Homosexualität und Homophobie im Profifußball – Was nützt das AGG?
Die Bundesligasaison beginnt, die olympischen Spiele sind Geschichte und endlich rollt wieder der Ball. Wie gerufen kommt daher ein Fall, der dem EuGH durch ein rumänisches Gericht vorgelegt wurde, behandelt er doch eine Frage, die von hoher sportpolitischer und gesellschaftlicher Relevanz ist: Homosexualität im Profifußball.
Hinweis: Der Beitrag beruht auf einer Veröffentlichung in der ZESAR 2012, 282, die hier auf das Studiumsrelevante reduziert wurde.
I. Worum geht es genau?
Der bekannte Fußballverein Steaua Bukarest (vor 26 Jahren noch Sieger im Europapokal der Landesmeister) wird maßgeblich durch einen großen Gönner und Besitzer geleitet, der auch nach außen hin offen als Chef des Clubs auftritt und sich als „Patron“ bezeichnet.[1] Der Bezug zum Diskriminierungsrecht kommt dadurch zustande, dass der „Patron“ in mehreren Interviews sehr abfällige Äußerungen über Homosexuelle abgab, die insbesondere auf den bulgarischen Spieler X bezogen waren. Aufgrund einer möglichen Homosexualität dieses Spielers (die in den Medien ausführlich diskutiert wurde) würde er den Spieler niemals bei dem Verein beschäftigen. Die einzelnen Äußerungen, die einen Großteil der Vorlage ausmachen, mögen zwar teilweise unglaublich und kurios wirken, sie zeigen aber deutlich eine latente Homophobie.
So wird er wie folgt zitiert:
„Nicht einmal, wenn sich [der Fußballclub] Steaua auflöste, würde ich einen Homosexuellen in die Mannschaft nehmen. Gerüchte sind Gerüchte, aber so etwas zu schreiben, wenn es nicht wahr ist, und es auf die erste Seite zu setzen … Vielleicht stimmt es nicht, dass er [gemeint ist der bulgarische Fußballspieler X] homosexuell ist. Aber wenn es stimmt? Ich habe einmal mit einem Onkel von mir gesprochen, der weder an den Satan noch an Christus glaubte. Ich habe gesagt: ‚Nehmen wir an, Gott gibt es nicht. Aber wenn es ihn gibt? Was verlierst Du, wenn du zur Kommunion gehst? Wäre es nicht gut, wenn Du ins Paradies kämst?‘ Und er hat mir Recht gegeben. Einen Monat vor seinem Tod hat er die Kommunion empfangen. Möge Gott ihm vergeben. In meiner Familie hat ein Schwuler nichts verloren, und die Steaua ist meine Familie. Besser als mit einem Schwulen spielen wir mit einem Nachwuchsspieler; das ist keine Diskriminierung. Niemand kann mich zwingen, mit jemandem zusammenzuarbeiten. Auch ich habe das Recht zu arbeiten mit wem ich möchte, wie die anderen auch.“
“ Selbst wenn mir Gott nachts sagen würde, dass X zu 100 % nicht homosexuell ist, würde ich ihn nicht nehmen! Es wurde zu viel in der Zeitung darüber geschrieben, dass er homosexuell ist. Nicht einmal, wenn ihn mir der [russische Fußballclub] ZSKA umsonst geben würde, würde ich ihn nehmen! Er könnte der größte Tyrann und der größte Säufer sein … aber wenn er homosexuell ist, möchte ich nichts mehr von ihm hören.“
II. Ansatzpunkte für eine Prüfung
1. Vorliegen einer Diskriminierung
Fraglich ist, ob ein solches Verhalten gegen die Diskriminierungsverbote – im Deutschland im AGG – verstoßen würde.
Problematisch ist dabei, ob tatbestandlich überhaupt eine Diskriminierung vorliegen kann, also ob die Ungleichbehandlung wegen eines verpönten Merkmales erfolgt.
Zumindest wenn dargelegt wird, die Nichteinstellung des Spielers erfolge aufgrund seiner tatsächlich bestehenden Homosexualität, so wäre dies eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität. Klar wird bereits an der Formulierung des Gesetzes, dass die Diskriminierung begriffsnotwendig nur dann vorliegen kann, wenn dem Diskriminierenden das Vorliegen des Merkmals bewusst ist und er sich in seiner Auswahlentscheidung hierauf bezieht. Nicht nötig ist hingegen die Kenntnis von der Diskriminierung als solcher.[2] Die Benachteiligung ist nur dann unzulässig, wenn sie „wegen“ des Merkmals erfolgt ist, nicht aber wenn das Merkmal zwar vorliegt, die Entscheidung aber von abweichenden (zulässigen) Motiven getragen wird. Stets ist demnach auch eine subjektive Komponente der Entscheidung zu berücksichtigen,[3] welche aber nicht mit einer Benachteiligungsabsicht vermischt werden darf. Gleiches muss sogar dann gelten, wenn der Spieler nicht homosexuell ist (bzw. wenn dies nicht nachgewiesen ist) und die Nichteinstellung aufgrund der vermeintlichen Homosexualität erfolgt.[4] Das deutsche Recht ist durch die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 1 S. 2 AGG insofern eindeutig.[5] Von dem vermeintlich Diskriminierten den Nachweis seiner Homosexualität zu fordern, allein um eine Diskriminierung zu bejahen, kann offensichtlich nicht richtig sein. Insofern muss es genügen, dass der Beklagte davon ausgeht, der Spieler sei homosexuell.
Schwieriger wird es allerdings dann, wenn sich die Diskriminierung nicht unmittelbar auf das Merkmal Homosexualität bezieht, sondern wenn die Ungleichbehandlung darauf aufbaut, dass der Spieler vermeintlich homosexuell ist. In der Vorlage wird die Aussage aufgenommen:
„Selbst wenn mir Gott nachts sagen würde, dass X zu 100% nicht homosexuell ist, würde ich ihn nicht nehmen!“.
Die Ungleichbehandlung knüpft dann gerade nicht mehr an das Merkmal Homosexualität selbst an, sondern an den – nicht zu 100% zu beseitigenden – (so empfundenen) Makel einer vermeintlichen Homosexualität. Auch hier stellt sich dann die Frage, ob überhaupt noch eine Ungleichbehandlung wegen eines verpönten Merkmals vorgelegen hat, oder ob diese nicht auf einem Merkmal beruhte, das nicht von der Diskriminierungsrichtlinie und damit vom AGG erfasst ist. Die Ungleichbehandlung knüpft gerade nicht mehr direkt an ein verpöntes Merkmal an, sondern bezieht sich auf die (dann unrechtmäßige) Bezeichnung des Spielers als homosexuell („Es wurde zu viel in der Zeitung darüber geschrieben, dass er homosexuell ist“). Nimmt man das Gesetz streng beim Wort, liegt hier keine Diskriminierung wegen Homosexualität vor.
Diese Sichtweise kann aber nicht richtig sein. Das AGG verbietet gerade die Ungleichbehandlung aus bestimmten besonders geächteten Gründen. Offensichtlich weist die Ungleichbehandlung auch im konkreten Fall einen engen Zusammenhang zu solchen Gründen auf: Unzulässig ist es, einen Homosexuellen schlechter zu behandeln; ebenso unzulässig ist es aber auch, einen (nach eigener Meinung) vermeintlich Homosexuellen schlechter zu behandeln. Folgerichtig muss es dann aber auch unzulässig sein, einen (aus Sicht Dritter) vermeintlich Homosexuellen schlechter zu behandeln. Hier gebietet sich eine Parallelwertung zur Behandlung der sog. costumer preferences. Auch hierauf darf sich der Arbeitgeber nur in strengen Ausnahmefällen berufen, wenn für ihn eine Existenzgefährdung drohen würde. Zudem muss die Kundenerwartung selbst nicht diskriminierend sein.[6] Spiegelt man die oben gezeigte Wertung des § 7 Abs. 1 S. 2 AGG so zeigt sich, dass die Schlechterbehandlung vermeintlich Homosexueller bereits diskriminierend ist. Es kann nach dem hier Gezeigten dann aber keinen Unterschied machen, ob der Arbeitgeber selbst hiervon ausgeht oder ob er die Unterscheidung auf einen vermeintlichen öffentlichen Druck gründet. Jede Ungleichbehandlung im Zusammenhang mit den verpönten Merkmalen muss unzulässig sein, unabhängig davon ob das Merkmal tatsächlich vorliegt oder nicht.
2. Mögliche Rechtfertigung
Wohl zu Recht nicht eingegangen wird in der Vorlage auf die Frage, ob die Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein könnte. Kundenwünsche können hierfür – wie gezeigt – nur sehr eingeschränkt angeführt werden.
Allenfalls könnte erwogen werden, ob eine (mögliche) Homosexualität eines Profifußballers nicht dazu führen kann, dass der öffentliche Druck der Medien sowie der gegnerischen Fans so stark wird, dass ein erfolgreiches Spiel nicht mehr möglich ist. Bis heute hat sich mit dem britischen Stürmer Justin Fashanu nur ein einziger Profispieler zu seiner Homosexualität bekannt, der sich – nicht allein aus diesem Grund – mit 27 Jahren das Leben genommen hat. Auch zahlreiche Fußballexperten und aktive Spieler raten Profifußballern davon ab, sich auf Grund des öffentlichen Druckes als homosexuell zu bekennen.[7] Noch schwerwiegender ist die Situation in Osteuropa.[8] Aus diesem Grund könnte zumindest erwogen werden, ob aufgrund des öffentlichen Drucks die Heterosexualität von Profifußballern als wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung anzusehen ist. Die zu überspringenden Hürden hierfür sind freilich extrem hoch[9], sodass im Ergebnis eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung wohl zu verneinen sein muss.
3. Zulässigkeit der Beweislastumkehr im konkreten Fall
Sieht man eine Diskriminierung im Gegensatz zu dem eben Gesagten aber noch nicht als erwiesen an, so ist fraglich, ob die Aussagen des „Patron“ als Tatsache i.S.d. § 22 AGG ansehen werden können, da er als (Haupt)Aktionär des Vereines – zumindest in der Theorie – keinen unmittelbaren Einfluss auf die Transfers hat und damit die Nichteinstellung auch auf anderen Gründen beruhen kann. Teilt man diese Sichtweise und bejaht das Vorbringen entsprechender Tatsachen, müsste der Verein dann nach den Grundsätzen der Beweislastumkehr nachweisen, dass keine Verletzung der Diskriminierungsverbote vorlag, die Nichteinstellung also diskriminierungsfrei war. Denn die Aussage ist zumindest ein starkes Indiz dafür, dass der Spieler aus diesem Grund nicht eingestellt wurde.
Dieser Gegenbeweis wäre aber nur dann erfolgreich, wenn entweder die objektive Eignung des Bewerbers nicht vorliegt[10] oder aber – weitaus praxisnäher – wenn Merkmalsträger (also Homosexuelle) tatsächlich beschäftigt werden oder in die engere Auswahl kommen.[11] Gerade dieser Nachweis ist aber in der Praxis des Profifußballers nicht möglich – es gibt schlichtweg keine – bekennenden – homosexuellen Fußballer. Der Gegenbeweis kann damit nicht gelingen – es liegt eine, vom EuGH so bezeichnete probatio diabolica vor. Für den Beklagten mag diese Situation misslich sein, hat er doch keine Möglichkeit den Gegenbeweis zu erbringen und führt dies dazu, dass eine Diskriminierung angenommen werden muss – die Rechtslage ist aber insofern eindeutig und sieht die Beweislastumkehr vor. Es wäre von der Interessenverteilung her falsch in diesem Fall auf die Beweislastumkehr zu verzichten und dem Bewerber den Schutz zu nehmen. Haben der Arbeitgeber oder zumindest im zuzurechnende Personen Tatsachen geschaffen, die eine Diskriminierung vermuten lassen, so muss er sich auch hieran festhalten lassen und die entsprechenden Konsequenzen (Beweislastumkehr) tragen.
III. Fazit
Der Fall mag im ersten Moment bizzar und rechtlich wenig bedeutsam anmuten. Er zeigt jedoch, dass auch ein rumänischer Fußballpatron mit seinem eigenwilligen und kritikwürdigen Verhalten für interessante AGG-rechtliche Probleme sorgen kann. Weitere hält er schon parat: Er hat schon neue Ideen, wie er „seine Familie“ Steaua Bukarest weiter umbauen kann. So gab er im März 2012 bekannt, die Mannschaft werde zukünftig allein mit Rumänen besetzt. Das nächste europarechtliche Problem lauert also bereits.
Der Fall zeigt zudem, dass das anfangs stark kritisierte AGG durchaus in sehr vielen Bereichen Berechtigung hat und Ungleichheiten beseitigen und verhindern hilft. Anhand des Falles kann damit sehr gut nachvollzogen werden, wie sich das AGG auswirkt und welche Prüfungspunkte zu beachten sind.
IV. Zusammenfassung: Allgemeines zum AGG
Im Examen sollten zumindest die zentralen Grundsätze des AGG und die entsprechende Prüfungsreihenfolge bekannt sein. Aus diesem Grund eine Übersicht über die wichtigsten Prüfungspunkte:
- Eröffnung sachlicher Anwendungsbereich AGG: § 2 AGG (P) Ausschluss Kündigung
- Persönlicher Anwendungsbereich: § 6 AGG für Arbeitsrecht oder § 19 Abs. 1 AGG für Zivilrecht
- Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals nach § 1 AGG: siehe § 7 AGG: Unterscheide zwischen unmittelbarer Benachteiligung (§ 3 Abs. 1 AGG) und mittelbarer Benachteiligung (§ 3 Abs. 2 AGG);
— Unmittelbare Benachteiligung: Vorliegen Vergleichsgruppe (alle AN); Vorliegen verpöntes Merkmal i.S.d. § 1 AGG (vermeintliches Vorliegen genügt § 7 Abs. 1 HS 2 AGG); Handeln bezogen auf das Merkmal
— Mittelbare Benachteiligung: Vergleichsgruppen (hier insbes. prozentuale Betroffenheit; Statistik kann reichen; Handeln bezogen auf verpöntes Merkmal)
— (P) bei einzelnen Merkmalen: bspw. Ossi als Ethnie (-); politische Einstellung als Weltanschauung (-), Krankheit als Behinderung (Einzelfallbetrachtung)…
- Rechtfertigung:
— Unmittelbare Benachteiligung: § 8 AGG (wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung (P) costumer preferences; § 9 AGG bei Religion/Weltanschauung; § 10 AGG bei Alter; außerdem § 5 AGG (positive Maßnahmen)
— Mittelbare Benachteiligung: § 3 Abs. 2 letzter HS AGG: sachlicher Grund: rechtmäßiges Ziel, Angemessenheit, Erforderlichkeit
- Rechtsfolge: Ersatz materieller Schaden (§ 15 Abs. 1 AGG) (bspw. entgangener Lohn, aber nur wenn tatsächliche Einstellung –> bestgeeigneter Bewerber (P) wie lange?); Ersatz Nichtvermögensschaden (Entschädigung) (§ 15 Abs. 2 AGG ) – wegen Verletzung der Ehre durch Diskriminierung; Höchstgrenze nach § 15 Abs. 2 S. 2 AGG; ABER: kein Kontrahierungszwang
- Prozessuale Geltendmachung: § 22 AGG: Nachweis Diskriminierung nicht notwendig, da oft Beweisnot besteht; bei Nachweis von Indizien kehrt sich Beweislast um; ABER: Kein (ungeschriebener) Auskunftsanspruch, welcher Arbeitnehmer eingestellt wurde
- Besonderheiten Zivilrecht: Rechtfertigung nach § 20 AGG (sachlicher Grund), Rechtsfolge nach h.M.: Kontrahierungszwang (ergibt sich aus § 21 AGG)
Interessant in diesem Zusammenhang wäre doch auch die Vereinspolitik von Athletik Bilbao, nämlich nur baskische Spieler einzusetzen. Zumindest muss jeder Spieler baskische Vorfahren aufweisen können.
Warum die geäußerte Homophobie als latent zu bezeichnen ist, möge der Autor noch einmal erklären.
„Homophobie“ was soll das bitte sein? Angst vor Schwulen?
Einem solch perfiden linken Propagandabegriff sollte man als Jurist aus dem Weg gehen.
Interessant zu diesem Thema das aktuelle Interview mit einem (anonymen) homosexuellen Spieler in der Zeitschrift fluter: https://www.fluter.de/de/114/aktuell/10768/
Dürfen die Homosexuellen eigentlich nach dem Spiel zusammen mit den anderen Jungs unter die Dusche, oder gibt es da eine Sonderregelung? Wenn einer aus Versehen die Seife fallen lässt, wer hebt sie auf? Wie wäre es mit dem Schiedsrichter?