BGH: Sittenwidrigkeit der Körperverletzung trotz Einwilligung in Schlägerei
Anm. zu BGH, Beschluss v. 20.2.2013 – 1 StR 585/12
1. Um was gehts?
Nach der Pressemitteilung des BGH hatten zwei rivalisierende Gruppen Jugendlicher bzw. junger Erwachsener nach vorangegangenen wechselseitigen Provokationen verabredet, sich miteinander zu schlagen. Die an dieser faktisch zustande gekommenen Übereinkunft Beteiligten beider Gruppen stimmten zu, die Auseinandersetzung auch mit Faustschlägen und Fußtritten auszutragen. Den Eintritt selbst erheblicher Verletzungen billigten sie jeweils. Im Verlaufe der wechselseitigen Tätlichkeiten erlitten mehrere Angehörige einer Gruppe nicht unerhebliche Verletzungen. So musste etwa einer der Beteiligten drei Tage stationär, davon einen Tag auf der Intensivstation, behandelt werden. Das LG Stuttgart hat drei heranwachsende Mitglieder der gegnerischen Gruppe wegen von ihnen begangener oder als Mittäter der übrigen Gruppenmitglieder zu verantwortender gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzungen (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) zu unterschiedlichen Sanktionen des Jugendstrafrechts verurteilt. U.a. hiergegen richtete sich die Revision der Betroffenen beim BGH.
2. Was sagt das Gericht?
Der BGH hat die Verurteilungen der drei Heranwachsenden bestätigt und dabei insbesondere eine vorherige Einwilligung in die begangenen Körperverletzungen nach § 228 StGB ausgeschlossen.
a) Gemäß der letztgenannten Vorschrift handelt ein Täter trotz Einwilligung des Opfers in die begangene Körperverletzung dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Ein solches hat der BGH vorliegend angenommen. Die Pressemitteilung teilt hierzu Folgendes mit:
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat bislang bereits Einwilligungen von späteren Opfern von Körperverletzungen keine rechtfertigende Wirkung beigemessen, wenn die Taten mit einer konkreten Gefahr des Todes für die Opfer verbunden sind. Nunmehr hat der 1. Strafsenat deutlich gemacht, dass, jedenfalls bei wie hier verabredeten wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen Gruppen, § 228 StGB die Wirksamkeit der erteilten Zustimmung zu eigenen Verletzungen regelmäßig ausschließt, weil die typischerweise eintretenden gruppendynamischen Prozesse generell mit einem so erheblichen Grad an Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Kontrahenten verbunden sind, dass die Grenze der „Sittenwidrigkeit“ der Taten überschritten ist.
b) Im Folgenden werden in der Pressemitteilung Abgrenzungshinweise zu ähnlichen Situationen gegeben. Dies betrifft zum einen verabredete Schlägereien zwischen rivalisierenden Hooligan-Gruppen (sog. „Dritte Halbzeit“), die mit dem vorstehend entschiedenen Sachverhalt als vergleichbar erachtet werden:
Selbst wenn solche körperlichen Auseinandersetzungen auf getroffenen Abreden über die Art des „Kampfes“ beruhen, werden sich die Taten wegen der typischen Eskalationsgefahren trotz der Einwilligungen sämtlicher Beteiligten als Verstoß gegen die „guten Sitten“ erweisen.
Zum anderen sollen demgegenüber mit erheblichen Gesundheitsgefahren verbundene Sportwettkämpfe auch bei einer Austragung durch Mannschaften nicht betroffen sein:
Das vorhandene Regelwerk der Sportarten, dessen Einhaltung regelmäßig durch eine neutrale Instanz kontrolliert wird, begrenzt üblicherweise den für die Beteiligten vorhandenen Gefährdungsgrad. Wie schon bisher sind strafbare Körperverletzungen hier erst dann gegeben, wenn diese aus grob regelwidrigem Verhalten hervorgehen.
3. Warum ist die Entscheidung interessant?
a) Mit dem vorliegenden Beschluss bleibt der BGH der Linie seiner neueren Rechtsprechung treu, wonach die Sittenwidrigkeit der Körperverletzung maßgeblich durch den Umfang der vom Opfer hingenommenen körperlichen Misshandlung oder Gesundheitsschädigung und dem Grad der damit verbundenen Leibes- oder Lebensgefahr abhängig ist (vgl. dazu etwa BGH, Urteil v. 26.5.2004 – 2 StR 505/03 = BGHSt 49, 166 ff. = NJW 2004, 2458 ff.). Dies kann grundsätzlich durchaus begrüßt werden, da hiermit dem schwierig zu subsumierenden, da unbestimmten, Rechtsbegriff der „guten Sitten“ eine relativ trennsichere, rechtsgutsbezogene Auslegung beigelegt wird und somit Bedenken wegen dessen Unbestimmtheit nach Art. 103 Abs. 2 GG entschärft werden können.
b) Bereits an anderer Stelle wurde indes darauf hingewiesen, dass eine solch strikte Folgenbetrachtung nicht in jedem Fall durchzuhalten ist, wenn z.B. die Lebensgefahr des Opfers aus einer Rettungsmotivation des Täters heraus erfolgt. Gedacht sei etwa das Beispiel, dass ein Pkw-Fahrer seinen besten Freund, der gerade einen Herzinfarkt erlitten hat, auf dessen Wunsch mit überhöhter Geschwindigkeit zum Krankenhaus fährt und dabei von der Fahrbahn abkommt, so dass sein Freund erhebliche Unfallverletzungen erleidet. Hier von einer fahrlässigen Körperverletzung auszugehen, obwohl der Patient dem Handeln des Pkw-Fahrers zugestimmt hatte, ist nicht unbedingt überzeugend. Daher erscheint es angebracht, jedenfalls ergänzend zur Schwere der drohenden Verletzungen die Gesinnung des handelnden Täters heranzuziehen, und zwar in dem Sinne, dass eine hohe Todesgefahr bzw. das Risiko schwerer Gesundheitsschädigungen zwar als wesentlicher Indikator für eine Sittenwidrigkeit der Tat behandelt wird, der jedoch von Fall zu Fall – im Sinne einer „Gegenprobe“ – durch eine billigenswerte Motivation des Täters „entschärft“ werden kann.
c) Auch bei diesem modifizierenden Ansatz bleibt im Übrigen die im vorliegenden Fall vorgenommene Abgrenzung zwischen der Strafbarkeit verabredeter Schlägereien und dem Eingreifen der rechtfertigenden Einwilligung bei sportlichen Wettkämpfen erhalten: Neben dem überzeugenden Hinweis des BGH darauf, dass bei „echten“ Sportwettkämpfen aufgrund des hier vorhandenen Regelwerks und der Kontrolle der Einhaltung desselben durch einen oder mehrere Schiedsrichter die Gefahr schwerer Gesundheitsschädigungen erheblich gemindert ist, ist auch die Motivation in beiden Fällen unterschiedlich: Während bei Sportveranstaltungen das in unserer Gesellschaft allseits akzeptierte Element des Wettbewerbs, des Kräftemessens zwischen unterschiedlichen Mannschaften und Einzelkontrahenten im Vordergrund steht, tritt bei verabredeten Schlägereien der Beweggrund der Schädigung des Gegenübers in den Vordergrund. Die Verletzung des „Feindes“ ist damit die eigentliche Antriebsfeder für die körperliche Betätigung, was sich auch in den vom BGH beschriebenen „gruppendynamischen Prozessen“ manifestiert, die sich bei verabredeten Gruppenschlägereien ergeben können. Demgemäß sind auch bei einer ergänzenden Heranziehung der Motivation des Täters Sportarten wie Boxen oder auch das sog. „Ultimate Fighting“, so lange sie nicht zu einen bloßen Deckmantel für eine eigentlich intendierte, größtmögliche Beeinträchtigung des „Feindes“ degenerieren, erlaubt. Zur (grundsätzlich fehlenden) Strafbarkeit der letzteren Sportart sei schließlich noch auf einen ausführlichen Artikel hier verwiesen.
Wie angeführt soll der objektiv nötige Indikator die Todesgefahr bzw. die Gefahr schwerer Körperverletzungen sein, jedoch wird eine Bestrafung nach § 224 I Nr. 5 StGB nicht Erwägung gezogen. Somit lag anscheinend nicht einmal eine abstrake Lebensgefährlichkeit vor. Der BGH weitet also im Endefekt das objektive Kriterium der Sittenwidrigkeit aus und lässt eine Gefahrerhöhung, die vorliegend auf den typisch unberechenbaren Ablauf und den Mangel an Sichernugsmaßnahmen basiert, ausreichen.
Jedoch ist fragwürdig, wie hoch die Gefahrerhöhung sein muss, denn letztlich hatten die hier zugefügten Körperverletzungen anscheinend nicht die Schwelle zur Lebensgefährlichkeit überschritten und die Handlungen der Täter nicht einmal eine abstrake Lebensgefährlichkeit begründet.
Daher scheint mir der einzige Grund ihrer Bestrafung die Teilnahme an einer Schlägerei zu sein, die jedoch wiederum in § 231 StGB geregelt ist und eine objektive Bedingung der Strafbarkeit voraussetzt.
Es würde doch einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn der Gesetzgeber in § 231 StGB die Strafbarkeit für die Teilnahme an eine objektive Bedingung anknüpft, eine Einwilligung bzgl. der körperlichen Unversehrheit generell möglich ist und diese erst bei einer mindestens abstrakten Lebensgefahr als sittenwidrig angesehen wird, aber nun einzelne Tatbestandsmerkmale miteinander kombiniert werden und so letztlich eine Strafbarkeit doch hergestellt wird.
Ich verstehe den Grund, warum der BGH so entschieden hat, aber dogamtisch scheint dies schon sehr fragwürdig zu sein.
Wer mir helfen will meinen Horizont zu erweitern und es besser nachvollziehen zu können, ich würde mich riesig freuen 🙂
„gegen die guten Sitten“, DAS ist faschistoid.
Dass man das sanktionieren könnte, wenn es an einem öffentlichen Ort geschieht (evtl. Landfriedensbrich…), naja.
Wenn das aber auf Privatgrund geschieht, hat der Staat sich da rauszuhalten. Wäre Ich im Besitz einer großen Halle, Scheune etc., ich würde sie dafür bereit stellen.
Nur um mich gegen das Gesetz zu stellen.
Genau so, wie ich auf einem Grundstück einen SB-Galgen aufstellen darf, auf dem sich jeder umbringen darf.
Ich sähe sogar Notwehrrecht aus den Menschenrechten gegen Polizisten.
Ein Gericht hat dem berühmten blauen Radfahrer gesagt, er hätte sich gegen den Polizisten wehren dürfen…
Wo ist der Unterschied, wenn sich zwei hochbezahlte Boxer vor kaufenden Kameras zu Brei schlagen, den Kiefer brechen etc.?
Klaaaar, die „sportliche Motivation“ 0_o …
Weil das Bundesregime Deutschland da mitkassiert (Steuern…)?
Auch bei diesen Boxkämpfen besteht die „konkrete Gefahr des Todes“.
Im Gegensatz zu Amateuren tragen die Profis nicht mal Kopfschutz.
Jeder Mensch darf sich umbringen, da hat der Staat auch kein Eingriffsrecht, auch dann nicht, wenn es Live über Periscope und Co. übertragen würde.
Von diesem Beispiel werden wir evtl. noch in nicht allzu ferner Zukunft hören.
Ich plane eine Webseite auf der man seinen Suizid ankündigen und wenn man will übertragen darf…
Ich erinnere daran, dass das Regime ja auch mal ein SM-Paar für deren wechselseitig einvernehmliche Körperverletungen Anklagte, und ich glaube Verurteilte!
Aber Notärzte die einen Verletzten trotz Ablehnung behandeln kommen frei, nur weil sie ihren „nicht zurechnungsfähig“-Zauberspruch aufsagen?
Wäre ich in der Sitation, der Notarzt würde sich danach wünschen mich nicht gerettet zu haben…
Ich würde versuchen sein Leben zu vernichten, seinen Ruf, sein Sozialleben…
Die Verurteilten hier sollten ALLE wenigstens regelmäßig online den Richter und Staatsanwalt beleidigend erwähne, und auf allen Onlineplattformen wie Yelp, Facebook (Rezensionen) etc. eine miese Bewertung des Gerichtes, mit beleidigender Nennung des Richters mit Klarnamen vornehmen.
Ich habe einer Richterin des AG Dorsten aufgrund ihres Verhaltens im MC-Drive-Fall einen miesen Charakter attestiert. Bei Yelp und Facebook.
Da sollte man keine obrigkeitshörige Feigheit zeigen… DAS ist auch Zivilcourage.
Grüße,
Tobias Claren
Kein „trollen“, alles ist ernst geeint. Auch die Suizidwebseite. Und zwar aus guten sozialen Gründen des provokativen Anprangerns der Misstände, der Hintergründe für Suizid, wie z.B. Hartz4.
So etwas hätte evtl. EInfluss auf die Meinung der Bürger.
Die Landesmedienanstalten würden es „Meinungsbildend“ nennen.
Und damit evtl. politischen Einfluss, EInfluss auf das Wahlverhalten…