Du kommst hier ned rein – Diskothek und Diskriminierung
Das AG München hat am 24.07.2015 ein Urteil erlassen, dass sich hervorragend für die Diskussion im Rahmen einer mündlichen Prüfung eignet (171 C 27853/13).
Ein Sachverhalt aus dem echten Leben
Der Sachverhalt ist schnell erklärt: Ein dunkelhäutiger Mann und seine fünf (männlichen und ebenfalls dunkelhäutigen) Freunde wollten in München eine Diskothek aufsuchen und wurden von dem Türsteher nicht hereingelassen. Kurze Zeit später wurde einem „weißhäutigen“ Mann in Begleitung von zwei Damen der Einlass gewährt.
Der dunkelhäutige Mann war der Meinung, dass er wegen seiner Hautfarbe abgewiesen wurde. Er habe sich korrekt verhalten, sei angemessen gekleidet gewesen und war nicht alkoholisiert oder betrunken. Die Diskothek sei auch nicht voll gewesen. Der Betreiber der Diskothek berief sich hingegen darauf, dass der Türsteher ein „Bauchgefühl“ hatte, dass beim Kläger keine Feierstimmung vorlag und er deshalb nicht hinein gelassen worden sei.
Anspruch aus AGG
Der betroffene Mann erhob Klage gegen die Diskothek, um dieser für die Zukunft zu untersagen, ihn wegen seiner Hautfarbe den Einlass zu verweigern. Gleichzeitig forderte er Schmerzensgeld in Höhe von 500 EUR. Die entsprechenden Ansprüche können sich aus § 21 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AGG ergeben. Hiernach stehen die vorgenannten Rechte einem Betroffenen zu, der aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse diskriminiert wird (§ 19 AGG). Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass das Schuldverhältnis typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommt (Massengeschäft).
Das das Geschäft der Diskothek im Zweifel als Massengeschäft einzustufen ist, so dass der Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Diskriminierungsverbots nach § 19 AGG anwendbar ist, war im gegenständlichen Fall fraglich, ob die dunkelhäutige Person tatsächlich aufgrund der Hautfarbe nicht in die Diskothek gelassen wurde oder ob nicht weitere Gründe (z.B. zu viele Männer im Club, Stimmung der Gäste etc.) maßgebend waren, was wiederum zulässig wäre.
Darlegungs- und Beweislast
Grundsätzlich hat der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, so dass auch das Vorliegen einer Diskriminierung vom Betroffenen darzulegen wäre. Im Diskriminierungsrecht gilt jedoch eine Beweiserleichterung nach § 22 AGG. Hiernach gibt es eine Beweislastumkehr zugunsten des Betroffenen, wenn dieser im Einzelfall Indizien beweist, die eine Diskriminierung vermuten lassen.
Das Gericht stellte hierzu fest, dass die Indizien noch nicht ausreichten, um eine Diskriminierung vermuten zu lassen (aA sicherlich vertretbar) . Nach Auffassung des Gerichts könne die negative Entscheidung der Türsteher nämlich auf einer Fülle von Erwägungen beruht haben, z.B. dem Aussehen des Betroffenen, seinem Auftreten, seiner Stimmung oder einer schlichten Antipathie des Türstehers, die nicht in der Hautfarbe begründet war. Auch wenn diese Kriterien nicht sachgerecht oder gar willkürlich seien, so liege zumindest noch keine Diskriminierung wegen der Hauptfarbe nahe. Das Gericht konnte so schlichtweg nicht klären, ob tatsächlich eine Diskriminierung vorlag. Es wurden zwar Indizien bewiesen, diese legen aber – nach Ansicht des Gerichts – noch nicht die Vermutung nahe, dass eine Benachteiligung wegen der Ethnie vorlag. Letztlich wird also der Kausalzusammenhang zwischen der Hautfarbe und dem Nichteinlass für unklar erachtet, sodass eine Tatsache iSd. § 22 AGG nicht dargelegt wurde. Dieses non liquet, also die Nichterweislichkeit einer Tatsache, ging zu lasten des Betroffenen, und zwar trotz der Beweiserleichterung im Diskriminierungsrecht.
Examensrelevanz
Der Fall wird mangels Komplexität und dem Fokus auf Beweisthemen (und weniger auf materielles Recht) sicherlich nicht in einer Examensklausur in der ersten oder zweiten juristischen Prüfung laufen. Der Fall eignet sich hingegen gut für ein mündliches Prüfungsgespräch oder einen Kurz- bzw. Aktenvortrag. Die Transferleistung des Studenten bzw. Referendars besteht bei diesem Fall darin, die einschlägigen Anspruchsgrundlagen aus dem AGG zu identifizieren, um im Kern eine Debatte über das Beweisthema (bzw. die Würdigung der vorliegenden Beweismittel in Form von Zeugenaussagen) zu führen.
Den Prüfer wird es freuen, wenn die Diskussion losgelöst von jeglichem politischen Impetus (und eigenen Erfahrungen aus dem Nachtleben) geführt wird, sondern fokussiert auf die vorliegenden Details des Sachverhalts und den vom Gesetzgeber vorgegebenen Beweismaßstab. Das Ergebnis der Prüfung ist dann – wie sooft bei derartigen Diskussionen – nebensächlich.
Auch „fragwürdig“, dass das Gericht – den Sachverhalt mal als erschöpfend unterstellt – darin kein Indiz(!) gesehen haben will. Frechheit!
Ja, das Amtsgericht verwechselt „Beweis“ mit „Indiz“: Ein Beweis dafür, dass es die Hautfarbe war, ist nicht erbracht – richtig. Auf dieser Ebene der Beweise war das Gericht aber noch gar nicht angelangt. Zunächst ging es nur um Indizien, um Anhaltspunkte – und die lagen bei verständiger Würdigung vor. Dabei durfte auch der Sinn und Zweck des Gesetzes (telos) einbezogen werden, so dass an sich ein klarer Fall von Diskriminierung vorlag.
Dem Stimme ich vollumfänglich zu. Das Gericht hat einfach die Beweislastumkehr ignoriert. Mehr als Indizien musste der Kläger nicht liefern und diese lagen zweifellos vor. Wie soll man auch eine Diskriminierung beweisen. Es ist schließlich immer ein subjektiver Akt und da kann die Gegenseite ja wirklich immer rechtserheblich gegen vortragen. Sie könnte ja auch behaupten der Weihnachtsmann hat ihr gesagt er darf nicht rein. Aber beweisen kann sie es gerade nicht.
Zu einem „non liquet“ gelangt man – entgegen dem Amtsgericht – dann nicht, wenn man § 22 AGG folgt und bei hinreichenden Indizien eine UMKEHR der Beweislast annimmt, so wie das der Gesetzgeber gewollt hat. Dann liegt die Last des Beweises bei der Diskothek. Eine Vielzahl von Indizien aufzuzählen, um die Umkehr zu vermeiden, ist nicht sachgerecht. Das Leben ist derart vielschichtig, dass immer irgendein anderes Motiv für die Diskriminierung denkbar bleibt. Dann gelangt man nie zu einer – gesetzlich gewollten – Beweislastumkehr. Schon das vorgetragene Ausblenden anderer Gründe – unangemessene Kleidung, Trunkenheit usw. – fokussiert das Verhalten des Türstehers auf die Hautfarbe, was bei lebensnaher Wertung auch naheliegt. Die amtsrichterliche Wertung zeigt, wie eine gesetzgeberische Wertung stets unterlaufen werden kann.
Warum wird hier unter „Verwandte Artikel“ eigentlich nicht das OVG genannt, sondern nur das VG Koblenz ? Die VG-Entscheidung ist aufgehoben worden, hat keine Bedeutung mehr !
Wie kann man eigentlich rechtlich einfach eine evtl. nur einzelne Einlassverwehrung eines gewöhnlichen Türstehers als Verhalten der Diskothek begründen?