LG Köln: Religiöse Beschneidung von Kindern und Jugendlichen verboten.
Das LG Köln (Urteil vom 07.05.2012 – 151 Ns 169/11) hat entschieden, dass die religiöse Zirkumzision (Beschneidung) von Kindern und Jugendlichen eine strafbare Körperverletzung darstellt, die nicht durch die Einwilligung der Eltern bzw. als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Religions- und Erziehungsfreiheit gerechtfertigt ist. Das Thema ist in wissenschaftlicher Hinsicht bereits seit längerer Zeit ein (strafrechtlicher) Dauerbrenner (siehe etwa den Aufsatz von Herzberg, ZIS 2010, 471 ff. [hier geht´s zur ZIS] gegen den Beitrag von Fateh-Moghadam, RW 2010, 115 ff. [eine gekürzte Ausgabe des letztgenannten Aufsatzes findet sich hier]). Das LG Köln hat jetzt aber als erstes Gericht ein Urteil hierzu vorgelegt.
Bisher war lediglich anerkannt, dass eine Körperverletzung dann vorliegt, wenn eine Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern nicht erfolgt ist oder wenn ein noch nicht einwilligungsfähiger Minderjähriger eingewilligt hat. Dabei wurde keine starre Altersgrenze gezogen, sondern stattdessen auf die individuelle Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen und seine Fähigkeit zur Ausübung der Religionsfreiheit abgestellt (siehe hierzu etwa: OLG Frankfurt v. 21.08.2007 – 4 W 12/07 [zivilrechtliche Entscheidung]).
Im Hinblick auf das aktuelle Urteil des LG Köln sei hingewiesen auf eine knappe Urteilsanmerkung von Prof. Dr. Holm Putzke in der LTO, die hier zu finden ist und sowohl den Sachverhalt als auch die Entscheidung kurz beleuchtet.
Allgemein zum Thema „ärztlicher Heileingriff als Körperverletzung siehe auch folgenden Beitrag: https://wp.me/pzHHi-14Q
Was ich nicht verstehe, ist, über welchen Rechtfertigungsgrund überhaupt diskutiert wird – in welchem Rahmen findet denn die Abwägung Kindeswohl – Religionsfreiheit überhaupt statt?
Art. 4 GG ist ja nach wohl h.M. gerade kein Rechtfertigungsgrund.
Es wird diskutiert ob eine – wirksame – Einwilligung der Eltern vorlag. Eine solche muss dann bestehen, wenn das Kind nicht selbst einwilligungsfähig ist. Grundsätzlich liegt eine solche Einwilligung bei der Beschneidung zwar vor, die Frage ist, ob diese aber unwirksam ist, weil sie gegen das Kindeswohl verstößt. Und hier kommt dann die religionsfreiheit ins Spiel (wohl der Eltern und nicht des Kindes selbst – aber auch das kann anders gesehen werden), die in Verbindung zum Erziehungsrecht der Eltern tritt. Es stellt sich dann die Frage, ob die Eltern wirksam in die – tatbestandliche und medizinisch nicht indizierte – Körperverletzung einwilligen können, weil die Religionsfreiheit dies besonders schützt.
Es geht laut dem LG Köln auch um die Religionsfreiheit des Kindes. Das Kind soll, sobald es religionsmündig ist, selber entscheiden können, welcher Religion es angehören möchte und ob es sich dementsprechend beschneiden lässt oder nicht.
Zur Abwägung stehen also auf Elternseite Art. 4 und 6 GG, auf Kindesseite Art. 2 und 4 GG.
Also nicht über § 228 und das Merkmal der „Sittenwidrigkeit“. Ich hätte es jetzt intuitiv daran festgemacht und dann elterliches Erziehungsrecht, Glaubensfreiheit und medizinische etc. abgewogen.