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Schlagwortarchiv für: Miete

Redaktion

Gedächtnisprotokoll ZR III August 2022 NRW

Examensreport, Nordrhein-Westfalen, Rechtsgebiete, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Wir freuen uns sehr, ein Gedächtnisprotokoll zur ersten Zivilrechtsklausur des August-Durchgangs 2022 in Nordrhein-Westfalen veröffentlichen zu können und danken Ibrahim A. ganz herzlich für die Zusendung. Selbstverständlich kann juraexamen.info keine Gewähr dafür geben, dass die in Gedächtnisprotokollen wiedergegebene Aufgabenstellung auch der tatsächlichen entspricht. Dennoch sollen Euch die Protokolle als Anhaltspunkt dienen, was euch im Examen erwartet.

Ihr habt gerade Examen geschrieben, seid mittendrin oder steht kurz davor? Dann helft uns, eine lange Tradition fortzuführen und nachfolgende Generationen von Examenskandidaten zu unterstützen, indem ihr Protokolle eurer eigenen Klausuren unter examensreport@juraexamen.info einreicht.

Ausgangsfall

Die A betreibt ein sehr erfolgreiches und bekanntes veganes Restaurant mit dem Namen „Veganothek“. Für ihr veganes Essen hat A schon mehrere auch internationale Auszeichnungen bekommen. Da das Geschäft besonders gut läuft, möchte A ein weiteres Restaurant eröffnen. Die Eröffnung soll am 14.02.22 erfolgen. Auf der Suche nach einem Gasherd stößt A auf die Webseite der Y-oHG. Das dort bereitgestellte Bestellformular füllt A am 05.01.22 aus und bestellt einen Gasherd zum Preis von 2500€. Am 07.01.22 erhält A von Y, Gesellschafter der Y-oHG, eine Auftragsbestätigung mit folgendem Wortlaut: „Sehr geehrte A, vielen Dank für Ihre Bestellung, die wir hiermit bestätigen. Garantiertes Lieferdatum ist der 28.01.2022. Mit freundlichen Grüßen, Y“.

Am 09.01.22 telefoniert A mit U, dem Geschäftsführer der Z-GmbH, und bestellt bei ihm einen Dampfgarer für 3000€. Am Telefon sichert U der A zu, der Dampfgarer komme spätestens am 29.01.22 an. In der Folgezeit reserviert Geschäftsmann G für ein Geschäftsessen einen Tisch bei A für den 14.02.22 für 10 Personen. Am 30.01. hat A weder Herd noch Dampfgarer erhalten und beginnt, sich Sorgen zu machen. Daher schreibt A der Y-oHG eine E-Mail, in der sie diese auffordert, „sofort“ oder hilfsweise bis zum 10.02.22 zu liefern. Da A auf den Herd angewiesen ist, um ihre Mitarbeiter einzuarbeiten, die geplanten Gerichte vorzukochen und die Speisekarte zu erstellen, schreibt sie der Y-oHG am 02.02.22 erneut eine Nachricht. Als A auch daraufhin keine Antwort erhält, mietet sie sich bei M einen Herd vom 02.02.22 bis zum 07.02.22 für – angemessene – 500€. Für die Zeit ab dem 09.02.22 sind allerdings keine Gasherde zur Miete auf dem Markt verfügbar. Da die Y-oHG auch in der Zwischenzeit nicht reagiert hat,entschließt A sich am 08.02.22 kurzerhand dazu, einen vergleichbaren Herd bei M für – angemessene – 3300€ zu kaufen, da sie sonst ihr Restaurant nicht am 14.02.22 eröffnen kann. Die Y-oHG reagiert und liefert auch im Nachgang nicht. Auch der Z-GmbH schickt A am 30.01.22 per E-Mail eine Aufforderung, „sofort“ oder spätestens bis zum 10.02.22 zu leisten. Den Dampfgarer benötigt A, um das vom G bestellte Gericht am 14.02.22 zubereiten zu können. Am 03.02.22 ruft A den U an. Dieser sichert ihr am Telefon zu, die Lieferung werde zeitnah erfolgen. Da der Dampfgarer am 09.02.22 noch nicht geliefert wurde und A auch nicht mehr mit einer Lieferung rechnet, storniert sie die Reservierung des G telefonisch. Am Morgen des 10.02.22 wird der Dampfgarer geliefert. G hat für den 14.02.22 allerdings schon woanders reserviert. Dadurch entgingen A Einnahmen in Höhe von 300€.

Aufgabe 1

a) Kann A von der Y-oHG Ersatz der angefallenen Mietkosten in Höhe von 500€ haben?
b) Kann A von der Y-oHG Ersatz der Mehrkosten für den bei M gekauften Herd in Höhe von 600€ verlangen?
c) Kann A von der Z-GmbH Ersatz der entgangenen Einnahmen in Höhe von 300€ verlangen?

Fallfortsetzung

A betreibt auf ihrem Grundstück einen zum Restaurant gehörenden Biergarten. Schon seit mehreren Jahren veranstaltet sie dort vegane Grillfeste, die aber nur eintägig stattfanden. Von Freitag, dem 17.06.22 bis Sonntag, dem 19.06.22, möchte A in diesem Jahr aber ein dreitägiges Grillfest veranstalten, bei dem auch über vegane Ernährung gesprochen werden soll. Das Grillfest wurde von der Stadtverwaltung genehmigt und soll an den Tagen um 16 Uhr beginnen und um 21 Uhr enden. Die Grills sollen auf dem Grundstück verteilt aufgestellt werden, um eine zu starke Rauchbildung zu verhindern.Dem Nachbarn N gehört ein auf dem angrenzenden Grundstück befindliches Mehrfamilienhaus, in dem er auch selbst wohnt. Schon in der Vergangenheit hat N sich am Geruch der veganen „Wurst“ gestört. Seiner Meinung nach soll echtes Fleisch gegrillt werden, wie auch bei den anderen Biergärten in der Gegend. Als er davon mitbekommt, dass A ein dreitägiges Grillfest plant, ist N empört. Er sucht daher das Gespräch mit A. Er fordert sie dabei dazu auf, das Grillfest abzusagen. In den anderen Biergärten der Gegend werde schon echtes Fleisch gegrillt, also bedarf es eines veganen Grillfests nicht. Außerdem sei der Geruch eine Zumutung und unerträglich. Ferner wäre die Lautstärke der Gäste zu hoch. N, der gerne schon um 20 Uhr und mit geöffnetem Fenster schlafen geht, werde aufgrund des Festes seines Schlafes beraubt. Bei einem eintägigen Grillfest sei das zu ertragen, drei Tage seien aber zu viel. A hält dementgegen, diese Beschwerde äußere N zum ersten Mal. Zudem ist das Viertel für seine vielen Biergärten und Grillfeste bekannt. Außerdem diene das Grillfest der Völkerverständigung und habe daher besonders hohen kulturellen Wert, weswegen es auch von der Stadt gefördert und beworben wird. Darüber hinaus werden die Grills so aufgestellt, dass nicht durchgängig Rauch an das Fenster des N gelangt. Auch gelte die gesetzliche Nachtruhe für öffentliche Veranstaltungen erst ab 22 Uhr. Wenn N früher schlafen gehen möchte, sei das seine Privatsache. Auch sei N aufgrund des nachbarschaftlichen Verhältnisses zur Duldung des Grillfestes verpflichtet.

Aufgabe 2:

Kann N zivilrechtlich gegen die Durchführung des Grillfestes durch A vorgehen?

Bearbeitervermerk:

1. Auf alle Rechtsfragen ist einzugehen.
2. Bei Aufgabe 1 ist davon auszugehen, dass die Y-oHG wirksam durch Y vertreten wurde.
3. Vorschriften des BImSchG und LImSchG und weitere öffentlich-rechtliche Vorschriften sind außer Acht zu lassen.

06.10.2022/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2022-10-06 08:20:002022-09-21 09:26:36Gedächtnisprotokoll ZR III August 2022 NRW
Philip Musiol

Aus einer Mietkaution in Höhe von 409,03 € werden 115.000 € – oder doch nicht?

Mietrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Uncategorized, Zivilrecht

Ein aktuelles – und noch nicht rechtskräftiges – Urteil des AG Köln vom 19.07.2022 (Az. 203 C 199/21) könnte dafür sorgen, dass das Thema „Mietkaution“ für Studierende in der Examensvorbereitung nicht mehr allein im Zusammenhang mit der eigenen Wohnungssuche eine Rolle spielt: 

I. Der Sachverhalt

Die Eltern der Klägerin K schlossen im Jahr 1960 einen Mietvertrag mit der nun beklagten Wohnungsgesellschaft W. Bei Einzug zahlten die Eltern der Klägerin vertragsgemäß eine Kaution von 800 DM, umgerechnet 409,03 €. Entsprechend der Vereinbarung im Mietvertrag legte W die Kaution in Aktien an. Für die Beendigung des Mietverhältnisses vereinbarten die Parteien, dass die Aktien an die Eltern der K herausgegeben werden sollten. Gleichzeitig war W berechtigt, anstatt die Aktien herauszugeben, den bloßen Geldwert der ursprünglich entrichteten Kaution an die Eltern der K auszubezahlen. 

Die Eltern der Klägerin zogen im Jahr 2005 in eine andere Wohnung um, die ebenfalls von der W vermietet wurde. Hierzu schlossen sie einen neuen Mietvertrag, der eine Mietkaution in Höhe von 409,03 € vorsah, was der Kaution nach dem alten Mietvertrag entsprach. Die ursprünglich geleistete Kaution sollte auf den neuen Metvertrag übertragen werden. 

Im Jahr 2018 endete das Mietverhältnis. Die Klägerin forderte in der Folgezeit die Herausgabe der Aktien, in die die Kaution im Jahr 1960 investiert wurde. Der Kurswert dieser Aktien betrug bei Klageerhebung im Dezember 2021 rund 115.000 €. Anstatt diese wertvolle Aktien herauszugeben, zahlte die W der Klägerin 409,03 € aus, also den Geldbetrag, den die Eltern der Klägerin 1960 als Kaution leisteten. Dabei berief sie sich darauf, dass der ursprünglich geschlossene Mietvertrag ihr ein entsprechendes Wahlrecht einräumte. 

II. Die Entscheidung 

Das AG Köln verurteilte die W zur Herausgabe der Aktien im Wert von 115.000 €.

Nach § 551 Abs. 3 S. 1 3 BGB stehen die Erträge, die durch die Anlage der Mietkaution erzielt werden, dem Mieter zu. Nach Ansicht des AG Köln sind „Erträge“ der Anlage der Kaution in Aktien nicht nur die Dividenden, die stets an die Eltern der K ausgezahlt wurden, sondern auch die Kursgewinne der Aktien selbst. Von dem Grundsatz, dass sämtliche Erträge aus der Anlage der Mietkaution dem Mieter zustehen, darf nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden, § 551 Abs. 4 BGB. Demnach könne sich die W nicht auf das – unwirksame – Wahlrecht berufen, nach dem die W auch 409,03 € hätte auszahlen dürfen.

Bemerkenswert ist, dass § 551 Abs. 3 S. 1 3 BGB im Jahr 1960, also zur Zeit des ersten Vertragsschlusses, noch nicht existierte. Die Parteien des ersten Mietvertrags schlossen jedoch im Jahr 2005 einen zweiten Mietvertrag, auf den § 551 Abs. 3 S. 1 3 BGB anwendbar war. Zwar handele es sich hier um einen neuen Mietvertrag, die Mietkaution sollte aber aus dem alten Vertrag übertragen werden. Damit sei § 551 Abs. 3 S. 1 3 BGB anwendbar. 

III. Einordnung der Entscheidung 

Auf den zweiten Blick ist die Entscheidung des AG Köln, die Kursgewinne der Aktien der K zuzusprechen, weniger bemerkenswert, sondern vielmehr folgerichtig: Zur Zeit des zweiten Vertragsschlusses im Jahr 2005 galt § 551 Abs. 3 S. 1 3 BGB. Mit anderen Worten trafen die Parteien im Jahr 2005 eine neue Vereinbarung, die (selbstverständlich) dem zur Zeit des Vertragsschlusses geltenden Recht unterliegt. Die Parteien einigten sich darauf, dass die Mietkaution aus dem Jahr 1960 übertragen werden sollte. Dabei handelt es sich um die 800 DM, die die Beklagte in Aktien anlegte. Die damals angelegten 409,03 € sind also die Mietkaution für das Mietverhältnis, das im Jahr 2005 begründet wurde. Sofern man die Kursgewinne von Aktien unter den Begriff der „Erträge aus der Anlage“ subsumiert, kann man hierunter auch sämtliche Kursgewinne verstehen, die mit der Kaution erzielt wurden. Dafür, Kursgewinne mit Erträgen gleichzusetzen, spricht der Zweck der Mietkaution: Die Mietkaution dient der Sicherung von Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag, hierdurch soll der Vermieter aber kein Kapital für Investitions- oder Spekulationsgeschäfte erlangen. Ob durch die Anlage der Mietkaution Zinsen erwirtschaftet werden oder Kursgewinne erzielt werden, ändert an dem grundsätzlichen Zuweisungsgehalt der Gewinne nichts. 

Es ist mit Spannung zu erwarten, ob dieses Urteil auch vor den Instanzgerichten Bestand haben wird. Damit zu rechnen, dass dieser Fall jedenfalls das Berufungsgericht beschäftigen wird, ist allemal. Auf juraexamen.info halten wir euch über alle Entwicklungen auf dem Laufenden! 

29.07.2022/1 Kommentar/von Philip Musiol
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Philip Musiol https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Philip Musiol2022-07-29 09:00:002022-10-24 14:51:21Aus einer Mietkaution in Höhe von 409,03 € werden 115.000 € – oder doch nicht?
Tobias Vogt

Erstes BGH-Urteil zur Gewerberaummiete während Coronalockdown

BGB AT, Examensvorbereitung, Mietrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Muss ein gewerblicher Mieter die Ladenmiete weiterzahlen während er sein Ladengeschäft aufgrund einer staatlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Coronapandemie nicht für den Kundenverkehr öffnen darf? Diese Frage stellten sich nicht nur die betroffenen Mieter und Vermieter sondern auch Öffentlichkeit und Juristen seit dem Beginn der Coronakrise im Frühjahr 2020. Mit Spannung erwartet wurde daher die brandaktuelle Entscheidung des BGH – zumal sich die Oberlandesgerichte in dieser Rechtsfrage nicht einig waren. Die Examensrelevanz dürfte damit auf der Hand liegen.
Sachverhalt und bisheriger Verfahrensgang:
Dem Urteil liegt ein Rechtstreit zwischen Kik (Einzelhandel für Textilien aller Art sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs) und dessen Vermieterin zugrunde. Aufgrund einer Allgemeinverfügung anlässlich der Coronapandemie musste das Ladengeschäft im Zeitraum vom 19. März bis zum 19. April 2020 geschlossen bleiben. Die Vermieterin verlangte auch für diesen Zeitraum die Zahlung der vollen Miete, wozu Kik nicht bereit war.
Das erstinstanzlich zuständige Landgericht verurteilte Kik zur Zahlung der Miete in voller Höhe (LG Chemnitz Urteil vom 26.8.2020 – 4 O 639/20).
Mit der Berufung hatte Kik jedoch teilweise Erfolg: Das OLG Dresden (OLG Dresden Urteil vom 24.2.2021 – 5 U 1782/20) sah nur die Hälfte der Miete als geschuldet an. Das OLG Dresden stütze sich hierbei auf eine Vertragsanpassung wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB. In der Regel sei bei einer coronabedingten Schließung eine Reduzierung der Kaltmiete um 50 % gerechtfertigt, weil keine der Vertragsparteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen hat. Es sei demzufolge angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen.
Divergierende OLG-Rechtsprechung:
Andere Ansicht als das OLG Dresden und das mit diesem auf einer Linie liegende Kammergericht Berlin (KG Urteil vom 1.4.2021 – 8 U 1099/20) ist das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe Urteil vom 24.2.2021 – 7 U 109/20, Revision anhängig beim BGH unter dem Az. XII ZR 15/21): Die Karlsruher Oberlandesrichter kamen zum Ergebnis, dass die volle Miete zu zahlen sei. Eine Anpassung des Vertrags gemäß § 313 Abs. 1 BGB lehnten sie ab. Dem Mieter sei das unveränderte Festhalten am Gewerberaummietvertrag in der Regel erst dann unzumutbar, wenn dessen Inanspruchnahme zur Vernichtung seiner Existenz führen würde; unter Umständen genüge auch bereits eine schwere Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens. Hierbei zu berücksichtigen sei auch, ob der Mieter öffentliche oder sonstige Zuschüsse erhalten hat, mit denen er die Umsatzausfälle infolge staatlicher Beschränkung jedenfalls teilweise kompensieren kann, und ob er Aufwendungen erspart hat (zB wegen Kurzarbeitergeld oder weggefallenen Wareneinkaufs).
Urteil des BAG vom 12.01.2022, Az. XII ZR 8/21:
Auf die Revisionen der Vermieterin, die nach wie vor die volle Miete verlangt, und der Beklagten Kik, die ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, hat der Bundesgerichtshof das Urteil des OLG Dresden aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.
Zunächst stellt der für gewerbliches Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat klar, dass die Anwendbarkeit der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften und der Regelungen des allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts, insbesondere des § 313 BGB zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, nicht durch die für die Zeit vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2022 geltende Vorschrift des Art. 240 § 2 EGBGB ausgeschlossen ist. Diese Regelung habe nach seinem eindeutigen Wortlaut und seinem Gesetzeszweck allein eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Vermieters zum Ziel und sage nichts zur Höhe der geschuldeten Miete aus.
Bevor der BGH auf eine mögliche Anpassung nach § 313 BGB zu sprechen kommt, äußert er sich zum Vorliegen eines Mangels nach § 536 Abs. 1 S. 1 BGB, der zum Wegfall oder zur Minderung der Miete qua Gesetz führen würde:
Ein Mangel liege nicht vor, so der BGH. Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Mietobjekts, kann dies zwar einen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht (so bereits BGH Urteil vom 13.7.2011 – XII ZR 189/09). Die mit der Schließungsanordnung verbundene Gebrauchsbeschränkung der Beklagten erfülle diese Voraussetzung nicht. Denn die behördlich angeordnete Geschäftsschließung knüpfe allein an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an, der die Gefahr einer verstärkten Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus begünstigt und der aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden sollte.
Der BGH weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass durch die Allgemeinverfügung weder der Vermieterin die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume im Übrigen noch der Mieterin tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten wird. Das Mietobjekt stand daher trotz der Schließungsanordnung weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung.
Das Vorliegen eines Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich nach der Entscheidung des BGH auch nicht aus dem im vorliegenden Fall vereinbarten Mietzweck der Räumlichkeiten zur „Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“. Der Mieter könne nicht davon ausgehen, dass die Vermieterin mit der Vereinbarung des konkreten Mietzwecks eine unbedingte Einstandspflicht auch für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Falle einer Pandemie übernehmen wollte.
Da demnach grundsätzlich nach dem Mietvertrag die volle Miete geschuldet ist, bliebe nur noch die Möglichkeit der Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB. Dies komme in Fällen der coronabedingten Geschäftsschließung grundsätzlich in Betracht, betont der XII. Zivilsenat.
Auch bejaht der BGH das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzung des § 313 Abs. 1 BGB – der schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrags durch die behördliche Schließung des Ladengeschäfts aufgrund der Coronapandemie. Hierfür spreche auch die als Reaktion auf die Coronapandemie vom Gesetzgeber neu eingefügte Regelung des Art. 240 § 7 EGBGB, wonach vermutete wird, dass sich ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenn vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind.
Eine Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB erfolgt jedoch nur, wenn auch die weitere – normative – Voraussetzung der Vorschrift erfüllt ist. Dies setzt voraus, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Hierbei konnte der BGH nicht auf die Vermutungsregel des Art. 240 § 7 EGBGB zurückgreifen. Denn diese führt aber nicht etwa dazu, dass stets von dem Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des § 313 BGB auszugehen wäre: Die Regelung schafft eine tatsächliche Vermutung, dass sich ein Umstand iSd § 313 Abs. 1 BGB, der Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert hat. Die Vermutung ist widerleglich und gilt nur für dieses reale Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB. Das normative Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB, dass dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, wird von der Vermutungsregelung nicht erfasst (OLG Karlsruhe Urteil vom 24.2.2021 – 7 U 109/20; so auch Brinkmann/Thüsing, NZM 2021, 5).
Der BGH stellt ausdrücklich klar, dass – wie in § 313 Abs. 1 vorgesehen – auch in Fällen der coronabedingten Ladenschließung stets eine umfassende Einzelfallabwägung erforderlich ist. Einer pauschalen Halbierung der Miete, wie sie das OLG Dresden vorgenommen hatte, schiebt der BGH damit einen Riegel vor.
Zwar ist auch nach der Ansicht des BGH regelmäßig eine Anpassung vorzunehmen, da sich durch die Covid-19-Pandemie letztlich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat und die Betriebsschließung gerade nicht auf einer unternehmerischen Entscheidung oder enttäuschten Gewinnerwartung des Mieters beruhe. Daher könne das hiermit verbundene Risiko regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden. Die Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe eine Reduzierung der Miete erfolge, bedarf jedoch stets einer Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls.
Der BGH nennt in seiner Pressemitteilung sogleich die maßgeblichen Faktoren für die Einzelfallabwägung:
Zunächst ist zu untersuchen, welche konkreten Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Hierbei ist auf den konkreten Umsatzrückgang in dem konkreten Mietobjekt abzustellen – ein möglicher Konzernumsatz ist nicht von Belang.
Zu berücksichtigen sei auch, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. In der Pressemitteilung sind noch keine konkreten Maßnahmen benannt. Man könnte hier etwa an Kurzarbeit oder verstärkten Onlinehandel denken.
Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage aber nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, sind bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. Dabei können auch Leistungen einer ggf. einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters zu berücksichtigen sein. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die nur auf Basis eines Darlehens gewährt wurden, bleiben hingegen bei der gebotenen Abwägung außer Betracht, weil der Mieter durch sie keine endgültige Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen erreicht.
Zudem seien auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen.
Nicht erforderlich sei eine tatsächliche Gefährdung der Existenz des Mieters. Somit erteilt der BGH bereits in diesem Verfahren auch der Rechtsprechung des OLG Karlsruhe eine Absage, über die er noch gesondert zu entscheiden hat.
Fazit:
Die Grundsätze dieser Entscheidung sollte aufgrund der enormen medialen Aufmerksamkeit sowie der Bezugspunkte zu den beliebten Prüfungsfeldern des Mietrechts sowie des allgemeinen Teils des BGB jeder Examenskandidat beherrschen.
Im Gutachten sollten der Reihe nach sämtliche Probleme geprüft werden. Stürzen sich Examenskandidaten bei der Falllösung sofort auf das Hauptproblem des § 313 BGB, so begehen sie einen großen Fehler. Ansonsten werden kostbare Punkte für die übrigen Probleme des Falls liegengelassen.
Was man aus dem Urteil auf jeden Fall mitnehmen sollte:

  • Sofern keine ausdrückliche vertragliche Regelung zur Einstandspflicht des Vermieters für den Fall einer coronabedingten Ladenschließung besteht, liegt kein Mangel gemäß § 536 Abs. 1 BGB vor.

 

  • Für eine Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB bedarf es neben dem tatsächlichen Element der erheblichen Störung der Geschäftsgrundlage zudem eines Vorliegens des normativen Elements der Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag.

 

  • Das tatsächliche Element dürfte unproblematisch Vorliegen, diesbezüglich greift auch die Vermutung des Art. 240 § 7 EGBGB.

 

  • In der Regel ist das allgemeine Lebensrisiko der coronabedingten Ladenschließung von keiner Vertragspartei voll zu tragen. Einer Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters bedarf es für eine Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB nicht.

 

  • Für die Feststellung der Unzumutbarkeit und die Bemessung der Höhe der etwaigen Reduzierung der Miete bedarf es stets einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Eine pauschale Halbierung der Miete kommt nicht in Betracht.

 

  • Maßgeblich sind insbesondere der konkrete Umsatzrückgang des gewerblichen Mieters bezogen auf das konkrete Mietobjekt, die getroffenen oder möglichen Maßnahmen des Mieters zur Verringerung des Verlustes, das Eingreifen von staatlichen Leistungen oder einer Betriebsversicherung des Mieters (nicht jedoch eines Darlehens) sowie die Interessen des Vermieters.

12.01.2022/1 Kommentar/von Tobias Vogt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tobias Vogt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tobias Vogt2022-01-12 11:41:392022-01-12 11:41:39Erstes BGH-Urteil zur Gewerberaummiete während Coronalockdown
Dr. Lena Bleckmann

BGH: Der Staat haftet nicht für schlechte Gesetze – Neues zur Amtshaftung für legislatives Unrecht

Examensvorbereitung, Lerntipps, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Staatshaftung, Startseite

Am 28.1.2021 erging eine Entscheidung des BGH (III ZR 25/20), der viele mit Spannung entgegengeblickt haben. Das Verfahren zur Amtshaftung aufgrund einer unwirksamen Mietpreisbremse hat hohe praktische Relevanz, sind die vom BGH angewandten Grundsätze doch auf andere Fälle des legislativen Unrechts übertragbar. Staatshaftungsrecht ist bei Studenten bekanntermaßen nicht sonderlich beliebt – die hochaktuelle Entscheidung dürfte aber umso mehr für Klausurrelevanz sorgen. Die Lektüre lohnt sich also, insbesondere auch zur Wiederholung der Grundsätze der Amtshaftung.
I. Worum es geht
Nach § 556d Abs. 2 S. 1 BGB haben die Länder die Möglichkeit, durch Verordnung Gebiete mit angespannter Wohnsituation festzulegen und so den Mechanismus der Mietpreisbremse nach § 556d Abs. 1 BGB auszulösen. Zu Beginn des Mietverhältnisses darf die Miete die ortsübliche Vergleichsmiete dann um höchstens 10 % übersteigen. Eine solche Verordnung hat das Land Hessen u.a. für einen Stadtteil von Frankfurt am Main erlassen, allerdings die in § 556d Abs. 2 S. 5-7 BGB festgelegte Begründungspflicht verletzt. In der Folge erklärte der BGH die Verordnung für unwirksam (BGH, Urt. v. 17.7.2019 – VIII ZR 130/18). Damit konnte die Mietpreisbremse für den betroffenen Stadtteil nicht gelten, was für ein Ehepaar bedeutete, dass ihre Miete nicht wie erwartet um mehr als 200 € sank. Der Rechtsdienstleister wenigermieter.de, an den das Ehepaar seine Ansprüche abgetreten hatte, forderte nach der Entscheidung des BGH über die Unwirksamkeit der Verordnung Ersatz vom Staat. Dieser habe seine Amtspflicht gegenüber den Mietern verletzt.
II. Rechtliche Grundlagen
Maßgeblich geht es also um eine Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Die grundsätzliche Konstruktion der Amtshaftung ist bekannt – § 839 Abs. 1 S. 1 BGB normiert zunächst die persönliche Einstandspflicht des handelnden Beamten, die Haftung wird aber durch Art. 34 GG auf den Staat übergeleitet. Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch ist, dass jemand in Ausübung eines hoheitlichen Amtes die einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, dies kausal zu einem Schaden führt und der Beamte dies zu verschulden hat. Der Begriff des Beamten ist hier weit zu fassen – Beamte im staatshaftungsrechtlichen Sinne sind alle Personen, denen öffentliche Gewalt anvertraut wurde und die ihre Tätigkeit nach den Bestimmungen des öffentlichen Rechts ausüben (s. BeckOK BGB/Reinert, § 839 Rn. 4, 15). Dies ist unter Anwendung der modifizierten Subjektstheorie zu bestimmen. Einschränkungen der Haftung folgen aus § 839 Abs. 1 S. 2 BGB (bei Fahrlässigkeit besteht kein Anspruch, wenn der Betroffene auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag), Abs. 2 (Spruchrichterprivileg) und Abs. 3 (kein Ersatz bei schuldhafter Versäumnis von Rechtsmitteln). Der Anspruch wird vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht, Art. 34 S. 3 GG, § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO.
III. Die aktuelle Entscheidung des BGH im Kontext der Amtshaftung
Angewandt auf den zu entscheidenden Fall ist nun zunächst eindeutig, dass jemand – die Landesregierung bzw. deren Mitglieder – bei Erlass der Verordnung in Ausübung eines öffentlichen Amts agierte: Die in § 556d Abs. 2 BGB vorgesehene Verordnungsermächtigung berechtigt ausschließlich die Landesregierung als Trägerin hoheitlicher Gewalt und ist somit dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Auf Grundlage dieser Norm agierte die Regierung in Ausübung eines öffentlichen Amtes, ihre Mitglieder sind Beamte im staatshaftungsrechtlichen Sinne.
Entscheidend ist demgegenüber das Merkmal der Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht. Der Begriff der Amtspflicht ist weit zu fassen und umfasst insbesondere auch die Pflicht zu rechtmäßigem Handeln. Indem die Begründungspflicht nach § 556d Abs. 2 S. 5-7 BGB verletzt wurde, wurde auch eine Amtspflicht verletzt, denn es liegt eine rechtswidrige Amtsausübung vor. Das reicht für den Amtshaftungsanspruch jedoch noch nicht – verletzt werden muss gerade eine drittgerichtete Amtspflicht. Das setzt voraus, dass die Amtspflicht gerade auch der Wahrung der Interessen des Dritten dient. Der BGH führt in seiner Pressemitteilung hierzu aus:

„Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten „Dritten“ bestehen. Gesetze und Verordnungen enthalten hingegen durchweg generelle und abstrakte Regeln, und dementsprechend nimmt der Gesetzgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt.“ (BGH, Pressemitteilung Nr. 018/2021)

Damit greift das Gericht die anerkannten Grundsätze zur Haftung – bzw. fehlenden Haftung – für legislatives Unrecht auf. Die Pflicht zum rechtmäßigen Handeln in ihrer Ausprägung, nur rechtmäßige Gesetze zu erlassen, dient i.d.R. nicht dem Einzelnen, sondern den Interessen der Allgemeinheit. Ein Amtshaftungsanspruch scheidet damit aus. Das muss aber nicht ausnahmslos in allen Fällen legislativen Unrechts gelten, wie auch der BGH anmerkt:

„Nur ausnahmsweise – etwa bei sogenannten Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen – kann etwas Anderes in Betracht kommen und können Belange bestimmter Einzelner unmittelbar berührt werden, so dass sie als „Dritte“ im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen werden können.“ (BGH, Pressemitteilung Nr. 018/2021)

Die Verordnung zur Mietpreisbremse sei aber kein derartiges Maßnahme- oder Einzelfallgesetz, denn sie betreffe keine individuellen Mieter, sondern aufgrund der Weite ihres räumlichen Geltungsbereichs einen unüberschaubar großen und nicht individuell begrenzten Personenkreis.
Dies hätte womöglich schon gereicht, um den Amtshaftungsanspruch abzulehnen. Der BGH ging in seinen Ausführungen aber noch weiter und merkte an, dass auch der Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition nicht zu einem Amtshaftungsanspruch führe:

„Nicht jede Grundrechtsbeeinträchtigung durch staatliche Amtsträger führt zur Staatshaftung. Der Gesetzgeber kann Voraussetzungen und Umfang von Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüchen näher ausgestalten. Eine solche Ausgestaltung ist mit § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB erfolgt, wonach ein Amtshaftungsanspruch nur besteht, wenn ein Beamter die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt. Damit ist eine Haftung wegen der Verletzung von Amtspflichten, die dem Beamten nicht spezifisch dem Träger des betroffenen Grundrechts gegenüber obliegen, nicht vereinbar.“ (BGH, Pressemitteilung Nr. 018/2021)

Und auch das enttäuschte Vertrauen der Mieter in die Wirksamkeit der hessischen Mietpreisbremsenverordnung könne für sich genommen keinen Ersatzanspruch nach sich ziehen – ein allgemeiner Anspruch diesbezüglich ist nicht anerkannt, die Voraussetzungen der Amtshaftung mangels Drittbezogenheit nicht erfüllt.
IV. Was bleibt?
Der BGH ist seiner lang etablierten Linie treu geblieben und hat eine Haftung des Staates für mangelhafte und damit unwirksame Gesetze abgelehnt. Eine andere Entscheidung hätte weitreichende Folgen haben können – nicht nur zahlreiche Verordnungen zu Mietpreisbremsen sind in der Vergangenheit für unwirksam erklärt worden, die Entscheidung hätte Ausstrahlungswirkung auf sämtliche anderen unwirksamen Normen gehabt und so zu umfangreichen Haftungssummen führen können. Dies hat das Urteil abgewendet. Für Studenten und Examenskandidaten ist das begrüßenswert – es bleibt bei den bislang geltenden Grundsätzen, nach denen eine Haftung für legislatives Unrecht i.d.R. nicht besteht. Mieter und sonst von letztlich unwirksamen Gesetzen Betroffene dürften dem anders gegenüberstehen.

01.02.2021/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-02-01 08:30:102021-02-01 08:30:10BGH: Der Staat haftet nicht für schlechte Gesetze – Neues zur Amtshaftung für legislatives Unrecht
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Mieterhöhung trotz Irrtums über die Größe der Wohnung wirksam

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Mit am Dienstag veröffentlichtem Urteil vom 11.12.2019 (Az. VIII ZR 234/18) hat der BGH festgestellt, dass Mieterhöhungen selbst dann wirksam sein können, wenn der Berechnung jahrelang eine falsche Quadratmeterzahl zugrunde gelegt wurde – soweit die höhere Miete unter der ortsüblichen Vergleichsmiete bleibt. Ein Anspruch des Mieters auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB bzw. eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB komme nicht in Betracht. Der Fall ist dabei nicht nur praktisch interessant, sondern erfordert auch eine Auseinandersetzung mit verschiedenen rechtlichen Problemen wie der Behandlung des beiderseitigen Kalkulationsirrtums sowie den Voraussetzungen einer Vertragsanpassung nach § 313 BGB – die erhöhte Klausur- und Examensrelevanz liegt damit auf der Hand. Im Rahmen dieses Beitrags sollen daher die Grundzüge der Entscheidung dargestellt und erläutert werden.
 
Anmerkung: Einen ausführlichen Grundlagenbeitrag zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB  findet ihr hier.
 
A) Sachverhalt (leicht abgewandelt und vereinfacht)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: M war im Zeitraum vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2014 Mieter einer Wohnung des V in D. Die ursprüngliche Kaltmiete belief sich auf 495 €, wobei der schriftliche Mietvertrag keine Angaben zur Größe der Wohnung enthielt. V übersandte dem M mit Schreiben vom 26.7.2007, 21.1.2009, 21.3.2011 und 28.6.2013 insgesamt vier Mieterhöhungsverlangen, in denen V ausgehend von einer Wohnfläche von 114 qm jeweils erhöhte Grundmieten errechnete, die allerdings immer noch deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel der Stadt D. lagen, der den genannten Schreiben jeweils beigefügt war. M stimmte jedem Erhöhungsverlangen schriftlich zu und zahlte fortan die erhöhten Mieten. Im Jahre 2013 kamen dem M erstmals Zweifel über die Größe der Wohnung; er beauftragte einen Sachverständigen, welcher eine Größe von etwa 100 qm feststellte. Nunmehr begehrt der M Rückzahlung der vermeintlich zu viel gezahlten Miete.
 
B) Rechtsausführungen
Die Vorinstanz, das LG Dresden, hat unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den V zur Zahlung verurteilt. Der BGH hat das Urteil nunmehr aufgehoben – der M habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der auf falscher Berechnungsgrundlage beruhenden Miete. Doch der Reihe nach:
 
I. Anspruch auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
Ein Anspruch auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB sei nicht gegeben. Zwar habe der V durch Leistung des M etwas erlangt; indes bestehe nach Ansicht des BGH unabhängig von der Einhaltung der mietrechtlichen Vorschriften nach §§ 558, 558a BGB ein Rechtsgrund in den wirksamen Vereinbarungen der Parteien über die Erhöhung der Miete. Denn die Vereinbarungen seien dahingehend auszulegen, dass sie sich in dem explizit genannten Betrag, auf den die Nettokaltmiete erhöht wurde, erschöpfen; nicht dagegen sei die Wohnfläche, die der Berechnung zugrunde gelegt wurde, Vertragsinhalt – hierbei handele es sich lediglich um den (insofern unerheblichen) Grund zur vom M akzeptierten Vertragsänderung. Ausdrücklich formuliert der BGH:

„Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es im Falle einer Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsbegehren des Vermieters nicht darauf an, ob das Begehren des Vermieters den formellen Anforderungen des § 558a BGB entsprochen und dem Vermieter ein materieller Anspruch auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung (§ 558 Abs. 1 BGB) zugestanden hat. Denn durch die Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters kommt – nach allgemeiner Meinung – eine vertragliche Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter über die Erhöhung der Miete zustande [..]. Dass eine solche vertragliche Vereinbarung neben den gesetzlich vorgesehenen einseitigen Mieterhöhungen und dem (gerichtlichen) Mieterhöhungsverfahren nach § 558, § 558b BGB möglich ist, ergibt sich aus § 557 Abs. 1 BGB. […]. Die hier in Rede stehenden Mieterhöhungsvereinbarungen sind dahin auszulegen, dass die Miete auf den darin jeweils explizit genannten neuen Betrag erhöht wird und nicht lediglich auf den geringeren Betrag, der sich durch Multiplikation des jeweils erhöhten Quadratmeterbetrages mit der tatsächlichen Wohnfläche ergibt. […] Gegenstand der vereinbarten Mieterhöhungen ist hier der jeweils genannte Betrag, auf den die Nettomiete für die Wohnung erhöht wurde. Bei der Wohnfläche, die zur Ermittlung dieser neuen (erhöhten) Miete genannt war, handelt es sich hingegen – ebenso wie bei der gleichfalls explizit angegebenen ortsüblichen Vergleichsmiete (je qm) – lediglich um den (nicht zum Vertragsinhalt gewordenen) Grund für die von den Beklagten angestrebte und vom Kläger akzeptierte Vertragsänderung.“ (Rn. 15 ff.)

Mit anderen Worten: Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 558, 558a BGB können die Vertragsparteien privatautonom eine Mieterhöhung vereinbaren. Dies ist durch die Schreiben des V und die schriftlichen Zustimmungen des M sowie die darauffolgende Zahlung der erhöhten Mieten im vorliegenden Fall geschehen. Die Vereinbarung der Parteien ist dahingehend auszulegen, dass sich die Miete auf den in den Schreiben benannten Betrag erhöht. Die Wohnfläche, die als Berechnungsgrundlage angegeben wurde, ist hingegen nach Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont nach §§ 157, 133 BGB kein Vertragsinhalt geworden, sodass der diesbezügliche gemeinsame Irrtum die Wirksamkeit der Abrede nicht hindert. Da ein Rechtsgrund besteht, scheidet ein Anspruch auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB also aus.
 
Anmerkung: Ein Kalkulationsirrtum berechtigt grundsätzlich nicht zur Anfechtung nach § 119 BGB. Denn derjenige, der aufgrund einer für korrekt gehaltenen, tatsächlich aber unzutreffenden Berechnungsgrundlage einen bestimmten Preis oder eine Vergütungsforderung ermittelt und diese seiner Willenserklärung zugrunde legt, trägt das Risiko dafür, dass seine Kalkulation zutrifft. Insofern handelt es sich um einen unerheblichen Motivirrtum (BeckOK BGB/Wendlandt, 52. Edition, Stand: 01.11.2019, § 119 Rn. 33 m.w.N.). Liegt – wie hier – ein gemeinsamer Irrtum der Parteien vor, sind die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage heranzuziehen (BeckOK BGB/Wendlandt, 52. Edition, Stand: 01.11.2019, § 119 Rn. 34).
 
II. Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1, 2 BGB
Ein Anspruch auf Vertragsanpassung auf die jeweils geringere Miete nach den Grundsätzen zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1, 2 BGB erscheint denkbar. Als eine vom Grundsatz pacta sunt servanda abweichende Regelung betrifft die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB den Fall, dass Umstände von vornherein fehlen oder nachträglich wegfallen, die für eine Vertragspartei so wesentlich sind, dass der Vertrag geändert oder aufgehoben werden muss, weil ein Festhalten am unveränderten Vertrag sich als unzumutbar darstellen würde.
 
1. Wegfall oder Fehlen der Geschäftsgrundlage

Erforderlich ist hierfür zunächst, dass es sich die Geschäftsgrundlage, also ein Umstand, dessen (Fort-)Bestand von jedenfalls einer Vertragspartei vorausgesetzt wurde – der zwar nicht Vertragsinhalt geworden ist, aber der nach der Intention zumindest einer Partei erforderlich ist, um den Vertrag als sinnvolle Regelung aufrechtzuerhalten, nachträglich weggefallen ist bzw. sich schwerwiegend verändert hat (§ 313 Abs. 1 BGB) oder von vornherein fehlt (§ 313 Abs. 2 BGB). Dies betrifft im vorliegenden Fall die Wohnfläche, die die Parteien aufgrund des beiderseitigen Kalkulationsirrtums den jeweiligen Mieterhöhungsvereinbarungen zugrunde gelegt haben.
 
2. Hypothetisches Element
Dieser Umstand, der von der Vertragspartei vorausgesetzt wurde, also im konkreten Fall die für größer gehaltene Wohnfläche, muss überdies so wesentlich sein, dass die Vertragspartei ohne ihn den Vertrag nicht bzw. zu anderen Konditionen abgeschlossen hätte. Hier muss also die Frage gestellt werden, ob die Partei den Vertrag ggf. mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte, wenn sie die wesentliche Veränderung des Umstands vorhergesehen hätte. Im betreffenden Fall ist bereits fraglich, ob die Parteien bei Kenntnis der tatsächlichen Wohnfläche die Mieterhöhungsvereinbarungen nicht oder nicht mit demselben Inhalt geschlossen hätten. Dagegen könnte sprechen, dass sich die vereinbarte erhöhte Miete noch deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete befand sowie dass die Voraussetzungen des § 558 BGB, unter denen der V ohnehin ein berechtigtes Verlangen nach einer Mieterhöhung gehabt hätte, vorlagen; dies kann als Indiz gewertet werden. Gleichwohl hat der M „in den Tatsacheninstanzen vorgetragen, dass es ihm auf die Wohnfläche entscheidend angekommen sei und er bei Kenntnis der wahren Wohnfläche einer Mieterhöhung nicht zugestimmt, sondern dass Mietverhältnis gekündigt hätte.“ (Rn. 22) Vor diesem Hintergrund kann auch davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Wohnfläche als derart wesentliche Geschäftsgrundlage einzuordnen ist, dass der M in deren Kenntnis den Vertrag so nicht abgeschlossen hätte. Der BGH hat dies letztlich offen gelassen, da es ohnehin an der Unzumutbarkeit mangelte.
 
3. Normatives Element
Denn: In einem dritten Schritt ist zu prüfen, ob der Partei das Festhalten am unveränderten Vertrag zugemutet werden kann. Hierbei handelt es sich um eine Wertungsentscheidung, die eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfordert. Wie § 313 Abs. 1 BGB vorgibt, fließen hierbei insbesondere vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilungen ein. Unzumutbarkeit ist folglich nicht gegeben, wenn es sich um einen Umstand handelt, der dem Risikobereich der Vertragspartei zuzuordnen ist. Dass gemeinsame Irrtümer der Vertragsbeteiligten, die zu einer fehlerhaften Berechnung auf einer als maßgeblich erachteten Berechnungsgrundlage geführt haben, eine Anpassung über § 313 BGB rechtfertigen können, entspricht der wohl herrschenden Meinung (exemplarisch MüKoBGB/Finkenauer, 8. Aufl. 2019, § 313 Rn. 278). Dies hat der BGH unter anderem in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 explizit für Grundstücksflächen im Kontext eines Kaufvertrages entschieden:

„Ist bei dem Verkauf einer noch zu vermessenden Grundstücksfläche der Kaufgegenstand in der notariellen Urkunde sowohl durch eine bestimmte Grenzziehung in einem maßstabsgerechten Plan als auch durch eine als ungefähr bezeichnete Flächenmaßangabe bestimmt, kommt die Anpassung oder Auflösung des Vertrags nach den Grundsätzen vom Fehlen der Geschäftsgrundlage in Betracht, wenn die Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend davon ausgingen, dass die Größe der zeichnerisch dargestellten Fläche in etwa der bezifferten Flächengröße entspricht und das Ergebnis der Vermessung davon wesentlich abweicht“ (Urt. v. 30.1.2004 – V ZR 92/03, NJW-RR 2004, 735)

Eine noch höhere Relevanz erlangt in diesem Kontext ein anderes Urteil, ebenfalls aus dem Jahre 2004, in dem der BGH feststellte, dass für ein Mieterhöhungsverlangen nicht die vereinbarte, sondern die tatsächliche Größe der Wohnung entscheidend ist, denn ansonsten könnte der Vermieter eine Miete erzielen, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt (s. BGH, Urt. v. 07.07.2004 – VIII ZR 192/03, BeckRS 2004, 07041).
In Abgrenzung hierzu hat der BGH in der aktuellen, hier zu besprechenden Entscheidung nunmehr aber die Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag bejaht. Zwar hat der BGH herausgestellt, die (richtige) Ermittlung der Wohnfläche sei grundsätzlich der Risikosphäre des Vermieters zuzuordnen (Rn. 24; s. auch Urt. v. 7.7.2004 – VIII ZR 192/03, aaO unter II 2 a sowie v. 18.11.2015 – VIII ZR 266/14, BGHZ 205, 18 Rn. 28). Dennoch bestehe im konkreten Fall die Besonderheit, dass die unzutreffende Berechnungsgrundlage sich schon deswegen nicht zu Lasten des Mieters ausgewirkt habe, weil dem Vermieter letztlich auch bei Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche ein Anspruch auf Zustimmung zur begehrten Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB zugestanden hätte:

„Jedenfalls spricht nichts dafür, dass sich die wirtschaftliche Situation des Klägers in irgendeiner Weise günstiger dargestellt hätte, wenn er bei Kenntnis der tatsächlichen Wohnfläche eine Mieterhöhung abgelehnt und das Mietverhältnis gekündigt hätte. Denn in diesem Fall wären dem Kläger durch die Suche einer neuen Wohnung Mühen und Kosten entstanden und ist nicht ersichtlich, dass anderweit eine vergleichbare Wohnung zu einer unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegenden Miete zur Verfügung gestanden hätte. Der den Beklagten bei den Mieterhöhungsbegehren bezüglich der Wohnfläche unterlaufene Fehler hatte somit für den Kläger keine negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, so dass ihm ein unverändertes Festhalten an den Vereinbarungen auch zumutbar ist. Da eine Anpassung der Mieterhöhungsvereinbarungen auf eine jeweils geringere Miete somit nicht in Betracht kommt, besteht der Rechtsgrund für die vom Kläger erbrachten (erhöhten) Mietzahlungen fort.“ (Rn. 26)

Der BGH lehnt also auch einen Anspruch aus § 313 Abs. 1, 2 BGB auf Vertragsanpassung mangels Unzumutbarkeit ab.
 
C) Fazit
Zusammenfassend gilt: Eine Mieterhöhung kann auch dann wirksam sein, wenn die Wohnung tatsächlich kleiner ist als vom Vermieter im Rahmen der Berechnung zugrunde gelegt. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB kommt mangels fehlenden Rechtsgrundes dann nicht in Betracht, wenn eine wirksame Parteivereinbarung vorliegt, die dahingehend auszulegen ist, dass ausschließlich der konkret genannte Betrag und nicht die der Berechnung zugrunde gelegte Wohnfläche Vertragsinhalt geworden ist. Auch eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1, 2 BGB scheidet aus, wenn ein Festhalten am Vertrag dem Mieter mangels negativer wirtschaftlicher Auswirkungen durch die Mieterhöhungsabrede zumutbar ist. Das ist dann der Fall, wenn die Miete unter der ortsüblichen Vergleichsmiete bleibt. Anderes kann sich aber dann ergeben, wenn durch die auf falscher Berechnungsgrundlage beruhende Erhöhungsvereinbarung zu einer Miete führt, die die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigt. In einer Klausur sollte daher genaues Augenmerk auf die im Sachverhalt konkret genannten Aspekte gelegt werden, um anhand dieser eine Zumutbarkeitsabwägung vornehmen zu können.
 
 

06.02.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-02-06 09:05:562020-02-06 09:05:56BGH: Mieterhöhung trotz Irrtums über die Größe der Wohnung wirksam
Charlotte Schippers

Wohnraummiete: Schnarchen des Nachbarn als Mangel im Altbau?

Mietrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Etwas älter ist das nachfolgend besprochene Urteil des AG Bonn vom 25. März 2010 (Az.: 6 C 598/08). Nichtsdestoweniger ist der Sachverhalt unterhaltsam und sorgte für mediales Aufsehen. Mit dem Fall können einerseits das Basiswissen der Prüflinge im Mietrecht, einem beliebten Examensthema, und andererseits ihre Fähigkeit zur Argumentation mit den Sachverhaltsangaben abgefragt werden. Mithin ist das vorliegende Urteil auch für den Klausursteller im Examen attraktiv und sollte deshalb jedem Examenskandidaten geläufig sein.
Das AG Bonn hatte sich also nun damit zu beschäftigen, ob das Schnarchen eines Mieters für die Mieter der Nachbarwohnung einen Sachmangel an der Mietwohnung darstellt. Wie es dazu kam, ist schnell erzählt:
 
Sachverhalt (leicht abgewandelt und gekürzt)
Geklagt hatten die Mieter (M und N) gegen ihre Vermieterin (V). Die betreffende Altbauwohnung wurde unter anderem als „renoviert“, „modernisiert“ sowie „in ruhiger Lage“ befindlich inseriert. Auch beim dem Telefonat mit der Maklerin wurde auf Nachfrage darauf hingewiesen, dass es sich um eine ruhige Wohnung handle, über der Wohnung sei schließlich nur noch der Speicher. Allerdings war die Wohnung tatsächlich hellhörig. Insbesondere störend für M und N war, dass das Schnarchen des Mieters der unter ihrer Wohnung liegenden Wohnung so laut war, dass sie in ihrem eigenen Schlafzimmer nicht schlafen konnten, was auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Ein Hinweis auf fehlende Schallisolierung sowie das Schnarchen erfolgte durch die Maklerin nicht.
V machte geltend, dass sich bisher noch kein Mieter über die schlechte Isolierung beklagt habe. Auch würden Mieter der unter dem schnarchenden Mieter liegenden Wohnung sich nicht darüber beschweren. Außerdem handelt es sich bei dem Haus um eines aus der Gründerzeit: Maßgeblich seien technischen Gegebenheiten zur Zeit der Errichtung des Gebäudes – der Schallschutz sei jedenfalls nicht schlechter als der, der bei Altbauten üblich ist.
M und N rügten eine fehlerhafte Schallisolierung der Wohnung und machten eine Minderung der Miete geltend.
War die Minderung gerechtfertigt?
 
Lösung
Infrage kommt eine Minderung der Miete nach § 536 BGB. Gem. § 536 Abs. 1 BGB ist der Mieter bei Vorliegen eines Mangels, der die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache aufhebt oder mindert, von der Pflicht zur Zahlung der Miete entweder vollständig oder in angemessener Höhe befreit.
Nach Feststellung, dass ein wirksamer Mietvertrag vorliegt, ist entscheidend, ob der Wohnung ein Mangel anhaftet. Ein Mangel ist jede negative Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit.
 
I. Zunächst ist die Frage nach einem Mangel mit Blick auf die möglicherweise nicht hinreichende Schallisolierung zu begutachten:
Hierfür ist der Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes maßgeblich, vgl. BGH, Urt. v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03. So kann der Mieter von einem Altbau ohne besondere Absprachen mit dem Vermieter nicht mehr als einen Mindeststandard, der heutigen Maßstäben gerecht wird, erwarten. Das Gleiche gilt auch für ein modernisiertes Mietobjekt: Dass ein neuzeitlicher Standard bzgl. Schalldämmung etc. eingehalten wurde, kann nicht zugrunde gelegt werden; insbesondere wegen der für Altbauten typischen Deckenkonstruktionen. Da der Schallschutz aber, wie auch gutachterlich festgestellt wurde, nicht schlechter war als der, der bei Altbauten üblich ist, kann hierin also kein Mangel begründet werden.
 
II. Auch in den Schnarchgeräuschen des Nachbarn liegt kein Mangel:

„Zum einen kann bei der Anmietung einer Altbauwohnung, die regelmäßig über die für Altbauwohnungen charakteristischen Holzbalkendecken – (und damit nach Feststellungen des Sachverständigen einhergehend auch über geringeren Schallschutz) – verfügt, vom Mieter nicht vorausgesetzt werden, dass keinerlei Wohngeräusche der Nachbarn in die Wohnung dringen. […] Darüber hinaus haben die Parteien auch keine weitergehende Vereinbarung über den Schallschutz der Mietsache getroffen, wonach das aus der Nachbarwohnung durchdringende Geräusch eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit und damit einen Mietmangel darstellte.“

Der Mangel kann nach Auffassung des AG Bonn hierüber nur dann begründet werden,

„wenn die Parteien über den allgemein von einen (sic!) Altbau zu fordernden Schallschutz hinaus eine Vereinbarung dahingehend getroffen hätten, dass jedwede Wohngeräusche, auch solche mit einer tiefen Frequenz nicht aus der Nachbarwohnung zu vernehmen seien“.

Es untersuchte demnach noch, ob nicht eine Vereinbarung der Parteien hinsichtlich der nachbarlichen Wohngeräusche getroffen wurde.
 
1. Eine solche könnte sich durch die Werbung für die Wohnung als „in ruhiger Lage“ begründen lassen. Allerdings sind nach der Verkehrsauffassung hiermit Lage und Außenverhältnisse gemeint, nicht aber die Geräuschquellen im Haus, sodass dies ausscheidet.
 
2. Die Vereinbarung, es handle sich um eine „ruhige Wohnung“ mit Bezug auf den darüber gelegenen Speicher spricht ebenfalls gegen eine Vereinbarung darüber, dass sonstige Wohngeräusche nicht zu vernehmen wären:

„Die Vereinbarung einer „ruhigen Wohnung” bezieht sich nach der Verkehrsanschauung in erster Linie auf das Wohnverhalten der Mitmieter und den damit einhergehenden Wohngeräuschen, insbesondere im Hausflur, Balkonen und Kellerräumen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass zur Begründung des Merkmals „ruhige Wohnung” nach dem Vortrag der Kl. auf den über der Wohnung liegenden Speicher Bezug genommen worden ist. Dass es sich vorliegend um ein „unruhiges Haus” handele, wonach durch entsprechendes Wohnverhalten der Mitmieter mannigfaltige Wohngeräusche in die Wohnung der Kl. dringen, wurde von den Kl. schon nicht vorgetragen.

 
3. Eine weitere Auslegung dahingehend, dass eine Zusicherung getroffen werden sollte, dass über den normalen Schallschutz hinaus das Durchdringen sämtlicher Wohngeräusche, auch solcher wie Schnarchen des Nachbarn, ausgeschlossen sei, kann demnach nicht stattfinden. Dies bedürfe einer detaillierteren Vereinbarung, die dies ausdrücklich aufgreift.
Folglich liegt kein Mangel vor.
 
III. Damit waren M und N, da kein Mangel vorliegt, nicht zur Minderung der Miete gem. § 536 BGB berechtigt.
 
Fazit
Es zeigt sich, dass es in Fällen wie diesen auf die Kenntnis mietrechtlicher Gewährleistung ankommt. Infrage kommt beispielsweise auch die Überlegung, wie sie im Originalfall zugrunde lag, ob ein Kündigungsfolgeschaden geltend gemacht werden kann: Dabei käme es auf ein Kündigungsrecht von M und N an, also wiederum auf das Vorliegen eines Mangels. Maßgeblich geht es darum, die relevanten Punkte strukturiert in der Prüfung unterzubringen.

12.12.2019/3 Kommentare/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2019-12-12 09:12:032019-12-12 09:12:03Wohnraummiete: Schnarchen des Nachbarn als Mangel im Altbau?
Dr. Maike Flink

Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Quartal 2 und 3/2019) – Teil 1: Verfassungsrecht

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Bei der Vorbereitung auf die schriftliche und vor allem mündliche Examensprüfung, aber auch auf Klausuren des Studiums, ist die Kenntnis aktueller Rechtsprechung von entscheidender Bedeutung. Der folgende Überblick ersetzt zwar keinesfalls die vertiefte Auseinandersetzung mit den einzelnen Entscheidungen, soll hierfür aber Stütze und Ausgangspunkt sein. Dargestellt wird daher eine Auswahl der examensrelevanten Entscheidungen der vergangenen Monate anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen und ergänzender kurzer Ausführungen aus den Gründen, um einen knappen Überblick aktueller Rechtsprechung auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts zu bieten.
 
BVerfG (Beschl. v. 23.7.2019 – 1 BvR 2433/17): Fälschliche Einordnung prozessualer Äußerung als Schmähkritik verletzt Meinungsfreiheit
Das BVerfG hat kürzlich die Anforderungen an das Vorliegen von Schmähkritik erneut konkretisiert. Dabei hat das Gericht herausgestellt, dass bei der Qualifizierung einer Aussage als Schmähkritik strenge Maßstäbe anzulegen sind. Erforderlich ist, dass die Äußerung tatsächlich auf die bloße Herabsetzung und Diffamierung einer anderen Person gerichtet ist, ohne sich inhaltlich mit der Sache auseinander zu setzen. Besonders hervorgehoben hat das BVerfG, dass auch Anlass und Kontext der Äußerung Berücksichtigung finden müssen um zu ermitteln, ob sie tatsächlich jedes sachlichen Bezugs entbehrt und auf eine persönliche Diffamierung gerichtet ist oder vielmehr ein Anlass für die jeweilige Aussage ausgemacht werden kann. So kann der Vergleich der Verhandlungsführung einer Richterin mit „einschlägigen Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten“ oder einem „mittelalterlichen Hexenprozess“ nicht von vornherein als Schmähkritik eingeordnet werden. Das BVerfG formuliert dazu:

„Die Äußerungen entbehren […] nicht eines sachlichen Bezugs. Sie lassen sich wegen der auf die Verhandlungsführung und nicht auf die Richterin als Person gerichteten Formulierungen nicht sinnerhaltend aus diesem Kontext lösen und erscheinen auch nicht als bloße Herabsetzung der Betroffenen. Die Äußerungen lassen nicht ohne weiteres den Schluss zu, der Beschwerdeführer habe der Richterin eine nationalsozialistische oder „mittelalterliche“ Gesinnung unterstellen wollen. Historische Vergleiche mit nationalsozialistischer Praxis begründen für sich besehen nicht die Annahme des Vorliegens von Schmähkritik.“

Vgl. ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung.
 
BVerfG (Beschl. v. 18.7.2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvR 1595/18, 1 BvL 4/18) zur Verfassungskonformität der Mietpreisbremse
Ein großes mediales Echo hat auch die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungskonformität der Mietpreisbremse hervorgerufen. So stellte das Gericht fest:

„Die Regulierung der Miethöhe bei Mietbeginn durch § 556d Abs. 1 BGB verstößt in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren weder gegen die Garantie des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 GG noch gegen die Vertragsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG noch den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.“

Schwerpunktmäßig hat das BVerfG sich in seinem Beschluss mit der Vereinbarkeit des § 556d Abs. 1 BGB mit Art. 14 Abs. 1 GG beschäftigt: Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist jedoch abzulehnen, da die Regelung eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG darstellt. Sie verfolgt das legitime Ziel, „durch die Begrenzung der Miethöhe bei Wiedervermietung der direkten oder indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren entgegenzuwirken“. Indem sie Preisspitzen auf angespannten Wohnungsmärkten abschwächt, kann sie den Zugang einkommensschwacher Mieter zu Wohnraum schaffen und ist damit geeignet, den verfolgten Zweck zu erreichen, ohne dass vergleichbar wirksame, mildere Mittel zur Verfügung stehen. Letztlich ist die Regelung nach Ansicht des Gerichts auch angemessen, denn der Gesetzgeber hat die Belange von Mietern und Vermietern in einen sachgerechten Ausgleich gebracht. Den Interessen der Mieter kommt dabei besonderes Gewicht zu:

„Die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung geht auf der anderen Seite umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht […]. Das trifft auf die Miethöhenregulierung in besonderem Maße zu. Eine Wohnung hat für den Einzelnen und dessen Familie eine hohe Bedeutung […].“

Demgegenüber entsteht keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung seitens der Betroffenen Vermieter, denn auch eine nachträgliche Verschlechterung der Nutzungsmöglichkeiten bestehender Eigentumspositionen kann zulässig sein. So führt das Gericht aus:

„Auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen Vermieterinnen und Vermieter […] mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen […]. Ihr Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt, weil ein solches Interesse seinerseits vom grundrechtlich geschützten Eigentum nicht umfasst ist.“

Eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Interessen der betroffenen Vermieter ist zudem abzulehnen, da die ortsübliche Vergleichsmiete dem Vermieter einen am örtlichen Markt orientierten Mietzins sichert und damit die Wirtschaftlichkeit der Vermietung erhalten bleibt.
 
BVerfG (Beschl. v. 9.7.2019 – 1 BvR 1257/19) zur Strafbarkeit des faktischen Leiters einer nicht angemeldeten Versammlung
Das BVerfG hatte die Vereinbarkeit der Strafnorm des § 26 Nr. 2 VersG mit Art. 8 Abs. 1 GG zu beurteilen. § 26 Nr. 2 VersG bestimmt: „Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung (§ 14) durchführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ An der Verfassungskonformität der Norm bestehen dabei grundsätzlich keine Zweifel. Dies gilt nach der Ansicht des Gerichts auch, sofern sie dahingehend ausgelegt wird, dass auch der bloß faktische Versammlungsleiter einer nicht angemeldeten Veranstaltung als tauglicher Täter eingeordnet wird:

 „Denn eine solche Auslegung ist geeignet, einer Umgehung des Erfordernisses einer Anmeldung unter Benennung eines Versammlungsleiters entgegenzuwirken, die ansonsten nur gegenüber dem Veranstalter – der gerade bei nicht angemeldeten Versammlungen oftmals nicht ohne weiteres festgestellt werden kann – sanktioniert werden könnte. Sie verwirklicht somit die legitimen Ziele des gesetzlichen Anmeldeerfordernisses, ohne die Versammlungsfreiheit in übermäßiger Weise einzuschränken.“

Es bestehen auch keine Bedenken, dass dies zu einer Sanktionierung der bloßen Teilnahme an einer nicht angemeldeten Veranstaltung führen könnte, denn es ist nur derjenige als Versammlungsleiter einzuordnen, der den Ablauf der Versammlung, ihre Unterbrechungen und ihre Schließung bestimmt. 
Vgl. ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung.
 
BVerfG (Beschl. v. 2.7.2019 – 1 BvR 385/16) zur Verfassungskonformität eines Vereinsverbots
Das BVerfG hat sich mit der Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vereinsverbots am Maßstab von Art. 9 Abs. 2 GG beschäftigt. Gem. Art. 9 Abs. 2 GG ist ein Vereinsverbot dabei gerechtfertigt, wenn sich die jeweilige Vereinigung gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, also insbesondere, wenn sie schwerwiegende völkerrechtswidrige Handlungen aktiv propagiert und fördert. Dabei gilt:

„Der Verbotstatbestand kann auch dann erfüllt sein, wenn die Vereinigung sich durch die Förderung Dritter gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet; Dazu gehört die finanzielle Unterstützung terroristischer Handlungen und Organisationen, wenn diese objektiv geeignet ist, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen, und die Vereinigung dies weiß und zumindest billigt.“

30.09.2019/0 Kommentare/von Dr. Maike Flink
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maike Flink https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maike Flink2019-09-30 10:08:312019-09-30 10:08:31Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Quartal 2 und 3/2019) – Teil 1: Verfassungsrecht
Gastautor

BGH: Kündigungsschutzklausel in Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber einer Immobilie begründet eigene Schutzrechte des Mieters

AGB-Recht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Mietrecht, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns sehr, nachfolgend einen Gastbeitrag von Tobias Vogt veröffentlichen zu können. Der Autor war am Institut für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn tätig und ist derzeit Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg.
Der BGH stärkt in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 14.11.2018, Az. VIII ZR 109/18) Mieterrechte und äußert sich dabei seit langem wieder einmal zu einem Vertrag zu Gunsten Dritter (VzD) i.S.d. § 328 BGB. Der Mieter kann sich gegenüber seinem Vermieter auf eine Kündigungsschutzklausel aus dem zwischen dem jetzigen Vermieter und dem vorherigen Eigentümer der Immobilie geschlossenen Kaufvertrag über die Immobilie berufen und sich so gegen eine Kündigung des Mietvertrags wehren, entschied der VIII Zivilsenat. Gerade aufgrund der enormen medialen Aufmerksamkeit in der Tagespresse liegt die Examensrelevanz auf der Hand. Zudem macht die Kombination aus Mietrecht, AGB-Kontrolle und VzD diese Entscheidung aus Prüfersicht attraktiv. Sie sollte daher jedem Examenskandidaten bekannt sein. Auch wenn die Entscheidung noch nicht im Volltext veröffentlicht wurde, ergeben sich die wesentlichen Gründe bereits aus der Pressemitteilung des BGH.
I. Sachverhalt (leicht abgewandelt)
Die Beklagten sind seit 1981 Mieter einer Wohnung in einem aus zwei Wohnungen bestehenden Siedlungshaus. Im Jahr 2012 erwarb die Klägerin das Hausgrundstück von der Stadt Bochum und bewohnt mittlerweile die zweite Wohnung des Hauses. Der Kaufvertrag zwischen der Stadt Bochum und der Klägerin enthält folgenden Klausel, die die Stadt Bochum für eine Vielzahl von Immobilienverträgen verwendete: „Die Mieter haben ein lebenslanges Wohnrecht. Der Käufer übernimmt das bestehende Mietverhältnis. Er darf insbesondere keine Kündigung wegen Eigenbedarfs oder wegen der Behinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung aussprechen. Möglich ist lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen Verletzung der dem Mieter obliegenden vertraglichen Verpflichtungen […] Für den Fall, dass der Käufer ohne Zustimmung des Verkäufers oder ohne Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes das Mietverhältnis kündigt, ist der Verkäufer berechtigt, das Kaufgrundstück lasten- und schuldenfrei wiederzukaufen.“ Dennoch kündigte die Klägerin das Mietverhältnis unter Berufung auf § 573a Abs. 1 S. 1 BGB, der eine Kündigung von Seiten des Vermieters unter erleichterten Bedingungen vorsieht, wenn dieser im selben Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen die zweite Wohnung selbst bewohnt. Mit der anschließenden Räumungsklage scheiterte die Klägerin in den Vorinstanzen und nun auch vor dem BGH.
II. Kündigungsschutzklausel als echter Vertrag zugunsten Dritter, § 328 BGB
Zunächst sollte in einer Prüfung festgestellt werden, dass die Klägerin durch den Erwerb des Hausgrundstücks nach § 566 Abs. 1 BGB in das zuvor zu der Stadt Bochum bestehende Mietverhältnis eingetreten ist und eine ordnungsgemäße Kündigungserklärung vorliegt. Auch sollten die Voraussetzungen des § 537a BGB geprüft werden, die hier vorliegen. Dann ist die Kündigungsschutzklausel aus dem Grundstückskaufvertrag anzusprechen, die einer Kündigung nach § 573a BGB entgegenstehen könnte. Dazu müsste diese aber auch im Verhältnis der Mieter zur Vermieterin gelten. Der Grundstückskaufvertrag ist jedoch zwischen jetzigem und vorherigem Vermieter geschlossen worden. Verträge gelten grundsätzlich nur inter partes. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellt das Konstrukt des Vertrags zugunsten Dritter nach § 328 BGB dar. Nach § 328 Abs. 1 BGB kann eine Leistung an einen Dritten derart bedungen werden, dass dieser unmittelbar das Recht erwirbt die Leistung zu fordern. Ob ein solches Recht bestehen soll, ist in Ermangelung einer besonderen Bestimmung gemäß § 328 Abs. 2 BGB aus den Umständen, insbesondere dem Zwecke des Vertrags, zu ermitteln. An dieser Stelle können Prüflinge mit einer umfassenden Auslegung der Klausel punkten, wobei insbesondere auf den Wortlaut und auch den von der Stadt Bochum bezweckten Mieterschutz aufgrund deren Verantwortung als kommunaler Eigentümer und Veräußerer eingegangen werden. So führte der BGH in seiner Pressemitteilung aus: „Schon der Wortlaut der Regelung, in der von einem bestehenden lebenslangen Wohnrecht der Mieter und einer Übernahme dieses Mietverhältnisses durch den Käufer die Rede ist, bringt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass den Mietern hiermit eine (eigene) gesicherte Rechtsposition auch gegenüber dem Käufer als neuem Vermieter eingeräumt wird. Ihren bisherigen Wohnraum sollen sie lediglich bei selbst zu vertretender (erheblicher) Verletzung ihrer Mieterpflichten verlieren können. Für diese naheliegende Auslegung der vertraglichen Regelungen sprechen zusätzlich auch die hohe Schutzbedürftigkeit der Beklagten als langjährige Mieter und die Verantwortung der Stadt Bochum als kommunaler Eigentümer und Veräußerer. Darüber hinaus unterstreicht das für den Fall einer unberechtigten Vermieterkündigung vereinbarte Wiederkaufsrecht der Stadt, dass diese mit den vertraglichen Regelungen erkennbar einen möglichst umfassenden Schutz der Mieter herbeiführen wollte.“ Daher handelt es sich also um einen echten Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB, sodass die Mieter die Kündigungsschutzklausel dem Vermieter entgegenhalten können.
III. Auslegung der Klausel: Auch Kündigung nach § 573a BGB ausgeschlossen
Fraglich ist zudem, ob die Klausel ihrem Inhalt nach auch eine Kündigung nach § 573a BGB ausschließen soll. Dies ist durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont §§ 133,157 BGB zu ermitteln. Zwar sind ausdrücklich nur die Kündigung wegen Eigenbedarf und wegen Behinderung einer angemessenen Verwertung ausgeschlossen. Jedoch lässt sich schon aus der Formulierung „insbesondere“ erschließen, dass dies keine abschließende Aufzählung darstellt. Vielmehr wird im nächsten Satz klargestellt, dass lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen Verletzung der vertraglichen Mieterpflichten möglich sein soll. Die Kündigung nach § 573a BGB erfordert jedoch – ebenso wie die in der Klausel ausdrücklich genannten Kündigungsgründe – weder eine Pflichtverletzung noch ein Verschulden des Mieters. Die Klausel umfasst daher auch eine Kündigung nach § 573a BGB.
IV. Keine Unwirksamkeit aufgrund AGB-Kontrolle
Die Kündigungsschutzklausel kann selbstverständlich aber nur dann der Kündigung entgegenstehen, wenn sie wirksam ist. Da die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und von der Stadt Bochum einseitig gestellt wurde, handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, § 305 BGB. Es ist daher zu prüfen, ob die Klausel gegen §§ 307 – 309 BGB verstößt. In Betracht kommt hier ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB. Dazu müsste die Klägerin durch die Klausel unangemessen benachteiligen. Zwar wird das Recht zur Kündigung in weiten Fällen ausgeschlossen. Jedoch ist das Kündigungsrecht nicht völlig ausgeschlossen, sondern es verbleibt dem Erwerber die Möglichkeit zur Kündigung wegen wesentlicher Pflichtverletzung des Mieters. Die Regelung dient dem berechtigten Interesse der langjährigen Mieter, ohne eigene erhebliche Pflichtverletzung nicht einer Kündigung ausgesetzt zu werden. Auch die Stadt Bochum hat als kommunalen Träger ein berechtigtes Interesse, durch eine Kündigungsschutzklausel die bislang in ihrem Eigentum wohnenden Mieter vor einer Kündigung durch den neuen Vermieter zu schützen. Daher benachteiligen die „kaufvertraglichen Bestimmungen, mit denen das Recht der Erwerber zur ordentlichen Kündigung für die Lebensdauer der aktuellen Mieter eingeschränkt wird, […] den Käufer einer entsprechenden Immobilie nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 und 2 BGB, sondern stellen vielmehr eine inhaltlich ausgewogene Regelung für den Verkauf eines im kommunalen Eigentum stehenden, von langjährigen Mietern bewohnten Siedlungshauses dar“, so der BGH in seiner Pressemitteilung.
V. Summa
Eine Klausel in dem Grundstückskaufvertrag zwischen Veräußerer und Erwerber, die das Kündigungsrecht des Erwerbers gegenüber den Mietern einschränkt, ist (jedenfalls bei ähnlicher Formulierung wie im konkreten Fall) als Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB auszulegen, so dass der Mieter sie dem (neuen) Vermieter entgegenhalten kann. Eine solche Vereinbarung stellt eine inhaltlich ausgewogene Regelung dar, die auch einer AGB-Kontrolle standhält.

16.11.2018/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2018-11-16 09:00:082018-11-16 09:00:08BGH: Kündigungsschutzklausel in Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber einer Immobilie begründet eigene Schutzrechte des Mieters
Redaktion

BGH: Sittenwidrigkeit eines Mietaufhebungsvertrages trotz Untermietverhältnisses?

Examensvorbereitung, Lerntipps, Mietrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns sehr, heute einen Gastbeitrag von Tobias Kromm veröffentlichen zu können. Der Autor hat an den Universitäten Bonn und Salamanca Rechtswissenschaften studiert und arbeitet derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Küttner Rechtsanwälte. 
I. Ein Klausurklassiker in neuem Gewand
Drei-Personen-Verhältnisse sind beständig dazu geeignet, Examenskandidaten ins Schwitzen oder zumindest ins Grübeln zu bringen – besonders dann, wenn es um Fälle der Untervermietung geht. Der nachfolgende Sachverhalt wurde am 18. April 2018 vom BGH (XII ZR 76/17 – NZM 2018, 601) entschieden und setzt sich inhaltlich mit der Frage auseinander, ob der Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages zwischen Vermieter und Mieter trotz bestehenden Untermietverhältnisses wirksam möglich ist oder ob ein solcher Vertrag an der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB scheitert. Diese Konstellation aus Vermieter, Hauptmieter und Untermieter betrifft das examensrelevante Mietrecht, insbesondere den atypischen, schuldrechtlichen Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 2 BGB. Dieser sichert dem Vermieter einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Untermieter zu, obwohl beide in keinerlei vertraglicher Beziehung zueinanderstehen. Der BGH setzte sich in dieser aktuellen Entscheidung schwerpunktmäßig mit der Sittenwidrigkeit auseinander, insbesondere wird die Verleitung zum Vertragsbruch erörtert. Gerade in diesem Bereich lässt sich mit einer gut durchdachten, eigenen Argumentation in der Klausur punkten.
II. Sachverhalt (vereinfacht und gekürzt)
Der Vermieter (V) vermietete ein Gelände zur Durchführung von Rennveranstaltungen an den Mieter (M) mit befristetem Mietvertrag bis zum 31.08.2024. Zwecks Durchführung der Rennveranstaltungen wurde das Gelände von M an den Untermieter (U) weitervermietet. Der zugrundeliegende Mietvertrag sah eine Untervermietung zwecks Durchführung der Rennen ausdrücklich vor. In der Untermietvereinbarung zwischen M und U war eine Laufzeit bis zum 31.08.2024 vorgesehen. Nach einer wirtschaftlich kaum profitablen Zeit, welche mit Verlusten des U und Ausgleichszahlungen des M an V verbunden war, beabsichtigte der V die Vermietung des Geländes an einen anderen Mieter. Zu diesem Zweck schlossen V und M am 05.08.2014 einen Aufhebungsvertrag. Im Zuge des Vertragsschlusses erhielt M eine größere Summe als Entschädigung und Ausgleich für die im Rahmen des Rennbetriebs übernommenen Investitionen. M kündigte daraufhin U gegenüber den Untermietvertrag und forderte die Herausgabe des Geländes. Der U ist der Ansicht, dass der Aufhebungsvertrag sittenwidrig und daher nichtig sei, insbesondere sieht U in dem Verhalten von M und V ein kollusives Zusammenwirken zu seinem Nachteil. Der V begehrt nun seinerseits die Räumung und Herausgabe des Mietobjekts von U.
III. Entscheidung des BGH
Der V macht einen Anspruch auf Rückgabe der Mietsache aus § 546 Abs. 2 BGB gegen den U geltend. Tatbestandliche Voraussetzung dafür ist die Beendigung des zugrundeliegenden Mietverhältnisses zwischen V und M. Das Mietverhältnis war nicht durch Zeitablauf beendet. Gerade in Bezug auf befristete Mietverhältnisse ist zu beachten, dass diese grundsätzlich erst mit Zeitablauf enden. Es besteht dann lediglich die Möglichkeit in den gesetzlich bestimmten Fällen im Wege einer außerordentlichen Kündigung eine Beendigung herbeizuführen.
Auch wenn es im vorliegenden Fall aufgrund der Gewerberaummiete nicht von Bedeutung war, sei als Exkurs angemerkt, dass bei Wohnraummiete aus Mieterschutzaspekten für befristete Mietverträge die strengen Voraussetzungen der §§ 575 f. BGB erfüllt sein müssen. In der Praxis wird die Norm häufig durch vertraglichen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts für eine bestimmte Zeit umgangen. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 13.10.2010 – VIII ZR 98/10, NJW 2011, 59 Rdnr. 25; Urt. v. 10.07.2013 – VIII ZR 388/12 , NJW 2013, 2820 Rdnr. 17) in Form eines beidseitigen Kündigungsausschlusses für bis zu 4 Jahre möglich. Die in der vorliegenden Konstellation zugrundeliegende Gewerberaummiete ist von dieser Einschränkung mangels Verweises in § 578 Abs. 1 BGB nicht umfasst.
Das Mietverhältnis könnte aber durch den zwischen V und M abgeschlossenen Aufhebungsvertrag gemäß § 311 Abs. 1 BGB beendet worden sein. Dies ist nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit möglich – auch bei Nutzungsüberlassung durch den Mieter an Dritte. Der U hält dem Räumungsverlangen des V entgegen, dass der Aufhebungsvertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sei. Er, der U, sei durch das kollusive Zusammenwirken von V und M in sittenwidriger Art und Weise geschädigt worden. Der BGH formulierte zur Sittenwidrigkeit in der oben genannten Entscheidung folgendes:
„Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann.“
Zunächst prüfte der BGH, ob der grundlose Entzug der Nutzungsmöglichkeit des Untermieters eine Sittenwidrigkeit begründet. Dies sei dann der Fall, wenn V und M keine vernünftigen Gründe für die Beendigung des Mietverhältnisses hatten. Eine subjektive gemeinsame Schädigungsabsicht sei für die Annahme der Sittenwidrigkeit nicht ausreichend. Vielmehr müsse die Rechtsstellung des Dritten tatsächlich verschlechtert werden. Das Rechtsgeschäft müsste somit in objektiver Hinsicht nachteilig für den Dritten sein. Daher sei der Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages zumindest dann nicht sittenwidrig, wenn dem Hauptmieter (M) gegenüber dem Dritten (U) ein ordentliches Kündigungsrecht zustehe.
Der U betrieb die Rennveranstaltungen seit Jahren wirtschaftlich defizitär. V habe als Eigentümer grundsätzlich das Recht, das Grundstück für die Zukunft einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Dies sei als vernünftiger Grund für die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages zu qualifizieren und als Entscheidung des Eigentümers von den Gerichten nicht weiter zu überprüfen, so der BGH. Auch für den M bestünden vorliegend vernünftige Gründe den Mietvertrag vorzeitig aufzuheben. Der M habe gegenüber V weitreichende finanzielle Verpflichtungen aus dem Mietvertrag, insbesondere sei der M dem V gegenüber zum Ausgleich für Schäden und ausstehende Zahlungen des U verpflichtet. Diesen aufgrund des unrentablen Betriebs durch U teilweise immensen Forderungen könne der M nicht nachkommen. Auch diese betriebswirtschaftlichen Erwägungen des M stellen sich, so der BGH, als vernünftige Gründe für den Aufhebungsvertrag dar. Damit sei der Mietaufhebungsvertrag keinesfalls ohne vernünftigen Grund geschlossen worden.
Zudem ergebe die Auslegung der Untermietvereinbarung, dass dem M ein ordentliches Kündigungsrecht gegenüber U zustand. Der M sei berechtigt halbjährlich zu kündigen, die aufgeführte Vertragsdauer bis zum 31. August 2024 sei als Höchstlaufzeit zu qualifizieren.
Auch Begleitumstände seien grundsätzlich geeignet, eine Sittenwidrigkeit zu begründen. Im konkreten Fall seien insbesondere Zahlungen an den M im Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages genauer in den Blick zu nehmen. Da diese jedoch auch als Ausgleich für zuvor getätigte Ausgaben zur Aufrechterhaltung des Rennsportbetriebs gezahlt wurden, sei auch dieser Begleitumstand nicht geeignet, eine Sittenwidrigkeit des Mietaufhebungsvertrages zu begründen. Es sei hier nicht in sittlich zu missbilligender Art und Weise eine Schädigung des U durch die zusätzlichen Zahlungen von V an M erkauft worden – eine Wertung, die zumindest diskussionswürdig ist und im Rahmen einer Klausur Raum für Argumentation bietet. Im Ergebnis ist aber richtigerweise festzuhalten, dass ein Ausgleichsanspruch des M gegenüber V in der exakten Höhe der geleisteten Zahlung nicht bestehen muss. Es reicht vielmehr, dass die Zahlung nicht den Zweck verfolgte, eine Schädigung des U zu entlohnen, sondern einen Ausgleich für die über die Jahre des Rennsportbetriebs hinweg erbrachten finanziellen Leistungen darstellen sollte.
Damit bleibt festzuhalten: Der Mietaufhebungsvertrag zwischen V und M ist nicht sittenwidrig. Das Mietverhältnis zwischen V und M ist wirksam beendet. Damit steht dem V gegen M ein Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 2 BGB zu. Zudem kommt dem V ein Räumungsanspruch aus § 985 BGB zu, da der U kein abgeleitetes Besitzrecht aus § 986 BGB (mehr) geltend machen kann.
IV. Fazit
Diese interessante Entscheidung des BGH illustriert zum einen den für Studenten häufig schwer fassbaren Begriff der Sittenwidrigkeit und behandelt zum anderen eine typische Drei-Personen-Konstellation des BGB. Zudem ist der schuldrechtliche Räumungsanspruch zwischen Personen, die gerade keine vertragliche Beziehung zueinander haben, als atypische Besonderheit im Hinterkopf zu behalten. In der Klausur kann der Examenskandidat besonders im Rahmen der Begründung der Sittenwidrigkeit von vertraglichen Vereinbarungen mit einer versierten Argumentation an der richtigen Stelle wichtige Punkte sammeln.
 

30.10.2018/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2018-10-30 09:30:312018-10-30 09:30:31BGH: Sittenwidrigkeit eines Mietaufhebungsvertrages trotz Untermietverhältnisses?
Dr. Lena Bleckmann

BGH entscheidet erneut über Zulässigkeit von Schönheitsreparaturklauseln

AGB-Recht, Mietrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

In einer Entscheidung vom heutigen Tage (Az. VIII ZR 277/16, Pressemitteilung Nr. 138/18) setzt sich der BGH erneut mit den ausgesprochen examensrelevanten Schönheitsreparaturklauseln im Mietrecht auseinander. Dieser Beitrag soll die Besonderheiten der Entscheidung aufzeigen und bei der Wiederholung der bisherigen Rechtsprechung zur Thematik helfen.
I. Gesetzliche Vorgaben
Unter Schönheitsreparaturen versteht man die Beseitigung der Spuren des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache, im Einzelnen Tapezieren, Anstreichen der Wände, Decken, Fußböden, Heizkörper, Innentüren und Fenster (MüKoBGB/Häublein, § 535 BGB Rn. 114).
Sie zählen grundsätzlich zu den Vermieterpflichten nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, wobei diese Norm abdingbar ist und die Pflicht, Schönheitsreparaturen vorzunehmen, auf den Mieter übertragen werden kann.
Eine individualvertragliche Vereinbarung hierzu ist in der Regel unproblematisch. Die meisten Mietverträge sind aber Formularverträge, sodass die Schönheitsreparaturklausel an den Grundsätzen der AGB-Kontrolle nach § 305 ff. BGB zu messen ist (siehe auch unser Schema zur AGB Kontrolle und zur ausführlichen Prüfung hier). Wird der Mieter nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligt, ist die ganze Klausel gemäß § 306 BGB nichtig.
II. Bisherige wichtige Rechtsprechung
Die Übertragung durch AGB ist nur zulässig, wenn das Mietobjekt renoviert oder zumindest gleichwertig ist oder dem Mieter ein angemessener Ausgleich gewährt wird (BGH, NZM 2015, 374, siehe auch hier). Durch die Pflicht, bei Auszug alle angebrachten Tapeten zu beseitigen, wird der Mieter unangemessen benachteiligt (BGH, NJW 2006, 2115). Starre Fristenpläne, nach denen Renovierungen unabhängig vom Zustand der Mietsache nach Ablauf festgelegter Fristen durchzuführen sind, sind unwirksam (siehe etwa BGH, NJW 2006, 2113).Die Kombination von Pflichten zur regelmäßigen Renovierung und zur fristenunabhängigen Endrenovierung ist unzulässig (BGH, NJW 2003, 3192). Farbauswahlklauseln dürfen nur für den Zeitpunkt des Auszugs vorgesehen werden (BGH, NJW 2012, 338, siehe auch  hier, hier und hier). Auch zwei für sich genommen wirksame Klauseln können durch einen Summierungseffekt die unangemessene Benachteiligung des Mieters herbeiführen (BGH, NJW 2006, 2116, siehe auch hier).
 III. Aktueller Sachverhalt
Im vorliegenden Fall wurde die Wohnung unrenoviert übergeben, laut Mietvertrag war der Mieter für Schönheitsreparaturen zuständig. Diese führte er nach Ansicht der Vermieterin am Ende der Mietzeit nur mangelhaft aus, weshalb diese einen Maler kommen ließ und Schadensersatz in Höhe der entstandenen Kosten geltend macht. Der Mieter ist der Ansicht, er sei für die Schönheitsreparaturen nicht zuständig, weil er die Wohnung unrenoviert übernommen habe (siehe zur Rechtsprechung oben). Dem hält die Vermieterin entgegen – und darin liegt die Besonderheit des Falles –, er habe eine Vereinbarung mit der Vormieterin getroffen, nach der er einige ihrer Gegenstände und dafür auch die erforderlichen Schönheitsreparaturen übernahm.
IV. Entscheidung des BGH
Der BGH hat im Gegensatz zum Landgericht Lüneburg, das noch annahm, durch die Vereinbarung zwischen Vormieter und Mieter sei die Übergabe der Wohnung im renovierten Zustand zu fingieren, zugunsten des Mieters entschieden: die zweiseitige Vereinbarung zwischen Vormieter und Mieter entfalte nämlich gerade keine Wirkung im Verhältnis des Mieters zum Vermieter und wirke mit anderen Worten nur inter partes. Eine Schönheitsrenovierungsklausel dürfe im Ergebnis nicht dazu führen, dass der Mieter die Wohnung ggf. in besserem Zustand zurückgeben muss als er sie erhalten hat, soweit er hierfür nicht angemessen entschädigt wird. Eine solche Entschädigung war vorliegend jedoch nicht vereinbart worden, sodass die gesamte Klausel als nichtig anzusehen ist und der Mieter nicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet werden konnte.
Es lässt sich festhalten: Eine Renovierungsvereinbarung zwischen Vormieter und Mieter bindet letzteren nicht im Verhältnis zum Vermieter und entfaltet mithin keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag. 
 

23.08.2018/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2018-08-23 09:55:182018-08-23 09:55:18BGH entscheidet erneut über Zulässigkeit von Schönheitsreparaturklauseln
Tom Stiebert

BGH: (Dingliches) Wohnrecht trotz Tötung des Eigentümers

BGB AT, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Sachenrecht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Eine juristisch und praktisch äußerst spannende Fragestellung mit hoher juristischer Relevanz für das Erste und Zweite Staatsexamen hat der Bundesgerichtshof am heutigen Tag (BGH v. 11.3.2016 – V ZR 208/15) entschieden. Es geht um die Frage, ob ein dingliches Wohnrecht für den Fall, dass der Berechtigte den bisherigen Eigentümer getötet hat gekündigt werden kann.
Der Fall, der in den häufig vernachlässigten Gefilden der §§ 1018 ff. BGB stattfindet, ermöglicht eine sehr gute Wiederholung der allgemeinen Grundsätze der (Grund)dienstbarkeiten und eignet sich ob der unbekannten Materie, die aber mit allgemeinen juristischen Fähigkeiten gelöst werden kann perfekt für eine Klausur im ersten und erst recht im zweiten Staatsexamen.
I. Folgender Sachverhalt lag zugrunde:

Der Beklagte war zusammen mit seinem Bruder Eigentümer eines Hausgrundstücks in Leipzig. Anfang 1997 übertrug er seinen hälftigen Miteigentumsanteil auf den Bruder, behielt sich aber ein dingliches Wohnungsrecht an der Wohnung im Obergeschoss des Anwesens vor. Beides wurde in das Grundbuch eingetragen. Im Mai 2012 erstach der Beklagte seinen Bruder während eines Streits und wurde wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Erbin des Getöteten und damit Eigentümerin des Grundstücks wurde dessen Mutter. Der Beklagte wurde in einem Zivilrechtsstreit rechtskräftig für erbunwürdig erklärt.

Die frühere Ehefrau des Getöteten wohnt weiterhin auf dem Grundstück. Die Klägerin, die nicht auf dem Grundstück lebt, verlangt von dem Beklagten die – bedingungslose – Zustimmung zur Löschung des Wohnungsrechts.

II. Fraglich ist, ob eine solche Kündigung hier möglich ist.
Dabei sollte in der Klausur zunächst festgestellt werden, dass eine Dienstbarkeit, also ein Recht auf Duldung der Benutzung eines Grundstücks (§ 1018 BGB) bestellt wurde. Hier dürfte wohl der besonders geregelte Fall eines dinglichen Wohnungsrechts als beschränkte persönliche Dienstbarkeit iSd. §§ 1090, 1093 BGB vorliegen. Die Abgrenzung zu § 1018 BGB ist oftmals problematisch (vgl. hierzu MittBayNot 2010, 388).  Als dingliches Recht bedarf es jedenfalls gemäß § 873 BGB der Einigung und Eintragung. Auch hier können bereits Probleme auftreten (bspw. Gutgläubigkeit etc.). Im konkreten Fall war dies aber unproblematisch.
Fraglich ist aber, ob ein Erlöschen dieses Rechts hier möglich ist. Das Gesetz sieht keinen speziellen Kündigungstatbestand vor, sodass ein Erlöschen des dinglichen Rechts nur durch Aufhebung (§ 875 BGB – übereinstimmende Vereinbarung der Parteien), kraft Gesetzes oder durch Hoheitsakt möglich ist. Auch hier können bspw. Probleme im Rahmen der Aufhebung konstruiert werden. Im konkreten Fall liegt weder eine rechtsgeschäftliche Aufhebung noch ein gesetzlicher Erlöschensgrund vor.
Fraglich ist aber, ob sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein ungeschriebenes Kündigungsrecht ergeben kann, da der Berechtigte der Grunddienstbarkeit gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB erbunwürdig ist. Ob sich hieraus überhaupt – gegen die mglw. abschließenden gesetzlichen Regelungen – ein Kündigungsrecht ergeben kann, lässt der BGH hier offen, da jedenfalls die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht vorliegen. Der BGH legt dazu dar:

Zwar ist es Personen, die dem Getöteten nahe standen und die weiterhin auf dem mit dem Wohnungsrecht belasteten Grundstück wohnen, im Allgemeinen nicht zumutbar, mit dem Täter unter einem Dach zu leben. Auch in einer solchen Situation kommt ein Anspruch auf Aufgabe des Wohnungsrechts aber nur als letztes Mittel – oder, wie es der österreichische Oberste Gerichtshof formuliert, als „äußerstes Notventil“ – in Betracht, wenn andere zumutbare Wege der Konfliktlösung ausscheiden. Nach deutschem Dienstbarkeitenrecht besteht eine solche Möglichkeit regelmäßig. Der Berechtigte muss nämlich sein dingliches Wohnungsrecht nach § 1020 Satz 1 BGB so ausüben, dass die Interessen des Grundstückseigentümers tunlichst geschont werden. Zu diesen Interessen gehören bei einem dinglichen Wohnungsrecht auch die persönlichen Beziehungen zwischen dem Berechtigten und den Personen, die dem getöteten Grundstückseigentümer nahe standen und weiterhin auf dem Grundstück leben. Wenn diese mit dem Berechtigten wegen der Tat nicht mehr auf dem Grundstück unter einem Dach zusammenleben wollen, muss der Berechtigte dem Rechnung tragen. Dieses Ziel ist aber schon dadurch zu erreichen, dass er die Wohnung nicht mehr selbst nutzt, sondern sie Dritten überlässt, also etwa vermietet. Dazu ist er auf Verlangen des Grundstückseigentümers auch verpflichtet. Diese alternative Möglichkeit der Konfliktlösung schließt einen auf § 242 BGB gestützten Anspruch auf Aufgabe des Wohnungsrechts aus.

Der BGH behilft sich folglich mit einer recht eleganten und vermittelnden Lösung. § 1020 BGB ist gemäß § 1090 Abs. 2 BGB auch bei einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit anwendbar, sodass der Status für die Lösung nicht relevant ist. Der BGH erkennt hier das Interesse des Eigentümers an, nicht mit dem Mörder des Erblassers unter einem Dach leben zu können, bleibt aber weiterhin an den strengen gesetzlichen Regelungen gebunden. Eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben darf nur ultima ratio sein. Hier zeigen sich aber gerade mildere Mittel, nämlich bspw. die Vermietung an Dritte. Hierdurch wird den Interessen aller Beteiligter umfassen Rechnung getragen.
III. Fazit
Ein Fall mit sehr hoher Examensrelevanz: Eine Sachverhaltskonstellation aus einem Bereich, der vielen Prüflingen zunächst den Angstschweiß auf die Stirn treiben wird. Zu Unrecht – mit allgemeinem juristischen Handwerkszeug ist der Fall sehr gut lösbar. dabei kann natürlich nicht erwartet werden, dass die Lösung des BGH gekannt oder antizipiert wird. Häufig sehen Sachverhalte im Ersten und erst Recht im zweiten juristischen Staatsexamen aber bereits eine Vorkonturierung der Argumentation vor, die lediglich juristisch zutreffend und nachvollziehbar verwertet werden soll. Gerade für eine solche Konstellation in der juristischen Argumentationsgabe notwendig ist, ist der hier behandelte Fall prädestiniert.
Hinweis: In einer vorherigen Version fehlte der Hinweis auf § 1093 BGB. Wir bitten dies zu entschuldigen. Eine genaue Beantwortung dieser Frage zur Abgrenzung § 1093 BGB zu § 1018 BGB ist – ohne Vorliegen der Entscheidungsgründe aktuell nicht möglich. Für die entscheidendenden Fragen – Kündigungsmöglichkeit; § 242 BGB iVm. 1020 BGB ist dies aber nicht relevant.

11.03.2016/5 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-03-11 15:02:182016-03-11 15:02:18BGH: (Dingliches) Wohnrecht trotz Tötung des Eigentümers
Redaktion

Leihe und Sachdarlehen

Rechtsgebiete, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Leihe und Sachdarlehen” von Prof. Dr. Klaus Schreiber

behandelt überblicksartig die schuldrechtlichen Grundlagen der genannten Vertragstypen. Die Abgrenzung zwischen Leihe und Darlehen sowie zu anderen Dauerschuldverhältnissen erfolgt nach dem Inhalt der Hauptleistungspflichten der Parteien. Wer sich insoweit noch nicht sicher fühlt, kann sei Wissen anhand des vorliegenden Beitrags auffrischen.

Den Beitrag findet Ihr hier.

04.11.2015/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-11-04 09:00:062015-11-04 09:00:06Leihe und Sachdarlehen
Gastautor

BGH: Wer hat ein Recht auf Rauch auf dem Balkon?

Mietrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Wir freuen uns, heute einen Gastbeitrag von Konstantin Filbinger veröffentlichen zu können. Der Autor hat sein Studium und Referendariat in Freiburg absolviert und ist aktuell als Akad. Rat a.Z. am LS für Bürgerliches Recht und Rechtsgeschichte bei Prof. Kannowski in Bayreuth tätig. Zudem ist er Co-Autor des Werks „BGB AT – Das Werkstattbuch“ (Filbinger/Lebkuecher).
Vor einigen Monaten entschied der BGH (Urt. v. 16.01.2015, Az. V ZR 110/14) einen aufsehenerregenden Fall. In der letzten Woche wurden hierzu nun auch die Urteilsgründe veröffentlicht. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Mieter (R=Raucher) eines Mehrfamilienhauses raucht exzessiv auf seinem Balkon im ersten Stock. Einem anderen, nichtrauchenden Mieter (NR) „stinkt“ das: Er stört sich am aufsteigenden Zigarettenrauch und verlangt vom rauchenden Mieter persönlich (zeitweise) Unterlassung des Rauchens.
Zu Recht?
I. Schuldrechtliche Unterlassungsansprüche scheiden mangels schuldrechtlicher Beziehung aus. Auch die faktische Nähebeziehung von Nachbarn vermag kein Schuldverhältnis zu begründen (ganz h.M., Umkehrschluss aus § 922 S.4 BGB).
II. Anspruch aus §§ 862 I, 858 I?
1. Die Beeinträchtigung durch Immissionen i.S.d. § 906 I 1 kann eine Besitzstörung darstellen.
2. Eine Besitzstörung ist nicht zu verneinen, weil das Rauchen dem R von seinem Vermieter (schuldrechtlich) gestattet ist; § 858 I BGB stellt allein auf eine mögliche Gestattung per Gesetz ab.
3. Anspruchsausschluss, § 906 I 1 analog
a) Der BGH wendet § 906 I 1 analog an: Der Abwehranspruch sei ausgeschlossen, „wenn die mit dem Tabakrauch verbundenen Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind.“
b) Vor Inkrafttreten der Nichtrauchergesetze wurde von der Rspr. vertreten, dass Rauchen sozialadäquat und in der Gesellschaft akzeptiert sei. Vor diesem Hintergrund und Art. 2 I GG des Rauchenden sei die Beeinträchtigung anderer stets unwesentlich.
c) Der BGH schließt sich jedoch dem Schrifttum an: Auch das Recht des Nichtrauchenden auf Gebrauch seiner Mitsache sei zu beachten, der Rauchende habe „sich auf maßvolles Rauchen zu beschränken“. Der Gedanke der Sozialadäquanz überzeuge mit Inkrafttreten der Nichtraucherschutzgesetze nicht mehr.
d) Ab welchem Punkt liegt nun eine (un)wesentliche Beeinträchtigung vor?
Entscheidend ist laut BGH die Sicht des „verständigen durchschnittlichen Menschen“!
Liege nach diesem Maßstab eine als störend empfundene – also wesentliche – Beeinträchtigung vor, sei ein Unterlassungsanspruch zu bejahen. Allerdings bestehe dieser nur eingeschränkt: Die beiden „grundrechtlich geschützten Besitzrechte“ seien in angemessenen Ausgleich zu bringen. Der nichtrauchende Mieter habe ein Recht auf tabakrauchfreie Wohnungsnutzung, der rauchende Mieter ein Recht auf Nutzung der Wohnung zur Verwirklichung seiner Lebensbedürfnisse. Im Regelfall sei eine Regelung nach Zeitabschnitten zu treffen: Zu bestimmten Zeiten müsse jedem der Beteiligten die von diesen gewünschte Nutzung (aktives Rauchen vs. kein Passivrauchen) gewährt werden (sog. „Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme“).
III. In Betracht kommt ferner ein Anspruch auf Unterlassung aus § 1004 I 2 BGB analog i.V.m. § 823 I BGB. Die Norm wird auf absolute Rechte i.S.d. § 823 I BGB entsprechend angewandt.
Voraussetzungen:

  1.  Beeinträchtigung
  2. Anspruchssteller Rechtsgutsinhaber
  3. Anspruchsgegner Störer
  4. Wiederholungsgefahr
  5. Rechtswidrigkeit / Keine Duldungspflicht

1) Der Anspruch setzt zunächst eine „Beeinträchtigung“ voraus; gemeint ist ein Eingriff in ein nach § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut. Die Gesundheit des NR könnte beeinträchtigt sein. Allerdings sei bei der Einschätzung der Gefährlichkeit durch Tabakrauch zu berücksichtigen, dass im Freien geraucht werde. Den Nichtraucherschutzgesetzen komme insoweit Indizwirkung zu, dass mit dem Rauchen auf dem Balkon keine konkreten Gefahren für die Gesundheit anderer einhergingen.
Diese Annahme müsse der Anspruchssteller erschüttern. Er habe nachzuweisen, dass im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung bestehe. Nur dann liege eine wesentliche Beeinträchtigung vor. Sei dies der Fall, müsse eine Gebrauchsregelung getroffen werden.
Hier fehlte es an entsprechenden Feststellungen der Vorinstanz. Unter anderem deshalb wurde der Fall zurückverwiesen.
2) Der Anspruchssteller ist Inhaber des „gestörten“ Rechtsguts.
3) Der Anspruchsgegner R bewirkt die Beeinträchtigung selbst, indem er raucht. Damit ist er unmittelbarer Handlungsstörer, mithin Störer i.S.v. § 1004 I BGB.
4) Wiederholungsgefahr
Die Beeinträchtigung indiziert die Wiederholungsgefahr. Diese Vermutung hat R nicht widerlegt.
5) Rechtswidrigkeit / Keine Duldungspflicht
Der Anspruch wäre aber ausgeschlossen, wenn es an der Rechtswidrigkeit fehlte, der NR zur Duldung verpflichtet wäre, vgl. § 1004 II BGB analog. Die Beweislast hierfür liegt bei R.
Mangels individueller Vereinbarungen kommt hier nur eine gesetzliche Duldungspflicht aus § 906 I 1 BGB in Betracht.
Immissionen, die die Gefahr gesundheitlicher Schäden begründen, sind nach Ansicht des BGH grundsätzlich als eine wesentliche und damit nicht zu duldende Beeinträchtigung anzusehen. In diesem Fall wäre eine Gebrauchsregelung nach obig dargestellter Maßgabe zu treffen.
 IV. Fazit
Der BGH bejaht unter bestimmten Voraussetzungen einen Unterlassungsanspruch. Als beeinträchtigte Rechte kommen Besitz und Gesundheit in Betracht. Ein ggf. bestehender Anspruch führt indes regelmäßig nur zu einer zeitlich begrenzten Unterlassung, also einer Gebrauchsregelung zwischen den Parteien.
Das possessorische Besitzrecht schützt auch den fehlerhaften Besitz. Auch der bösgläubige Wohnungsbesetzer kann also mit Erfolg gegen rauchende Nachbarn vorgehen. Im Übrigen greift das Selbsthilferecht nach § 859 I BGB.
In der Klausur muss i.R.d. Prüfung des § 1004 I 2 BGB die Beweislastverteilung klar herausgearbeitet werden; wichtig ist auch der Schlüsselbegriff „Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme“. Für den Klausurersteller bietet sich ferner ein Anspruchsausschluss gemäß § 864 I an. Man sollte dann thematisieren, ob § 864 I analog auf den Abwehranspruch aus § 1004 I 2 BGB anzuwenden ist, schließlich richten sich die Ansprüche hier gegen das gleiche Verhalten. Mangels Regelungslücke ist eine Analogie aber zu verneinen.

18.05.2015/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2015-05-18 08:50:132015-05-18 08:50:13BGH: Wer hat ein Recht auf Rauch auf dem Balkon?
Nicolas Hohn-Hein

BGH: Schönheitsreparaturklauseln bei unrenovierter Wohnung unwirksam

AGB-Recht, Mietrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Der BGH hat sich in einer kürzlich ergangenen Entscheidung (BGH, Az. VIII ZR 185/14 – Urteil v. 18.03.2015 – z.Z. nur als Pressemitteilung vorliegend; siehe auch Parallelverfahren VIII ZR 242/13; VIII ZR 21/13 vom gleichen Tag) mit der Frage beschäftigt, ob AGB-Klauseln über Schönheitsreparaturen bei Wohnraummietverträgen auch dann Bestand haben, wenn die Wohnung unrenoviert vermietet wird. Die Entscheidung hat besondere Examensrelevanz, da sie eine Änderung der bisherigen BGH-Rechtsprechung (BGHZ 101, 253, 264 ff.) darstellt und  sich zugleich nahtlos in die Entscheidungspraxis zum Thema „Schönheitsreparaturen“ im Mietrecht einfügt.
Sachverhalt (vereinfacht)
Am 1.10.2002 schließt M mit Vermieter V einen Mietvertrag über eine Wohnung in Berlin. Die Wohnung befindet sich zum Zeitpunkt des Mietbeginns in einem renovierungsbedürftigen Zustand. Der Mietvertrag enthält u.a. folgende Klauseln:

„§ 4 Nr. 6 

Der Mieter ist verpflichtet, die während des Mietverhältnisses anfallenden Schönheitsreparaturen auf eigene Kosten durchzuführen. 

Die Schönheitsreparaturen sind fachgerecht und wie folgt auszuführen: Tapezieren, Anstreichen der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, der Heizkörper einschließlich der Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen. 

§ 12 

Der Mietvertrag wird per 1.10.2002 geschlossen. Mietzahlung ab 15.10.2002, da Mieter noch Streicharbeiten in drei Zimmern vornimmt.“

Nach einigen Jahren entscheidet sich M, das Mietverhältnis zum 29.12.2011 zu kündigen. Bei Rückgabe der Wohnung bemerkt V, dass M die notwendigen Renovierungsarbeiten nicht durchgeführt hat. Als V die M unter Verweis auf die entsprechenden Klauseln im Mietvertrag unter Fristsetzung auffordert, die erforderlichen Schönheitsreparaturen vorzunehmen, weigert sich M. Immerhin habe sie die Wohnung in einem völlig umrenovierten Zustand erhalten. Die vertraglichen Regelungen seien damit völlig überzogen und daher „null und nichtig“.
V lässt die Wohnung auf eigene Kosten renovieren und klagt, da M auch weiterhin die Zahlung verweigert, beim zuständigen Amtsgericht auf Schadensersatz. Hat die Klage Erfolg?
Schönheitsreparaturen im Examen
Grundsätzlichen besteht eine Verpflichtung des Vermieters zur Instandhaltung der Mietsache gem. § 535 I 2 BGB. Dazu gehören auch etwaige Abnutzungserscheinungen, die während des Mietvertrags auftreten (sog. Schönheitsreparaturen). Zu den Schönheitsreparaturen zählen nur das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen. Allerdings kann die Instandhaltungspflicht des Vermieters – auch durch AGB – abbedungen werden. Die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen kann daher auch weiterhin dem Mieter auferlegt werden, insoweit ändert sich an der Rechtsprechung nichts.
Im Rahmen von Examensklausuren wird es meistens um die Frage gehen, ob (1) die Klausel wirksam in den Vertrag einbezogen wurde  und (2) ob die Bestimmung einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhält. Die Vereinbarkeit der Klausel mit geltendem Recht wird meistens den Schwerpunkt der Analyse darstellen, bei der die vom BGH entwickelten Grundsätze bekannt sein sollten. Gewöhnlich wird man in der Klausur auf folgende Klauseltypen bzw. Problemkonstellationen treffen:

  • „Starrer“ Fristenplan – „Flexibler“ Fristenplan
  • Endrenovierungsklausel
  • Tapetenentfernungsklauseln
  • Farbwahlklauseln und Ausführungsvorgaben (siehe bei uns hier, hier und hier)
  • Aufeinandertreffen von AGB-Klauseln und individualvertragliche Bestimmungen (siehe hier)

Einen detaillierten, sehr instruktiven Überblick über die examensrelevanten Fallkonstellationen findet ihr zudem hier bei den Kollegen von der JURA.
BGH bisher: Schönheitsreparaturklauseln bei unrenovierter Wohnungen wirksam
Bislang hat der BGH die Auffassung vertreten, die Abwälzung der Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auf den Mieter sei auch bei der Überlassung des Wohnraums in unrenoviertem Zustand wirksam, wenn die Renovierungsfristen ab dem Zeitpunkt des Mietbeginns zu laufen beginnen (BGH, Rechtsentscheid vom 1. Juli 1987 – VIII ARZ 9/86, BGHZ 101, 253, 264 ff.).
Der BGH hatte dies unter anderem damit begründet, dass Wohnraum typischerweise nicht immer in gänzlich renovierten Zustand vermietet werde und Vermieter damit vor jeder Neuvermietung die Wohnung renovieren lassen müssten. Weiterhin stellte der BGH darauf ab, dass die Grenze zwischen „renoviert“ und „renovierungsbedürftig“ häufig fließend verlaufe und im Streitfall erhebliche Beweisschwierigkeiten bestehen.
Zu der Voraussetzung, dass die Fristen ab dem Zeitpunkt des Mietbeginns zu laufen haben, gelangte der BGH jedoch nur mittels Auslegung der in Rede stehenden Vorschrift, da ein entsprechender Fristlauf nicht ausdrücklich im Mietvertrag enthalten war. Ein angemessener Ausgleich war nicht vereinbart worden.

Keine Geltungserhaltende Reduktion
An der oben dargestellten Rechtsprechung hält der BGH nicht mehr fest. Zwar vertritt der BGH auch weiterhin die Auffassung, dass eine Abwälzung der Pflicht zur Schönheitsreparaturen nur bei Fristlauf ab Mietbeginn gelten kann, da der Mieter nicht mit den Abnutzungsspuren des Vormieters belastet werden soll.
Allerdings vertritt der BGH nunmehr eine insgesamt verschärfte AGB-Kontrolle. Zum einen habe es sich im Rahmen der damaligen Entscheidung bei der Auslegung der Klausel um eine – nach heutigen Maßstäben – unzulässige geltungserhaltende Reduktion gehandelt. Solche Klauseln sind aus heutiger Sicht jedoch eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners und nach § 306 BGB unwirksam. Auf diesem Wege war der BGH dem Gebot nachgekommen, dass der Mieter nicht für die Abnutzung durch den Vormieter verantwortlich sein soll.
Verschärfte Inhaltskontrolle
Zum anderen habe es nach in den Folgejahren nach der oben zitierten Entscheidung aus dem Jahr 1987 insbesondere seit 2004 eine Entwicklung in der Rechtsprechung gegeben, die zu einer Verschärfung der AGB-Inhaltskontrolle geführt habe. Denn

„[i]nsbesondere durch die ab 2004 einsetzende Rechtsprechung des Senats zum Erfordernis eines flexiblen Fristenplans (grundlegend Senatsurteil vom 23. Juni 2004 – VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586 unter II 2) und durch die Anwendung der kundenfeindlichsten Auslegung auch im Individualprozess (dazu Senatsurteil vom 29. Mai 2013 – VIII ZR 285/12, NJW 2013, 2505 Rn. 20 mwN) sind die Maßstäbe der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen erheblich verschärft worden. 

Gemessen daran ist eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt, unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Denn eine solche Klausel verpflichtet den Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führt – jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung – dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsste als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat.“ (Auszug aus der PM zu BGH, Az. VIII ZR 185/14 – Urteil v. 18.03.2015; Hervorhebungen durch Verfasser)

Die Klausel war damit im vorliegenden Fall unwirksam und der Vermieter konnte sich nicht auf sie berufen.

Abgrenzung renoviert/unrenoviert
Die vom Mieter zu beweisende Tatsache, dass sich die Wohnung ab dem Zeitpunkt der Überlassung in einem umrenovierten Zustand befindet, sind allerdings auch weiterhin erforderlich. In dem hier besprochenen Fall ergab sich unmittelbar aus § 12 des Mietvertrags, dass in drei Zimmern noch Streicharbeiten durchzuführen waren und damit die Wohnung als „unrenoviert“ galt.

Im übrigen, so die Pressemitteilung komme es für die Abgrenzung

„renoviert/unrenoviert letztlich darauf an, ob etwa vorhandene Gebrauchsspuren so unerheblich sind, dass die Mieträume im Zeitpunkt der Überlassung den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln.“ (Auszug aus der PM zu BGH, Az. VIII ZR 185/14 – Urteil v. 18.03.2015; Hervorhebungen durch Verfasser)

Dies sei vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen.

Fazit
Die Entscheidung ist ein weiterer Mosaikstein in der umfassen Rechtsprechung des BGH zur Thematik „Schönheitsreparaturen“. Ein Problemfeld, welches extrem häufig in Examensklausuren und mit Sicherheit auch in der mündlichen Prüfung des ersten und zweiten Examens abgeprüft wird. Die Beweisfrage renoviert/unrenoviert  wäre inbesondere für eine Klausur des zweiten Examens interessant, da der Kandidat gehalten wäre, entsprechende Hinweise im Aktenstück sorgfältig zu würdigen. Die hier angesprochenen Probleme ließen sich zudem hervorragend mit anderen Problemen aus dem Themenfeld verbinden.

27.03.2015/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2015-03-27 16:00:222015-03-27 16:00:22BGH: Schönheitsreparaturklauseln bei unrenovierter Wohnung unwirksam
Dr. Sebastian Rombey

AG München: Rücktritt vom Vertrag über Ferienwohnung nur bei Nachfristsetzung zur Mängelbehebung

Mietrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Das AG München hat mit rechtskräftigem Urteil vom 26. Juni 2013 entscheiden, dass der Rücktritt von einem Mietvertrag über eine Ferienwohnung nur möglich ist, wenn zuvor eine Nachfrist zur Mängelbehebung gesetzt wurde (AZ 413 C 8060/13).
Die nachfolgenden Überlegungen des AG München bieten Gelegenheit dazu, die Systematik des Schuld- bzw. Mietrechts anhand einer neuartigen Fallkonstellation nachzuvollziehen.
Sachverhalt
Einer Münchenerin gehört ein Ferienhaus in Italien. Dieses vermietet sie über das Internet. Das Mietobjekt wird dort beschrieben als „romantisches Landhaus voller Atmosphäre in einem Naturparadies mit Meerblick“. Der Kläger mietet das Ferienhaus über die besagte Internetseite zu einem Mietpreis i. H. v. 1070 Euro für zwei Wochen an. Der Kläger ist jedoch bei Betreten des Ferienhauses mit dessen Zustand nicht einverstanden und teilt dies der Beklagten mit. Beschreibung und tatsächlicher Zustand des Mietobjektes würden wesentlich voneinander abweichen. Das Grundstück sei verwahrlost, während die Einrichtung teils veraltet und teils defekt sei. Die Münchenerin entgegnete, sie sei mit dem Saubermachen des Objektes noch nicht fertig und benötige noch etwas Zeit. Daraufhin kündigte der Kläger mündlich den Vertrag und reiste ab. Die bereits bezahlte Miete forderte er zurück.
Die Beklagte bestreitet im Nachhinein etwaige Abweichungen von Beschreibung und tatsächlichem Zustand des Hauses. Zudem sei ein gepflegtes Grundstück, welches das Haus umgibt, nicht vertraglich zugesichert worden. Bzgl. des inneren Zustandes des Objektes wiederholte sie ihre Äußerung, dass sie die Räumlichkeiten in kürzester Zeit hätte wieder in Ordnung bringen können.
Entscheidung
Das AG München wies die Klage auf Rückerstattung der bereits bezahlten Miete aus folgenden Gründen ab.

  • Nach der Rechtsauffassung des Gerichts sei das Mietverhältnis nicht wirksam beendet worden, denn die mündliche Kündigung des Klägers sei unwirksam. Der Kläger hätte, um das Formerfordernis des § 568 Abs. 1 BGB zu wahren, die Kündigung schriftlich einreichen müssen.
  • Es bestehe zwar grundsätzlich auch die Möglichkeit, mündlich von einem solchen Mietvertrag zurückzutreten. Dafür müsse dem Vermieter aber zunächst eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt werden.Es sei dem Kläger zumutbar gewesen, zuerst eine Nachfrist zur Nacherfüllung zu setzen, bevor der Rücktritt vom Vertrag erklärt wird. So wäre es der Vermieterin möglich gewesen, entweder den Zustand des Mietobjektes zu verbessern oder dem Beklagten eine andere Unterkunft anzubieten. Gerade weil eine Verbesserung der Gesamtsituation für den Mieter hier problemlos und ohne lange Wartezeiten hätte erfolgen können, nahm das Gericht die Zumutbarkeit der Fristsetzung an.
  • Letztlich lehnt das Gericht auch die Möglichkeit einer Mietminderung im Sinne des § 536 BGB ab. Die Gebrauchsmöglichkeiten der Wohnung seinen nicht in erheblicher Weise eingeschränkt gewesen, außerdem sei bei dem Gestaltungsrecht der Minderung der ohnehin niedrige Mietpreis des Domizils zu berücksichtigen. Des Weiteren müsse in südlichen Ländern grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass einerseits der Qualitätsstandard der Wohnungseinrichtung nicht dem des Inlandes entspreche und andererseits Ferienhäuser durch häufig wechselnde Mieter ohnehin einer stärkeren Abnutzung unterlägen als andere Mietobjekte.
29.08.2014/0 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2014-08-29 08:00:452014-08-29 08:00:45AG München: Rücktritt vom Vertrag über Ferienwohnung nur bei Nachfristsetzung zur Mängelbehebung
Dr. Christoph Werkmeister

Examensrelevante Neuerungen durch das Mietrechtsänderungsgesetz 2013

Mietrecht, Tagesgeschehen

In der aktuellen NJW berichtet Flatow über das Mietrechtsänderungsgesetz 2013 (s. dazu NJW 2013, 1185). Das Mietrechtsänderungsgesetz soll schwerpunktmäßig die wenig examensrelevante energetische Sanierung erleichtern und es gibt auch einige wenige Änderungen im Kündigungsrecht. Darüber hinaus soll aber auch – und das ist insbesondere für mündliche Prüfungen examensrelevant – das sog.  „Mietnomadentum“ bekämpft werden. Des Weiteren soll die Vollstreckung mietrechtlicher Ansprüche verbessert werden, was zumindest für Referendare im Assessorexamen relevant sein kann und auch wird. Die examensrelevanten Änderungen traten am 01.05.2013 in Kraft.
„Berliner Räumung“ nun Gesetz

Die in der Praxis entwickelte „Berliner Räumung“ erleichtert die Vollstreckung von Räumungsurteilen. Sie wird auf eine gesetzliche Grundlage gestellt [nämlich § 885a ZPO]. Hat ein Vermieter vor Gericht ein Räumungsurteil erstritten, soll der Gerichtsvollzieher die Wohnung räumen können, ohne gleichzeitig die – oft kostenaufwendige – Wegschaffung und Einlagerung der Gegenstände in der Wohnung durchzuführen. Die Räumung kann also darauf beschränkt werden, den Schuldner aus dem Besitz der Wohnung zu setzen. Auf diese Weise fällt kein Kostenvorschuss für Abtransport und Einlagerung der in der Wohnung verbleibenden Gegenstände an. Die Haftung des Vermieters für die vom Schuldner zurückgelassenen Gegenstände wird auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt (Quelle: BMJ).

Räumungstitel gegen Dritte

Wenn der Gerichtsvollzieher an der Wohnungstür klingelt, um ein Räumungsurteil zu vollstrecken, öffnet manchmal ein Unbekannter die Tür und behauptet, Untermieter zu sein. Auch wenn der Vermieter von der Untermiete nichts wusste, kann die Wohnung zunächst nicht geräumt werden, weil das Räumungsurteil nur gegen die Personen wirkt, die dort benannt sind. Ein neuer Anspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren gibt dem Vermieter die Möglichkeit, in dieser Situation schnell einen weiteren Räumungstitel auch gegen den unberechtigten Untermieter zu bekommen [vgl. hierzu § 940a Abs. 2 ZPO] (Quelle: BMJ).

Darüber hinaus schreibt die ZPO nunmehr vor, Räumungssachen vorrangig und beschleunigt im Geschäftsgang der befassten Gerichte zu bearbeiten, vgl. nunmehr § 272 Abs. 4 ZPO.
Neue Art der Sicherungsanordnung 

Mit einer neuen Sicherungsanordnung kann der Mieter vom Gericht verpflichtet werden, für die während eines Gerichtsverfahrens Monat für Monat auflaufende Miete eine Sicherheit (z.B. Bürgschaft, Hinterlegung von Geld) zu leisten. Damit soll verhindert werden, dass der Vermieter durch das Gerichtsverfahren einen wirtschaftlichen Schaden erleidet, weil der Mieter am Ende des Prozesses nicht mehr in der Lage ist, die während des Prozesses aufgelaufenen Mietschulden zu bezahlen. Befolgt der Mieter bei einer Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs eine vom Gericht erlassene Sicherungsanordnung nicht, kann der Vermieter im Wege des einstweiligen Rechtschutzes schneller als bislang ein Räumungsurteil erwirken [siehe hierzu den neuen § 283a ZPO] (Quelle: BMJ).

Unterbindung des sog. „Münchener Modells“

Der bewährte Mieterschutz bei der Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen darf nicht durch das sogenannte Münchener Modell umgangen werden. § 577 a BGB sieht derzeit einen Schutz vor Eigenbedarfskündigungen für drei Jahre vor, wenn Mietshäuser in Wohneigentum umgewandelt und die Wohnungen sodann veräußert werden. Die Landesregierungen können diese Frist für gefährdete Gebiete (Ballungsräume) bis auf zehn Jahre verlängern. Das „Münchener Modell“ ist dadurch geprägt, dass eine Personengesellschaft (z.B. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts) ein Mietshaus von vorn herein mit dem Ziel erwirbt, ihren Mitgliedern die Nutzung der Wohnungen zu ermöglichen und die Wohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Noch vor der Umwandlung kündigt die Gesellschaft einem oder mehreren Mietern wegen Eigenbedarfs einzelner Gesellschafter. Auf diese Weise wird der in § 577a BGB verankerte Schutz vor Eigenbedarfskündigungen nach Umwandlung in Wohneigentum umgangen  (Quelle: BMJ).

Die vorgenannte Schutzlücke wurde durch die Einführung eines neuen § 577a Abs. 1a BGB geschlossen.

03.05.2013/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-05-03 07:32:312013-05-03 07:32:31Examensrelevante Neuerungen durch das Mietrechtsänderungsgesetz 2013
Zaid Mansour

BGH bejaht Kündigungsmöglichkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Vermieters durch eine ihm „nahestehende“ juristischen Person

Mietrecht, Rechtsprechung, Zivilrecht

Das Mietrecht erfreut sich bei Prüfungsämtern stets hoher Beliebtheit. Daher ist es zu empfehlen, sich im Rahmen der Examensvorbereitung über aktuelle Entwicklungen und Gerichtsentscheidungen auf diesem Rechtsgebiet auf dem Laufenden zu halten. Aus diesem Grund erfolgt an dieser Stelle nochmal ein Hinweis auf einen kürzlich vom BGH entschiedenen Fall, der hervorragend im Rahmen einer Klausur abgeprüft werden könnte.
In seiner Entscheidung vom 9. Mai 2012 hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu der Frage, ob sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts als Wohnraumvermieter auf ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 BGB an der Beendigung des Mietverhältnisses berufen und sich dabei auf den Nutzungsbedarf einer ihr nahestehenden juristischen Person zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Vermieters stützen kann, Stellung bezogen (s. dazu bereits hier).
Sachverhalt
Der als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Evangelische Kirchenkreis Düsseldorf beanspruchte als Vermieter die Räumung einer vom Beklagten gemieteten Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Die Kündigung des Mietverhältnisses wurde darauf gestützt, dass das komplette Anwesen, inklusive der von der Beklagten genutzten Mietwohnung, für die Unterbringung einer Beratungsstelle für Erziehungs-, Ehe-, und Lebensfragen benötigt werde. Betreiberin dieser Beratungsstelle ist die Diakonie Düsseldorf e.V, die ebenso wie der Evangelische Kirchenkreis Düsseldorf (Vermieter) dem Gesamtkomplex der Evangelischen Kirche im Rheinland angehört. Dabei nimmt der Vermieter diakonische Aufgaben für die Evangelische Kirche im Rheinland, unter anderem durch den Betrieb von Beratungsstellen, wahr.
Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines berechtigten Interesses. Der Vermieter könne sich nicht auf den Nutzungsbedarf der Diakonie berufen, da diese im Verhältnis zum Vermieter eine in rechtlicher Hinsicht selbständige juristische Person sei.
Rechtliche Würdigung
In Frage stand somit, ob die Kündigung im vorliegenden Fall der Verwirklichung eigener Interessen des Vermieters dient. Der Bundesgerichtshof judizierte diesen Fall betreffend, dass es sich bei der Diakonie um eine dem Vermieter „nahestehende“ juristische Person handele, deren Tätigkeit auch der Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Vermieters diene. Das daraus resultierende berechtigte (mittelbare) Interesse rechtfertige somit die Beendigung des Mietverhältnisses.

 *§ 573 BGB: Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1.der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
….

Im Rahmen einer Klausur sollte der Bearbeiter sich darüber bewusst sein, dass die in § 573 Abs. 2 Nr. 1-3 BGB genannten Gründe lediglich Regelbeispiele darstellen (vgl. „insbesondere“). Ein auf § 573 Abs. 1 BGB gestütztes berechtigtes Interesse muss also den genanten Regelbeispielen zumindest entsprechen, d.h. ein vergleichbares Gewicht haben.

18.05.2012/0 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2012-05-18 11:46:112012-05-18 11:46:11BGH bejaht Kündigungsmöglichkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Vermieters durch eine ihm „nahestehende“ juristischen Person
Dr. Christoph Werkmeister

Schönheitsreparaturklauseln in Rechtsprechung und Examensklausuren

Mietrecht, Schon gelesen?, Verschiedenes, Zivilrecht

Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.

Der heutige Beitrag

“Schönheitsreparaturklauseln in Rechtsprechung und Examensklausuren” von Prof. Dr. Paul T. Schrader, LL.M.oec.

befasst sich mit dem äußerst examensrelevanten Thema der Schönheitsreparaturen im Mietrecht. Der BGH hat zu diesem This review recommended that the Council began a review of high school diploma organisation in Suffolk with a preferred option of a two- tier system of Primary and Secondary School education. Thema eine Vielzahl an Grundsatzentscheidungen erlassen, wobei für das Staatsexamen nicht nur Grundkenntnisse, sondern vertieftes Wissen erforderlich sind. Aus diesem Grund sei die Lektüre des Beitrags wärmsten empfohlen.

Den Beitrag findet ihr hier.

29.04.2012/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-04-29 16:39:362012-04-29 16:39:36Schönheitsreparaturklauseln in Rechtsprechung und Examensklausuren
Dr. Christoph Werkmeister

BGH zu den Anforderungen an die Darlegung eines Mangels einer Mietwohnung

Mietrecht, Rechtsprechung, Zivilrecht

Vor Kurzem berichteten wir über eine aktuelle Entscheidung des BGH zu Beweismaßstäben im Mietrecht (s. dazu hier). Die Entscheidung war insbesondere für das zweite Staatsexamen sehr relevant. Der BGH äußerte sich mit Urteil vom heutigen Tage nunmehr erneut zu diesem Thema und bestätigte bzw. konkretisierte die zuvor gemachten Ausführungen (Az. VIII ZR 155/11).
Da die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes eintritt, muss der Mieter nach Ansicht des BGH nur einen konkreten Sachmangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt, vortragen. Darüber hinausgehende Substantiierung des Parteivortrags muss hingegen nicht erfolgen:

Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht [der Mieter] hingegen nicht anzugeben. Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm oder Schmutz ist deshalb die Vorlage eines „Protokolls“ nicht erforderlich. Vielmehr genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen (Partygeräusche, Musik, Lärm durch Putzkolonnen auf dem Flur o.ä.) es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten.

29.02.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-02-29 19:00:042012-02-29 19:00:04BGH zu den Anforderungen an die Darlegung eines Mangels einer Mietwohnung
Dr. Christoph Werkmeister

BGH zu Substanziierungsanforderungen bei der Geltendmachung von Mängeln im Mietrecht

Lerntipps

Der BGH entschied mit Beschluss vom 25. 10. 2011 (Az. VIII ZR 125/11) über die Substanziierungsanforderungen bei der Geltendmachung von Mängeln an einem Mietobjekt. Die Entscheidung ist für das erste Examen gänzlich ohne Relevanz. Für das zweite Staatsexamen sollten die hier aufgestellten Grundsätze jedoch beherrscht werden.
Der BGH führte aus, dass die Minderung kraft Gesetzes gemäß § 536 Abs. 1 BGB im Mietrecht eine bloß geringfügige Darlegungslast im Hinblick auf den infrage stehenden Mangel begründe. Es genüge demnach, dass der Mieter den konkreten Sachmangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt, darlegt. Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht der Mieter hingegen nicht vorzutragen. Vom Mieter ist auch nicht zu fordern, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen hinaus die – ihm häufig ohnehin nicht bekannte – Ursache dieser Mangelsymptome bezeichnet.
Im konkret zu entscheidenden Fall ging es um Fäkalgerüche im Treppenhaus und im Keller einer Mietswohnung. Die Konsequenz der o.g. Rechtsprechung bestand für den konkreten Sachverhalt darin, dass der Mieter lediglich beweisen muss, dass es in den betreffenden Örtlichkeiten übel riecht. Für eine schlüssige Klage braucht er dementgegen nicht vorzutragen, inwiefern der Gestank das Wohnen beeinträchtigt und v.a. wo der Gestank von herrührt.

07.02.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-02-07 07:00:322012-02-07 07:00:32BGH zu Substanziierungsanforderungen bei der Geltendmachung von Mängeln im Mietrecht
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