Einen weniger examensrelevanten (aber dennoch interessanten) Fall hatte der BGH am gestrigen Tage zu entscheiden (Az.: I ZR 74/12). In der Sache ging es um die Frage, ob Eltern für das illegale Filesharing eines 13-jährigen Kindes haften (siehe zu derartigen urheberrechtlichen Straftaten hier und hier), wenn sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt hatten und keine Anhaltspunkte dafür erkennbar waren, dass ihr Kind diesem Verbot zuwiderhandelte. Der BGH verneinte – im Gegensatz zur Vorinstanz – eine Haftung der Eltern.
Die Vorinstanz
Das Vorinstanz nahm an, die Eltern haften nach § 832 Abs. 1 BGB für den durch das illegale Filesharing ihres minderjährigen Sohnes entstandenen Schaden, weil sie ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt hätten. Hätten die Eltern auf dem Computer ihres Sohnes etwa ein Kindersicherheitsprogramm installiert, das die Installation neuer Software sperrt, hätte ihr Sohn die Filesharingsoftware nicht installieren können. Zudem hätte die Filesharingsoftware bei einer regelmäßigen Überprüfung des Computers des Kindes entdeckt werden müssen.
Aufhebung durch den BGH
Der BGH hob die Entscheidung der Vorinstanz indes auf. Nach Ansicht der Richter aus Karlsruhe genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht im Sinne von § 832 BGB bei einem normal entwickelten Kind bereits, wenn sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und aufklären. Eine Verpflichtung der Eltern die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, bestehe grundsätzlich nicht. Eltern seien erst dann zu derartigen Maßnahmen verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.
Grundsätzliches zur Haftung bei illegalem Filesharing
Im Urheberrecht können Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche sich insbesondere aus § 97 UrhG ergeben. Hiernach haftet zunächst derjenige, der urheberrechtlich geschützte Titel hochlädt und verteilt. Im vom BGH zu entscheidenden Fall war dies der 13-jährige Sohn. Eine Haftung der Eltern über § 97 UrhG könnte dennoch bestehen, sofern diese als Inhaber des Internetanschlusses als Störer einzuordnen wären. In derartigen Fällen lässt sich meist anhand der sog. IP-Protokolle beweisen, dass die Verletzung vom betreffenden Anschluss ausging. Nach der Rechtsprechung des BGH (siehe dazu auch hier) besteht im Grundsatz zwar eine Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber, hier also die Eltern, selbst der Täter gewesen ist. Legt der Anschlussinhaber jedoch – und so wird es im hier vom BGH zu entscheidenden Fall gewesen sein – die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs dar, muss wiederum die klagende Seite den Beweis für die Täterschaft führen, so dass eine Haftung der Eltern als Störer im Sinne von § 97 UrhG ausscheidet. Insofern haftete im vorliegenden Fall (wenn überhaupt) nur der Sohn. Eine Haftung der Eltern konnte höchstens über § 832 BGB konstruiert werden, wobei der Umfang der elterlichen Aufsichtspflicht nach Auffassung des BGH keinen allzu strengen Anforderungen genügen muss.
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Das OLG Köln hat mit Urteil vom 16.05.2012 (Az. 6 U 239/11) über eine Streitfrage des Urheberrechts entschieden, die allerdings auch allgemeine zivilrechtliche Kategorien betrifft. Es ging in der Sache darum, ob und wann ein Internetanschlussinhaber für Urheberrechtsverletzungen haftet, die von seinem (den Anschluss mitbenutzenden) Ehegatten begangen wurden. Das Urheberrecht, insbesondere die spezialgesetzlich geregelten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach § 97 UrhG, sind nicht examensrelevant. Gleichwohl eignet sich die Entscheidung hervorragend dazu, um Probleme wie die Störerhaftung und die Zurechnung von Verursachungsanteilen allgemein und ganz losgelöst von einem bestimmten Rechtsrahmen zu diskutieren. Deshalb und nicht zuletzt auch weil die Haftung für Rechtsverletzungen im digitalen Zeitalter eines der umstrittensten Themen der aktuellen Tagespresse darstellt (Stichwort: Piratenpartei), sollte das hier angemerkte Urteil für anstehende mündliche Prüfungen berücksichtigt werden.
Sachverhalt
In dem zur Entscheidung stehenden Fall wurde über den Internetanschluss der beklagten Ehefrau an zwei Tagen jeweils ein Computerspiel zum Download angeboten. Die Inhaberin des Urheberrechts an diesem Spiel mahnte die Beklagte ab. Die Beklagte nahm die Abmahnung nicht hin, sondern widersprach. Im anschließenden Rechtsstreit vor dem LG Köln verteidigte sich die Beklagte damit, das Spiel sei nicht von ihr selbst angeboten worden. Der Anschluss sei auch und sogar hauptsächlich von ihrem – zwischenzeitlich verstorbenen – Ehemann genutzt worden. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und die Ehefrau zu Unterlassung und Schadensersatz einschließlich Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Das OLG Köln hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Beweislast
Im zu entscheidenden Fall war zunächst problematisch, wie in einem derartigen Fall die Darlegungs- und Beweislast verteilt ist. Dieser Problemkreis ist allgemeiner Natur und kann deshalb auch als Aufhänger für entsprechende Fragerunden im Beweisrecht dienen. Grundsätzlich gilt, vereinfacht ausgedrückt, dass alle anspruchsbegründenden Tatsachen vom Anspruchssteller, und damit vom Kläger zu beweisen sind. Im vorliegenden Fall lässt sich anhand der IP-Protokolle (siehe zur faktischen Verfolgbarkeit urheberrechtlicher Straftaten hier und hier) beweisen, dass die Verletzung vom Anschluss der Ehefrau ausging. Welche Person aber den Anschluss zum Zeitpunkt des Verstoßes benutzt hat, war zwischen den Parteien streitig. Es stellt sich damit die Frage, ob die Verletzung vom Anschlussinhaber selbst oder durch einem Dritten begangen worden ist.
Zu diesem Aspekt berief sich das OLG Köln auf die Rechtsprechung des BGH, wonach zwar eine Vermutung dafür spreche, dass der Anschlussinhaber selbst der Täter gewesen sei. Lege der Inhaber jedoch – wie hier – die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes dar, müsse wiederum die klagende Seite den Beweis für die Täterschaft führen.
Zurechnung des Verhaltens des Ehemanns
Da eine Urheberrechtsverletzung durch die Ehefrau somit nicht bewiesen werden konnte, kam eine Haftung ihrerseits nur dann in Betracht, sofern ihr das Verhalten ihres Mannes haftungsrechtlich zuzurechnen war. Das OLG hatte somit zu klären, ob der Anschlussinhaber auch für Urheberrechtsverletzungen haftet, die nicht von ihm selbst, sondern von einem Dritten begangen werden.
Das OLG Köln vertrat in diesem Kontext, dass die bloße Überlassung der Mitnutzungsmöglichkeit an den Ehegatten noch keinerlei Haftung auslöse. Eine Haftung käme nur dann in Betracht, wenn die Ehefrau als Anschlussinhaber Kenntnis vom illegalen Verhalten des Dritten, in diesem Fall also des Ehemannes, habe. Zudem käme eine Haftung in Betracht, wenn eine Aufsichtspflicht der Ehefrau bestünde. Eine solche Pflicht in Form einer Prüf- und Kontrollpflicht könne nach dem OLG Köln etwa dann angenommen werden, wenn Eltern ihren Internetanschluss auch für ihre Kinder zugänglich machen. Eine solche Überwachungspflicht bestehe aber nicht im Verhältnis zum Ehepartner.
Eingang der Problematik ins allgemeine Zivilrecht
Im Ergebnis handelt es sich also um eine Problematik, die sich genauso im Rahmen eines Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruchs nach §§ 1004, 823 BGB abspielen könnte. Insbesondere im Rahmen von Cyberkriminalität und anderen computerbezogenen Eingriffen (etwa in Form von Hackerangriffen) kommen die Erwägungen des OLG Köln auch im allgemeinen Zivilrecht zum Tragen. Bei Ansprüchen nach § 1004 Abs. 1 BGB stellt sich dann die Frage, ob der Anschlussinhaber als Störer im Sinne der Anspruchsgrundlage eingeordnet werden kann. Bei Ansprüchen auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB ist dagegen zu fragen, ob ein schadensstiftendes Handeln oder Unterlassen seitens des Anschlussinhabers vorlag, was insbesondere im Falle der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Fall wäre.
Die Entscheidung des OLG geht dabei in die Richtung, dass der Anschlussinhaber nicht per se für jede Rechtsverletzung durch Dritte haftet. Nur dann, wenn eine bestimmte Überwachungspflicht, etwa in Form der elterlichen Fürsorge, besteht, könne von einer Zurechnung des Verhaltens ausgegangen werden. Im Ausgleich hierzu bestehen wiederum die besonderen beweisrechtlichen Vermutungsregeln, wonach der Anschlussinhaber darlegen muss, dass er selbst nicht den Anschluss genutzt hat.
More to come…
Die Entscheidung des OLG Köln stellt sicherlich nicht das Ende der Judikatur zur Frage der computerspezifischen Zurechnungsproblematik dar. Im hier besprochenen Fall wurde die Revision zum BGH zugelassen, so dass mit weiterer Rechtsprechung in diesem zukunftsträchtigen Feld zu rechnen ist.
Das BVerfG verlangt mehr Rechtssicherheit für die Inhaber von Internetanschlüssen in Fällen von illegalem Filesharing (Beschluss v. 21.03.2012, Az. 1 BvR 2365/11). In der Sache ging es um ein zivilrechtliches Verfahren mit Fragen betreffend der Haftung von WLAN-Inhabern für illegales Filesharing. Eine Revision zum BGH hatte das Oberlandesgericht in diesem Fall nicht zugelassen, und genau dies rügte nun das BVerfG. Die Haftungsfrage in solchen Fällen sei noch nicht umfassend vom BGH entschieden. Aus diesem Grund verstoße die Nichtzulassung der Revision gegen das nach Art. 101 Abs. 1 S. 1 GG garantierte Recht auf den gesetzlichen Richter.
Informationen zu Sachverhalt und Verfahrensgang findet Ihr hier.
Nachdem durch eine spektakuläre Verhaftung des Internetmillionärs Kim Schmitz der One-Click-Hoster Megaupload und das entsprechende Streamingportal Megavideo geschlossen wurden (s. dazu hier), kocht die Frage der Strafbarkeit des Streamens urheberrechtlich geschützter Inhalte erneut auf (s. dazu hier). Focus online berichtet indes über die neuesten Entwicklungen zu diesem Thema:
Tausende ehemalige Nutzer der im Juni 2011 stillgelegten Raubkopie-Seite Kino.to müssen laut FOCUS-Informationen mit einem Strafverfahren durch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden rechnen. Die Daten von sogenannten Premium-Kunden der Seite, die für einen werbefreien Zugang zu den Filmen per PayPal zahlten, fand die Staatsanwaltschaft auf den beschlagnahmten Rechnern von Kino.to. Ein ähnliches Bezahlsystem existiert auch auf der ebenfalls illegalen Nachfolgeseite Kinox.to….
Tatsächliches Auffinden der Nutzer
Es zeigt sich, dass die Schwierigkeiten des Erfassens eines Streaming-Nutzers in tatsächlicher Hinsicht denkbar vereinfacht wird, wenn der Nutzer Vertragspartner des illegalen Portals wurde. In solchen Fällen sind Name und Adresse des Nutzers ohne größeren Aufwand für die Ermittlungsbehörden feststellbar. Anders gestaltet es sich, wenn der Nutzer keinen solchen Premium-Vertrag abgeschlossen hat. In solch einem Fall kann Klärung nur über eine Vielzahl vertrackter Auskunftsansprüche erfolgen (s. dazu ausführlicher hier).
Ist Streamen überhaupt strafbar?
Die Süddeutsche Zeitung berichtete in einem ähnlichen Kontext über die Auffassung eines Amtsrichters, der sich zu dem Prozess in der Sache kino.to äußern konnte. Dieser Richter ist der Ansicht, auch das bloße Streamen geschützter Inhalte sei strafbar. Diese hochbrisante Streitfrage ist allerdings noch nicht annähernd höchstrichterlich geklärt (eine Begründung der meiner Ansicht nach zutreffenden Gegenauffassung findet ihr hier). Es bleibt damit auch zum heutigen Zeitpunkt noch spannend, ob künftig auch die Nutzer der illegalen Portale einer Strafverfolgung ausgesetzt werden können.