BGH bejaht Kündigungsmöglichkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Vermieters durch eine ihm „nahestehende“ juristischen Person
Das Mietrecht erfreut sich bei Prüfungsämtern stets hoher Beliebtheit. Daher ist es zu empfehlen, sich im Rahmen der Examensvorbereitung über aktuelle Entwicklungen und Gerichtsentscheidungen auf diesem Rechtsgebiet auf dem Laufenden zu halten. Aus diesem Grund erfolgt an dieser Stelle nochmal ein Hinweis auf einen kürzlich vom BGH entschiedenen Fall, der hervorragend im Rahmen einer Klausur abgeprüft werden könnte.
In seiner Entscheidung vom 9. Mai 2012 hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu der Frage, ob sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts als Wohnraumvermieter auf ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 BGB an der Beendigung des Mietverhältnisses berufen und sich dabei auf den Nutzungsbedarf einer ihr nahestehenden juristischen Person zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Vermieters stützen kann, Stellung bezogen (s. dazu bereits hier).
Sachverhalt
Der als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Evangelische Kirchenkreis Düsseldorf beanspruchte als Vermieter die Räumung einer vom Beklagten gemieteten Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Die Kündigung des Mietverhältnisses wurde darauf gestützt, dass das komplette Anwesen, inklusive der von der Beklagten genutzten Mietwohnung, für die Unterbringung einer Beratungsstelle für Erziehungs-, Ehe-, und Lebensfragen benötigt werde. Betreiberin dieser Beratungsstelle ist die Diakonie Düsseldorf e.V, die ebenso wie der Evangelische Kirchenkreis Düsseldorf (Vermieter) dem Gesamtkomplex der Evangelischen Kirche im Rheinland angehört. Dabei nimmt der Vermieter diakonische Aufgaben für die Evangelische Kirche im Rheinland, unter anderem durch den Betrieb von Beratungsstellen, wahr.
Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines berechtigten Interesses. Der Vermieter könne sich nicht auf den Nutzungsbedarf der Diakonie berufen, da diese im Verhältnis zum Vermieter eine in rechtlicher Hinsicht selbständige juristische Person sei.
Rechtliche Würdigung
In Frage stand somit, ob die Kündigung im vorliegenden Fall der Verwirklichung eigener Interessen des Vermieters dient. Der Bundesgerichtshof judizierte diesen Fall betreffend, dass es sich bei der Diakonie um eine dem Vermieter „nahestehende“ juristische Person handele, deren Tätigkeit auch der Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Vermieters diene. Das daraus resultierende berechtigte (mittelbare) Interesse rechtfertige somit die Beendigung des Mietverhältnisses.
*§ 573 BGB: Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1.der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
….
Im Rahmen einer Klausur sollte der Bearbeiter sich darüber bewusst sein, dass die in § 573 Abs. 2 Nr. 1-3 BGB genannten Gründe lediglich Regelbeispiele darstellen (vgl. „insbesondere“). Ein auf § 573 Abs. 1 BGB gestütztes berechtigtes Interesse muss also den genanten Regelbeispielen zumindest entsprechen, d.h. ein vergleichbares Gewicht haben.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!