beiseite schaffen.
Beispiel: Als Karl die Scheidung einreicht, hat er einen Zugewinn von 20.000 € erzielt. Seine Frau Franziska hat kein eigenes Vermögen. Nach Einreichung der Scheidung gibt Karl 8.000 € für eine Urlaubsreise mit seiner neuen Freundin aus und behauptet zudem, die restlichen 12.000 € an der Börse verloren zu haben. Als das Scheidungsurteil rechtskräftig wird, ist Karl kein Vermögen nachzuweisen. Franziska stehen zwar rechnerisch 10.000 € zu. Da das Vermögen des Karl nach dem Scheidungsantrag aber „verschwunden“ ist, hat sie plötzlich keinen Anspruch mehr.
Mit Inkrafttreten der Reform des ehelichen Güterrechts ist der ausgleichsberechtigte Ehegatte nun besser geschützt. Ab sofort ist also der Tag der Zustellung des Scheidungsantrages nicht nur maßgeblich für die Berechnung des Endvermögens, sondern auch für die Ausgleichsforderung selbst. Dann bleiben Ansprüche wie der von Franziska im Beispielsfall bestehen.
3. Verbesserung des vorläufigen Rechtsschutzes
Gleichzeitig wurde auch der vorläufige Rechtsschutz für solche Manipulationsfälle verbessert. Der Schutz des ausgleichsberechtigten Ehegatten vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags war nur gering ausgeprägt.
Beispiel: Sabine ist als erfolgreiche Unternehmerin unter anderem Alleineigentümerin einer vermieteten Eigentumswohnung. Diese Eigentumswohnung stellt als Kapitalanlage einen nicht unerheblich Teil ihres Vermögens dar. Sie will sich von Rolf, einem erfolglosen Vertreter, scheiden lassen und kündigt ihm unter Zeugen an: Du bekommst von mir nichts. Unmittelbar nach der Trennung inseriert sie die Wohnung zum Verkauf, obwohl dies wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Rolf befürchtet nun, dass der Verkauf nur dazu dienen soll, den Erlös beiseite zu schaffen, um ihm keinen Zugewinnausgleich zahlen zu müssen.
Nach alter Rechtslage konnte Rolf noch nichts unternehmen. Nach der Reform kann er aber seine Ansprüche in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor Gericht sichern. Damit wird verhindert, dass der andere Ehepartner sein Vermögen ganz oder in Teilen beiseite schafft.
Das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts hier als pdf-Download

09.07.2010/0 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-07-09 15:52:342010-07-09 15:52:34Examensrelevante Neuregelungen nach der Familienrechtsreform im Jahr 2009
Samuel Ju

Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht zum 11.6.2010

Schuldrecht, Zivilrecht

Wir hatten bereits über die Reform des Polizeigesetzes NRW und das Inkrafttreten des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) zum 1.11.2011 im Bereich des Öffentlichen Rechts berichtet.
Auch im Zivilrecht gibt es in diesem Monat einige Neuordnungen. Am 11.06.2010 tritt das „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht“ in Kraft.
Abgesehen von der sehr hohen Praxisrelevanz insbesondere für Online- oder Ebay-Shopbetreiber, die ihre Belehrungen zum Stichtag anpassen müssen, um Abmahnungen zu vermeiden, gibt es auch für Examenskandidaten einige wichtige Änderungen im Widerrufsrecht, über die man Bescheid wissen sollte.
Im Folgenden ein kurzer Überblick über die Änderungen:

  • Neben den Musterbelehrungen werden zum 11.06.2010 auch die übrigen Regelungen zum Fernabsatz und zum elektronischen Geschäftsverkehr aus der BGB-InfoV in den neuen Artikel 246 EGBGB übertragen. Dies hat zur Folge, dass die aktuellen Musterwiderrufsbelehrungen, die auf die Belehrungspflichten aus der BGB-InfoV verweisen, mit Ablauf des 10.06.2010 automatisch falsch werden. Wer seine Belehrung zu spät oder gar nicht anpasst, riskiert eine Abmahnung; dasselbe gilt aber auch für denjenigen, der zu früh umstellt.
  • Die Gesetzesänderungen bringen auch eine Angleichung der Fristen für normale Onlineshops und Internetauktionsplattformen wie Ebay. Bisher musste hier zwischen der 14-Tage-Frist und der Monatsfrist unterschieden werden. Ab dem 11.06.2010 ist es für die Geltung der 14-Tage-Frist anders als noch heute ausreichend, wenn dem Kunden eine ausreichende Widerrufsbelehrung unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F.). Erfolgt die Mitteilung nicht unverzüglich nach Vertragsschluss, gilt die Monatsfrist. Nach der Gesetzesbegründung bedeutet „unverzüglich“, dass der Unternehmer die erste ihm zumutbare Möglichkeit ergreifen muss, um dem Verbraucher die Belehrung in Textform mitzuteilen, regelmäßig innerhalb eines Tages.
  • Auch für den Wertersatz gibt es eine vergleichbare Änderung. § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F. enthält die Voraussetzungen, unter denen der Kunde durch eine Mitteilung in Textform unverzüglich nach Vertragsschluss zum Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache verpflichtet ist.
  • Ganz neu eingefügt ist § 360 BGB. § 360 BGB konkretisiert in den Absätzen 1 und 2 die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufs- und Rückgabebelehrung. Und solange die neuen, nun im EGBGB enthaltenen Musterbelehrungen verwendet werden, erfüllt man nach der ausdrücklichen Regelung in § 360 Abs. 3 BGB n.F. die gesetzlichen Anforderungen. Bis jetzt war es so gewesen, dass man, obwohl man die offizielle Musterbelehrung verwendete, abgemahnt wurde. Mit dem § 360 BBG ist damit nun Schluss und insbesondere Shopbetreiber können nun ein bisschen ruhiger schlafen.

Einige weiterführende Links:

  • Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht
  • Details zum Gesetzgebungsverfahren findet ihr auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Justiz.
  • Pressemitteilung des BMJ zu den Änderungen
02.06.2010/0 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-06-02 14:17:552010-06-02 14:17:55Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht zum 11.6.2010
Dr. Christoph Werkmeister

Reform des Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NW)

Öffentliches Recht, Verwaltungsrecht

Das Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NW) wurde durch das PolGÄndG NW 2010 geändert. Dies bietet Anlass, sich mit den examensrelevanten Änderungen zu beschäftigen:
Datenerhebung
Die Novellierung des PolG zeichnet sich insbesondere durch weniger examensrelevante Änderungen im Bereich der besonderen Mittel der Datenerhebung in den §§ 16ff. PolG NW aus.
Zitiergebot
Das „Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“ ist nunmehr in der Aufzählung der eingeschränkten Grundrechte in § 7 PolG NW genannt; nicht aber die anderen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts i.S.v. Art. 2 I i.V.m. 1 I GG. Auch das neu geschaffene Computergrundrecht wird nicht genannt.
Hierdurch können sich interessante Fragestellungen im Hinblick auf das Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG stellen, sofern durch das PolG in die nicht explizit genannten Rechte eingegriffen wird. Dies insbesondere vor dem historischen Hintergrund, dass das PolG NW aufgrund der bis dato ergangenen Rechtsprechung des BVerfG novelliert wurde.
Finaler Rettungsschuss
Examensrelevant ist zudem auch die nunmehr gesetzliche Kodifizierung des polizeilichen Todesschusses (sog. finaler Rettungsschuss) nach § 63 PolG NW. Hierüber brannte früher ein umfassender Meinungsstreit, wobei es zu klären galt, ob der Wortlaut des alten § 63 PolG NW den Rettungsschuss erfasste oder nicht. Diskutiert wurde auch eine analoge Anwendung der strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe.
Auch wenn der finale Rettungsschuss nunmehr gesetzlich kodifiziert ist, muss in einer Klausur allerdings erörtert werden, ob diese Regelung nicht gegen höherrangiges Recht verstößt; namentlich Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 102 GG.
Im Ergebnis ist ein Verstoß gegen die vorgenannten Bestimmungen zu verneinen, was sich daraus ergibt, dass der finale Rettungsschuss nur im Ausnahmefall zur Rettung eines anderen Lebens erfolgen darf. Das Recht auf Leben des Störers ist hier als minderwertig im Gegensatz zu dem zu rettenden Leben anzusehen.
Ein Verstoß gegen Art. 102 GG entfällt, da diese Norm nur repressive Maßnahmen in Form von Bestrafungen und keine Gefahrenabwehrmaßnahmen erfasst.
Diskutiert werden kann zudem ein Verstoß gegen Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) , der bei sauberer Subsumtion im Ergebnis allerdings auch zu verneinen ist (der völkerrechtliche Vertrag der EMRK ist durch Bundesgesetz in deutsches Recht transformiert und kann damit auch Prüfungsmaßstab für § 63 PolG NW sein).
Öffentliche Ordnung
Neu hinzugekommen ist auch das Schutzgut der öffentlichen Ordnung in der Generalklausel des § 8 Abs. 1 PolG NW. Die Grundsätze, die ihr euch zu § 14 OBG erarbeitet habt, können hier entsprechend angewendet werden. Auch im neuen § 8 PolG NW gilt, dass die öffentliche Ordnung nur subsidiär heranzuziehen ist, wenn die öffentliche Sicherheit nicht betroffen ist. Angesichts § 118 OWiG, der als Teil der Rechtsordnung bereits von der öffentlichen Sicherheit erfasst ist, verbleiben allerdings nur noch wenige Sonderfälle für das Schutzgut der öffentlichen Ordnung.
Vertiefend
Für die, die es interessiert, findet sich ein umfassenderer Überblick über weitere Änderungen sowie eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelungen im Aufsatz von Sachs/Krings in NwVBl 2010, 165.

30.05.2010/3 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2010-05-30 21:14:202010-05-30 21:14:20Reform des Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NW)

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