Am 26. Oktober 2021 hat das LG Osnabrück (v. 26.10.2021 – 3 Qs 38/21) die Beschwerde gegen die Beschlagnahme eines mutmaßlich gefälschten Impfausweises mit der Begründung abgewiesen, die Vorlage eines gefälschten Impfausweises gegenüber einer Apotheke sei nicht strafbar.
Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, einen gefälschten Impfausweis in einer Apotheke in der Stadt Nordhorn zur Erlangung eines digitalen Impfausweises vorgelegt zu haben. Eine gerichtliche Bestätigung der Beschlagnahme lehnte das Amtsgericht Osnabrück mit Beschluss v. 12.10.2021 ab, da das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten nicht strafbar sei.
Diese Rechtsauffassung bestätigte nunmehr auch das LG Osnabrück.
Auch wenn die strafprozessuale Einkleidung der Entscheidung den ein oder anderen Examenskandidaten abschrecken mag, dürfte diese dennoch insbesondere für die mündliche Prüfung eine enorme Relevanz aufweisen, da an ihr an und für sich Grundlagen der Urkundendelikte und allgemeines Systemverständnis abgeprüft werden können. Auch für anstehende schriftliche Prüfungen ist die Examensrelevanz dieser Fallkonstellation – womöglich in abgewandelter Form – nicht in Gänze zu verneinen. Ein Blick in die jeweiligen rechtlichen Grundlagen der Examensprüfung vermag überraschen, denn so ist unter anderem im Bundesland NRW der Pflichtstoff der Urkundendelikte keineswegs auf die §§ 267-271 StGB beschränkt. Vielmehr ist dort der gesamte 23. Abschnitt des StGB (§§ 267-282 StGB) Gegenstand der staatlichen Prüfung und mithin prüfungsrelevant. Daher kann es sich durchaus lohnen, einmal den Blick vom Bekannten abzuwenden und die Entscheidung zum Anlass zu nehmen, sich der ungeliebten Probleme der Urkundendelikte (erneut) anzunehmen.
A. Der Impfpass als Urkunde iSd. § 267 Abs. 1 StGB
Zentraler Begriff der §§ 267 ff. StGB ist der Begriff der Urkunde. Unter einer solchen wird eine dauerhaft verkörperte menschliche Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion) verstanden, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion) und ihren Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion; so u.a. BGHSt 3, 84, 85; 4, 284, 285).
Ein Impfpass enthält die Erklärung, dass die bezeichnete Person die dort aufgeführten Schutzimpfungen erhalten hat. Diese Erklärung ist als Aufkleber mit dem Impfpass als Gegenstand fest verbunden, sodass auch eine dauerhafte Verkörperung der Erklärung zu bejahen ist. Im Übrigen ist der Impfausweis auch in der Lage, die Impfung als rechtserhebliche Tatsache zu beweisen. Hierzu ist er ebenfalls bestimmt, es handelt sich um eine sog. Absichtsurkunde. Darüber hinaus lässt sie auch ihren Aussteller erkennen, denn bereits gesetzlich ist gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 5 IfSG vorgeschrieben, dass der Impfausweis die für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortliche Person bestätigen muss, sodass diese als Aussteller auch erkennbar ist (ebenso Lorenz, medstra 2021, 210, 212).
B. Darstellung der §§ 277 ff. StGB
Weiterhin sollen zunächst in Kurzfassung die Grundlagen der in diesem Zusammenhang ebenfalls relevanten §§ 277-279 StGB in ihrer Fassung vom 01.01.2000 dargestellt werden.
Es handelt sich hierbei um Sondertatbestände, die verschiedene Varianten einer Urkundenfälschung und verwandter Konstellationen in Bezug auf Gesundheitszeugnisse unter Strafe stellen. Gegenüber § 267 Abs. 1 StGB wird damit der Kreis der tauglichen Tatobjekte eingeschränkt. Nicht jede Urkunde ist taugliches Tatobjekt, sondern nur ein Gesundheitszeugnis, wobei unter Gesundheitszeugnissen Urkunden oder Datenurkunden verstanden werden, in denen der gegenwärtige oder vergangene Gesundheitszustand eines Menschen beschrieben wird (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Auflage 2019, § 277 Rn. 2; MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 2). Ein Impfausweis erfüllt dabei die Tatbestandsmerkmale eines solchen Gesundheitszeugnisses. Er gibt Auskunft über die durchgeführten Schutzimpfungen und damit über den gesundheitlichen Umstand der Immunisierung gegen eine bestimmte Krankheit (zu einem Impfschein bereits RGSt 24, 284, 286; BeckOK StGB/Weidemann, 50. Edition Stand 01.05.2021, § 277 Rn. 4.1; Kritik äußert Lorenz, medstra 2021, 210, 212).
I. § 277 StGB – Fälschung von Gesundheitszeugnissen
Wirft man einen Blick auf den Strafrahmen des § 277 StGB (ein Jahr), wird erkennbar, dass die Norm die Urkundenfälschung eines Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft privilegiert. Inwiefern die Privilegierung heutzutage noch gerechtfertigt ist, wird zu Recht bestritten (instruktiv MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 1), dies soll jedoch nicht Gegenstand dieses Aufsatzes sein.
Anders als bei § 267 StGB handelt es sich bei der Norm um ein zweiaktiges Delikt. Erforderlich ist zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes ausweislich des Wortlautes nicht nur das Ausstellen eines unechten oder Verfälschen eines echten Gesundheitszeugnisses, sondern darüber hinaus muss von diesem gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft Gebrauch gemacht werden. Zudem reicht die bloße Unechtheit der Urkunde nicht aus, vielmehr muss die Urkunde den Anschein erwecken, dass ein Arzt oder eine andere approbierte Medizinalperson der Aussteller der Urkunde ist (MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 3 f.).
Die Norm beinhaltet drei verschiedene Varianten, die jeweils eine tatbestandliche Verwirklichung des ersten Aktes der Norm begründen. Zum einen kann der Täter unter dem richtigen Namen des Ausstellers, jedoch unter der unzutreffenden Bezeichnung eines Arztes oder einer anderen approbierten Person auftreten (Bsp.: Der Täter tritt unter seinem wahren Namen auf, bezeichnet sich selbst unzutreffend als Arzt). Hierbei handelt es sich nicht um eine Identitätstäuschung, sondern um eine schriftliche Lüge in Gestalt einer Täuschung über die Qualifikation der Person, sodass es sich, anders als bei Var. 2 und 3, um ein über den Grundtatbestand des § 267 StGB hinausgehendes strafbares Verhalten handelt (Fischer, StGB, 68. Auflage § 277 Rn. 1).
Ebenso verwirklicht den ersten Akt des Tatbestandes, wer unter Verwendung eines Namens eines Arztes oder einer anderen approbierten Medizinalperson ein Gesundheitszeugnis ausstellt (Bsp.: Der Täter verwendet nicht seinen eigenen Namen, sondern den eines Arztes). Weiterhin handelt tatbestandsmäßig, wer ein echtes Gesundheitszeugnis nachträglich verändert, sodass der Anschein entsteht, der Aussteller habe die Erklärung ursprünglich mit diesem Inhalt abgegeben.
Als zweiter Akt hinzutreten muss weiterhin das Gebrauchen des Zeugnisses gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft. Hierfür muss das Zeugnis der zu täuschenden Behörde oder Versicherungsgesellschaft zugänglich gemacht werden, wobei die Täuschung gerade in Bezug auf den Gesundheitszustand erfolgen muss (Vgl. MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 7).
Zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes ist – wie auch in Bezug auf § 267 Abs. 1 StGB – zumindest dolus eventualis sowie Täuschungsabsicht, allerdings mit dem speziellen Adressatenkreis einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft, erforderlich (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Auflage 2019, § 277 Rn. 11; MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 10).
II. § 278 StGB – Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse
Der § 278 stellt im Gegensatz zu § 267 StGB die schriftliche Lüge unter Strafe, denn tatbestandsmäßig ist bereits das Anfertigen eines inhaltlich unrichtigen schriftlichen Gesundheitszeugnisses. Dieses ist bereits dann unrichtig, wenn das Zeugnis inhaltliche Fehler aufweist, wobei sich die inhaltlichen Fehler auch auf bloße Einzelheiten erstrecken können (BGHSt 10, 157). Tauglicher Täter kann hier nur ein Arzt oder eine andere approbierte Medizinalperson sein, es handelt sich mithin um ein Sonderdelikt. Ferner muss das Zeugnis zum Zwecke des Gebrauchs bei einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft ausgestellt sein, worauf sich ebenfalls der Vorsatz (zumindest dolus eventualis) beziehen muss. In Abgrenzung zu § 277 StGB ist die Tat bereits mit der Ausstellung vollendet, ein weiterer Gebrauch ist nicht vonnöten (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Auflage 2019, § 278 Rn. 5).
III. § 279 StGB – Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse
§ 279 StGB stellt ausschließlich den Gebrauch (zum Begriff des „Gebrauchs“ bereits oben) eines unrichtigen oder gefälschten Gesundheitszeugnisses unter Strafe. Für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes ist ausreichend, dass das Zeugnis objektiv unrichtig ist, also entweder im Wege des § 277 StGB ausgestellt wurde oder inhaltlich unrichtig im Sinne des § 278 StGB ist. Verlangt wird gerade nicht, dass der Aussteller des Zeugnisses dieses wider besseren Wissens oder für den Gebrauch gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft angefertigt hat (BeckOK StGB/Weidemann, 50. Edition Stand 01.05.2021, § 279 Rn. 3). In subjektiver Hinsicht ist jedoch weiterhin erforderlich, dass der Täter selbst zumindest mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale – also auch in Bezug auf die Unrichtigkeit – sowie in der Absicht handelt, über den Gesundheitszustand zu täuschen (MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 4).
C. Strafbarkeit der Vorlage des Impfausweises in der Apotheke
Sofern man dem Beschuldigten (B.) die Ausstellung des Gesundheitszeugnisses selbst nicht nachweisen kann, kommt aus Beweisgründen zunächst nur eine Strafbarkeit nach § 279 StGB in Betracht.
Mit Vorlage des gefälschten Impfausweises gegenüber der Apotheke könnte sich der B. somit gemäß § 279 StGB wegen des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse strafbar gemacht haben. Zwar handelt es sich bei dem Impfausweis um ein Gesundheitszeugnis (s.o.) jedoch müsste die Vorlage in der Apotheke auch zur Täuschung einer Behörde erfolgen (eine Versicherungsgesellschaft scheidet hier offensichtlich aus).
Der Behördenbegriff wird in § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB nicht legaldefiniert, zurückzugreifen ist vielmehr auf den verwaltungsrechtlichen Behördenbegriff (MüKo StGB/Radtke, 4. Auflage 2020, § 11 Rn. 149). Danach sind Behörden ständige, vom Wechsel der in ihr tätigen Personen unabhängige, in das Gefüge der staatlichen Verwaltung eingeordnete Organe, die mit öffentlicher Autorität Aufgaben des öffentlichen Rechts vollziehen (vgl. Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Auflage 2018, § 11 Rn. 20).
Zu überlegen ist, ob es sich bei einer Apotheke um einen Beliehenen oder um einen Verwaltungshelfer handelt. Rechtlicher Anknüpfungspunkt und Grundlage ihres Tätigwerdens bildet dabei § 22 Abs. 5 IfSG. Unabhängig von der Einordnung nach öffentlichem Recht soll jedoch das Tätigwerden Privater auch in öffentlicher Funktion nicht die Behördeneigenschaft begründen können (MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 8; für den TÜV ausdrücklich entschieden durch OLG Stuttgart, Urt. v. 25.09.2013 – 2 Ss 519/13).
Dieser Auffassung hat sich im Ergebnis wohl auch das LG Osnabrück angeschlossen, wenn es die Strafbarkeit des Verhaltens verneint, eine Veröffentlichung der Urteilsgründe steht jedoch noch aus. Letztlich besteht in der mündlichen Prüfung an dieser Stelle jedoch ein Einfallstor in das Öffentliche Recht, um die Voraussetzungen einer Beleihung zu klären und diese im Einzelfall von einem bloßen Verwaltungshelfer abzugrenzen. Gerade diese Verknüpfung begründet die Attraktivität dieser Konstellation für die mündliche Prüfung.
I. Verhältnis der §§ 277 ff. StGB zu § 267 Abs. 1 StGB
Nachdem mangels Gebrauch des Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Behörde die Verwirklichung des § 279 StGB (oder auch § 277 StGB) ausscheidet, stellt sich die zentrale Frage, ob ein Rückgriff auf § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB in Gestalt des Gebrauchmachens möglich ist, denn ein Gesundheitszeugnis stellt zugleich eine Urkunde iSd. § 267 Abs. 1 StGB dar.
Klärungsbedürftig ist mithin das Verhältnis zwischen den Vorschriften.
Allgemein gilt, dass bei einer privilegierenden Spezialität der allgemeine Tatbestand nicht anwendbar ist, denn anderenfalls würde die Privilegierung leerlaufen (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 30. Auflage 2019, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 138). Dieses Argument ist jedoch nur im Rahmen des Anwendungsbereiches der Norm belastbar. Jedenfalls bezüglich der Vorlage eines Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft sind die Normen daher abschließend. Problematisch ist indes, inwiefern sich die abschließende Wirkung auf alle Gesundheitszeugnisse erstreckt.
Nach überwiegender Ansicht entfalten die §§ 277 und 279 StGB eine umfassende Sperrwirkung gegenüber § 267 StGB bei Vorliegen eines Gesundheitszeugnisses, selbst wenn die übrigen Voraussetzungen der Norm nicht gegeben sind (u.a. RGSt 6, 1; 31, 298; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Auflage 2019, § 277 Rn. 12). Es sei absurd, den Gebrauch eines Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Privatperson unter eine höhere Strafe zu stellen, als dies bei Gebrauch gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft der Fall ist (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Puppe/Schumann, StGB, 5. Auflage 2017, § 277 Rn. 13).
Vertreten lässt sich aber wohl auch die gegenteilige Position, denn ebenso fragwürdig ist es, den Gebrauch eines solchen Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Privatperson gar nicht unter Strafe zu stellen (so ebenfalls Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Puppe/Schumann, StGB, 5. Auflage 2017, § 277 Rn. 13; MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 9). So lasse sich die Vorschrift auch dahingehend interpretieren, dass sie nur den Einsatz eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft privilegieren möchte. Sofern ein Gesundheitszeugnis gegenüber einer privaten Person verwendet wird, wäre § 267 StGB damit weiterhin anwendbar.
In der mündlichen Prüfung besteht hier Raum für Argumentation. Hat der Prüfling es erfolgreich bis hierhin geschafft, wird vieles vertretbar sein. Zu beachten ist, dass es sich nicht um eine verbotene Analogie der Vorschrift zu Lasten des Täters iSd. Art. 103 Abs. 2 GG handeln muss, denn im Wege der Auslegung lassen sich durchaus noch beide Ergebnisse vertreten. Art. 103 Abs. 2 GG greift erst ein, sobald die Schwelle der Auslegung überschritten und der Weg der Rechtsfortbildung beschritten wird (Maunz/Dürig/Remmert, GG-Kommentar, 94. EL Januar 2021, Art. 103 Abs. 2 Rn. 83).
Exkurs: Die Spezialität der §§ 277 ff. StGB hat zur Folge, dass eine Versuchsstrafbarkeit mangels ausdrücklicher Anordnung, wie bei § 267 Abs. 2 StGB, ausscheidet. Ebenso besteht keine Möglichkeit eines Rückgriffes auf § 267 Abs. 3 StGB als besonders schwerer Fall und Absatz 4 als Qualifikation [Lorenz, medstra 2021, 210, 213].)
Folgt man der überwiegenden Auffassung und dem LG Osnabrück, besteht eine Strafbarkeitslücke, die es mit Blick auf die mit einem gefälschten Impfausweis für die Allgemeinheit verknüpften Gesundheitsgefahren zu schließen gilt. Sofern sich die Generalstaatsanwaltschaft Niedersachsens auf den Standpunkt stellt, die Herstellung und Vorlage gefälschter Impfzertifikate zur Erlangung eines digitalen Impfzertifikats in einer Apotheke sei strafbar, entspricht dies jedenfalls nicht der bisher herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (die Position der Generalstaatsanwaltschaft ist abrufbar unter: Generalstaatsanwaltschaft Celle, zuletzt abgerufen am 10.11.2021).
II. Strafbarkeit des Gebrauchs unrichtiger Impfbescheinigungen nach § 75a Abs. 2 IfSG
Im Zuge der Covid-19 Pandemie wurde im Zweiten Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze v. 28.05.2021 der § 75a IfSG eingeführt, der unter anderem in Absatz 2 Nr. 1 den Gebrauch einer in § 74 Abs. 2 IfSG bezeichneten nicht richtigen Dokumentation (unrichtige Impfdokumentation im Impfausweis) oder gemäß Absatz 2 Nr. 2 Var. 1 den Gebrauch einer in § 75a Abs. 1 IfSG bezeichneten nicht richtigen Bescheinigung (unrichtige Bescheinigung einer Impfung im digitalen Covid-19-Zertifikat) zur Täuschung im Rechtsverkehr unter Strafe stellt.
Augenscheinlich schließt diese Vorschrift die zuvor aufgezeigten Lücken der Urkundendelikte, allerdings setzt der in den Normen in Bezug genommenen § 22 IfSG voraus, dass der Impfausweis von einer zur Schutzimpfung berechtigten Person ausgestellt wurde. Hieraus wird geschlussfolgert, dass auch iRd. § 75a Abs. 2 IfSG nicht solche Impfausweise gemeint sein können, die von Privatpersonen gefälscht wurden (so Solmecke, Gesetzgeber muss Strafbarkeitslücken schließen, v. 02.11.2021, abrufbar unter: WBS-Law, Gefälschte Impfpässe, zuletzt abgerufen am 10.11.2021; die Problematik wird ebenfalls von Gaede/Krüger, NJW 2021, 2159, 2161 ff. aufgeworfen).
D. Fazit
Trotz des bestehenden rechtlichen Argumentationsspielraumes zeigt das Urteil des LG Osnabrück bedenkliche Lücken auf, die mit Blick auf die Strafbarkeit rund um die Fälschung von Impfausweisen bestehen. Rechtspolitisch wünschenswert wäre sicherlich gewesen, die Strafbarkeit eines solchen Verhaltens zu bejahen. Nichtsdestotrotz ist die Position des LG Osnabrück rechtlich valide und juristisch wohl gut begründet. Es ist eben Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Gerichte, entsprechende rechtliche Grundlagen für eine Verurteilung zu schaffen.
Eben dieser möchte nunmehr nachbessern. Geplant ist die Streichung der Var. 2 und 3 des § 277 StGB, sodass die Handlungsmodalitäten, die von § 267 Abs. 1 StGB und § 269 StGB erfasst sind, nicht mehr in § 277 StGB privilegiert werden (BT-Drs. 20/15, S. 34). Dies löst das Konkurrenzverhältnis der beiden Vorschriften auf. Ferner soll nunmehr das bloße Handeln zur Täuschung im Rechtsverkehr genügen (BT-Drs. 20/15, S. 34). Die Vorschriften §§ 278 und 279 sollen ebenfalls dahingehend angepasst werden, dass ein Handeln zur Täuschung im Rechtsverkehr genügt (BT-Drs. 20/15, S. 35). Damit würde die Einengung mit Blick auf Täuschungen zu Lasten von Behörden und Versicherungsgesellschaften entfallen. Weiterhin soll § 275 um einen Absatz 1a ergänzt werden, der die Manipulation von Blankett-Impfausweisen als Fälschungsvorbereitungshandlung unter Strafe stellt (BT-Drs. 20/15, S. 33). Geplant ist auch eine Ergänzung des § 281 Abs. 2, sodass auch das Verwenden fremder Gesundheitszeugnisse ein strafbares Verhalten darstellt (BT-Drs. 20/15, S. 34).
Examenskandidaten sollten daher etwaige künftige Änderungen der Vorschriften, aber auch das Urteil des LG Osnabrück im Blick behalten. Für Altfälle vor einer etwaigen Gesetzesänderung gilt weiterhin die bisherige Rechtslage.