Wir freuen uns sehr, nachfolgend einen Beitrag von Lena Bleckmann veröffentlichen zu können. Die Autorin studiert an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms Universität Bonn und ist dort am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit tätig.
Die Prüfung der Wirksamkeit von AGB anhand der §§ 305 ff. BGB ist häufiger Bestandteil zivilrechtlicher, insbesondere arbeitsrechtlicher Klausuren. Der folgende Beitrag soll daher zur Wiederholung der Prüfungsschritte dienen und weiterhin auf einige Besonderheiten im Arbeitsrecht aufmerksam machen.
Ausschlussklauseln sind fester Bestandteil der in der Praxis verwendeten Arbeitsverträge und so auch häufig Gegenstand gerichtlicher Überprüfung, wie jüngst in einer Entscheidung des BAG vom 20.06.2018 (Az. 5 AZR 262/17, Pressemitteilung Nr. 32/18). Diese soll Ausgangspunkt der beispielhaften Prüfung sein.
Sachverhalt (gekürzt und abgewandelt)
A ist seit dem 1.1.2014 im Unternehmen des B tätig. Sein Arbeitsvertrag enthält folgende Klausel:
„Ausschlussfrist: Sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Ende des Arbeitsverhältnisses schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht werden. Dies gilt nicht für Ansprüche, die auf unerlaubten Handlungen oder vorsätzlichen sowie grob fahrlässigen Pflichtverletzungen beruhen.“
Das Arbeitsverhältnis des A endete zum 30.6.2015. Zu diesem Zeitpunkt stehen noch Lohnzahlungen in Höhe von 3000 € aus. Mit einem Schreiben vom 1.11.2015 fordert A den B zur Zahlung auf. B verweigert die Zahlung unter Berufung auf die Ausschlussfrist. Kann A Zahlung verlangen?
I. Gutachterliche Überlegungen
Der Anspruch des A auf Zahlung der Vergütung i.H.v. 3.000 € ergibt sich aus § 611a Abs. 2 BGB. Der Anspruch könnte aber wegen verspäteter Geltendmachung seitens des A erloschen sein. Der Arbeitsvertrag des A sieht eine Ausschlussfrist von drei Monaten vor, A hätte den Anspruch gem. der § 186 ff. BGB demnach bis zum 30.9.2015 geltend machen müssen. Die Ausschlussklausel müsste dazu wirksamer Vertragsbestandteil geworden sein.
1. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge
Zunächst sollte geprüft werden, ob in § 310 BGB ein Ausschluss der Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB für den zu prüfenden Vertrag vorgesehen ist. Die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge ergibt sich im Umkehrschluss aus § 310 Abs. 4 S. 2 BGB („Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“).
2. Vorliegen von AGB
Es müsste sich vorliegend auch um AGB handeln. AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB.
Arbeitnehmer sind Verbraucher i.S.d. § 13 BGB, sodass die Besonderheiten für Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB zu beachten sind. Dieses weite Verständnis des Verbraucherbegriffs ist sachgerecht, weil Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich bei Vertragsschluss nicht auf Augenhöhe begegnen. Bei Verwendung eines Formulararbeitsvertrags hat der Arbeitnehmer auf dessen Inhalt keinen Einfluss. Zumeist wird er aber auf den Abschluss des Arbeitsvertrags zur Sicherung seiner Lebensgrundlage angewiesen sein, sodass der Arbeitnehmer sich in einer vergleichbar schutzwürdigen Lage befindet, wie der Verbraucher beim Vertragsschluss mit einem Unternehmer.
Während das Merkmal „für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert“ normalerweise voraussetzt, dass eine mindestens dreimalige Verwendung vorgesehen ist, genügt bei Arbeitsverträgen die einmalige Verwendung (vgl. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB).
Als vom Verwender gestellt gelten alle Bedingungen, bei denen der gesetzesfremde Kern der Klausel nicht ernsthaft zur Disposition gestellt wird. Im Falle von Verbraucherverträgen gelten sie immer als vom Unternehmer gestellt, wenn sie nicht vom Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Keine AGB liegen vor, wenn es sich um ausgehandelte Individualabreden handelt.
Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte, dass es sich um eine Individualabrede handelt oder dass A die Klausel in den Vertrag eingeführt hat. Es liegen AGB vor.
3. Einbeziehungskontrolle
Die Ausschlussklausel müsste auch Bestandteil des Vertrags geworden sein. Hierzu ist nach § 305 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB grundsätzlich erforderlich, dass ausdrücklich auf die AGB hingewiesen oder diese zumindest ausgehangen werden und der andere Teil die Möglichkeit zur tatsächlichen Kenntnisnahme hat. Gemäß § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 BGB finden diese Anforderungen im Arbeitsrecht allerdings keine Anwendung.
a. Überraschende Klauseln
Nach § 305c Abs. 1 BGB werden solche Klauseln nicht Bestandteil des Vertrags, die so überraschend sind, dass der Vertragspartner nicht mit ihnen zu rechnen braucht. Hierbei kann zwischen der formellen Überraschung (wenn bestimmte Inhalte z.B. im Kleingedruckten oder unter einer anderen Überschrift versteckt werden) und der materiellen Überraschung (wenn inhaltlich nicht mit der Regelung gerechnet werden muss) unterschieden werden.
Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen sind gängige Praxis und somit nicht inhaltlich überraschend. Auch ist sie hier durch die eindeutige Überschrift gekennzeichnet. Es liegt keine überraschende Klausel vor.
b. Auslegung
AGB-Klauseln sind grundsätzlich auszulegen, wobei alle Zweifel, die nach Ausschöpfung sämtlicher Auslegungsmethoden verbleiben, zu Lasten des Verwenders gehen, § 305c Abs. 2 BGB. Solche Zweifel bestehen aber nur, wenn zwei Ergebnisse in gleichem Maße vertretbar erscheinen und keines den Vorzug verdient.
Die Klausel ist in diesem Fall eindeutig, es bestehen keine solchen Zweifel.
c. Vorrang entgegenstehender Individualabreden, § 305b BGB
Sollten individuelle Abreden den AGB entgegenstehen, haben diese Vorrang, § 305b BGB.
Vorliegend bestehen keine entgegenstehenden Individualabreden. Die Ausschlussklausel ist Bestandteil des Arbeitsvertrags des A geworden.
4. Inhaltskontrolle
Zunächst sind solche Klauseln nach §§ 134, 138 BGB nichtig, die gegen Gesetze oder die guten Sitten verstoßen.
Das ist hier nicht der Fall.
Die Klausel muss auch einer Inhaltskontrolle anhand der § 307 ff. BGB standhalten. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sieht die Unwirksamkeit solcher Klauseln vor, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligen.
Da für Gesetze eine Angemessenheitsvermutung gilt, unterliegen nur solche Klauseln der Inhaltskontrolle, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzende Regelungen enthalten, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gelten ebenfalls als Gesetze. Soweit diese also übernommen werden, findet keine Inhaltskontrolle statt (umstr., ob diese vollumfänglich übernommen werden müssen, siehe dazu z.B. BeckOK ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 24 ff.).
Die Inhaltskontrolle erfolgt anhand der §§ 307 BGB bis 309 BGB, wobei mit den spezielleren Normen zu beginnen ist: Zunächst sollten die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit des § 309 BGB überprüft werden, dann jene mit Wertungsmöglichkeit des § 308 BGB. Ist keines dieser Verbote einschlägig, kann die Unwirksamkeit der Klausel unmittelbar aus § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB folgen, wenn der Vertragspartner auf sonstige Weise unangemessen benachteiligt wird. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB stellt hierfür ausdrücklich ein Transparenzgebot auf: Klauseln, die die Gefahr bergen, dass der Vertragspartner wegen ihrer unklaren Fassung seine Rechte nicht wahrnimmt, sind unwirksam.
Liegt ein Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB vor, findet keine geltungserhaltende Reduktion statt, die Klausel ist im Ganzen unwirksam, denn sonst würde der Verwender solcher Klauseln keinerlei Risiko tragen. Es ist allerdings zu prüfen, ob die Klausel im Rahmen des sog. „blue-pencil-test“ zumindest teilweise erhalten werden kann: Enthält eine Klausel mehrere Regelungen, von denen nur eine unwirksam oder nicht einbezogen ist, und sind diese sprachlich und inhaltlich klar voneinander trennbar, so ist nur die betroffene Regelung unwirksam.
Im Übrigen bleibt der Vertrag wirksam, § 306 Abs. 3 BGB. An die Stelle unwirksamer Regelungen tritt die gesetzliche Regelung, § 306 Abs. 2 BGB.
An dieser Stelle ist unbedingt zu beachten, dass keine Angemessenheitskontrolle des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung stattfindet. Hierbei handelt es sich um essentialia negotii, für die das Gesetz nicht hilfsweise eingreifen kann. Es obliegt den Parteien, das Äquivalenzverhältnis der vertraglichen Leistungen im Rahmen ihrer Privatautonomie zu bestimmen, nicht dem Gericht. (Welche Leistungspflichten im Einzelnen der Kontrolle zugänglich sind, ist umstritten, weitere Ausführungen gingen an dieser Stelle allerdings zu weit. Nachzulesen z.B. bei Dütz/Thüsing, Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2017, Rn. 273)
Die vorliegende Klausel könnte gegen § 309 Nr. 13 lit. b BGB verstoßen, weil sie eine strengere Form als die Textform vorsieht. Dies gilt allerdings gem. Art. 229 § 37 EGBGB nur für Verträge, die nach dem 30.9.2016 geschlossen wurden. Das Arbeitsverhältnis des A besteht seit dem 1.1.2014, das Verlangen der Schriftform ist mithin zulässig. Weitere Verstöße gegen die Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB sind nicht ersichtlich.
Allerdings könnte ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegen, weil der Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns nicht ausdrücklich von der Frist ausgenommen ist. § 3 S. 1 MiLoG bestimmt, dass Vereinbarungen, die die Geltendmachung des Anspruchs auf den Mindestlohn beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind. Die Klausel bringt nicht klar zum Ausdruck, dass auch nach Ablauf der Dreimonatsfrist noch ein Anspruch auf den Mindestlohn besteht, sie birgt also die Gefahr, dass der Arbeitnehmer seine Rechte nicht geltend macht.
Fraglich ist, ob der Zusatz „insoweit“ in § 3 S. 1 MiLoG so zu verstehen ist, dass der Anspruch auf den Mindestlohn bestehen bleibt, die Klausel im Übrigen aber voll wirksam ist oder ob die gesamte Klausel entsprechend des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion unwirksam ist. Für die erste Ansicht spricht der Wortlaut des § 3 S. 1 MiLoG; für die zweite Ansicht demgegenüber, dass die strukturell schwächere Position des Arbeitnehmers bei der Vertragsgestaltung durch eben solche Normen gestärkt werden soll. Das BAG hat diese Frage bisher offengelassen, von den Landesarbeitsgerichten wird sie unterschiedlich beurteilt (vgl. für die erste Ansicht LAG Nürnberg, Urt. v. 9.5.2017 – 7 S 560/16; a.A. LAG Hamburg, Urt. v. 20.2.2018 – 4 Sa 69/17). Im Folgenden wird von der Wirksamkeit der übrigen Klausel ausgegangen, da § 3 S. 1 MiLoG insoweit lex specialis zu § 306 BGB ist (andere Ansicht gut vertretbar).
5. Ergebnis
Die Ausschlussfrist ist wirksam, soweit sie nicht den Anspruch auf den Mindestlohn betrifft. Insoweit ist der Anspruch des A aus § 611a Abs. 2 BGB erloschen. Der Anspruch auf den Mindestlohn kann weiterhin geltend gemacht werden.
III. Fazit
Leider musste das BAG diesmal nicht entscheiden, ob eine Ausschlussklausel, die den Mindestlohn nicht ausnimmt, einer AGB-Kontrolle standhält, da die Entscheidung zwecks weiterer Sachverhaltsfeststellungen an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen wurde. Immerhin stellt das Urteil aber ausdrücklich fest, dass Vergleichsverhandlungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien eine Ausschlussfrist für die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche entsprechend § 203 S. 1 BGB hemmen.
Formularverträge sind nicht nur im Arbeitsrecht Teil der täglichen Praxis. Es muss also zum Repertoire jedes Examenskandidaten gehören, die AGB-Prüfung anhand der §§ 307 ff. BGB in eine zivilrechtliche Klausurlösung integrieren zu können. Wer das Prüfungsschema aber einmal verinnerlicht hat, dürfte in Klausuren nicht vor unlösbaren Problemen stehen.
Schlagwortarchiv für: AGB Kontrolle
Wir freuen uns nachfolgend einen Gastbeitrag von Nikolaus J. Plitzko veröffentlichen dürfen. Der Verfasser ist Student der Universität Bonn und besuchte die University of St. Gallen Law School. Als Ehrenabsolvent der Saint Peter High School ist er Mitglied in der National Honor Society des Bundestaates Minnesota, USA.
Dem Beitrag liegen zwei am 13.05.2014 vom XI. Zivilsenats des BGH getroffene Entscheidung zugrunde. In beiden Fällen wurde von dem das Darlehen auszahlende Kreditinstitut aufgrund einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen neben der Zinszahlung die Verrichtung eines einmaligen Bearbeitungsentgelts gefordert.
A. Sachverhalte:
Im Verfahren XI ZR 405/12 machte der Verbraucherschutzverein im Wege der Unterlassungsklage gegen das Kreditinstitut in den Vorinstanzen (zur Vertiefung: LG Dortmund – Urteil vom 03.02. 2012 – 25 O 519/11; OLG Hamm – Urteil vom 17.09.2012 – 31 U 60/12) erfolgreich die Unwirksamkeit der Klausel:
„Bearbeitungsentgelt einmalig 1%“
geltend.
In dem im wesentlichen Punkt gleich gelagerten Verfahren XI ZR 170/13 verlangte der Darlehensnehmer (D) von der beklagten Bank (P-AG) Rückzahlung des Bearbeitungsentgelts aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe von 1.200 €. Die Parteien hatten im März 2012 einen Online-Darlehensvertrag geschlossen. Hierzu füllte der Kläger eine von der Beklagten bereitgestellte Maske aus, die unter anderem folgende Klausel beinhaltete:
„Bearbeitungsentgelt EUR. Das Bearbeitungsentgelt wird für die Kapitalüberlassung geschuldet. Das Entgelt wird mitfinanziert und ist Bestanteil des Kreditnennbetrags. Es wird bei der Auszahlung des Darlehens oder eines ersten Darlehensbetrags fällig und in voller Höhe einbehalten.“
Die Höhe des Bearbeitungsentgelts wurde aufgrund des vereinbarten Geldbetrags von der beklagten Bank berechnet und in die Vetragsmaske eingefügt.
Die Klage war in den Vorinstanzen (zur Vertiefung: AG Bonn – Urteil vom 30.10.2012 – 108 C 271/12; LG Bonn – Urteil vom 16.04.2013 – 8 S 293/12) ebenfalls erfolgreich.
B. Fallbearbeitung:
Im Weiteren wird nur letztere Entscheidung (XI ZR 170/13) vertieft werden, wobei die Ausführungen im wesentlichen auch auf das erste Urteil (XI ZR 405/12) übertragen werden können.
I. D könnte einen Anspruch auf Zahlung der 1.200 € gegen die P-AG aus § 812 I, S.1, 1.Alt. BGB haben.
1. Etwas erlangt
P-AG hat – als Aktiengesellschaft gem. § 1 I, S.1 AktG rechtsfähig – als (vermögens)rechtlichen Vorteil Eigentum und Besitz an den 1.200 € beibehalten.
2. Durch Leistung
Dies geschah zur Erfüllung einer vermeidlichen Pflicht aus dem Darlehensvertrag, also durch Leistung (Zur Vertiefung des Leistungsbegriff: Verweise in Palandt, Sprau § 812, Rn. 14) des D.
(Anm.: Die ersten beiden Prüfungspunkte sind bei richtiger Schwerpunktsetzung nur kurz abzuhandeln, da hier kein Problem des Falls liegt.)
3. Ohne Rechtsgrund
Die P-AG könnte aber ein Recht zur Einbehaltung der 1.200 € aufgrund der Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben.
D und die P-AG haben sich wirksam gem. §§ 488 I, 145, 147 BGB über die Schließung eines Darlehensvertrags geeinigt.
Fraglich ist indes, ob die oben genannte Klausel wirksamer Bestandteil dieses Vertrages geworden ist. Sofern es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 I BGB handelt, müsste diese einer Klauselkontrolle i.S.d. §§ 307ff. BGB standhalten.
a. Anwendbarkeit
D hat das Darlehen zu privaten Zwecken aufgenommen, ist also Verbraucher gem. § 13 BGB. Der Anwendbarkeit der §§ 305ff. BGB steht somit gem. §§ 310 I, IV BGB weder in persönlicher, noch in sachlicher Hinsicht etwas entgegen.
b. Vorliegen von AGB
Nach der Legaldefinition des § 305 I, S.1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen bei Abschluss des Vertrags stellt.
Laut BGH sei es hierbei ausreichend, wenn das Bearbeitungsentgelt zum Zwecke künftiger wiederholter Einbeziehung „im Kopf“ der Bank als Klauselverwender gespeichert sei, anhand der Daten des Darlehensnehmers errechnet und in die Vertragsmaske eingesetzt werde.
Dieser Betrachtungsweise ist nichts entgegen zu setzen. Das Bearbeitungsentgelt wird einseitig bei einer Vielzahl von Darlehensverträgen erhoben und wird anhand fester Kriterien des Darlehensnehmers berechnet.
c. Einbeziehung
Durch die Einfügung in die Vertragsmaske wird das Bearbeitungsentgelt bei Abschluss wirksam gem. § 305 II BGB in den Darlehensvertrag aufgenommen.
(Anm.: Die Prüfung der §§ 305b, 305c BGB ist hier entbehrlich)
d. Klauselkontrolle
Mangels Vorliegens eines Klauselverbots gem. §§ 308, 309 BGB ist die Klausel gem. §§ 307 I, S.1 i.V.m. II Nr. 1 unwirksam, wenn die mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar ist und den anderen Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Fraglich ist allerdings zunächst, ob die Klausel gem. § 307 III S.1 BGB überprüfbar ist. Hierzu müsste es sich um eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Regelung handeln.
Es könnte sich aber um eine Preisabrede handeln, die einer Kontrolle gem. § 307 BGB nicht zugänglich ist (Palandt, Grüneberg § 307, Rn. 46; BGHZ 106, 42 (49) (NJW 1989, 222 (223)) . Eine solche liegt vor, wenn Art und Umfang der Vergütung unmittelbar geregelt wird (MüKo, Wurmnest §, 307 Rn. 16).
Andererseits könnte auch eine vom BGH sogenannte Preisnebeneinrede vorliegen (zur Vertiefung: In der Literatur nicht unumstritten, u.a. Canaris AcP 200 (2000)), die keine Vergütung einer Zusatz- oder Sonderleistung zum Gegenstand hat, sondern durch die Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlicher Pflichten des Klauselverwenders übertragen werden und sich so mittelbar auf den Preis auswirken (MüKo, Wurmnest § 307, Rn 18).
Aus Sicht eines rechtliche nicht gebildeten Durchschnittskunden verlangt die P-AG ohne die Erbringung weiterer Leistungen ein zusätzliches Entgelt, durch die Tätigkeiten, die im eigenen Interesse stehen (z.B. Kundenbonität, Vertragserstellung) auf den D abgewälzt werden sollen. Es handelt sich somit um eine Preisnebenabrede, die voll überprüfbar ist.
Sodann lässt sich § 488 I BGB entnehmen, dass der Darlehensnehmer grundsätzlich nur den vereinbarten Zins an den Darlehensgeber zu zahlen hat. Eine zusätzliche Bearbeitungsgebühr ist nicht vorgesehen. Das vereinbarte Bearbeitungsentgelt weicht von der gesetzlichen Regelung ab.
Fraglich ist also, wie schwerwiegend diese Abweichung ist und ob die Bank ein schützenswürdiges Interesse an der Erhebung hat. Im vorliegenden Verfahren hat die Bank keinen entsprechenden Vortrag geleistet. Ein über die Erhebung des Darlehenszinses hinausgehendes Bedürfnis ist aber auch nicht ersichtlich. Die anfallenden Kosten der Bearbeitung sind von der Bank über den Zins zu decken. Erfolgt keine Deckung, hätte die Bank einen höheren Zins veranschlagen müssen. Zudem ist es treuwidrig mit einem niedrigen Zinssatz zu werben und im Weiteren durch die Hintertür weitere Kosten zu erheben. Ein laienhafter Dritter kann als Darlehensnehmer erwarten, dass ihm außer der Verrichtung des Zinses keine weiteren Kosten anfallen. Die Erhebung des Bearbeitungsentgelts benachteiligt den D somit entgegen der Gebote von Treu und Glauben.
Die Klausel ist gem. §§ 307 I, S.1 i.V.m. II Nr. 1 BGB unwirksam.
e. Rechtsfolge
Gem. §§ 306 I, II BGB bleibt der Darlehensvertrag wirksam und die Klausel wird mangels gesetzlicher Regelung restlos gestrichen. Die P-AG kann somit kein Recht zur Einbehaltung der 1.200 € aus Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ableiten. Sie erfolgte rechtsgrundlos.
4. Kein Ausschluss
Der Anspruch ist auch nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. Zwar war D mit der Einbehaltung der 1.200 € einverstanden. Jedoch reicht die Kenntnis der Umstände in § 814 BGB nicht aus, sondern es muss vielmehr die Rechtsfolge – hier die Unwirksamkeit der Klausel – bekannt sein. Dies war aber nicht der Fall.
II. Ergebnis
D hat einen Anspruch gegen die P-AG auf Zahlung der 1.200 € aus § 812 I, S.1, 1.Alt BGB
In beiden Verfahren hat der XI. Zivilsenat des BGH die Revision der beklagten Kreditinstitute zurückgewiesen.
C. Fazit:
Die AGB-Kontrolle gehört zu den Evergreens im ersten Staatsexamen und muss sowohl für die Aufsichtsarbeiten als auch für die mündliche Prüfung beherrscht werden. Die aktuellen Entscheidungen geben Anlass, dieses Wissen abermals zu überprüfen, wobei anzumerken ist, dass die Abgrenzung zwischen Preis- und Preisnebenabrede nicht gerade zum Standardwissen eines Examenskandidaten zählt und auch durch saubere Subsumption nur schwer herausgearbeitet werden kann. Dennoch könnte es ratsam sein, dieses Sonderwissen im Hinterkopf zu behalten. Der Schwerpunkt der Prüfung liegt aber in der Generalklausel des § 307 II Nr. 1 BGB, die vom BGH hier um die Gebote von Treu und Glauben gem. § 307 I S.1 BGB erweitert wird.
Aber auch über das Studium hinaus dürften die Urteile von großer Relevanz sein. Aufgrund des hohen medialen Interesses haben die betroffenen Banken eine Welle von Rückzahlungsverlangen zu erwarten.
Mit Urteil vom 10.12.2013 hat der BGH (Az.: X ZR 24/13) zwei AGB-Klauseln für unwirksam erklärt, durch die sich ein Reiseveranstalter die Änderung vorläufiger Flugzeiten vorbehielt.
Sachverhalt:
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat gegen den Reiseveranstalter TUI auf Unterlassung der Verwendung von AGB-Klauseln geklagt, durch welche sich dieser in seinen „Ausführlichen Reisebedingungen“ die endgültige Festlegung von Flugzeiten vorbehielt und die diesbezügliche Informationen durch Reisebüros für unverbindlich erklärte.
Die verwendeten Klauseln in Ziffer 3.3 Absatz 1 S. 1-3 der Reisebedingungen lauteten:
„Der Veranstalter weist darauf hin, dass es bei Direktflügen aus flug- und programmtechnischen Gründen zu Zwischenlandungen kommen kann. Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen.
Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind nicht verbindlich.“
Nachdem das LG Hannover als Eingangsinstanz nur die Verwendung der ersten Klausel untersagt hatte, hatte bereits das OLG Celle in der Berufungsinstanz beide Klauseln für unwirksam erklärt. Die Revision des Beklagten blieb erfolglos, der BGH bestätigte die Unwirksamkeit beider Klauseln.
Entscheidung:
Der BGH hielt die Klage für zulässig und begründet.
I. Die Klage war zunächst zulässig.
Insbesondere war der Verbraucherzentrale Bundesverband prozessführungsbefugt als qualifizierte Einrichtung gemäß §§ 3, 4 UKlaG. Daher konnte er den Anspruch auf Unterlassung der Verwendung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) gegenüber Verbrauchern gemäß § 1 UKlaG hier geltend machen.
II. Die Klage war auch begründet.
Der Anspruch der Verbraucherzentrale auf Unterlassung ließ sich auf § 1 UKlaG stützen. Danach kann ein Unterlassen hinsichtlich der Verwendung unwirksamer AGB in Verbraucherverträgen verlangt werden. Zu prüfen war hier also vom BGH, ob es sich bei den angegriffenen Klauseln hinsichtlich der Änderung vorläufig bestimmter Flugzeiten um unwirksame AGB handelte.
Vorliegen von AGB, § 305 I BGB
Es müsste sich zunächst überhaupt um AGB handeln. AGB sind gemäß § 305 I 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Vorliegend handelte es sich bei den verwendeten Klauseln um solche, die standardmäßig vom Reiseveranstalter in Pauschalreiseverträgen verwendet werden. Diese finden sich im Gesamtvertragswerk auch unter der Rubrik „Ausführliche Reisebedingungen“. Ersichtlich handelte es sich damit um AGB im Sinne des § 305 I BGB.
Einbeziehung in Verbraucherverträge, § 305 II BGB
Sie müssten auch wirksam in einen Vertrag einbezogen werden. Das richtet sich im Grundsatz nach § 305 II BGB. Danach bedarf es zur wirksamen Einbeziehung der Klauseln eines ausdrücklichen Hinweises an den Vertragspartner sowie der Verschaffung einer Kenntnisnahmemöglichkeit. Wegen der standardmäßigen Verwendung der Klauseln kann im Normalfall von einer regelkonformen Einbeziehung ausgegangen werden. Daher sind auch die Voraussetzungen des § 305 II BGB gegeben.
Überraschende Klausel, § 305 c BGB
Es dürfte sich des Weiteren nicht um überraschende Klauseln nach § 305 c BGB handeln. Diese werden schon aus diesem Grunde nicht Vertragsbestandteil. Die Einordnung einer Bestimmung als überraschende Klausel setzt voraus, dass sie völlig untypisch für den jeweils in Bezug genommenen Vertragstyp ist und der Verbraucher daher nicht mit ihr zu rechnen braucht. Das ist jedoch bei den hier streitgegenständlichen Klauseln nicht der Fall. Dem durchschnittlichen Verbraucher, der eine Pauschalreise bucht, kann vielmehr eine solche Klausel nicht als völlig untypisch und daher unvorhersehbar erscheinen. Dass sich im Einzelfall wegen unvorhersehbarer Umstände die konkreten Flugzeiten ändern können, ist dem Durchschnittsverbraucher vielmehr zumindest latent bewusst. Die Klauseln sind daher nicht überraschend im Sinne des § 305 c BGB.
Kontrollfähigkeit, § 307 III 1 BGB
Zudem müssten die Klauseln auch einer Inhaltskontrolle zugänglich sein. Das ist nach § 307 III 1 BGB nur der Fall, sofern durch sie eine Abweichung oder Ergänzung von gesetzlichen Vorschriften bewirkt wird. Nicht kontrollfähig sind demgegenüber auch bloße Leistungsbeschreibungen und Preisabreden. Vorliegend geht es in der ersten Klausel in Ziffer 3.3 Absatz 1 S. 1, 2 darum, dass die endgültige Festlegung der Reisezeiten dem Reiseveranstalter (nach Vertragsschluss) obliegt, was eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung darstellt, wonach grundsätzlich die Bedingungen des Vertrages bei dessen Abschluss bestimmt zu sein haben, da gerade sie die Grundlage für die Entscheidung zum Vertragsschluss bilden.
In Ziffer 3.3 Absatz 1 S. 3 geht es um die Unverbindlichkeit der durch das vermittelnde Reisebüro getätigten Aussagen zu Flugzeiten. Auch dies stellt eine Abweichung von der gesetzlich vorgesehenen Regelung dar, denn es ist für den Verbraucher grundsätzlich davon auszugehen, das getätigte Aussagen seines unmittelbaren Ansprechpartners zu den Leistungsmodalitäten beim Vertragsschluss bindend sind.
Beide Klauseln sind daher nach § 307 III 1 BGB kontrollfähig.
Inhaltskontrolle, §§ 307, 308, 309
Somit waren die Klauseln einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 – 309 BGB zu unterziehen.
Ziffer 3.3. Absatz 1 S. 1, 2
Ein Verstoß der ersten Klausel gegen ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 BGB ist nicht ersichtlich.
Ein Verstoß gegen das Klauselverbot des § 308 Nr. 4 BGB mit Wertungsmöglichkeit kommt hingegen in Betracht. Danach sind
„Vereinbarungen eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist (Änderungsvorbehalt).“
Einen Verstoß gegen diese Norm bejahte der BGH hier ebenso wie eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben gemäß § 307 I 1 BGB. Er führte dazu aus, dass zwar das Interesse des Reiseveranstalters an einer Absicherung berechtigt sei, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unvorhersehbare Umstände die Verschiebung der Reisezeit erforderlich machten. Allerdings sei der Wortlaut der Klausel zu weitgehend, denn er erlaube es dem Reiseveranstalter völlig unabhängig vom Vorliegen sachlicher Gründe, nach seinem Willen die Flugzeiten abzuändern. Dies sei aber auch in Anbetracht oftmals vorliegender rechtfertigender Gründe dem Reisenden nicht zumutbar und benachteilige ihn unangemessen.
Auch ergäbe sich durch Billigung der Klausel ein Widerspruch zum Sinn und Zweck des verbraucherschützenden § 6 II Nr. 2 BGB-InfoV, wonach dem Reisenden die Flugzeiten mitzuteilen sind. Diese Informationspflicht verlöre ihre Sinnhaftigkeit, wenn die Zeiten, über die zu informieren ist, anschließend beliebig geändert werden könnten.
Die Klausel sei daher wegen Verstoßes gegen §§ 308 Nr. 4, 307 I 1 BGB unwirksam.
Ziffer 3.3. Absatz 1 S. 3
Ein Verstoß der zweiten Klausel gegen ein Klauselverbot ohne oder mit Wertungsmöglichkeit nach §§ 309, 308 BGB ist nicht ersichtlich. Allerdings kam wiederum ein Verstoß gegen § 307 I BGB in Betracht. Dies bejahte der BGH. Die Klausel ermögliche es dem Reiseveranstalter nach seiner Ansicht, sich einer vertraglichen Bindung zu entziehen, die durch Informationen des für ihn selbst tätigen Reisebüros in der Position eines Vermittlers einträte. Dies sei dem Verbraucher, der auf die Zuverlässigkeit der Aussagen seines unmittelbaren Ansprechpartners vertraue nicht zumutbar und benachteilige ihn somit unangemessen.
Nach Ansicht des BGH war daher auch diese Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 I BGB unwirksam.
Ergebnis
Beide Klauseln halten daher einer Inhaltskontrolle nicht stand.
Ergebnis
Dem vzbz stand daher der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Der Klage war vollumfänglich stattzugeben.
Stellungnahme:
Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen.
Schon das Gesetz gibt mit § 305 c II BGB vor, dass die Mehrdeutigkeit von Klauseln in AGB zulasten des Verwenders geht. Es ist daher diejenige mögliche Auslegung der Bedingungen heranzuziehen, die am verbraucherfeindlichsten wäre und dementsprechend über die Wirksamkeit der Klausel zu entscheiden. Das war auch hier maßgeblich. Wie der BGH feststellt, hat der Reiseveranstalter grundsätzlich durchaus ein berechtigtes Interesse an der Änderung von Flugzeiten, wenn in Extremfällen Umstände eintreten, die das Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung unmöglich machen. Die konkrete Formulierung der vorliegenden Klauseln war hingegen zu weit, denn durch sie würde ein Freibrief des Reiseveranstalters geschaffen, allein nach seinem Gutdünken Änderungen an den vereinbarten Leistungsmodalitäten vorzunehmen. Hierfür besteht natürlich kein berechtigtes Interesse des Verwenders mehr. Folgerichtig musste die verbraucherfeindlichste Auslegung der Klauseln zu deren Unwirksamkeit führen.
Advent, Advent!
Mit dem ersten Advent ist für viele Weihnachtsmuffel und Uninspirierte beim Geschenkekauf ab heute eines klar: Es wird Zeit, bald wieder Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Neben der Socke für den Herrn und dem Staubsaugerbeutel für die Dame greifen viele Menschen zu etwas noch deutlich Kreativerem: dem Geschenkgutschein. Aber nicht nur bei mangelhaften Socken, sondern auch beim Geschenkgutschein können juristische Fallstricke lauern.
Gültigkeitsbefristung und Restguthabenverfall bei Geschenkgutscheinen von Amazon
Viele Gutscheine sind in ihrer Gültigkeit zeitlich befristet. So waren etwa früher die Gutscheine von Amazon auf ein Jahr begrenzt. Diese Regelung wurde von einem Verbraucherschutzverband (nach § 3 UKlaG) angegriffen. Konkret ging es um folgende Klauseln:
1. Gutscheine sind generell ein Jahr ab Ausstellungsdatum gültig.
2. Restguthaben werden bis zum Verfallsdatum des Gutscheins Ihrem Geschenkgutschein-Konto gutgeschrieben. Danach können sie nicht mehr verwendet werden.
Das OLG München hat in seiner Berufungsentscheidung diese Klauseln als unzulässig eingestuft (Urteil vom 17. 1.2008 – Az. 29 U 3193/07, NJW-RR 2008, 1233).
Kontrollfähigkeit nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB
Das Vorliegen von AGB i.S.d. §§ 305 ff. BGB war hier unproblematisch. Weniger eindeutig war die Kontrollfähigkeit nach § 307 Abs. 3 BGB gegeben. Das beklagte Versandhaus hatte im Rahmen der Berufung eingewendet, dass die angegriffenen Klauseln den Inhalt ihrer Verpflichtung bestimmten und daher gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle unterworfen seien. Dies lehnte das OLG München zu Recht ab:
„Nach dieser Vorschrift [§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB] unterliegen bloße Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (so genannte Leistungsbeschreibungen) nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Unter den Begriff der Leistungsbeschreibung fallen solche Bestimmungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 15. November 2007 – III ZR 247/06, Tz. 18 m. w. N.).
In diesen engen Bereich fallen die streitigen Klauseln nicht, da der wesentliche Vertragsinhalt mit den Hauptleistungspflichten der Parteien auch ohne die Klauseln zum Verfall des Guthabens bestimmt werden könnte (vgl. Senat NJW 2006, 2416 [2417]; Kieninger in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2007, § 307 Rz. 14).“
Systematik der § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB
Somit waren die Klauseln kontrollfähig nach §§ 307-309 BGB. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen spezielle Klauselverbote nach §§ 308, 309 BGB gab es nicht, sodass es entscheidend auf die Prüfung der Generalklausel des § 307 I 1 BGB ankam. Danach sind Klauseln unwirksam, „wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.“ Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen; die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist.
Die recht abstrakte Formel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wird durch § 307 Abs. 2 BGB konkretisiert. Danach liegt eine unangemessene Benachteiligung insbesondere vor beim Abweichen von Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (Nr. 1) und bei der Einschränkung von wesentlichen Rechten und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben (sog. Kardinalpflichten; Nr. 2).
Unangemessenheit der Gültigkeitsbefristung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
Im vorliegenden Fall konnte mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB) argumentiert werden, denn durch die kurze Gültigkeit des Gutscheins wird vom gesetzlichen Leitbild der Verjährungsregeln abgewichen.
„Das bürgerliche Recht kennt für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen im Allgemeinen nur das in den §§ 194 ff. BGB im Einzelnen geregelte Rechtsinstitut der Verjährung, nicht dagegen besondere, von der Frage der Verjährung unabhängige Ausschlussfristen. Auch für den mit einem Geschenkgutschein verknüpften Anspruch gegen die Beklagte ist – ohne dass es auf die Einzelheiten der rechtlichen Einordnung des zu Grunde liegenden Vertragsverhältnisses ankäme – keine gesetzlich vorgesehene Ausschlussfrist ersichtlich. Die Gültigkeitsbefristung der Geschenkgutscheine der Beklagten enthält daher eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehört das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1124 Tz. 28 m. w. N.), das durch die Verjährungsvorschriften in zeitlicher Hinsicht näher ausgestaltet wird. In dieses Äquivalenzverhältnis wird auch durch eine vertragliche Regelung eingegriffen, die die Werthaltigkeit einer Gegenleistung, die ein Vertragspartner auf Grund eigener Vorleistung verlangen kann, zeitlich über die Verjährungsregelungen hinaus beschränkt (vgl. BGH NJW 2001, 2635 [2637]).“
Einbeziehung von Interessen des Beschenkten bei Bewertung der Angemessenheit
Unerheblich war, dass durch die Verkürzung der Laufzeit nicht der Erwerber des Gutscheins, sondern im Ergebnis der Beschenkte benachteiligt wird. Auch die Interessen Dritter können bei der Beurteilung der Angemessenheit nach § 307 Abs. 1 BGB maßgebend sein. In den Schutz des § 307 Abs. 1 BGB sind namentlich auch die Interessen solcher Personen einbezogen, die Rechte aus dem Vertrag herleiten können oder durch diesen unmittelbar berechtigt sind. Dies ist hier hinsichtlich der Empfänger der Geschenkgutscheine eindeutig der Fall, denn der Beschenkte kann aus eigenem Recht den Gutschein zum Kauf von Waren des Ausstellers verwenden (zur Rechtsnatur von Gutscheinen s. instruktiv Zwickel, NJW 2011, 2753: idR dürfte ein sog. kleines Inhaberpapier nach § 807 BGB vorliegen). Durch den Gutschein wird dann die Gegenleistung (Kaufpreiszahlung) erfüllt (§ 362 I BGB oder § 364 I BGB).
Unangemessenheit von Befristungen unter drei Jahren
Vor diesem Hintergrund war die angegriffene Regelung in zweifacher Hinsicht mit einer Benachteiligung verbunden:
„Die angegriffenen Klauseln zielen auf eine doppelte Benachteiligung des Gutscheininhabers im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung der §§ 195, 199 BGB ab, nach der entsprechende Ansprüche mit dem Ablauf einer Frist von drei Jahren – beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entsteht – verjähren.So wird der Zeitraum, in dem die unmittelbare Geltendmachung des Anspruchs möglich ist, auf höchstens ein Drittel des vom gesetzlichen Leitbild Vorgesehenen herabgesetzt; der dadurch bewirkte ersatzlose Verlust der Möglichkeit, einen nicht verjährten Anspruch geltend zu machen, stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen des Gutscheininhabers dar. Daneben wird die auch nach Eintritt der Verjährung mögliche Entgegenhaltung des Anspruchs im Wege der Aufrechnung oder der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts (vgl. § 215 BGB) dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch erlöschen („verfallen“) und damit gänzlich untergehen soll.“
Aus dieser Benachteiligung folgt die Unangemessenheit der Regelung, zumal keine gegenläufigen Interessen des Versandhauses anzuerkennen sind, durch die eine solche Benachteiligung gerechtfertigt wäre. Nach dem OLG München stellen weder ein erhöhter Buchführungs- und Bilanzierungsaufwand noch Probleme bei der parallelen Anwendbarkeit alter und neuer AGB hinreichende Interessen dar.
„Die Berufung der Beklagten auf einen erhöhten Buchführungs- und Bilanzierungsaufwand ist nicht geeignet, die durch die angegriffenen Klauseln bewirkte Beschneidung der Rechte der Gutscheininhaber zu rechtfertigen. Dieser Aufwand ist dem Grunde nach schon in dem von der Beklagten selbst gewählten Geschäftsmodell, zur Steigerung ihres Umsatzes Geschenkgutscheine anzubieten, angelegt. Auch bei nur einjähriger Gültigkeit der Gutscheine müssen die jeweils noch offenen Gutscheinwerte in Konten geführt und am Ende des Geschäftsjahrs bilanziert werden. […]
In gleicher Weise fällt der von der Beklagten ebenfalls zur Rechtfertigung ihrer Verfallsregelung angeführte Aufwand, bei Änderungen der Gutscheinbedingungen parallel alte und neue Bedingungen beachten zu müssen, dem Grunde nach auch bei einer Gültigkeitsdauer der Gutscheine von nur einem Jahr an. Zudem ist weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass derartige Änderungen in beachtenswertem Umfang anfallen und welcher konkrete Aufwand damit verbunden ist; insoweit handelt es sich bei diesem Vorbringen der Beklagten lediglich um hypothetische Behauptungen ohne praktische Bedeutung. Schließlich können Änderungen der Bedingungen, die ihren Anlass in der Sphäre der Beklagten haben, nicht dazu herangezogen werden, eine Benachteiligung der Gegenseite zu rechtfertigen.“
Neue Regelung für Geschenkgutscheine von Amazon
Amazon hat ersichtlich auf die Entscheidung reagiert. Auf der Homepage heißt es nun:
Alle Gutscheine sind bis zum Ende des dritten Jahres nach Kauf einlösbar. Das genaue Ablaufdatum wird immer direkt auf dem Gutschein angegeben.
Damit sind die Vorgaben des OLG München hinsichtlich einer längeren Verfallsdauer umgesetzt, denn die neue Regelung orientiert sich genau an der Untergrenze der gesetzlichen Verjährung. Es fehlt allerdings weiterhin an einer Regelung zur Aufrechenbarkeit trotz Verjährung entsprechend § 215 BGB. Dass diese leichte Abweichung von der gesetzlichen Regelung allein die Unangemessenheit und mithin Unwirksamkeit der Klausel begründet, ist aber wohl im Ergebnis nicht anzunehmen (aA vertretbar).
Schema: Prüfung von AGB
Der Fall kann zum Anlass genommen werden, sich die Systematik der §§ 305 ff. BGB noch einmal zu vergegenwärtigen und sich ein Schema für die Prüfung in der Klausur zu erarbeiten. Folgende Punkte sind bei der Inhaltskontrolle von AGB – zumindest gedanklich – zu prüfen:
I. Anwendungsbereich
1. persönlicher Anwendungsbereich: § 310 I
2. sachlicher Anwendungsbereich: § 310 II, IV
II. Vorliegen von AGB
Legaldefinition in § 305 I BGB: “…für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt.”
III. Wirksame Einbeziehung
1. Einbeziehungsvereinbarung, § 305 II BGB
2. Einbeziehung in besonderen Fällen, § 305 a BGB
3. keine vorrangige Individualabrede, § 305 b BGB
4. keine überraschende Klausel, § 305 c I BGB
5. Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwender, § 305 c II BGB
IV. Inhaltskontrolle
1. Auslegung der Klausel: §§ 133, 157 BGB, beachte § 305 c BGB
2. Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle: § 307 III BGB
3. Inhaltskontrolle:
a. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit,§ 309 BGB
b. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB
c. Generalklausel, § 307 BGB
i. § 307 II BGB
ii. § 307 I BGB
V. Rechtsfolge
Bei zulässigem Inhalt werden die AGB wirksamer Bestandteil des Vertrags. Bei unzulässigem Inhalt:
1. Klausel unwirksam (keine geltungserhaltende Reduktion), § 306 I BGB, im Übrigen bleibt die AGB grundsätzlich wirksam
2. Statt der unwirksamen Klausel gelten insoweit nach § 306 II BGB die gesetzlichen Bestimmungen (Anwendung dispositiver Gesetzesvorschriften)
3. Nur ausnahmsweise ganzer Vertrag unwirksam, § 306 III BGB
4. ggf. ergänzende Vertragsauslegung
In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 06.11.2013 – VIII ZR 353/12) haben sich die Richter mit der Frage auseinandergesetzt, ob solche AGB wirksam sind, die den Gefahrübergang bei der geschuldeten Lieferung und Montage von Möbeln auf den Zeitpunkt der Übergabe an das Transportunternehmen festlegen, wenn der Versender auch die Montage beim Kunden schuldet. Das Urteil liegt derzeit lediglich als Pressemitteilung vor. Der Fall hat eine erhöhte Examensrelevanz, da sich eine klassische AGB-Kontrolle mit den Grundsätzen des allgemeinen Schuldrechts verknüpfen lässt.
Sachverhalt (stark vereinfacht)
Privatperson K bestellt beim Online-Möbelversandhandel V einen Schrank. Im Preis inbegriffen ist auch der Aufbau des Schranks im Schlafzimmer der K. Lieferung und Montage sollen durch ein von V beauftragtes Unternehmen T erfolgen.
In den (wirksam eingeführten) AGB des V heißt es unter anderem:
„Wir schulden nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen und sind für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich.“
Einige Tage nach der Bestellung übergibt der V den bestellten Schrank an T. Beim Transport wird der Schrank aufgrund eines Unfalls zerstört. K verlangt von V die Schadensersatz. V beruft sich auf die AGB-Klausel, wonach bereits bei Übergabe an T die Gefahr des zufälligen Untergangs auf K übergegangen sei. V müsse nicht mehr haften. Ist die Klausel wirksam?
Abweichung von gesetzlicher Regelung ohne sachlichen Grund, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB
Der BGH kommt entgegen der Auffassung der Vorinstanz zu der Überzeugung, dass die vorliegende Klausel den Verbraucher ohne sachlichen Grund unangemessen benachteilige.
Die Klausel, nach der die Beklagte nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Tarnsportunternehmen schulde, benachteilige den Kunden eines solchen Vertrages unangemessen, weil sie ohne sachlichen Grund von der gesetzlichen Regelung über den Leistungsort abweiche und dadurch den Gefahrübergang zum Nachteil des Kunden verändere.
Die gesetzliche Regelung über den Leistungsort findet sich in § 269 I BGB. Hiernach bestimmt sich der Leistungsort in erster Linie nach den Umständen und dem Natur des Schuldverhältnisses, es sei denn, es existieren entsprechende Parteivereinbarungen.
Letzteres kommt hier bereits deswegen nicht in Betracht, da es sich bei AGB regelmäßig nicht um beidseitige verhandelte Vereinbarungen handelt, sondern um einseitig vom Verwender eingeführte Vertragsbedingungen, § 305 I 1 BGB.
Der BGH führt aus, bei einem Kaufvertrag, bei dem der Verkäufer neben der Lieferung des Möbels auch dessen Montage schulde, handele es sich nach der Natur des Schuldverhältnisses um eine Bringschuld. Eine Bringschuld zeichnet sich (im Gegensatz zu einer Holschuld oder einer Schickschuld) dadurch aus, dass der Wohnsitz des Gläubigers sowohl Leistungs- als auch Erfolgsort ist (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage 2011, § 269 Rz. 1). Hier ist die Montage in den Wohnräumen des Käufers geschuldet. Demnach kann der Käufer nur nach erfolgreicher Anlieferung und Montage überprüfen, ob der Verkäufer vertragsgemäß (mangelfrei) geliefert hat.
Nach Auffassung des BGH steht die zitierte Klausel folglich im Widerspruch zu dem, was laut Kaufvertrag geschuldet wird. Indem V die Gefahr des Untergangs der geschuldeten Sache auf K im Rahmen der Übergabe an die Transportperson bereits frühzeitig übergehen lässt, setzt er den Käufer einem besonderen Risiko aus, das nach Art des Schuldverhältnisses nicht gerechtfertigt ist und den Käufer unangemessen benachteiligt.
Unzulässiger Ausschluss der Haftung für Verschulden des Erfüllungsgehilfen, § 309 Nr. 7b BGB
Das Gericht sieht ferner auch einen Verstoß gegen § 309 Nr. 7b BGB. Nach dieser Norm ist eine Klausel mit folgendem Inhalt unwirksam:
„ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen;“
Die Klausel lässt hier nicht nur die Gefahr frühzeitig übergehen (s.o.), sondern führt letztlich dazu, dass der Unternehmer für eine Verschulden des Unternehmers insgesamt nicht haftet.
Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB ist, wer mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Rechts- oder Interessenkreis tätig wird zur Erfüllung einer Verbindlichkeit. Hier wird T mit der vertragliche geschuldeten Lieferung und Montage des Möbels beauftragt und ist demnach im Verhältnis V/K Erfüllungsgehilfe des V.
Indem V die Verantwortlichkeit für von T verursachte Leistungsstörungen ausschließt, handelt es sich um einen nach § 309 Nr. 7b BGB unzulässigen Haftungsausschluss.
Kein Verstoß gegen §§ 474 II 2 i.V.m. § 447 BGB
Zumindest auf dem ersten Blick denkbar, jedoch in der Pressemitteilung nicht angesprochen, weil für die Entscheidung nicht relevant, wäre zudem ein Verstoß gegen §§ 474 II 2 i.V.m. § 447 BGB. Hiernach gilt der Gefahrübergang beim Versendungskauf durch Übergabe an die Transportperson nicht beim Verbrauchsgüterkauf, da der Verbraucher nicht mit dem Risiko der Versendung belastet werden soll.
Ein Verstoß gegen §§ 474 II 2 BGB kommt hier jedoch klar nicht in Betracht. §§ 447, 474 II 2 BGB sind nur dann anwendbar, wenn den Verkäufer eine Schickschuld (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage 2011, § 269 Rz. 1) trifft, Leistungs- (gleichbedeutend: Erfüllungs-) und Erfolgsort also auseinanderfallen. Dies ist der typische Fall im (Online-) Versandhandel: Der Kunde bestellt und der Händler versendet die Ware. Leistungsort ist der Ort der Versendung (z.B. das Warenlager). Erfolgsort der Wohnsitz/Geschäftssitz des Bestellers, an dem der Leistungserfolg eintritt.
Hier handelte es sich jedoch nach der Natur des Schuldverhältnisses um eine Bringschuld (s.o.). Die verbraucherschützenden Vorschrift des § 474 II 2 BGB für den Versendungskauf zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ist mangels Schickschuld nicht anwendbar. Der Gefahrübergang erfolgt erst mit Montage und Übergabe des Möbels am Wohnsitz des K gemäß § 446 BGB.
Ergebnis: Die Klausel ist insgesamt unwirksam.
Fazit
Der Fall ist leicht abgewandelt: In der Entscheidung des BGH hatte der Verbraucherschutzverband allgemein gegen die Verwendung der Klausel durch V geklagt. In einer Klausur wäre erfahrungsgemäß – wie hier – das Verhältnis des V zu einem einzelnen Verbraucher betroffen, in dessen Rahmen die Wirksamkeit der Bestimmung überprüft werden müsste, z.B. verbunden mit der Frage, ob dem Verbraucher Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer zusteht.
Im Gutachten würde man bei einem Verbrauchervertrag klassischerweise aus Gründen der Spezialität mit der Prüfung des § 309 BGB beginnen und sich danach erst mit § 307 BGB beschäftigen (dazwischen die zumindest gedankliche Prüfung des § 308 BGB nicht vergessen!). Der BGH hat den Schwerpunkt der Prüfung offensichtlich bei § 307 BGB gesehen und die weitere Unzulässigkeit nach § 309 Nr. 7b BGB als „zweites Standbein“ herangezogen.
In der Klausur ließe sich noch § 474 II 2 BGB kurz anschneiden, um dem Korrektor zumindest Problembewusstsein zu zeigen. Aufgrund der Qualifizierung des Schuldverhältnisses als Bringschuld kommt ein dahingehender Verstoß aber nicht in Frage.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.06.2013 (8 AZR 280/12) – das noch nicht im Volltext vorliegt – entschieden, dass eine zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages vereinbarte Verfallklausel (auch Ausschlussklausel) dahingehend auszulegen ist, dass Ansprüche gegen den Arbeitgeber wegen vorsätzlichen Handlungen nicht darunter fallen. Damit wurde die Vorinstanz – LAG Köln vom 21.01.2012 (5 Sa 156/10) – aufgehoben, wonach zwischen dem eigenen vorsätzlichen Verhalten des Arbeitgebers (Verfallklausel nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB nichtig) und der Haftung des Arbeitgebers für ein vorsätzliches Handeln von Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen (Verfallklausel wirksam) differenziert wurde.
Diese Entscheidung eignet sich deshalb gut für Examensklausuren, weil sie beliebte Probleme des Arbeitsrechts, des Zivilprozessrechts und zivilrechtliche Grundlagen zur Auslegung von Willenserklärungen vereint. Zur Wirksamkeit von vertraglichen Ausschlussklauseln berichteten wir bereits hier.
1. Sachverhalt
Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde. Zwischen den Parteien bestand seit dem 01. September 2009 ein auf ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis. Im schriftlichen Arbeitsvertrag hatten die Parteien unter § 12 eine zweistufige Verfallfrist mit folgendem Wortlaut vereinbart:
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Die Klägerin war ab dem 16. November 2009 arbeitsunfähig krank. Anfang Februar 2010 verständigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2010.
Die Klägerin stellte gegen ihren Vorgesetzten Herrn E Strafanzeige wegen des Verdachts der Beleidigung und der sexuellen Belästigung. Er habe sie fast täglich als „doof“, „blöd“ oder „unfähig“ bezeichnet. Auch habe sie nicht vertragsgerechte Arbeiten verrichten müssen und er habe ihr gegen ihren Willen ein Video der Gruppe Rammstein mit dem Namen „Pussy Video“ gezeigt.
Weil die Klägerin der Ansicht ist, dass die Beklagte für das Verhalten von Herrn E eintreten müsse, erhob sie am 30. August 2010 beim Arbeitsgericht Klage und machte die Zahlung von Schmerzensgeld geltend. Sie führte ihre Erkrankung im Zeitraum vom 16. November 2009 bis zum 31. Mai 2010 auf „Mobbing-Handlungen“ von Herrn E zurück. Die Klage ist der Beklagten am 09. September 2010 zugegangen.
Das LAG Köln hat die Klage unter Verweis auf die vertragliche Verfallklausel abgewiesen und die Ansicht vertreten, die Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel, welche die Haftung wegen vorsätzlichen Handelns ausschließt, komme nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn sie sich auf eigenes Verhalten des Arbeitgebers beziehe. Soweit sie eine Haftung des Arbeitgebers für ein vorsätzliches Handeln von Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen ausschließe, sei sie wirksam. Diese Differenzierung wurde nunmehr vom BAG aufgegeben.
2. Anspruchsgrundlagen
An folgende Anspruchsgrundlagen der Klägerin gegen die Beklagte auf Schmerzensgeld bzw. Entschädigung ist zu denken:
- § 831 BGB iVm Art. 1 Abs. 1 und Art 2 GG
3. Wirksamkeit der Verfallklausel (§ 12 des Arbeitsvertrages)
„Dreh und Angelpunkt“ ist bei dieser Entscheidung, ob die Ansprüche nicht durch die Verfallklausel in § 12 des Arbeitsvertrages verfallen sind.
a. Geltendmachung des Anspruchs innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit
Zunächst ist überhaupt zu prüfen, ob die Klägerin die dreimonatige Frist gem. § 12 des Arbeitsvertrages zur Geltendmachung ihres Anspruchs überschritten hat.
Fraglich ist, wann der geltend gemachte Anspruch fällig geworden ist. Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne einer Verfallfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann. Bei Schadensersatzansprüchen tritt Fälligkeit daher ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann. Für einen Anspruch, der auf „Mobbing“ und eine daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit gestützt worden ist, nimmt das BAG an, dass der Anspruch erst mit Ablauf der Arbeitsunfähigkeit entsteht. Der Arbeitnehmer ist erst ab Beendigung seiner Erkrankung in der Lage, seinen entstandenen Schaden festzustellen (BAG 25. Oktober 2007 – 8 AZR 593/06, Rn 96). Danach ist der Anspruch der Klägerin mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses – am 1. Juni 2010 – fällig gewesen. Dem steht nicht entgegen, dass sie über diesen Zeitraum hinaus arbeitsunfähig erkrankt war. Maßgeblich ist, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem 31. Mai 2010 sein Ende gefunden hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt war sie in der Lage, sich den erforderlichen Überblick zu verschaffen und ihre Forderung wenigstens annähernd zu beziffern. Wenn die Forderung am 01. Juni 2010 fällig geworden ist, endet die Frist zur Geltendmachung nach § 12 des Arbeitsvertrages am 01. September 2010.
Die Klage ist am 30. August 2010 bei dem Arbeitsgericht eingegangen und am 09. September der Beklagten zugestellt worden. Grundsätzlich ist auf den Zugang bei dem Arbeitgeber abzustellen. Fraglich ist aber, ob nicht § 167 ZPO auf die erste Stufe der Ausschlussfrist anwendbar ist, so dass man auf den Eingang bei Gericht abstellen könnte. Das BAG nimmt aber in ständiger Rechtsprechung an, dass § 167 ZPO auf einstufige und auf die erste Stufe zweistufiger Verfallfristen keine Anwendung findet (BAG 19. Juni 2007 – 1 AZR 541/06; 25. September 1996 – 10 AZR 678/05; 08. März 1976 – 5 AZR 361/75; 18. Januar 1974 – 3 AZR 3/73). Daneben hat die Vorinstanz festgehalten, dass für die erste Stufe einer zweistufigen Verfallfrist regelmäßig davon auszugehen ist, dass nach dem Willen der Parteien § 167 ZPO nicht anzuwenden ist. Es bleibt abzuwarten, ob sich das BAG hierzu in den Entscheidungsgründen geäußert hat.
Somit hat die Klägerin ihren Anspruch gegenüber der Beklagten verspätet geltend gemacht.
b. Wirksamkeit nach AGB-Recht
Die Ausschlussfrist könnte wegen Verstoßes gegen das AGB-Recht unwirksam sein.
Hier bedarf es in dem arbeitsrechtlichen Gutachten einer schulmäßigen AGB-Kontrolle. Wie sich gleich zeigen wird, ist die Prüfung der Wirksamkeit von § 12 im vorliegenden Fall nicht problematisch, dennoch empfiehlt es sich, die AGB-Kontrolle in einer Klausur systematisch aufzubauen.
Eine AGB-Kontrolle im Hinblick auf arbeitsvertragliche Regelungen ist unter Beachtung der Besonderheiten des Arbeitsrechts gem. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB grundsätzlich möglich.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind vorformulierte Regelungsentwürfe für eine Vielzahl von Einzelverträgen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt, vgl. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese müssen grundsätzlich gem. § 305 Abs. 2 BGB in den Vertrag einbezogen werden. Ob dies hier in einer dem § 305 Abs. 2 BGB entsprechenden Weise erfolgt ist, kann allerdings offen bleiben, da diese Voraussetzung für Arbeitsverträge nicht gilt (§ 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 BGB).
Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des BAG ist der Arbeitnehmer außerdem als Verbraucher iSv § 13 BGB anzusehen. Ob die Beklagte die Vertragsbedingungen – insbesondere § 12 – für eine Vielzahl von Einzelverträgen nutzt, kann deshalb offen bleiben. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB kommen die §§ 307 ff. BGB nämlich bei Verbraucherverträgen selbst für den Fall, dass der Vertrag nicht für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen gewesen sein sollte, schon bei nur einmaliger Verwendung gegenüber einem Verbraucher zur Anwendung. Dass die AGB vom Arbeitgeber gestellt sind, wird zudem nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB fingiert.
Ist der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB eröffnet, kommt es nun zu einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 307 ff. BGB.
Es könnte ein Verstoß gegen § 309 Nr. 7 lit. b BGB vorliegen. Gem. § 309 Nr. 7 lit. b BGB ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Jedoch enthält die Obliegenheit einer schriftlichen Geltendmachung – so wie hier in § 12 des Arbeitsvertrages – gerade keinen Haftungsausschluss und keine Haftungsbegrenzung. Insoweit liegt kein Verstoß gegen § 309 Nr. 7 lit. b BGB vor.
Da sich bei der Bemessung der angemessenen Dauer einer Ausschlussfrist aus § 61b Abs. 1 ArbGG – Frist von 3 Monaten – ein geeigneter Maßstab ergibt, verstößt § 12 auch nicht gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB (anders wäre dies bei einer zweimonatigen Ausschlussfrist. Siehe hierzu hier.
c. Beschränkung der Klausel nach Auslegung des Parteiwillens
In dem Urteil des BAG geht es entscheidend darum, wie § 12 des Arbeitsvertrages
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
auszulegen ist. Nach dem Wortlaut sollen „alle beiderseitigen“, d. h. wechselseitigen Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien der Klausel unterliegen. Aus der Formulierung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass nur bestimmte Ansprüche gemeint sind und insbesondere solche wegen vorsätzlich begangener, ggf. auch unerlaubter Handlungen ausgenommen sein sollten.
Ob einer Verfallklausel nach dem Willen der Parteien auch die Haftung wegen Vorsatzes unterfallen soll, könnte für Verfallklauseln in einem Formulararbeitsvertrag zweifelhaft sein. Eine Einbeziehung gesetzlich explizit ausgeschlossener Fälle dürfte regelmäßig gerade nicht gewollt sein. Das gilt – so das BAG – beispielsweise für die Vorsatzhaftung. Wie sich der amtlichen Pressemitteilung entnehmen lässt, begründet der Senat seine Entscheidung mit dem Umstand, dass die Parteien eines Arbeitsvertrages – anders als bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen – weder die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtern (§ 202 Abs. 1 BGB) noch die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner im Voraus erlassen (§ 276 Abs. 3 BGB) können. Diese Regelungen bezwecken einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Haftungsbeschränkungen für vorsätzliche Schädigungen. Vor diesem Hintergrund verbietet § 202 Abs. 1 BGB nicht nur beschränkende Vereinbarungen im Hinblick auf die Verjährung, sondern auch bezüglich Verfallfristen. Demgegenüber kann die Haftung für vorsätzliches Handeln eines Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen ausgeschlossen werden (§ 278 S. 2 BGB). Diese gesetzliche Ausnahmevorschrift hat die Vorinstanz zum Anlass genommen, die Ausschlussfrist in § 12 des Arbeitsvertrages so auszulegen, dass die Haftung für Vorsatz soweit wie gesetzlich zugelassen unter die Verfallklausel fällt, die Haftung für vorsätzliches Handeln des Arbeitgebers aber nicht umfasst. Diese Auslegung wurde damit begründet, dass die Parteien regelmäßig keine Vereinbarung treffen wollen, die rechtsunwirksam ist. Diese Differenzierung hat das BAG nunmehr aufgegeben und Vorsatzhaftung insgesamt von der Ausschlussregelung ausgenommen. Als weiteres Argument für den Ausschluss der Vorsatzhaftung führt der Senat an, dass der Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen und Berufsunfähigkeit ausschließlich bei Vorsatz, § 104 Abs. 1 SGB VII hafte. Bei dieser Gesetzeslage sei ohne besondere Anzeichen regelmäßig davon auszugehen, dass die Parteien des Arbeitsvertrages mit der Ausschlussklausel nicht auch Fragen der Vorsatzhaftung regeln wollten.
4. Fazit
Da die Entscheidungsgründe bisher noch nicht veröffentlich sind, bleibt abzuwarten, wie der Senat im Einzelnen die Auslegung des Parteiwillens vorgenommen hat. Interessant wird vor allem sein, wie mit der von der Vorinstanz aufgeworfenen Differenzierung zwischen dem eigenen vorsätzlichen Verhalten des Arbeitgebers (Ausschlussklausel nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB nichtig) und der Haftung des Arbeitgebers für ein vorsätzliches Handeln von Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen umgegangen wird.
Wir freuen uns, heute einen Gastbeitrag von Matthias Murr veröffentlichen zu können. Matthias hat in Marburg studiert und promoviert aktuell zu einem kapitalmarktrechtlichen Thema an der Universität Köln. Nebenbei ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei in Frankfurt am Main tätig.
Mit seinem Urteil vom 21.03.2013 (18 U 133/12) hat das OLG Hamm entschieden, dass ein Makler auch dann einen Anspruch auf seine Provision (Courtage) hat, wenn sein Kunde das vermittelte Objekt zu einem deutlich niedrigeren Kaufpreis erwirbt, als es ihm vom Makler nachgewiesen wurde. Darüber hinaus stellt das Gericht fest, dass die Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Maklers gem. § 307 Abs. 1 S.1 BGB in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.
Um dem Examenskandidaten die Verortung der examensrelevanten Probleme im Prüfungsbau zu erleichtern, soll die Entscheidung des OLG Hamm im Folgenden gutachterlich aufbereitet werden. Zu den einzelnen Voraussetzungen des Maklerlohnanspruchs (Maklervertrag, Maklerleistung, Hauptvertrag, Kausalität) sei im Übrigen auf den hier bereits erschienen Beitrag verwiesen.
I. Sachverhalt (vereinfacht)
Die Beklagte, eine Unternehmensgruppe aus dem Bereich des gewerblichen Hochbaus, verhandelte im Jahre 2005 mit der Eigentümerin über den Kauf eines Firmengrundstückes. Ein Kaufvertrag kam jedoch nicht zustande. Im Jahre 2010 trat die Klägerin, eine Immobilienmaklerin, an die Beklagte heran und fragte, ob Interesse an der Benennung einer Gewerbeimmobilie besteht. Nachdem diese ihr Interesse daran geäußert hatte, benannte die Klägerin das Grundstück, welches bereits 2005 Gegenstand der Verhandlungen zwischen der Beklagten und der Grundstückseigentümerin gewesen war, zu einem Kaufpreis von 1,1 Mio. Euro. Zugleich übersandte die Klägerin der Beklagten ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Ziffer 10 wie folgt lautete:
„Der Provisionsanspruch entsteht auch, wenn der Vertrag zu Bedingungen abgeschlossen wird, die vom Angebot abweichen, oder wenn und soweit im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem ersten Vertrag vertragliche Erweiterungen und Ergänzungen zustande kommen bzw. ein gleiches oder ähnliches Geschäft abgeschlossen wird. (…)“
Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, dass sie bereits Vorkenntnis von dem benannten Objekt hat und verwies auf die Verhandlungen mit der Verkäuferin.
Im Juli 2011 erwarb die Beklagte schließlich das Grundstück mit der darauf stehenden Immobilie zu einem Kaufpreis von 525.000 Euro (zzgl. MwSt). Daraufhin stellte die Klägerin der Beklagten eine Käuferprovision in Höhe von 18.750 Euro in Rechnung. Die Beklagte wies die Ansprüche der Klägerin zurück, woraufhin diese Klage erhob.
II. Anspruchsgrundlage: § 652 Abs. 1 S. 1 BGB
Nach Auffassung des OLG Hamm steht der Klägerin ein Anspruch auf die Maklercourtage in Höhe von 18.750 Euro gem. § 652 Abs. 1 BGB zu. Nach dieser Norm ist derjenige, der für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages oder für die Vermittlung eines Vertrages einen Mäklerlohn verspricht, dann zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, wenn der Vertrag infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung des Mäklers zustande kommt.
III. Gutachterliche Würdigung
Die Klägerin könnte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Maklercourtage in Höhe von 18.750 Euro gem. § 652 Abs. 1 S. 1 BGB haben. Hierfür müssten die Voraussetzungen des Maklerlohnanspruches erfüllt sein (zur Vertiefung siehe auch hier).
1. Zustandekommen eines gültigen Maklervertrages
Zunächst müssten die Klägerin und die Beklagte einen gültigen Maklervertrag miteinander geschlossen haben. Dies ist vorliegend der Fall.
Anmerkung: Es gelten hier die allgemeinen Grundsätze des Vertragsschlusses. Es müssen mithin Angebot und Annahme vorliegen. Durch den Maklervertrag entsteht keine Plicht zum Kauf bzw. Verkauf eines Grundstückes, sodass § 311b BGB nicht einschlägig ist. In diesem ersten Prüfungspunkt sollte sich der Klausurbearbeiter mangels auftretender Probleme im Sachverhalt möglichst kurz halten.
2. Erbringung der Maklerleistung
Desweiteren müsste die Beklagte auch ihre Maklerleistung erbracht haben. Der Maklervertrag ist gem. § 652 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages bzw. auf die Vermittlung eines Vertrages gerichtet. Die Klägerin könnte ihre Maklerleistung vorliegend erbracht haben, indem sie der Beklagten den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages erbracht hat. Hierunter versteht man eine Mitteilung des Maklers an seinen Kunden, durch welche dieser in die Lage versetzt wird, in konkrete Verhandlungen über den von ihm angestrebten Hauptvertrag einzutreten. Eine besondere Form des Nachweises der Gelegenheit muss dabei nicht eingehalten werden. Aufgrund der Benennung des Grundstückes durch die Klägerin im Jahre 2010 wurde die Beklagte in die Lage versetzt, mit der Verkäuferin des Grundstückes in Vertragsverhandlungen zu treten. Folglich hat die Klägerin den Nachweis und demzufolge auch ihre Maklerleistung erbracht.
Anmerkung: Auch bei diesem Prüfungspunkt stellen sich vorliegend keine Probleme. Es sollte hier ebenfalls auf lange Ausführungen verzichtet und der Punkt in der gebotenen Kürze dargestellt werden.
3. Abschluss des Hauptvertrages
a) Hauptvertrag liegt vor
Es müsste darüber hinaus auch zum Abschluss des Hauptvertrages zwischen der Beklagten und der Verkäuferin gekommen sein. Im Juli 2011 schlossen die Beklagte und die Verkäuferin einen Kaufvertrag gem. § 433 BGB in dem sich die Beklagte verpflichtete das Grundstück mit der darauf stehenden Immobilie zu einem Kaufpreis von 525.000 Euro (zzgl. MwSt) zu erwerben. Zweifel an der Wirksamkeit dieses Kaufvertrages bestehen vorliegend nicht. Ein gültiger Hauptvertrag liegt mithin vor.
b) Kongruenz zwischen beabsichtigtem und geschlossenem Vertrag?
Dem Makler steht nach ständiger Rechtsprechung des BGH ein Provisionsanspruch nach § 652 BGB jedoch grundsätzlich nur dann zu, wenn der Vertrag, mit dessen Herbeiführung der Makler beauftragt war, zu den vom Makler benannten Bedingungen zustande kommt. Führt die Tätigkeit hingegen zum Abschluss eines Vertrages mit anderem Inhalt, so entsteht kein Anspruch auf den Maklerlohn (BGH, NJW-RR 1998, 411; BGH, NJW 2008, 652). Voraussetzung eines Maklerlohnanspruchs ist mithin grundsätzlich die Kongruenz des beabsichtigten mit dem tatsächlich zustande gekommenen Kaufvertrag.
Der tatsächliche Kaufpreis (525.000 Euro zzgl. MwSt) weicht von dem von der Klägerin benannten Kaufpreis (1,1 Mio. Euro) um 43% ab. Bei einer solchen erheblichen Preisdifferenz liegt die für den Maklerlohnanspruch grundsätzlich erforderliche Kongruenz nach einhelliger Auffassung nicht mehr vor (Pauly, ZMR 2009, 662; OLG München, MDR 2010, 615; OLG Dresden, NJW-RR 2009, 931; OLG Celle, MDR 2007, 1410; so auch das OLG Hamm in der hier besprochenen Entscheidung). Umstritten ist jedoch, ob ein Maklerlohnanspruch ausnahmsweise auch dann entstehen kann, wenn das Tatbestandsmerkmal der Kongruenz nicht erfüllt ist, namentlich wenn der Maklerkunde trotz fehlender Identität zwischen beabsichtigtem und geschlossenem Vertrag den geplanten wirtschaftlichen Erfolg erzielt.
aa) erste Ansicht: kein Maklerlohnanspruch bei fehlender Kongruenz
Im Falle fehlender Kongruenz kann nach Ansicht einiger Oberlandesgerichte (so z.B. OLG Bamberg, Koblenz, Celle, München) und dem überwiegende Teil der Literatur (so z. B. MünchKommBGB/Roth, § 652, Rn. 150; Palandt/Sprau, § 652, Rn. 43) kein Anspruch des Maklers auf Maklerlohn entstehen. Begründet wird diese Ansicht in erster Linie damit, dass nach § 652 BGB ein Maklerlohnanspruch eben nur dann entstehe, wenn der ursprünglich ins Auge gefasste Vertrag abgeschlossen werde und somit eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit vorläge. Bei einer deutlichen quantitativen Abweichung zwischen avisiertem und tatsächlich geschlossenem Kaufvertrag (die nach dieser Ansicht jedenfalls bei einer Abweichung von 25% vorliegt) sei jedoch genau diese wirtschaftliche Gleichwertigkeit nicht mehr gegeben. Folglich stehe dem Makler dann auch kein Provisionsanspruch zu. Darüber hinaus solle der Makler auch nicht davon profitieren, dass sein Kunde besonderes Verhandlungsgeschick aufweist und daher einen besonders günstigen Preis aushandelt.
bb) OLG Hamm: Makleranspruch besteht trotz fehlender Kongruenz
Eine andere Auffassung vertritt das OLG Hamm im vorliegenden Fall. Es verneint zwar wegen der oben genannten Kaufpreisdifferenz von 43% ebenfalls die Kongruenz zwischen dem avisierten und dem tatsächlich geschlossenen Vertrag. Das Gericht ist aber, anders als die oben aufgeführte Ansicht, der Meinung, dass der Makler sich seinen Maklerlohn stets auch dann verdient habe, wenn der Maklerkunde das Objekt zu einem niedrigeren Kaufpreis, als er Gegenstand des Nachweises war, erworben hat. Dies sei deshalb anzunehmen, da in einem solchen Fall eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit zwischen dem angestrebten und dem geschlossenen Geschäft vorläge, sodass die grundsätzlich erforderliche Kongruenz ausnahmsweise entbehrlich sei. Trotz der inhaltlichen Abweichung zwischen avisiertem und geschlossenem Vertrag erziele der Maklerkunde durch den Vertragsschluss den gleichen geplanten wirtschaftlichen Erfolg. Es liegt, so das OLG Hamm, mithin eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit vor, bei der es dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche, wenn sich der Maklerkunde auf eine fehlende Kongruenz zwischen dem geschlossenen und dem beabsichtigten Kaufvertrag beriefe. Nur beim Hinzutreten besonderer, vom Gericht nicht benannter Umstände, könne die Berufung des Maklerkunden auf die fehlende Kongruenz als mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbar anzusehen sein.
Auch die Argumentation der Gegenansicht, dass dem Makler das Verhandlungsgeschick seines Kunden nicht zugutekommen dürfe, weißt das Gericht zurück. Es stellt hierzu in erster Linie darauf ab, dass zwischen dem Makler und dessen Kunde regelmäßig ein bestimmter Prozentsatz des Kaufpreises als Provision vereinbart wird. Reduziere sich der Kaufpreis durch Verhandlungsgeschick des Maklerkunden, sinke auch die Provision des Maklers, sodass ein Vorteil nicht entstehe.
cc) Streitentscheid möglicherweise entbehrlich
Beide Ansichten gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodass ein Streitentscheid grundsätzlich erforderlich ist. Ein solcher könnte vorliegend jedoch entbehrlich sein, wenn der Klägerin unabhängig vom Vorliegen des Hauptvertrages ein Maklerlohnanspruch zusteht, da sich in diesem Fall denknotwendig auch die Frage nach den Konsequenzen der fehlenden Kongruenz erübrigen würde. Eine solche erfolgsunabhängige Vergütung könnte sich aus Ziffer 10 der AGB der Klägerin ergeben. Dort ist festgelegt, dass der Klägerin auch dann ein Provisionsanspruch zusteht, wenn der Vertrag zu Bedingungen abgeschlossen wird, die vom Angebot abweichen, oder wenn und soweit im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem ersten Vertrag vertragliche Erweiterungen und Ergänzungen zustande kommen bzw. ein gleiches oder ähnliches Geschäft abgeschlossen wird. Die AGB-Klausel müsste wirksam sein.
Anmerkung: Es muss nun eine AGB-Kontrolle durchgeführt werden.
(1) Vorliegen von AGB
Bereits der Sachverhalt stellt klar, dass es sich bei der fraglichen Klausel um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt.
(2) Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB eröffnet
Der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB müsste eröffnet sein. Dieser bestimmt sich anhand von § 310 BGB. Aufgrund der Unternehmereigenschaft der Beklagten (§ 14 Abs. 1 BGB) finden sowohl die §§ 305 Abs. 2 und 3 BGB als auch die §§ 308 und 309 BGB gem. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB keine Anwendung. § 310 Abs. 1 S. 2 BGB stellt allerdings klar, dass die Wertungen der §§ 308 und 309 BGB bei der Inhaltskontrolle im Rahmen des § 307 BGB zu berücksichtigen sind.
(3) Inhaltskontrolle
Ziffer 10 der AGB der Klägerin könnte gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sein. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Bestimmung in den AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine solche unangemessene Benachteiligung ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn die in Rede stehende Bestimmung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von denen durch die AGB abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
Die Norm des § 652 Abs. 1 BGB enthält nachgiebiges Recht und ist daher grundsätzlich abdingbar. Ein Makler kann sich somit eine Vergütung auch ohne Rücksicht auf den Erfolg seiner Tätigkeit sichern. Dies ist zumindest dann unbedenklich, wenn eine solche erfolgsunabhängige Vergütung individualvertraglich vereinbart wird, denn dann haben schließlich beide Vertragsteile die Möglichkeit, Einfluss auf den Vertragsinhalt zu nehmen. Zum Leitbild der gesetzlichen Regelung des Maklerrechts gehört es jedoch nach einhelliger Auffassung im Schrifttum und in der Rechtsprechung, dass eine erfolgsunabhängige Maklerprovision nicht geschuldet ist. Der Makler verlangt, anders als ein Dienstleister, regelmäßig eine erfolgsabhängige, prozentual auf den Vertragsgegenstand bezogene Provision. Mit der Vereinbarung einer solchen Provision entscheidet er sich für das Leitbild des § 652 BGB und muss sich mithin auch an diesem messen lassen. Die Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Maklerprovision in den AGB weicht somit vom Leitbild des Maklervertrages ab und benachteiligt hierdurch den Kunden in unangemessener Weise.
Ziffer 10 der AGB der Klägerin ist folglich gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Der Makleranspruch der Klägerin besteht demzufolge nicht unabhängig vom Abschluss des Hauptvertrages, sodass sich auch die Frage der Konsequenzen der fehlenden Kongruenz weiterhin stellt. Der oben geführte Meinungsstreit muss mithin entschieden werden.
dd) Streitentscheid
Es spricht vieles dafür, trotz der inhaltlichen Abweichung zwischen avisiertem und geschlossenem Vertrag davon auszugehen, dass der Maklerkunde durch den Abschluss des Hauptvertrages seinen geplanten wirtschaftlichen Erfolg erzielt. Daran ändert auch die Tatsache, dass der Maklerkunde das begehrte Objekt zu einem bedeutend günstigeren Preis erwirbt, nichts. Würde man den Maklerlohnanspruch mangels Kongruenz verneinen, würde es zu einer ungerechtfertigten doppelten Bevorteilung des Maklerkunden kommen. Er würde so nicht nur zu einem deutlich günstigeren Kaufpreis kaufen, sondern sich darüber hinaus auch noch die ursprünglich eingeplante Maklerprovision ersparen. Ein Grund für diesen doppelten Vorteil ist nicht ersichtlich. Vielmehr erscheint es nicht gerecht, dem Makler trotz der Erbringung seiner Maklerleistung den Maklerlohnanspruch zu verwehren, nur weil sein Kunde zu einem deutlich günstigeren Kaufpreis kauft.
Richtig ist auch, dass zwischen dem Makler und dessen Kunde regelmäßig ein bestimmter Prozentsatz des Kaufpreises als Provision vereinbart wird. Reduziert sich der Kaufpreis durch Verhandlungsgeschick des Maklerkunden, sinkt daher auch die Provision des Maklers, sodass ein Vorteil zu dessen Gunsten in der Regel nicht entsteht. Die Argumentation, dass dem Makler das Verhandlungsgeschick seiner Kunden nicht zugutekommen soll, überzeugt demnach ebenfalls nicht. Es ist mithin der Ansicht des OLG Hamm zu folgen, die dem Makler den Anspruch auf seinen Maklerlohn, trotz der fehlenden Kongruenz zwischen beabsichtigtem und geschlossenem Vertrag, aufgrund der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit der Verträge, zuspricht.
Anmerkung: Hier lassen sich mit guten Argumenten sicherlich beide Ansichten vertreten, wobei mit der Ansicht des OLG Hamm die Prüfung fortgesetzt und so noch die Kausalität der Maklerleistung für den Vertragsschluss geprüft werden kann. Folgt man hingegen der erstgenannten Ansicht endet die Klausur mangels Kongruenz bereits vor der Prüfung der Kausalität und die dort möglicherweise auftretenden Probleme können nur noch hilfsgutachtlich geprüft werden. Die Entscheidung des Meinungsstreits kann folglich auch von klausurtaktischen Erwägungen abhängig gemacht werden.
4. Kausalität der Maklerleistung für den Vertragsschluss
Schließlich müsste auch die Kausalität zwischen der Maklerleistung und dem Abschluss des Hauptvertrages vorliegen, wobei eine Mitursächlichkeit bereits ausreicht. Die Kausalität ist grundsätzlich dann zu verneinen, wenn bereits Vorkenntnis von dem Objekt bestanden hat. Zwar hatte die Beklagte bereits im Jahre 2005 Verhandlungen mit der Eigentümerin über den Kauf des Grundstücks geführt, jedoch begründet diese Vorkenntnis von der Verkaufsbereitschaft nicht auch das Wissen, dass die Verkaufsbereitschaft auch bei Vertragsschluss sechs Jahre später noch besteht. Es liegt somit keine Vorkenntnis vom Objekt vor. Die Maklerleistung der Klägerin ist mithin auch kausal für den Abschluss des Kaufvertrages, sodass sämtliche Voraussetzungen des Maklerlohnanspruches erfüllt sind.
Die Klägerin hat somit gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Maklercourtage in Höhe von 18.750 Euro gem. § 652 Abs. 1 S. 1 BGB.
IV. Fazit
Die vorgestellte Entscheidung des OLG Hamm beschäftigt sich mit dem examensrelevanten Maklerrecht. Für die Prüfung genügt es jedoch, die Grundzüge dieses Rechtsgebiets zu beherrschen. Wichtiger als auswendig gelerntes Detailwissen ist es, die auftretenden Probleme an den richtigen Stellen im Prüfungsaufbau anzusprechen. Der vorgestellte Prüfungsaufbau soll einen möglichen Weg hierfür aufzeigen. Wichtig ist es, sich die im Folgenden noch einmal genannten Grundaussagen des Falles zu verinnerlichen:
- Die Regelung einer erfolgsunabhängigen Provision in den AGB eines Maklers ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
- Trotz der fehlenden Kongruenz zwischen avisiertem und geschlossenem Vertrag, steht dem Makler nach Ansicht des OLG Hamm, aufgrund der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit der Geschäfte, regelmäßig ein Maklerlohnanspruch zu.
Noch anzumerken ist, dass das OLG Hamm die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Bezug auf die Konsequenzen der fehlenden Kongruenz zugelassen hat.
Der BGH hat in einem Urteil vom 13. Januar erneut die Rechte von Gaskunden gestärkt und einer Klage von Kunden eines Gasversorgers gegen Preiserhöhungen stattgegeben.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen, die von der Beklagten, einem kommunalen Versorgungsunternehmen im Ruhrgebiet, einseitig vorgenommen worden waren. Die 180 Kläger schlossen spätestens im September 2004 mit der Beklagten Gaslieferverträge nach den Sonderabkommen SOA1 und SOA2. Die von der Beklagten vorformulierten Bedingungen für das Sonderabkommen lauten auszugsweise wie folgt (bei Verträgen, die vor 1984 abgeschlossen wurden, haben die Bedingungen einen geringfügig abweichenden Wortlaut):
„4. Die Stadtwerke [= Beklagte] behalten sich eine Änderung der Preise und Bedingungen dieses Sonderabkommens vor. Für das Wirksamwerden genügt eine entsprechende Veröffentlichung in der […] Tagespresse. Ist der Kunde mit einer Änderung nicht einverstanden, so kann er das Sonderabkommen mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Monats schriftlich kündigen und eine weitere Belieferung zu den Preisen und Bedingungen der Sondervereinbarung oder als Tarifkunde nach den AVBGasV und den hierzu jeweils gültigen Anlagen der Stadtwerke und damit insbesondere zu den „Allgemeinen Tarifen“ verlangen. Die vereinbarte Vertragslaufzeit bleibt hiervon unberührt.
5. Soweit in diesem Sonderabkommen nichts anderes vereinbart ist, gelten die Bestimmungen der AVBGasV entsprechend.
…
9. Die Laufzeit dieses Vertrages beträgt – soweit nichts anderes vereinbart – zwei Jahre; er verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird.“
Die Beklagte erhöhte die Arbeitspreise zum 1. Oktober 2004, 1. April 2005, 1. Oktober 2005, 1. Januar 2006 und zum 1. Oktober 2006. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Feststellungsklage. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Dagegen wiederum legten die Kläger Revision ein.
Schema für Prüfung von AGB
Der Lösung des Sachverhalts sei zunächst einmal zu Wiederholungs- und Orientierungszwecken das Schema für die Prüfung von AGB vorgeschaltet.
I. Anwendungsbereich
1. persönlicher Anwendungsbereich: § 310 I
2. sachlicher Anwendungsbereich: § 310 II, IV
II. Vorliegen von AGB: Legaldefinition in § 305 I BGB
„…für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt.“
III. Wirksame Einbeziehung
1. Einbeziehungsvereinbarung, § 305 II BGB
2. Einbeziehung in besonderen Fällen, § 305 a BGB
3. keine vorrangige Individualabrede, § 305 b BGB
4. keine überraschende Klausel, § 305 c I BGB
5. Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwender, § 305 c II BGB
IV. Inhaltskontrolle
1. Auslegung der Klausel: §§ 133, 157 BGB, beachte § 305 c BGB
2. Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle: § 307 III BGB
3. Inhaltskontrolle:
a. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit,§ 309 BGB
b. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB
c. Generalklausel, § 307 BGB
i. § 307 II BGB
ii. § 307 I BGB
V. Rechtsfolge
Bei zulässigem Inhalt werden die AGB wirksamer Bestandteil des Vertrags.
Bei unzulässigem Inhalt:
1. Klausel unwirksam (keine geltungserhaltende Reduktion), § 306 I BGB, im Übrigen bleibt die AGB grundsätzlich wirksam
2. Statt der unwirksamen Klausel gelten insoweit nach § 306 II die gesetzlichen Bestimmungen (Anwendung dispositiver Gesetzesvorschriften)
3. Nur ausnahmsweise ganzer Vertrag unwirksam, § 306 III
4. ggf. ergänzende Vertragsauslegung
Entscheidung / Lösung des Sachverhalts
Zu problematisieren war in diesem Urteil wie auch in vielen Examensklausuren mit eingebauter AGB-Prüfung, ob die AGB einer Inhaltskontrolle standhalten. Da die vorrangig zu prüfenden §§ 309, 308 BGB nicht einschlägig sind, muss auf die Generalklausel des § 307 BGB zurückgegriffen werden.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die umstrittenen Gaspreiserhöhungen unwirksam sind, weil die Preisanpassungsklauseln in den Formularverträgen einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhalten und deshalb kein Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung des Gaspreises besteht. Die Preisanpassungsklauseln benachteiligen die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben jedenfalls deshalb unangemessen, weil sie nur das Recht des Versorgers vorsehen, Änderungen der Gasbezugskosten an die Kunden weiterzugeben, nicht aber die Verpflichtung, bei gesunkenen Gestehungskosten den Preis zu senken. Eine Preisanpassungsklausel muss aber das vertragliche Äquivalenzverhältnis wahren und darf dem Verwender nicht die Möglichkeit geben, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.
Rechtsfolge bei unzulässigem Inhalt ist die Unwirksamkeit der Klausel. Im Übrigen bleibt der Vertrag wirksam, vgl. § 306 I BGB. Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften, § 306 II BGB.
Das Berufungsgericht hatte dem Gasbetreiber jedoch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisänderungsrecht zugebilligt. Doch auch dies hat der BGH abgelehnt.
Eine ergänzende Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt nur dann in Betracht, wenn die entstehende Regelungslücke zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschiebt. Das ist angesichts der für das Versorgungsunternehmen bestehenden Kündigungsmöglichkeiten nicht der Fall.
In einer Klausur würde man sich positiv hervorheben, wenn man auf die Idee der ergänzenden Vertragsauslegung kommt, diese aber wegen der vom BGH genannten Gründe verneint.
Examensrelevanz
AGB sind unbeliebt bei vielen Studenten, aber beliebter Bestandteil in Zivilrecht Examensklausuren. Auch die hohe Anzahl der BGH Urteile in den letzten zwei Jahren (vgl. dazu auch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 29. April 2008 – KZR 2/07, Pressemitteilung Nr. 86/2008, vom 21. April 2009 – XI ZR 78/08, Pressemitteilung Nr. 81/2009, und vom 15. Juli 2009 – VIII ZR 225/07 und VIII ZR 56/08, Pressemitteilungen Nr. 152 und 153/2009, zuletzt Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 2009 – VIII ZR 320/07, Pressemitteilung Nr. 220/2009) sprechen dafür, dass die Prüfung einer AGB Gegenstand einer der nächsten Examensklausuren sein könnte.
Urteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 81/08
LG Essen – Urteil vom 17. April 2007 – 19 O 520/06
OLG Hamm – Urteil vom 6. März 2008 – 2 U 114/07
Bild: pixelio.de
BGH-Urteil vom 4. 2. 2009 – VIII ZR 32/08 = NJW 2009, 1337
Ohne hier groß den konkreten Sachverhalt zu schildern, möchte ich kurz auf die folgenden Leitsätze aus dem o.g. Urteil aufmerksam machen, da es sich hier um eine durchaus examensrelevante Problematik handelt, die bei einer falschen Bewertung die komplette Klausur in die falsche Richtung laufen lässt:
1. Die im Produktkatalog eines Mobiltelefonanbieters enthaltenen Hinweise „Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Abbildungen ähnlich“ stellen keine Vertragsbedingungen i.S. von § 305 I BGB dar.
Es handelt sich um Hinweise ohne eigenständigen Regelungsgehalt, die lediglich zum Ausdruck bringen, dass die im Katalog enthaltenen Angaben insoweit vorläufig und unverbindlich sind, als sie vor oder bei Abschluss eines Vertrags noch korrigiert werden können.
Ein vertraglicher Regelungsgehalt, insbesondere eine etwaige Beschränkung der Rechte des Vertragspartners in haftungs- oder gewährleistungsrechtlicher Hinsicht, kann diesen Hinweisen nicht entnommen werden.
2. Unzutreffenden Katalogangaben ist wettbewerbsrechtlich zu begegnen.
Das Urteil zeigt, dass nicht immer bei vorformulierten Texten AGB i.S.v. § 305 I BGB vorliegen müssen. Eine ABG-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB erübrigt sich dann. Zu diskutieren ist dieses Problem bei dem Merkmal „Vertragsbedingungen“. Im konkreten Fall ging es bei einem Mobilfunkanbieter um die Klausel „Alle Preise inkl. MwSt! Solange der Vorrat reicht! Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Abbildungen ähnlich“.
Sofern die Klausel unzutreffend sein sollte oder die Kunden in die Irre führt, besteht nur noch die Möglichkeit über wettbewerbsrechtliche Instrumente nach dem UWG vorzugehen, dessen Voraussetzungen hier mangels examensrelevanz jedoch nicht erörtert werden sollen.