„Checkliste“ im Zivilrecht – Bereicherungsrecht
Nachdem Euch bereits für das Strafrecht eine „Checkliste“ in Form einer nicht abschließenden Übersicht über die bekanntesten und klausurrelevantesten Problemschwerpunkte an die Hand gegeben wurde, findet Ihr hier selbiges auch für den Bereich des Bereicherungsrechts.
Gegliedert ist die Checkliste ungefähr nach der Abfolge der Schritte zur Prüfung eines Bereicherungsanspruchs. Sie soll vor allem als eine Hilfe zum Repetieren verstanden werden, mit der vor einer Klausur eine Kontrolle des eigenen Wissens erfolgen kann.
A. Bereicherungsrecht (generell) anwendbar?
– Insb.: Ausschluss durch EBV?
B. Tatbestand:
I. Bereicherungsgegenstand:
– Rechte aller Art
– Besitz
– Grundbuchposition
– Befreiung von Verbindlichkeiten
– Ersparnis von Aufwendungen
II. Leistungskondiktionen (LK):
1. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB – Leistung bei Fehlen eines rechtlichen Grundes:
a. Leistungsbegriff, insb. maßgeblicher Horizont.
b. Leistungsbeziehungen bei Drei-Personen-Verhältnissen: Abgrenzung zwischen Anwendbarkeit von LK oder NLK. Wichtige Fallgruppen:
– Anweisungsfälle
– Lastschriftverfahren
– Tilgung fremder Schulden („Onkelfälle“)
– Unechter Vertrag zugunsten Dritter
– Echter Vertrag zugunsten Dritter
– Forderungszessionen: Abtretung einer nicht bestehenden Forderung und fehlgeschlagene Abtretung einer bestehenden Forderungszession.
c. Von Anfang an ohne rechtlichen Grund:
– Anfechtung gem. § 142 BGB wg. Rückwirkung als Fall des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB?
– Ausweitung durch § 813 BGB auf dauernde Einreden (Gegenausnahme: Verjährung, § 813 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 214 Abs. 2 BGB).
d. Kein Ausschluss des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB:
aa. § 814 BGB (aber: gilt nicht bei Leistung unter Vorbehalt)
bb. § 817 S. 2 BGB (gilt – entgegen Wortlaut – auch bei einseitigem Rechts-/Sittenverstoß nur des Leistenden!):
– verengter Leistungsbegriff bei Kreditvergabe.
– Anspruch des sittenwidrig handelnden Darlehensgebers auf angemessenes Entgelt?
– Ausnahme § 242 BGB (z.B. Schwarzarbeiterfall).
– Anwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB auch auf konkurrierende (insb.: dingliche) Ansprüche?
2. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB – Leistung bei Wegfall des rechtlichen Grundes:
– Abgrenzung zum Rückgewährschuldverhältnis bei Rücktritt von Verträgen.
– Abgrenzung zum Familienrecht: insb. „unbenannte Zuwendungen“.
– Abgrenzung zum Schenkungsrecht: §§ 528, 530 ff. BGB.
– Wegfall des rechtlichen Grundes: Anfechtung gem. § 142 BGB als Fall des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB?
3. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB – Nichterreichung des mit der Leistung verfolgten Zwecks:
– Abgrenzung zu § 313 BGB: „vorausgesetzter“ vs. „vereinbarter“ Zweck.
– Abgrenzung zu § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB – vereinbarter Zweck oder Bedingung i.S.d. § 158 BGB?
– Abgrenzung zu sonstigen Leistungskondiktionen allgemein: Leistungszweck darf nicht (ausschließlich) in der Erfüllung einer Verbindlichkeit liegen.
– Übrig bleibende Fälle: insb. Vorleistungen in Erwartung eines Verhaltens, auf welches kein Anspruch besteht.
– Kein Ausschluss des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB: § 815 BGB.
4. § 817 S. 1 BGB – Rechts- oder Sittenverstoß bei Leistung:
a. Rechts-/sittenwidriges Handeln gerade des Empfängers (!) der Leistung.
b. Kein Ausschluss der LK nach § 817 S. 2 BGB:
– Ausnahme § 242 BGB (z.B. Schwarzarbeiterfall).
– Anwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB auch auf konkurrierende (insb.: dingliche) Ansprüche?
III. Nichtleistungskondiktionen (NLK):
1. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB – entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten:
– Verfügung: nur rechtsgeschäftlich (keine ZV), ggf. Ausnahme aus Wertungsgesichtspunkten bei Einbaufällen; nicht: schuldrechtliche Geschäfte (str. bei Vermietung/Verpachtung).
– Nichtberechtigter (auch bei nachträglicher Genehmigung des Berechtigten!).
– Wirksamkeit der Verfügung (z.B. §§ 932 ff. BGB, aber auch nachträgliche Genehmigung).
– gegen Entgelt (Unterschied zu § 816 Abs. 1 S. 2 BGB).
2. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB – unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten:
– Unterschied zu § 816 Abs. 1 S. 2 BGB: kein Entgelt; Probleme: gemischte Schenkung, rechtsgrundloser Erwerb.
– Rechtsfolge: Zugriff auf Dritten möglich!
3. § 816 Abs. 2 BGB – wirksame Leistungsentgegennahme eines Nichtberechtigten:
– Leistungsbewirkung an Nichtberechtigten; spezielles Problem: verlängerter Eigentumsvorbehalt bei Kreditvergabe ohne dingliche Verzichtsklausel („Vertragsbruchtheorie“), entsprechende Behandlung von Factoring?
– dem Berechtigten ggü. wirksam: insb. aufgrund Genehmigung oder Gesetz (z.B. §§ 406 ff., 893, 2367 BGB, §§ 25 ff. HGB).
4. § 822 BGB – unentgeltliche Verfügung eines rechtsgrundlos Berechtigten:
– kein Rechtsgrund für ursprünglichen Leistungsempfänger.
– allerdings im Unterschied zu § 816 Abs. 1 S. 2 BGB wirksame anschließende Verfügung an einen Dritten.
– Unentgeltlichkeit (wiederum Probleme: gemischte Schenkung, rechtsgrundloser Erwerb).
– Ausschluss des Anspruchs gegen ursprünglichen Leistungsempfänger (= Subsidiarität des Anspruchs nach § 822 BGB): nur rechtliche (§ 818 Abs. 3 BGB), nicht faktische Hinderungsgründe (z.B. Insolvenz) ausreichend (str.).
– Rechtsfolge: Zugriff auf Dritten möglich!
5. § 812 Abs. 1 Alt. 2 BGB – allgemeine Nichtleistungskondiktion:
a. Anwendbarkeit:
– keine Leistungsbeziehung bzgl. desselben Bereicherungsgegenstandes (z.B. „Jungbullenfall“: Differenzierung zw. Besitz und Eigentum) – Vorrang der LK (s. bereits oben II. 1. b. zur Abgrenzung in Drei-Personen-Verhältnissen).
– Ausnahme z.B. bei Bösgläubigkeit des Leistungsempfängers (vgl. gesetzliche Wertung des § 932 Abs. 2 BGB) bei unentgeltlicher Leistung (vgl. gesetzliche Wertung der §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB), bei keiner oder nicht zurechenbarer (Minderjähriger!) Veranlassung eines Dritten zur Leistung an den Bereicherungsschuldner (Anweisungsfälle).
b. Arten der allgemeinen NLK:
– Eingriffsfälle: Beeinträchtigung des „Zuweisungsgehalts“ an einem Bereicherungsgegenstand durch Verhalten eines Dritten.
– Verwendungsfälle: Bereicherungsgläubiger selbst mehrt unbewusst (ansonsten: LK) fremdes Vermögen.
– Rückgriffsfälle, aber: Vorrang sonstiger Anspruchsgrundlagen auf Rückgriff, insb. cessio legis, Gesamtschuldnerausgleich (§ 426 Abs. 1 BGB), Auftragsrecht (§ 670 BGB), GoA (§§ 683, 684 BGB). Bei Anwendbarkeit des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB jedenfalls analoge Anwendung der §§ 404 ff. BGB beachten.
c. Ohne Rechtsgrund:
– Insb.: §§ 879, 937 BGB als Rechtsgrund?
C. Rechtsfolge: §§ 818 ff.
I. Bestimmung des Erlangten, § 818 Abs. 1 BGB:
– auch Nutzungen und Surrogate (aber: nicht rechtsgeschäftliches Surrogat wie bei § 285 BGB!).
– Herausgabe (nur) des Kondiktionsanspruchs bei „Doppelmangel“?
II. Bei fehlender Herausgabemöglichkeit: Wertersatz, § 818 Abs. 2 BGB:
– grds. objektiver Wert.
– Ausnahme nach h.M. bei § 816 Abs. 1 S. 1 BGB: Gewinn als unmittelbarer Bereicherungsgegenstand i.S.d. § 818 Abs. 1 BGB, nicht Befreiung von einer Verbindlichkeit (…für welche dann nur nach § 818 Abs. 2 BGB objektiver Wertersatz zu leisten wäre), str.
– subjektive, nicht objektive Bestimmung des Wertersatzes bei „aufgedrängter Bereicherung“.
III. Wegfall der Bereicherung, § 818 Abs. 3 BGB:
1. Abzugsfähigkeit von Nachteilen:
– nur solche Aufwendungen, die im Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs getätigt wurden (h.M.).
– Kein Abzug des Kaufpreises in Konstellationen des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn Bereicherungsschuldner Gegenstand seinerseits vom Nichtberechtigen entgeltlich erworben hat und nur seine eigene Verfügung (insb. durch Genehmigung seitens des Berechtigten) wirksam ist (Parallelwertung zu §§ 985, 992 ff. BGB – § 816 Abs. 1 S. 1 BGB als „Rechtsfortwirkungsanspruch“).
2. Problem Luxusaufwendungen
3. Besonderheiten bei (beabsichtigten) gegenseitige Verträgen:
– Saldotheorie vs. Zweikondiktionenlehre.
– Ausnahmen von der Saldotheorie (insb. arglistige Täuschung, Minderjährigkeit eines Bereicherungspartners, [hypothetische] vertragliche Risikoverteilung, etwa bei Verschlechterung einer Kaufsache aufgrund Mangels, den der Verkäufer bei Wirksamkeit des Kaufvertrages zu beheben hätte).
IV. Haftungsverschärfung:
– § 818 Abs. 4 BGB
– § 819 BGB – problematisch bei Minderjährigen: Kenntnis der Eltern entscheidend?
– § 820 BGB
– Rechtsfolge: Anwendbarkeit z.B. der § 285 (str.), § 291, § 292 i.V.m. §§ 987 ff. BGB.
Ich wollte nur kurz meine Erfahrungen mit dieser Checkliste im Bereich des Bereicherungsrechts teilen. Als ich mich auf meine Zwischenprüfung vorbereitete, war das Bereicherungsrecht für mich ein echtes Problemthema. Aber diese Checkliste hat alles verändert! Sie ist so strukturiert, dass sie genau der Reihenfolge der Schritte zur Prüfung eines Bereicherungsanspruchs folgt, was unglaublich hilfreich ist. Es fühlte sich an, als hätte ich ein Repetitorium direkt vor meinen Klausuren. Ich kann nicht genug betonen, wie wertvoll dieses Tool für mich war. Es hat mir geholfen, den Stoff zu strukturieren und zu verstehen.