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Schlagwortarchiv für: AGG

Gastautor

Zivilrechtliches Diskriminierungsverbot wegen des Alters: BGH bleibt seiner Linie treu

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, folgenden Beitrag von Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M. (Harvard) veröffentlichen zu können. Der Autor ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Universität Bonn und Wissenschaftlicher Beirat des Juraexamen.info e.V.
 
Der BGH entschied vor einiger Zeit in der Rechtfertigung großzügig zu Adults-only-Hotels: Hotels können Kinder den Zutritt versagen und Familien außen vor lassen, wenn sie sich in ihrem Geschäftskonzept eben dezidiert an kinderlose Gäste wende, die Ruhe suchen (BGH, Urteil vom 27. Mai 2020 – VIII ZR 401/18, BGHZ 226, 145-161). Nun ging es ebenfalls um eine mögliche Rechtfertigung der Unterscheidung nach dem Alter, wenn auch nicht für eine Zurückweisung wegen zu geringen, sondern wegen zu hohen Alters – und es ging nicht um ein Hotel, sondern um eine Musikveranstaltung (Urteil vom 5. Mai 2021 – VII ZR 78/20).
 
Der seinerzeit 44-jährige Kläger wollte 2017 ein von der Beklagten veranstaltetes Open-Air-Event in München besuchen, bei dem über 30 DJs elektronische Musik auflegten. Die Veranstaltung hatte eine Kapazität von maximal 1.500 Personen, ein Vorverkauf fand nicht statt. Ein Ticket konnte erst nach Passieren der Einlasskontrolle erworben werden. Dem Kläger sowie seinen beiden damals 36 und 46 Jahre alten Begleitern wurde der Einlass verwehrt. Zu alt! Vorprozessual teilte die Beklagte dem Kläger mit, Zielgruppe der Veranstaltung seien Personen zwischen 18 und 28 Jahren gewesen. Aufgrund der beschränkten Kapazität und um den wirtschaftlichen Erfolg einer homogen in sich feiernden Gruppe nicht negativ zu beeinflussen, habe es die Anweisung gegeben, dem optischen Eindruck nach altersmäßig nicht zur Zielgruppe passende Personen abzuweisen. Der Kläger hielt das für eine unzulässige Altersdiskriminierung und klagte auf Entschädigung gemäß § 19 Abs. 1, § 21 Abs. 2 AGG In Höhe von 1.000 € sowie den Ersatz der Kosten eines vorangegangenen Schlichtungsverfahrens in Höhe von 142,80 €, jeweils nebst Zinsen.
In den Instanzen blieb der Kläger erfolglos – und auch der BGH gab dem für seine AGG Klagen bundesweit bekannten Kläger nicht recht. Entscheidend waren die §§ 19, 20 AGG:
 
 § 19 AGG
(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die 1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen … …ist unzulässig.
 
§ 20 AGG
(1) Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung 1. der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient, 2. dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trägt, 3. besondere Vorteile gewährt und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt, 4. an die Religion eines Menschen anknüpft und im Hinblick auf die Ausübung der Religionsfreiheit oder auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform sowie der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion zur Aufgabe machen, unter Beachtung des jeweiligen Selbstverständnisses gerechtfertigt ist.
 
Das Landgericht ist der Meinung, dem Kläger stehe kein Entschädigungsanspruch wegen Verstoßes gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG zu, da dessen Anwendungsbereich nicht eröffnet sei. Das Benachteiligungsverbot sei auf Massengeschäfte (Fall 1) beschränkt, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (wie etwa Einzelhandel, Personennahverkehr, Kino, Schwimmbäder), oder diesen gleichgestellte Geschäfte, bei denen für den Anbieter einer Leistung nach der Art des Schuldverhältnisses die persönliche Auswahl seines Vertragspartners nachrangige Bedeutung hat (Fall 2).
Keiner der beiden Fälle liege hier vor, auch nach Ansicht des BGH. Der Vertrag über den Zutritt zu der hier betroffenen Veranstaltung sein kein „Massengeschäft“ iSd § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 AGG. Es liege ein Ansehen der Person vor, wenn der Anbieter seine Entscheidung über den Vertragsschluss erst nach Würdigung des Vertragspartners treffe. Ob persönliche Merkmale typischerweise eine Rolle spielen, bestimme sich nach einer allgemeinen, typisierenden Betrachtungsweise, bei der auf die für vergleichbare Schuldverhältnisse herausgebildete Verkehrssitte abzustellen ist.
Und darauf folgerten die Karlsruher Richter:

„Eine Verkehrssitte, dass zu öffentlichen Veranstaltungen, die mit dem hier betroffenen Schuldverhältnis vergleichbar sind, jedermann Eintritt erhält, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nicht festgestellt. Soweit öffentlich zugängliche Konzerte, Kinovorstellungen, Theater- oder Sportveranstaltungen im Regelfall dem sachlichen Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG unterfallen, weil es der Verkehrssitte entspricht, dass dort der Eintritt ohne Ansehen der Person gewährt wird, ist für diese Freizeitangebote charakteristisch, dass es den Veranstaltern – meist dokumentiert durch einen Vorverkauf – nicht wichtig ist, wer ihre Leistung entgegennimmt. Das unterscheidet sie maßgeblich von Party-Event-Veranstaltungen wie der vorliegenden, deren Charakter in der Regel auch durch die Interaktion der Besucher geprägt wird, weshalb der Zusammensetzung des Besucherkreises Bedeutung zukommen kann. Dass auch bei solchen Veranstaltungen gleichwohl nach der Verkehrssitte jedermann Eintritt gewährt wird, macht der Kläger nicht geltend.“

Dann legt das Gericht nach:

„Der Vertrag über den Zutritt zu der von der Beklagten durchgeführten Veranstaltung war auch kein „massengeschäftsähnliches“ Schuldverhältnis im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 AGG. …Bei Schuldverhältnissen wie öffentlichen Party-Event-Veranstaltungen kann die Zusammensetzung des Besucherkreises deren Charakter prägen und daher ein anerkennenswertes Interesse des Unternehmers bestehen, hierauf Einfluss zu nehmen. Soweit der Veranstalter deshalb sein Angebot nur an eine bestimmte, nach persönlichen Merkmalen definierte Zielgruppe richtet und nur Personen als Vertragspartner akzeptiert, die die persönlichen Merkmale der Zielgruppe erfüllen, kommt diesen Eigenschaften nicht nur nachrangige Bedeutung zu. Diese Willensentscheidung ist hinzunehmen; wenn dabei auch das Merkmal „Alter“ betroffen ist, steht dies nicht entgegen.“

Anders als in seiner Entscheidung vom 27. Mai vergangenen Jahres argumentierte das Gericht also bereits mit der fehlenden Anwendbarkeit des AGG – nicht mit der möglichen Rechtfertigung. Dadurch mogelt es sich aus dem AGG heraus. Die Zulassung zur Veranstaltung nicht als Massengeschäft einzuordnen, scheint mir sportlich, denn wer da kommt, ist egal – Hauptsache, das Alter stimmt. Es wird nicht nach Bildungsabschluss, Einkommensverhältnissen, politischer Überzeugung, Familienstand und anderem gefragt. Und selbst das wirkliche Alter interessiert wohl weniger als das optische Alter. Das verträgt sich nicht so recht mit der Ablehnung eines Massengeschäfts oder eines gleichgestellten Geschäfts. 
Derr BGH hätte – wie ehemals bei seiner Entscheidung über ein Hotel ohne Kinder – wohl besser auf der Rechtfertigungsebene argumentiert. Das scheint mir richtiger. Bei der Rechtfertigung ist es dann wir beim Frauentag im Schwimmbad: Selbstverständlich vom Anwendungsbereich des AGG erfasst – aber eben gerechtfertigt in der Unterscheidung. Karlsruhe bleibt also bei seiner großzügigen Linie. Der unternehmerischen Handlungs- und Gestaltungsfreiheit wird ein hoher Stellenwert beigemessen.
 
Das AGG ist durchaus examensrelevant – es lohnt sich in die Entscheidungsgründe zu schauen, sobald sie veröffentlicht werden. Wer vorher schon tiefer einsteigen will: MüKo/Thüsing, § 20 AGG Rnr. 1 ff (bald auch in 9. Aufl.) und auch Thüsing/Pöschke, jm 2020, S. 359.

12.05.2021/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2021-05-12 08:24:522021-05-12 08:24:52Zivilrechtliches Diskriminierungsverbot wegen des Alters: BGH bleibt seiner Linie treu
Dr. Lena Bleckmann

Die Chefarztentscheidung – Kündigung wegen zweiter Ehe?

Arbeitsrecht, Europarecht, Schon gelesen?, Schwerpunktbereich, Startseite, Tagesgeschehen

Das Urteil des EuGH vom 11.9.2018 erfuhr eine Aufmerksamkeit in den deutschen Medien, wie sie für den Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts ausgesprochen selten ist. Die Entscheidung soll hier kurz aufgearbeitet werden, da ihre Kenntnis als Teil des juristischen Tagesgeschehens durchaus vorteilhaft ist und sie gerade im Bereich der Schwerpunktbereichsprüfung im Arbeitsrecht Bedeutung erlangen kann. Dem Examenskandidaten sollte die Entscheidung Anlass liefern, das Selbstbestimmungsrecht der Kirche sowie das Zusammenspiel nationaler und europarechtlicher Normen zu wiederholen.
I. Sachverhalt (gekürzt)
Der Kläger war von 2000 bis 2009 Chefarzt der Inneren Medizin in einem Krankenhaus der Beklagten. Er selbst ist katholischer Konfession, die Beklagte ist eine GmbH unter der Aufsicht der katholischen Kirche.
Nachdem seine erste Ehefrau aus katholisch anerkannter Ehe ihn bereits 2005 verlassen hatte und sich scheiden ließ, ging der Kläger im Jahre 2008 eine zweite standesamtliche Ehe ein. Die katholische Kirche hatte die erste Ehe zuvor nicht für nichtig erklärt.
Als die Beklagte hiervon Kenntnis erlangte, kündigte sie das Dienstverhältnis. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und macht geltend, ein evangelischer Mitarbeiter in derselben Position wäre unter denselben Bedingungen nicht gekündigt worden.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf entschied zugunsten des Klägers, ebenso wie das LAG Düsseldorf und das BAG. Das Urteil des BAG wurde allerdings vom BVerfG wegen mangelnder Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts aufgehoben und zurückverwiesen (siehe zu der wichtigen Entscheidung BVerfG, NZA 2014, 1387). Nun fand der Fall nach einem Vorabentscheidungsersuchen des BAG seinen Weg zum EuGH.
II. Gesetzliche Grundlagen
Das Arbeitsrecht im Rahmen der katholischen Kirche birgt einige Besonderheiten und ist von hoher praktischer Relevanz, da die Kirchen nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber Deutschlands sind.
Die Besonderheiten sowohl im nationalen als auch im europäischen Recht folgen daraus, dass der Status der Kirchen und ihr Selbstbestimmungsrecht ausdrücklich anerkannt werden (siehe Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV; Erwägungsgrund 24 RL 2000/78 EG).
Dem wird auch im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes Rechnung getragen: Während unmittelbare Diskriminierungen wegen der Religion nach § 7 I AGG i.V.m. § 8 I AGG nur gerechtfertigt werden können, wenn die Religion eine wesentliche berufliche Anforderung darstellt und die Ungleichbehandlung einen legitimen Zweck angemessen verfolgt, so gilt allein für kirchliche Einrichtungen zusätzlich der Rechtfertigungsgrund nach § 9 AGG. Hiernach ist sie auch zulässig, wenn die Religion im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirche oder nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Weiterhin dürfen die kirchlichen Einrichtungen nach § 9 II AGG im Hinblick auf ihr Selbstverständnis besondere Loyalitätsobliegenheiten der Mitarbeiter vorsehen.
Dies hat die katholische Kirche in Art.  4 I, 5 II, III GrO 1993 getan, wo festgelegt ist, dass eine nach kirchlichem Verständnis ungültige Ehe einen Kündigungsgrund insbesondere für leitende Mitarbeiter katholischer Konfession darstellt. Demgegenüber wird von nicht katholischen Mitarbeitern lediglich die Achtung der Werte des Evangeliums verlangt (Art. 4 II GrO 1993).
III. Fragen des BAG – Antworten des EuGH
Fraglich war nun zunächst, ob die Loyalitätsobliegenheiten, die die Kirchen nach Art der Tätigkeit und Umständen ihrer Ausübung als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderungen vorsehen können, einer vollständigen gerichtlichen Überprüfbarkeit unterliegen. Dies hat der EuGH bejaht – insbesondere die Vereinbarkeit der Anforderungen mit der RL 2000/78 EG darf der gerichtlichen Kontrolle nicht entzogen werden. Schon im Fall Egenberger (Urt. v. 17.4.2018 – C-414/16) stellte der EuGH fest, dass die Gerichte in der Lage sein müssen zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 4 II RL 2000/78/EG (der von § 9 AGG umgesetzt wird) überhaupt erfüllt sind. Die Ungleichbehandlung wegen der Religion muss tatsächlich wesentliche Anforderung im Hinblick auf das Ethos der Kirche sein und darf kein sachfremdes Ziel verfolgen.
Sollte die Anordnung durch die Kirche insoweit zulässig sein, stellt sich weiterhin die Frage, ob sich die Anforderungen, die an loyales Verhalten gestellt werden, danach unterscheiden dürfen, ob der betreffende Mitarbeiter katholischer Konfession ist oder nicht. Dies bejaht der EuGH mit einem großen „Aber“: Grundsätzlich ist eine solche Ungleichbehandlung nicht unzulässig, solange die Religion oder Weltanschauung (hier genauer gesagt die katholische Konfession und damit verbundene Akzeptanz des unauflöslichen Charakters der Ehe) im Hinblick auf die Tätigkeit wesentliche, gerechtfertigte berufliche Anforderung i.S.d. Art. 4 II RL 2000/78/EG ist. Das wäre der Fall, wenn es dem Ethos der Kirche widerspräche, wenn der Mitarbeiter auf der betreffenden Position die Anforderung nicht erfüllt. In einem Hinweis an die nationalen Gerichte stellt der Gerichtshof sodann fest, dass doch allein die Tatsache, dass auf gleicher Ebene Mitarbeiter beschäftigt seien, die eben nicht katholischer Konfession sind und für die die Loyalitätsobliegenheit somit nicht gilt, gegen eine wesentliche Anforderung spreche. Letztlich obliegt diese Entscheidung aber dem BAG.
IV. Auswirkungen der Entscheidung
Nach dem deutlichen Hinweis des EuGH ist zu erwarten, dass das BAG zugunsten des Arztes entscheiden wird. Zu beachten ist, dass das AGG nach § 2 IV AGG auf Kündigungen grundsätzlich nicht anwendbar ist. Um auch bei Kündigungen einen angemessenen Diskriminierungsschutz zu gewährleisten geht man allerdings davon aus, dass eine diskriminierende Kündigung nicht sozial gerechtfertigt sein kann und damit nach § 1 I KSchG unwirksam ist.
Das BAG hat nun auch zu entscheiden, ob § 9 AGG europarechtskonform ausgelegt werden kann. Die volle gerichtliche Überprüfbarkeit und die Anforderung, dass jede Ungleichbehandlung nur wegen „wesentlicher, rechtmäßiger und gerechtfertigter“ beruflicher Anforderungen erfolgen kann, darf dem Wortlaut des § 9 AGG nicht widersprechen. Sollte eine europarechtskonforme Auslegung nicht möglich sein, muss die Norm von den deutschen Gerichten unangewendet bleiben – zwar entfaltet die Diskriminierungsrichtlinie selbst keine unmittelbare Wirkung innerhalb der Mitgliedsstaaten, allerdings konkretisiert sie das nun in Art. 21 Grundrechtecharta niedergelegte Diskriminierungsverbot, dessen volle Wirksamkeit durch die Gerichte zu gewährleisten ist (siehe zur Problematik auch ausführlich Thüsing/Mathy, RIW 2018, 559).
Die Reaktion des BAG bleibt gerade wegen dieser folgeträchtigen Frage mit Spannung abzuwarten.

15.10.2018/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2018-10-15 09:55:502018-10-15 09:55:50Die Chefarztentscheidung – Kündigung wegen zweiter Ehe?
Dr. Yannik Beden, M.A.

Hochzeitstorte für homosexuelles Paar verweigert: US Supreme Court zum Antidiskriminierungsrecht – Ein Abgleich zum Kontrahierungszwang im deutschen Zivilrecht

Schon gelesen?, Startseite, Tagesgeschehen

Mit seiner Entscheidung vom 4. Juni 2018 sorgte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten für mediale Kontroversen – nicht nur in den USA. Der Fall betrifft einen amerikanischen Bäcker aus dem Bundesstaat Colorado, der einem schwulen Paar unter Berufung auf sein religiöses Wertebekenntnis die Anfertigung einer Hochzeitstorte verweigerte. Die juristischen Fragestellungen des Rechtsstreits behandeln vordergründig das Staatenrecht von Colorado, sodass eine nähere Betrachtung nur als „Blick über den Tellerrand“ zu verstehen ist. Wie aber wäre die Streitigkeit nach deutschem Recht zu bewerten? Der nachstehende Beitrag soll aus dieser Überlegung heraus den Fall in den Kontext zur hierzulande bestehenden Vertragsschlussfreiheit und deren Beschränkungen setzen.
I. Worüber stritten die Parteien im Originalfall?
Der amerikanische Bäcker und Konditor Jack Phillips betreibt unter dem Firmennamen Masterpiece Cakeshop eine Konditorei in Lakewood nahe von Denver. Um ihre geplante Hochzeit in Massachusetts zu feiern, kontaktierte das gleichgeschlechtliche Paar David Mullins und Charlie Craig im Juli 2012 den Konditor und bat um die Anfertigung einer Hochzeitstorte. Diese verweigerte Phillips allerdings mit der Begründung, dass seine Unternehmensstandards eine Herstellung von Torten für gleichgeschlechtliche Hochzeiten verbiete, da dies „unmittelbar der Bibel entgegensteht“. Stattdessen wurden dem Paar alternative Produkte wie Geburtstagstorten und Kekse angeboten. Auch argumentierte Phillips, er habe als „kreativer Künstler“ das Recht zu entscheiden, was er verkaufe.
Mullins und Craig legten daraufhin Beschwerde bei der Bürgerrechtskommission des Staates Colorado ein und beriefen sich auf eine Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Colorado ist einer von insgesamt 22 Bundesstaaten der USA, der die sexuelle Orientierung als verpöntes Merkmal in seinen Antidiskriminierungsbestimmungen aufgenommen hat. Folgende Bestimmung sieht der „Colorado Anti-Discrimination Act (CADA)“ vor:
„It is a discriminatory practice and unlawful for person, directly or indirectly, to refuse, withhold from, or deny an individual or a group, because of disability, race, creed, color, sex, sexual orientation, marital status, national origin, or ancestry, the full and equal enjoyment of the goods, services, facilities, privileges, advantages, or accommodations of a place of public accommodation.” Colo. Rev. Stat. § 24-34-601(2)(a)(2017).
Die Bürgerrechtskommission entschied die Streitigkeit zugunsten von Mullins und Craig. Auch das in der Folge angerufene State Court des Bundesstaats Colorado bejahte einen Verstoß Phillips gegen die Antidiskriminierungsvorschriften des Bundesstaates. Phillips brachte den Rechtsstreit letztlich vor das höchste Gericht der USA.
II. Die Entscheidung des US Supreme Court
Das US Supreme Court urteilte nun zugunsten des Konditors, dessen religiöse Freiheit – so das Gericht in seiner 7 zu 2 Entscheidung – durch das Verdikt der Bürgerrechtskommission sowie der aufrechterhaltenden Entscheidung des State Courts von Colorado nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Justice Kennedy kam in seiner Rechtsausführung zu dem Schluss, dass die Entscheidung der Bürgerrechtskommission die Reichweite der in der Verfassung der Vereinigten Staaten garantierten Religionsfreiheit verkannt habe:
“The Commission’s hostility was inconsistent with the First Amendment’s guarantee that our laws be applied in a manner that is neutral toward religion. Phillips was entitled to a neutral decisionmaker who would give full and fair consideration to his religious objection as he sought to assert it in all of the circumstances in which this case was presented, considered, and decided. In this case the adjudication concerned a context that may well be different going forward in the respects noted above. However later cases raising these or similar concerns are resolved in the future, for these reasons the rulings of the Commission and of the state court that enforced the Commission’s order must be invalidated.”
Justice Kennedy betonte allerdings auch, dass die Entscheidung des Supreme Courts nicht als Präzedenzfall verstanden werden solle. Ähnlich gelagerte Konstellationen könnten also künftig durchaus anders entschieden werden. Maßgeblich sei der Grundsatz, dass derartige Streitigkeiten jeweils unter umfassender Berücksichtigung religiöser Glaubensbekenntnisse zu bewerten seien. Trotzdem müsse auch in jedem Fall berücksichtigt werden, dass homosexuelle Personen keinerlei Erniedrigungen erfahren sollen, wenn sie Güter und Dienstleistungen in einem freien Markt beschaffen möchten:
“The outcome of cases like this in other circumstances must await further elaboration in the courts, all in the context of recognizing that these disputes must be resolved with tolerance, without undue disrespect to sincere religious beliefs, and without subjecting gay persons to indignities when they seek goods and services in an open market.”
Das Gericht kam vor diesem Hintergrund zu der Entscheidung, das anderslautende Urteil der Berufungsinstanz aufzuheben. Besonders interessant dürfte sein, dass der Bundesstaat Colorado im streitgegenständlichen Jahr 2012 zwar bereits ein Antidiskriminierungsgesetz implementiert hatte, die gleichgeschlechtliche Ehe jedoch erst 2014 in Colorado staatenrechtlich anerkannt wurde. Für die Entscheidungsfindung des Supreme Courts war dieser Umstand jedoch von untergeordneter Bedeutung.
III. Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang im deutschen Zivilrecht
Wie würde nun der identische Sachverhalt nach deutschem Recht zu bewerten sein? Auch wenn in der Bundesrepublik die Vertragsabschlussfreiheit zu den grundlegenden Ordnungsprinzipien des Zivilrechts zählt, gibt es zahlreiche Beispiele für eine gesetzliche Anordnung von Kontrahierungszwang (vgl. Horcher, RdA 2014, 93 ff.). Man denke etwa an die Pflicht von Energieversorgungsunternehmen, in ihren Netzgebieten jeden Haushaltskunden zu versorgen, § 36 Abs. 1 EnWG, oder auch die Beförderungspflicht von Unternehmen nach dem Personenbeförderungsgesetz, § 22 PBefG. Ein Gesetz, das für Bäckerei- und Konditoreibetriebe eine Pflicht zur Versorgung der Bevölkerung mit Teigwaren, Torten etc. anordnet, gibt es offenkundig nicht. Für den hier besprochenen Fall wäre allenfalls an die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu denken. Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob eine Pflicht zum Vertragsschluss durch eine mittelbare Drittwirkung von Grundrechten über die Generalklauseln des Zivilrechts bestehen kann:
1. Verpflichtung nach dem AGG?
In Betracht kommt zunächst eine Anknüpfung an die Bestimmungen des AGG. Ungeachtet der Rechtsfolgen, die ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot mit sich bringen kann (s. § 15 Abs. 6 AGG), müsste überhaupt der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnet sein. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 AGG gibt vor, auf welche Bezugspunkte hin eine Benachteiligung nach den in § 1 AGG bestimmten Merkmalen – wozu die sexuelle Identität ausdrücklich gehört – unzulässig ist. Für die Leistungen des Konditors kommt § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG in Betracht, wonach eine Benachteiligung unzulässig ist, wenn es sich um „den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum“ handelt. Die Norm ist bewusst weit gefasst worden. Entscheidend ist, dass der Anbieter des Guts bzw. der Dienstleistung über seine Privatsphäre hinausgehend Angebote an einen unbestimmten Personenkreis richtet (vgl. ErfK/Schlachter, AGG, 18. Auflage 2018, § 2 Rn. 14; Nickel, NJW 2001, 2668 (2669)). Dies dürfte bei einer Konditorei wie Masterpiece Cakeshop unzweifelhaft gegeben sein.
Bejaht man demnach die sachliche Anwendbarkeit des AGG, stellt sich die Frage, ob ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus § 1 AGG zu einer Vertragsabschlusspflicht führen kann. Für das Arbeitsrecht sieht § 15 Abs. 6 AGG ausdrücklich vor, dass eine Diskriminierung keinen Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses ergeben kann. Für den Inhalt des Beseitigungsanspruchs aus § 21 Abs. 1 GG gibt es eine solche Anordnung nicht. Daraus ziehen Stimmen der Literatur den Umkehrschluss, dass der Beseitigungsanspruch auch auf eine Pflicht zum Abschluss eines Vertrags gerichtet sein kann (Horcher, RdA 2014, 93 (93) m.w.N.; bejahend Thüsing/von Hoff, NJW 2007, 21 (21 ff.); Wagner/Potsch, JZ 2006, 1085 (1098); ablehnend Armbrüster, NJW 2007, 1494 (1498). Die Rechtsprechung hat sich hierzu freilich noch nicht geäußert. Geht man rechtsdogmatisch davon aus, dass der Beseitigungsanspruch bei einer Vertragsverweigerung – als actus contrarius – auf einen Vertragsabschluss gerichtet ist (vgl. MüKo/Thüsing, AGG, 7. Auflage 2015, § 21 Rn. 17), wäre wohl auch nach deutschem Recht eine Pflicht zur Anfertigung der Hochzeitstorte anzunehmen. Ob § 21 Abs. 1 S. 1 AGG einen Kontrahierungszwang anordnet, bedarf jedoch bislang noch einer Klärung durch das BAG.
2. Kontrahierungszwang über § 242 BGB – Drittwirkung der Grundrechte?
Abseits des AGG käme man zu einer Kontrahierungspflicht des Konditors nur über die Generalklausel des § 242 BGB. Ob die Norm jedoch grundsätzlich eine Vertragsabschlusspflicht statuieren kann bzw. soll, wird bereits äußerst zweifelhaft sein. Auch der BGH hat sich in einer Entscheidung zur Frage der Vertragsabschlussverpflichtung von Banken bislang gegen einen auf § 242 BGB gestützten Kontrahierungszwang ausgesprochen (BGH Urteil v. 15.1.2013 – XI ZR 22/12, NJW 2013, 1519). Allerdings hat das Gericht bislang noch eine mittelbare Geltung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG anerkannt, sofern ein soziales Mächteverhältnis zwischen den Privatrechtssubjekten besteht (BGH Urteil v. 15.1.2013 – XI ZR 22/12, NJW 2013, 1519). Doch auch diese Judikatur dürfte in Anbetracht der jüngsten Entscheidung des BVerfG zur mittelbaren Drittwirkung von Gleichheitsrechten überholt sein. Am 11. April 2018 urteilte das BVerfG, dass sich auch aus „Art. 3 Abs. 1 GG nach den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung kein objektives Verfassungsprinzip entnehmen [lässt], wonach die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten von diesen prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Grundsätzlich gehört es zur Freiheit jeder Person, nach eigenen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie unter welchen Bedingungen Verträge abschließen will“ (BVerfG Urteil v. 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09). Damit dürfte auch der Weg über eine mittelbare Drittwirkung regelmäßig verschlossen sein.
IV. Zusammenfassung
Die Entscheidung des US Supreme Courts verdeutlicht, dass das Antidiskriminierungsrecht auch in den USA noch in den Kinderschuhen steckt. Die 7 zu 2 Entscheidung des Gerichts lässt erkennen, dass die rechtliche Bewertung in gleichgelagerten Streitigkeiten künftig durchaus anders ausfallen kann. Überträgt man den Fall auf das deutsche Rechtssystem, ergeben sich eine Vielzahl juristischer Problemstellungen. Auch das AGG würde nach seiner jetzigen Fassung zu keinem eindeutigen Ergebnis kommen. Letztlich muss gefragt werden, ob und in welchem Umfang eine Privatrechtsordnung Kontrahierungszwänge vorsehen soll. Summa: Eine spannende Problemstellung, welche die Kernelemente des Zivilrechts – Privatautonomie und Vertragsfreiheit – betrifft.

18.06.2018/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-06-18 10:00:402018-06-18 10:00:40Hochzeitstorte für homosexuelles Paar verweigert: US Supreme Court zum Antidiskriminierungsrecht – Ein Abgleich zum Kontrahierungszwang im deutschen Zivilrecht
Dr. Christoph Werkmeister

Du kommst hier ned rein – Diskothek und Diskriminierung

Deliktsrecht, Rechtsprechung, Zivilrecht

Das AG München hat am 24.07.2015 ein Urteil erlassen, dass sich hervorragend für die Diskussion im Rahmen einer mündlichen Prüfung eignet (171 C 27853/13).
Ein Sachverhalt aus dem echten Leben
Der Sachverhalt ist schnell erklärt: Ein dunkelhäutiger Mann und seine fünf (männlichen und ebenfalls dunkelhäutigen) Freunde wollten in München eine Diskothek aufsuchen und wurden von dem Türsteher nicht hereingelassen. Kurze Zeit später wurde einem „weißhäutigen“ Mann in Begleitung von zwei Damen der Einlass gewährt.

Der dunkelhäutige Mann war der Meinung, dass er wegen seiner Hautfarbe abgewiesen wurde. Er habe sich korrekt verhalten, sei angemessen gekleidet gewesen und war nicht alkoholisiert oder betrunken. Die Diskothek sei auch nicht voll gewesen. Der Betreiber der Diskothek berief sich hingegen darauf, dass der Türsteher ein „Bauchgefühl“ hatte, dass beim Kläger keine Feierstimmung vorlag und er deshalb nicht hinein gelassen worden sei.

Anspruch aus AGG

Der betroffene Mann erhob Klage gegen die Diskothek, um dieser für die Zukunft zu untersagen, ihn wegen seiner Hautfarbe den Einlass zu verweigern. Gleichzeitig forderte er Schmerzensgeld in Höhe von 500 EUR. Die entsprechenden Ansprüche können sich aus § 21 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AGG ergeben. Hiernach stehen die vorgenannten Rechte einem Betroffenen zu, der aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse diskriminiert wird (§ 19 AGG). Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass das Schuldverhältnis typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommt (Massengeschäft).

Das das Geschäft der Diskothek im Zweifel als Massengeschäft einzustufen ist, so dass der Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Diskriminierungsverbots nach § 19 AGG anwendbar ist, war im gegenständlichen Fall fraglich, ob die dunkelhäutige Person tatsächlich aufgrund der Hautfarbe nicht in die Diskothek gelassen wurde oder ob nicht weitere Gründe (z.B. zu viele Männer im Club, Stimmung der Gäste etc.) maßgebend waren, was wiederum zulässig wäre.

Darlegungs- und Beweislast

Grundsätzlich hat der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, so dass auch das Vorliegen einer Diskriminierung vom Betroffenen darzulegen wäre. Im Diskriminierungsrecht gilt jedoch eine Beweiserleichterung nach § 22 AGG. Hiernach gibt es eine Beweislastumkehr zugunsten des Betroffenen, wenn dieser im Einzelfall Indizien beweist, die eine Diskriminierung vermuten lassen.

Das Gericht stellte hierzu fest, dass die Indizien noch nicht ausreichten, um eine Diskriminierung vermuten zu lassen (aA sicherlich vertretbar) . Nach Auffassung des Gerichts könne die negative Entscheidung der Türsteher nämlich auf einer Fülle von Erwägungen beruht haben, z.B. dem Aussehen des Betroffenen, seinem Auftreten, seiner Stimmung oder einer schlichten Antipathie des Türstehers, die nicht in der Hautfarbe begründet war. Auch wenn diese Kriterien nicht sachgerecht oder gar willkürlich seien, so liege zumindest noch keine Diskriminierung wegen der Hauptfarbe nahe. Das Gericht konnte so schlichtweg nicht klären, ob tatsächlich eine Diskriminierung vorlag. Es wurden zwar Indizien bewiesen, diese legen aber – nach Ansicht des Gerichts – noch nicht die Vermutung nahe, dass eine Benachteiligung wegen der Ethnie vorlag. Letztlich wird also der Kausalzusammenhang zwischen der Hautfarbe und dem Nichteinlass für unklar erachtet, sodass eine Tatsache iSd. § 22 AGG nicht dargelegt wurde. Dieses non liquet, also die Nichterweislichkeit einer Tatsache, ging zu lasten des Betroffenen, und zwar trotz der Beweiserleichterung im Diskriminierungsrecht.

Examensrelevanz

Der Fall wird mangels Komplexität und dem Fokus auf Beweisthemen (und weniger auf materielles Recht) sicherlich nicht in einer Examensklausur in der ersten oder zweiten juristischen Prüfung laufen. Der Fall eignet sich hingegen gut für ein mündliches Prüfungsgespräch oder einen Kurz- bzw. Aktenvortrag. Die Transferleistung des Studenten bzw. Referendars besteht bei diesem Fall darin, die einschlägigen Anspruchsgrundlagen aus dem AGG zu identifizieren, um im Kern eine Debatte über das Beweisthema (bzw. die Würdigung der vorliegenden Beweismittel in Form von Zeugenaussagen) zu führen.

Den Prüfer wird es freuen, wenn die Diskussion losgelöst von jeglichem politischen Impetus (und eigenen Erfahrungen aus dem Nachtleben) geführt wird, sondern fokussiert auf die vorliegenden Details des Sachverhalts und den vom Gesetzgeber vorgegebenen Beweismaßstab. Das Ergebnis der Prüfung ist dann – wie sooft bei derartigen Diskussionen – nebensächlich.

30.07.2015/6 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2015-07-30 15:30:572015-07-30 15:30:57Du kommst hier ned rein – Diskothek und Diskriminierung
Tom Stiebert

Homosexualität und Homophobie im Profifußball – Was nützt das AGG?

Arbeitsrecht, Deliktsrecht, Europarecht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Die Bundesligasaison beginnt, die olympischen Spiele sind Geschichte und endlich rollt wieder der Ball. Wie gerufen kommt daher ein Fall, der dem EuGH durch ein rumänisches Gericht vorgelegt wurde, behandelt er doch eine Frage, die von hoher sportpolitischer und gesellschaftlicher Relevanz ist: Homosexualität im Profifußball.
Hinweis: Der Beitrag beruht auf einer Veröffentlichung in der ZESAR 2012, 282, die hier auf das Studiumsrelevante reduziert wurde.
I. Worum geht es genau?
Der bekannte Fußballverein Steaua Bukarest (vor 26 Jahren noch Sieger im Europapokal der Landesmeister) wird maßgeblich durch einen großen Gönner und Besitzer geleitet, der auch nach außen hin offen als Chef des Clubs auftritt und sich als „Patron“ bezeichnet.[1] Der Bezug zum Diskriminierungsrecht kommt dadurch zustande, dass der „Patron“ in mehreren Interviews sehr abfällige Äußerungen über Homosexuelle abgab, die insbesondere auf den bulgarischen Spieler X bezogen waren. Aufgrund einer möglichen Homosexualität dieses Spielers (die in den Medien ausführlich diskutiert wurde) würde er den Spieler niemals bei dem Verein beschäftigen. Die einzelnen Äußerungen, die einen Großteil der Vorlage ausmachen, mögen zwar teilweise unglaublich und kurios wirken, sie zeigen aber deutlich eine latente Homophobie.
So wird er wie folgt zitiert:

„Nicht einmal, wenn sich [der Fußballclub] Steaua auflöste, würde ich einen Homosexuellen in die Mannschaft nehmen. Gerüchte sind Gerüchte, aber so etwas zu schreiben, wenn es nicht wahr ist, und es auf die erste Seite zu setzen … Vielleicht stimmt es nicht, dass er [gemeint ist der bulgarische Fußballspieler X] homosexuell ist. Aber wenn es stimmt? Ich habe einmal mit einem Onkel von mir gesprochen, der weder an den Satan noch an Christus glaubte. Ich habe gesagt: ‚Nehmen wir an, Gott gibt es nicht. Aber wenn es ihn gibt? Was verlierst Du, wenn du zur Kommunion gehst? Wäre es nicht gut, wenn Du ins Paradies kämst?‘ Und er hat mir Recht gegeben. Einen Monat vor seinem Tod hat er die Kommunion empfangen. Möge Gott ihm vergeben. In meiner Familie hat ein Schwuler nichts verloren, und die Steaua ist meine Familie. Besser als mit einem Schwulen spielen wir mit einem Nachwuchsspieler; das ist keine Diskriminierung. Niemand kann mich zwingen, mit jemandem zusammenzuarbeiten. Auch ich habe das Recht zu arbeiten mit wem ich möchte, wie die anderen auch.“
 
“ Selbst wenn mir Gott nachts sagen würde, dass X zu 100 % nicht homosexuell ist, würde ich ihn nicht nehmen! Es wurde zu viel in der Zeitung darüber geschrieben, dass er homosexuell ist. Nicht einmal, wenn ihn mir der [russische Fußballclub] ZSKA umsonst geben würde, würde ich ihn nehmen! Er könnte der größte Tyrann und der größte Säufer sein … aber wenn er homosexuell ist, möchte ich nichts mehr von ihm hören.“

 
II. Ansatzpunkte für eine Prüfung
1. Vorliegen einer Diskriminierung
Fraglich ist, ob ein solches Verhalten gegen die Diskriminierungsverbote – im Deutschland im AGG – verstoßen würde.
Problematisch ist dabei, ob tatbestandlich überhaupt eine Diskriminierung vorliegen kann, also ob die Ungleichbehandlung wegen eines verpönten Merkmales erfolgt.
Zumindest wenn dargelegt wird, die Nichteinstellung des Spielers erfolge aufgrund seiner tatsächlich bestehenden Homosexualität, so wäre dies eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität. Klar wird bereits an der Formulierung des Gesetzes, dass die Diskriminierung begriffsnotwendig nur dann vorliegen kann, wenn dem Diskriminierenden das Vorliegen des Merkmals bewusst ist und er sich in seiner Auswahlentscheidung hierauf bezieht. Nicht nötig ist hingegen die Kenntnis von der Diskriminierung als solcher.[2] Die Benachteiligung ist nur dann unzulässig, wenn sie „wegen“ des Merkmals erfolgt ist, nicht aber wenn das Merkmal zwar vorliegt, die Entscheidung aber von abweichenden (zulässigen) Motiven getragen wird. Stets ist demnach auch eine subjektive Komponente der Entscheidung zu berücksichtigen,[3] welche aber nicht mit einer Benachteiligungsabsicht vermischt werden darf. Gleiches muss sogar dann gelten, wenn der Spieler nicht homosexuell ist (bzw. wenn dies nicht nachgewiesen ist) und die Nichteinstellung aufgrund der vermeintlichen Homosexualität erfolgt.[4] Das deutsche Recht ist durch die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 1 S. 2 AGG insofern eindeutig.[5] Von dem vermeintlich Diskriminierten den Nachweis seiner Homosexualität zu fordern, allein um eine Diskriminierung zu bejahen, kann offensichtlich nicht richtig sein. Insofern muss es genügen, dass der Beklagte davon ausgeht, der Spieler sei homosexuell.
Schwieriger wird es allerdings dann, wenn sich die Diskriminierung nicht unmittelbar auf das Merkmal Homosexualität bezieht, sondern wenn die Ungleichbehandlung darauf aufbaut, dass der Spieler vermeintlich homosexuell ist. In der Vorlage wird die Aussage aufgenommen:

„Selbst wenn mir Gott nachts sagen würde, dass X zu 100% nicht homosexuell ist, würde ich ihn nicht nehmen!“.

Die Ungleichbehandlung knüpft dann gerade nicht mehr an das Merkmal Homosexualität selbst an, sondern an den – nicht zu 100% zu beseitigenden – (so empfundenen) Makel einer vermeintlichen Homosexualität. Auch hier stellt sich dann die Frage, ob überhaupt noch eine Ungleichbehandlung wegen eines verpönten Merkmals vorgelegen hat, oder ob diese nicht auf einem Merkmal beruhte, das nicht von der Diskriminierungsrichtlinie und damit vom AGG erfasst ist. Die Ungleichbehandlung knüpft gerade nicht mehr direkt an ein verpöntes Merkmal an, sondern bezieht sich auf die (dann unrechtmäßige) Bezeichnung des Spielers als homosexuell („Es wurde zu viel in der Zeitung darüber geschrieben, dass er homosexuell ist“). Nimmt man das Gesetz streng beim Wort, liegt hier keine Diskriminierung wegen Homosexualität vor.
Diese Sichtweise kann aber nicht richtig sein. Das AGG verbietet gerade die Ungleichbehandlung aus bestimmten besonders geächteten Gründen. Offensichtlich weist die Ungleichbehandlung auch im konkreten Fall einen engen Zusammenhang zu solchen Gründen auf: Unzulässig ist es, einen Homosexuellen schlechter zu behandeln; ebenso unzulässig ist es aber auch, einen (nach eigener Meinung) vermeintlich Homosexuellen schlechter zu behandeln. Folgerichtig muss es dann aber auch unzulässig sein, einen (aus Sicht Dritter) vermeintlich Homosexuellen schlechter zu behandeln. Hier gebietet sich eine Parallelwertung zur Behandlung der sog. costumer preferences. Auch hierauf darf sich der Arbeitgeber nur in strengen Ausnahmefällen berufen, wenn für ihn eine Existenzgefährdung drohen würde. Zudem muss die Kundenerwartung selbst nicht diskriminierend sein.[6] Spiegelt man die oben gezeigte Wertung des § 7 Abs. 1 S. 2 AGG so zeigt sich, dass die Schlechterbehandlung vermeintlich Homosexueller bereits diskriminierend ist. Es kann nach dem hier Gezeigten dann aber keinen Unterschied machen, ob der Arbeitgeber selbst hiervon ausgeht oder ob er die Unterscheidung auf einen vermeintlichen öffentlichen Druck gründet. Jede Ungleichbehandlung im Zusammenhang mit den verpönten Merkmalen muss unzulässig sein, unabhängig davon ob das Merkmal tatsächlich vorliegt oder nicht.
 
2. Mögliche Rechtfertigung
Wohl zu Recht nicht eingegangen wird in der Vorlage auf die Frage, ob die Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein könnte. Kundenwünsche können hierfür – wie gezeigt – nur sehr eingeschränkt angeführt werden.
Allenfalls könnte erwogen werden, ob eine (mögliche) Homosexualität eines Profifußballers nicht dazu führen kann, dass der öffentliche Druck der Medien sowie der gegnerischen Fans so stark wird, dass ein erfolgreiches Spiel nicht mehr möglich ist. Bis heute hat sich mit dem britischen Stürmer Justin Fashanu nur ein einziger Profispieler zu seiner Homosexualität bekannt, der sich – nicht allein aus diesem Grund – mit 27 Jahren das Leben genommen hat. Auch zahlreiche Fußballexperten und aktive Spieler raten Profifußballern davon ab, sich auf Grund des öffentlichen Druckes als homosexuell zu bekennen.[7] Noch schwerwiegender ist die Situation in Osteuropa.[8] Aus diesem Grund könnte zumindest erwogen werden, ob aufgrund des öffentlichen Drucks die Heterosexualität von Profifußballern als wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung anzusehen ist. Die zu überspringenden Hürden hierfür sind freilich extrem hoch[9], sodass im Ergebnis eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung wohl zu verneinen sein muss.
 
3. Zulässigkeit der Beweislastumkehr im konkreten Fall
Sieht man eine Diskriminierung im Gegensatz zu dem eben Gesagten aber noch nicht als erwiesen an, so ist fraglich, ob die Aussagen des „Patron“ als Tatsache i.S.d. § 22 AGG ansehen werden können, da er als (Haupt)Aktionär des Vereines – zumindest in der Theorie – keinen unmittelbaren Einfluss auf die Transfers hat und damit die Nichteinstellung auch auf anderen Gründen beruhen kann. Teilt man diese Sichtweise und bejaht das Vorbringen entsprechender Tatsachen, müsste der Verein dann nach den Grundsätzen der Beweislastumkehr nachweisen, dass keine Verletzung der Diskriminierungsverbote vorlag, die Nichteinstellung also diskriminierungsfrei war. Denn die Aussage ist zumindest ein starkes Indiz dafür, dass der Spieler aus diesem Grund nicht eingestellt wurde.
Dieser Gegenbeweis wäre aber nur dann erfolgreich, wenn entweder die objektive Eignung des Bewerbers nicht vorliegt[10] oder aber – weitaus praxisnäher – wenn Merkmalsträger (also Homosexuelle) tatsächlich beschäftigt werden oder in die engere Auswahl kommen.[11] Gerade dieser Nachweis ist aber in der Praxis des Profifußballers nicht möglich – es gibt schlichtweg keine – bekennenden – homosexuellen Fußballer. Der Gegenbeweis kann damit nicht gelingen – es liegt eine, vom EuGH so bezeichnete probatio diabolica vor. Für den Beklagten mag diese Situation misslich sein, hat er doch keine Möglichkeit den Gegenbeweis zu erbringen und führt dies dazu, dass eine Diskriminierung angenommen werden muss – die Rechtslage ist aber insofern eindeutig und sieht die Beweislastumkehr vor. Es wäre von der Interessenverteilung her falsch in diesem Fall auf die Beweislastumkehr zu verzichten und dem Bewerber den Schutz zu nehmen. Haben der Arbeitgeber oder zumindest im zuzurechnende Personen Tatsachen geschaffen, die eine Diskriminierung vermuten lassen, so muss er sich auch hieran festhalten lassen und die entsprechenden Konsequenzen (Beweislastumkehr) tragen.
 
III. Fazit
Der Fall mag im ersten Moment bizzar und rechtlich wenig bedeutsam anmuten. Er zeigt jedoch, dass auch ein rumänischer Fußballpatron mit seinem eigenwilligen und kritikwürdigen Verhalten für interessante AGG-rechtliche Probleme sorgen kann. Weitere hält er schon parat: Er hat schon neue Ideen, wie er „seine Familie“ Steaua Bukarest weiter umbauen kann. So gab er im März 2012 bekannt, die Mannschaft werde zukünftig allein mit Rumänen besetzt. Das nächste europarechtliche Problem lauert also bereits.
Der Fall zeigt zudem, dass das anfangs stark kritisierte AGG durchaus in sehr vielen Bereichen Berechtigung hat und Ungleichheiten beseitigen und verhindern hilft. Anhand des Falles kann damit sehr gut nachvollzogen werden, wie sich das AGG auswirkt und welche Prüfungspunkte zu beachten sind.
 
IV. Zusammenfassung: Allgemeines zum AGG
Im Examen sollten zumindest die zentralen Grundsätze des AGG und die entsprechende Prüfungsreihenfolge bekannt sein. Aus diesem Grund eine Übersicht über die wichtigsten Prüfungspunkte:
 

  • Eröffnung sachlicher Anwendungsbereich AGG: § 2 AGG  (P) Ausschluss Kündigung
  • Persönlicher Anwendungsbereich: § 6 AGG für Arbeitsrecht oder § 19 Abs. 1 AGG für Zivilrecht
  • Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals nach § 1 AGG: siehe § 7 AGG: Unterscheide zwischen unmittelbarer Benachteiligung (§ 3 Abs. 1 AGG) und mittelbarer Benachteiligung (§ 3 Abs. 2 AGG);

— Unmittelbare Benachteiligung: Vorliegen Vergleichsgruppe (alle AN); Vorliegen verpöntes Merkmal i.S.d. § 1 AGG (vermeintliches Vorliegen genügt § 7 Abs. 1 HS 2 AGG); Handeln bezogen auf das Merkmal
— Mittelbare Benachteiligung: Vergleichsgruppen (hier insbes. prozentuale Betroffenheit; Statistik kann reichen; Handeln bezogen auf verpöntes Merkmal)
— (P) bei einzelnen Merkmalen: bspw. Ossi als Ethnie (-); politische Einstellung als Weltanschauung (-), Krankheit als Behinderung (Einzelfallbetrachtung)…

  • Rechtfertigung:

— Unmittelbare Benachteiligung: § 8 AGG (wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung (P) costumer preferences; § 9 AGG bei Religion/Weltanschauung; § 10 AGG bei Alter; außerdem § 5 AGG (positive Maßnahmen)
— Mittelbare Benachteiligung: § 3 Abs. 2 letzter HS AGG: sachlicher Grund: rechtmäßiges Ziel, Angemessenheit, Erforderlichkeit

  • Rechtsfolge: Ersatz materieller Schaden (§ 15 Abs. 1 AGG) (bspw. entgangener Lohn, aber nur wenn tatsächliche Einstellung –> bestgeeigneter Bewerber (P) wie lange?); Ersatz Nichtvermögensschaden (Entschädigung) (§ 15 Abs. 2 AGG ) – wegen Verletzung der Ehre durch Diskriminierung; Höchstgrenze nach § 15 Abs. 2 S. 2 AGG; ABER: kein Kontrahierungszwang
  • Prozessuale Geltendmachung: § 22 AGG: Nachweis Diskriminierung nicht notwendig, da oft Beweisnot besteht; bei Nachweis von Indizien kehrt sich Beweislast um; ABER: Kein (ungeschriebener) Auskunftsanspruch, welcher Arbeitnehmer eingestellt wurde
  • Besonderheiten Zivilrecht: Rechtfertigung nach § 20 AGG (sachlicher Grund), Rechtsfolge nach h.M.: Kontrahierungszwang (ergibt sich aus § 21 AGG)

 

 


[1] Für das deutsche Recht bspw.: LAG Köln v. 10.02.2010 – 5 Ta 408/09, NZA-RR 2010, 234.
[2] MüKo/Thüsing, § 22 AGG, Rn. 20.
[3] So bspw.  Philipp Lahm: „Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft schon so weit ist, schwule Profi-Fußballer als etwas Selbstverständliches zu akzeptieren, so wie es in anderen Bereichen bereits möglich ist. Der Spieler, der sich jetzt outen würde, der geht jedes Wochenende vor zigtausend Zuschauern seinem Job nach. Ein Guido Westerwelle spielt nicht jedes Wochenende vor 60.000 Zuschauern Fußball“ oder Tim Wiese: „Der würde von den Fans niedergemacht. Fußball ist trotz der vielen Frauen im Stadion ein Machosport.“
[4] Vgl. http://www.sueddeutsche.de/politik/homophobie-in-polen-und-der-ukraine-wo-schwule-fussballfans-gejagt-werden-1.1351346.
[5] MüKo/Thüsing, § 8 AGG, Rn. 10.
[6] Thüsing, Arbeitsrechtl. Diskriminierungsschutz Rn. 231.
[7] Schleusner/Suckow/Voigt/Schleusner, § 3 AGG, Rn. 12 f. (unter dem Begriff der Kausalität)
[8] Vgl. ausführlich: MüKo/Thüsing, § 7 Rnr. 8 ff.
[9] BAG v. 17.12. 2009 – 8 AZR 670/08, NZA 2010, 383.
[10] MüKo/Thüsing, § 8 AGG, Rn. 17 ff.
[11] In der Vorlage wird darauf verzichtet, den Namen der entscheidenden Person zu nennen. Offensichtlich handelt es sich aber um George „Gigi“ Becali, dessen Vita für sich spricht. Kurioserweise weist er noch eine zweite Verbindung zum Europarecht auf, ist er doch seit 2009 für die Kleinpartei PRM Abgeordneter des Europaparlaments und gilt mit nur 25 % der besuchten Plenarsitzungen als der „faulste Abgeordnete des Europaparlaments“.

23.08.2012/5 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-08-23 16:00:322012-08-23 16:00:32Homosexualität und Homophobie im Profifußball – Was nützt das AGG?
Dr. Johannes Traut

BGH: AGG gilt auch für Organmitglieder von Gesellschaften

Arbeitsrecht, Rechtsprechung, Zivilrecht

Gestern hat der BGH (Urteil v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, bisher gibt es nur die Pressemitteilung, auf der auch dieser Bericht beruht) entschieden, dass ein auf eine bestimmte Dauer bestellter Geschäftsführer einer GmbH in den Schutzbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) fällt. Wird also sein Dienstvertrag wegen seines Alters nicht verlängert, stellt dies eine nach § 7 Abs. 1 AGG verbotene Benachteiligung dar.
I. Das AGG – im Gesellschaftsrecht neu, im Arbeitsrecht ein alter Hut
Auch wenn die Medienaufmerksamkeit anderes suggeriert: Die Entscheidung des BGH war keine Überraschung. Das AGG ist im Arbeitsrecht längst ein „alter Hut“. Das BAG hat sich schon in zahlreichen Judikaten zu den verschiedenen Fragen geäußert. Der vorliegende Fall genießt nur deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil er der erste vom BGH Entschiedene ist.
Dass in diesem Fall der BGH zuständig war, ergibt sich daraus, dass für die Rechtsstreitigkeiten zwischen Organmitgliedern und ihren Gesellschaften nicht die Arbeitsgerichte, sondern in Ermangelung einer Sonderzuständigkeit die Zivilgerichte zuständig sind. Denn da Organmitglieder keine Arbeitnehmer sind, ist keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG begründet. Bestätigt wird dies noch einmal durch den Umkehrschluss aus § 2 Abs. 4 ArbGG, wonach die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und ihren Gesellschaften durch besondere Vereinbarung begründet werden kann.
II. Anwendbarkeit des AGG auf Organmitglieder juristischer Personen
Die „arbeitsrechtlichen“ Regelungen des AGG gelten jedoch auch für Organmitglieder „entsprechend“. Das ergibt sich aus § 6 Abs. 3 AGG (umfangreich dazu Thüsing/Stiebert, NZG 2011, 641):

(3) Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften dieses Abschnitts für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen und Vorstände, entsprechend.

Die Einbeziehung auch von Organmitgliedern hat ihren Grund darin, dass der Beschäftigtenbegriff der europäischen Richtlinien (insb. 2000/78/EG), zu deren Umsetzung das AGG dient, weiter ist als der deutsche Arbeitnehmerbegriff und auch Organmitglieder erfasst.
In dem Beschluss, den Kläger nach dem Auslaufen seiner Bestellung nicht weiter als Geschäftsführer zu beschäftigen, hat der BGH in dem vorliegenden Fall eine Entscheidung über den Zugang zu dem Amt gesehen (s. Pressemitteilung).
III. Vorliegen einer Benachteiligung und § 22 AGG
Sodann war zu prüfen, ob überhaupt eine Benachteiligung vorliegt. Hier hilft dem Beschäftigten die Beweislastregel des § 22 AGG:

§ 22 Beweislast
Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Hierzu führt der BGH aus:

„Hier hatte der Aufsichtsratsvorsitzende gegenüber der Presse erklärt, dass der Kläger wegen seines Alters nicht weiterbeschäftigt worden sei. Man habe wegen des „Umbruchs auf dem Gesundheitsmarkt“ einen Bewerber gewählt, der das Unternehmen „langfristig in den Wind stellen“ könne. Das hat der Senat als ausreichend für die Beweislastumkehr nach § 22 AGG angesehen. Die Beklagte hat den damit ihr obliegenden Gegenbeweis nicht geführt.“

Hierin könnte – man muss freilich die Urteilsgründe noch abwarten – eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung liegen. Nach dieser greift die Begünstigung des § 22 AGG nicht hinsichtlich des Vorliegens einer weniger günstigen Behandlung iS von § 3 Abs. 1 und 2, sondern nur hinsichtlich der Kausalität zwischen Ungleichbehandlung und einem der nach § 1 verpönten Merkmale. Der Kläger muss daher zunächst den Vollbeweis führen, dass er gegenüber einer anderen Person ungünstig behandelt worden ist. Er muss die von ihm angegriffene Maßnahme und ebenso das Betroffensein von dieser Maßnahme nachweisen (MüKoBGB/Thüsing, § 22 Rn. 6 m.w.N.).
Ein solcher Vollbeweis ist bei Arbeitnehmern freilich auch leichter zu führen als bei Organmitgliedern, da bei jenen meist Vergleichspersonen gegeben sind, bei diesen dagegen nicht. Es bleibt abzuwarten, was der BGH in seinen Urteilsgründen ausgeführt hat.
IV. Rechtsfolgen
Die Rechtsfolgen einer unzulässigen Benachteiligung sind für Beschäftigte in den §§ 13ff. AGG geregelt. Praktisch am wichtigsten sind sicherlich die Ansprüche auf Schadensersatz (§ 15 Abs. 1 AGG) und der Entschädigungsanspruch für Nichtvermögensschäden (§ 15 Abs. 2 AGG). Zu beachten ist, dass es nach § 15 Abs. 6 AGG grundsätzlich keine Naturalrestitution in Form eines Kontrahierungszwangs gibt, d.h. der Beschäftigte darf bei einer diskriminierenden Ablehung keine Einstellung verlangen.
V. Bewertung: Unternehmerische Entscheidungen werden überprüfbar
Folge des AGG ist es, dass unternehmerische Entscheidungen rechtlicher Überprüfung dahingehend unterliegen, ob diskriminiert wurde. Um dem Vorwurf der Diskriminierung zu entgehen, müssen die Unternehmen ihre Entscheidungen in dem Sinne verobjektivieren, dass Gründe für die Entscheidung offengelegt und dokumentiert werden. Die Ausübung ihrer Privatautonomie unterliegt also gerichtlicher Überprüfung. Ansonsten droht, dass der nach § 22 AGG erforderliche Gegenbeweis nicht geführt werden kann.

24.04.2012/3 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2012-04-24 10:24:072012-04-24 10:24:07BGH: AGG gilt auch für Organmitglieder von Gesellschaften
Samuel Ju

Vorsicht bei der Stellenausschreibung

Arbeitsrecht, Zivilrecht

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 19. August 2010 (8 AZR 530/09) entschieden, dass eine Stellenausschreibung grundsätzlich gegen das Altersdiskriminierungsverbot verstößt, wenn ein „junger“ Bewerber gesucht wird.
Sachverhalt
Der Kläger, ein 1958 geborener Volljurist, bewarb sich im Jahre 2007 auf eine von der Beklagten geschaltete Stellenanzeige in einer juristischen Fachzeitschrift. Die Beklagte suchte für ihre Rechtsabteilung „zunächst auf ein Jahr befristet eine(n) junge(n) engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen“. Der Kläger erhielt eine Absage, ohne zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Eingestellt wurde eine 33 jährige Juristin. Der Kläger hat von der Beklagten wegen einer unzulässigen Benachteiligung aufgrund seines Alters eine Entschädigung in Höhe von 25.000,00 € und Schadensersatz in Höhe eines Jahresgehalts verlangt.
Das erstinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe eines Monatsgehalts verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht München hat die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers ebenso zurück gewiesen wie die Anschlussberufung der Beklagten.
Crashkurs AGG
1. Zeitlicher Anwendungsbereich des AGG
Nach § 33 I AGG ist das am 18.08.2006 in Kraft getretene AGG nicht anwendbar, wenn der zu beurteilende Sachverhalt zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war. Wenn hingegen nach dem 17.08.2006 Tatsachen entstehen, die für die Benachteiligungsverbote des AGG relevant sind, ist das AGG anwendbar. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung. Bei einer Stellenbesetzung ist dies der Zeitpunkt, zu welchem der Arbeitgeber die Zurückweisung einer Bewerbung beschließt.
2. Entschädigungsanspruch des § 15 Abs. 2 AGG
Für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG muss die Benachteiligung „wegen“ eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt sein. Der erforderliche Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die Benachteiligung an einen der in § 1 AGG genannten oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist. Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat.
3. Gesetzliche Beweislastregelung, § 22 AGG und Beweislastumkehr
Nach der gesetzlichen Beweislastregelung gem. § 22 AGG genügt es, dass der Anspruchsteller Indizien vorträgt und im Streitfalle beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. An diese Vermutungsvoraussetzungen ist kein zu strenger Maßstab anzulegen. Es ist nicht erforderlich, dass die Tatsachen einen zwingenden Indizienschluss für eine Verknüpfung der Benachteiligung mit einem Benachteiligungsmerkmal zulassen. Vielmehr reicht es aus, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung hierfür eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Sodann trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
Entscheidung des BAG
Das BAG hat hier entschieden, dass die Stellenausschreibung der Beklagten gegen § 11 AGG verstieß, der verbietet, dass eine Stelle unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben wird. Danach dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes (hier ist der Grund des Alters einschlägig) benachteiligt werden. Stellen sind unter anderem “altersneutral” auszuschreiben, wenn kein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 10 AGG für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters vorliegt. Die unzulässige Stellenausschreibung stellt ein Indiz dafür dar, dass der Kläger wegen seines Alters nicht eingestellt worden ist. Da die Beklagte nicht darlegen konnte, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen hat, steht dem Kläger ein Entschädigungsanspruch zu. Dessen Höhe hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgesetzt. Da der Kläger nicht dargelegt und bewiesen hat, dass er bei einer diskriminierungsfreien Auswahl von der Beklagten eingestellt worden wäre, steht ihm der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe eines Jahresgehalts nicht zu.
Examensrelevanz
In einigen Bundesländern wie beispielsweise in Hessen ist die 3. Zivilrecht Examensklausur entweder aus dem Arbeitsrecht oder aus dem Handels- und Gesellschaftsrecht. Nachdem die letzten Examenstermine in einigen Bundesländern doch sehr viele Problemkreise aus dem Handels- und Gesellschaftsrecht enthielten, wäre demnächst wohl wieder einmal eine Klausur aus dem Arbeitsrecht fällig.

24.09.2010/0 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-09-24 07:56:562010-09-24 07:56:56Vorsicht bei der Stellenausschreibung
Dr. Stephan Pötters

Sind Ossis eine eigenständige Ethnie?

Arbeitsrecht, Zivilrecht

Sachverhalt
Sind Ossis eine eigenständige Ethnie? Diese Thema wurde gestern tatsächlich in der ARD in der Sendung FAKT diskutiert. Anlass war folgender kleiner Fall, den nun bald ein Arbeitsgericht entscheiden muss: Eine ostdeutsche Frau war ins schöne Schwabenländle gezogen. Zunächst wurde berichtet, dass sie mittlerweile ganz toll schwäbischen Dialekt sprechen könne und außerdem auch in Sachen Haushaltsführung und Sauberkeit einer ordentlichen schwäbischen Hausfrau in nichts nachstünde. Dies ist aber wohl alles noch nicht rechtsrelevant. Diese tüchtige Frau hatte sich nun vor einiger Zeit bei einem baden-württembergischen Unternehmen beworben. Als man ihr eine Absage erteilte und ihre Bewerbungsunterlagen zurückschickte, konnte die gute Frau anhand eines Vermerks auf ihren Unterlagen unschwer erkennen, warum man sie nicht für tauglich hielt. Auf ihrem Anschreiben stand deutlich geschrieben:
(-) OSSI
Rechtsfragen: Schadensersatz nach dem AGG
Über dieses „Minus, Ossi“ war die Bewerberin nun so erbost, dass sie Schadensersatz verlangt. Dabei stützt sich ihre Forderung auf § 15 AGG als Anspruchsgrundlage. § 15 AGG lautet:
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) …
Das in Abs. 1 erwähnte Benachteiligungsverbot umfasst Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität, s. §§ 1, 7 AGG.
Abs. 2 macht deutlich, dass auch immaterielle Schäden zu ersetzen sind. Das Erfordernis des Vertretenmüssens nach § 15 Abs. 1 S. 2 AGG ist wohl europarechtswidrig. Auch sonst ist so einiges an § 15 AGG europarechtlich bedenklich. Dies ist hier aber letztlich alles nicht entscheidend. Kernfrage des Falles wird vielmehr sein: Sind Ossis eine eigene Ethnie?Andere Diskriminierungstatbestände kommen hier nicht in Betracht.
Ossis als Ethnie?
Diese Frage wurde in der Sendung dann durchaus seriös und fundiert diskutiert. Sogar Prof. Däubler, ein anerkannter Arbeitsrechtler, konnte zu Wort kommen. Er wies darauf hin, dass Ostdeutsche durch gemeinsame, prägende geschichtliche Ereignisse, kulturelle Bräuche und Gepflogenheiten etc. zahlreiche Verbindungen aufweisen, die es durchaus rechtfertigen könnten, von einer Ethnie zu sprechen. Ethnien sind Menschengruppen, die kulturell, sozial, historisch und genetisch eine Einheit bilden und auch sonst als Stämme oder Völker bezeichnet werden (so die Brockhaus-Definition, vgl. Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht, 2008, Rn. 53). Wichtig ist, dass diese Menschen sich selbst als Einheit, als Gruppe verstehen – hier also als „Ossis“. Davon wird man meines Erachtens aber wohl gerade nicht ausgehen können. Manche Leute fühlen sich vielleicht als „Sachse“ oder eben im Westen als „Bayer“. Aber selbst dann würde man wohl noch keine Ethnie annehmen. Dafür sind die Bundesländer viel zu sehr durchmischt und die Bräuche innerhalb Deutschlands zu ähnlich. Nicht alle Angehörigen der jeweiligen Gruppe empfinden diese Gruppenzugehörigkeit. Erst auf Ebene „der Deutschen“ wird man daher wohl eine Ethnie bejahen können. Insofern ist aber bei entsprechender Definition natürlich alles vertretbar.
Und sonst?
Als weitere Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch kann man noch an § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG) denken. Dieser Anspruch ist neben dem AGG anwendbar, § 15 Abs. 5 AGG. Es dürfte aber wohl an der erforderlichen Erheblichkeit der Pflichtverletzung fehlen, die für einen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden erforderlich ist.

13.04.2010/5 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2010-04-13 09:34:462010-04-13 09:34:46Sind Ossis eine eigenständige Ethnie?

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