BAG zu Kündigung eines Minderjährigen
Das Bundesarbeitsgerichts hat am 8.12. eine Pressemitteilung zu einem Urteil (6 AZR 354/10) veröffentlicht, das sich mit der Frage beschäftigte, welche Voraussetzung eine wirksame Kündigung eines Minderjährigen habe.
Der Sachverhalt stellte sich wie folgt dar:
„Der Ausbildungsvertrag enthielt eine dreimonatige Probezeit. Der Ausbildende erklärte mit Schreiben vom 31. Oktober 2008, dem letzten Tag der Probezeit, die Kündigung. Das Schreiben war gerichtet an den Kläger, gesetzlich vertreten durch die Eltern, und wurde durch Boten am selben Tag in den gemeinsamen Hausbriefkasten des Klägers und seiner an diesem Tag verreisten Eltern eingeworfen. Dort fand es der Kläger zwei Tage später und verständigte seine Mutter telefonisch von der Kündigung, die vom Kündigungsschreiben nach ihrer Rückkehr am 3. oder 4. November 2008 tatsächlich Kenntnis erhielt.“
Problematisch waren hier zwei Fragen, die beide nicht unmittelbar im Arbeitsrecht wurzeln, sondern den Allgemeinen Teil des BGB erfassen. Aus diesem Grund ist der Fall bereits im Grundstudium relevant.
1. Zugang der Kündigung bei Minderjährigen
Zunächst hatte das BAG zu klären, wann bei Minderjährigen eine Kündigung wirksam gemäß § 130 BGB zugehe. Da der Adressat der Kündigung hier noch Minderjährig war, ist der Zugang beim gesetzlichen Vertreter maßgeblich (§ 131 Abs. 2 S. 1 BGB). Nach der bekannten Definition liegt Zugang dann vor, wenn die Willenserklärung in den Herrschaftsbereich des Adressaten gelangt ist und mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist. Dies erfolgte im konkreten Fall durch den Einwurf in den Hausbriefkasten der gesetzlichen Vertreter, sodass spätestens am Abend der Zugang vorliegt. Die Ortsabwesenheit der gesetzlichen Vertreter steht dem nicht entgegen. Zugang iSd. § 130 BGB bedeutet gerade nicht tatsächliche Kenntnisnahme, sondern nur eine entsprechende objektive Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit.
An dieser Stelle sei ergänzend nochmals auf ein weiteres Problem hingewiesen: Nach der Rechtsprechung des BAG liegt nämlich ein Zugang auch dann vor, wenn der Adressat im Urlaub war und das Schreiben in den Hausbriefkasten eingeworfen wurde. Dies gilt selbst dann, wenn der Absender Kenntnis vom Urlaub hatte. (BAG NZA 1988, 875) Ausnahmen sind nach § 242 BGB lediglich dann möglich, wenn der Absender bewusst den Zeitpunkt des Urlaubs gewählt hat, um die Präklusinsfrist des § 4 KSchG zu umgehen.
2. Kündigung durch Bevollmächtigten
Neben der Zugangsproblematik hatte sich das BAG auch mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Wirksamkeit der Kündigung dadurch gehindert ist, dass sie nciht vom Ausbildenden selbst, sondern von einem Vertreter erklärt wurde. Grundsätzlich ist zwar eine – hier unstrittige – Stellvertretung möglich, gemäß § 174 S. 1 BGB ist aber die Vorlage einer Vollmachtsurkunde zeitgleich mit dem Rechtsgeschäft (also gemeinsam mit der Kündigung) erforderlich. Dies ist hier nicht erfolgt. Die Unwirksamkeit tritt allerdings nur dann ein, wenn eine unverzügliche Zurückweisung der Erklärung erfolgt. Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 121 BGB. Die Vorinstanz legt dazu dar:
„Für die Frage, ob eine Zurückweisung im Sinne des § 174 S. 1 BGB unverzüglich erfolgt ist, gelten die zu § 121 BGB aufgestellten Grundsätze entsprechend. Die Zurückweisung muss daher nicht sofort erfolgen. Dem Erklärungsempfänger ist vielmehr eine gewisse Zeit zur Überlegung und zur Einholung des Rates eines Rechtskundigen darüber einzuräumen ob er das einseitige Rechtsgeschäft wegen fehlender Bevollmächtigung zurückweisen soll. Innerhalb welcher Zeitspanne der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft wegen der fehlenden Bevollmächtigung zurückweisen muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.“
Hier erfolgte die Zurückweisung nach einer Woche. Dies war nach Ansicht des BAG nicht mehr unverzüglich.
3. Verstoß gegen Treu und Glauben
Die Vorinstanz (LAG Baden Württemberg – 13 Sa 68/09) hatte zudem auch einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verneint. Es ist weder ein vorheriges Gespräch mit den Eltern erforderlich, noch ergibt sich die Treuwidrigkeit daraus, dass die Kündigung am letztmöglichen Tag erfolgte – besteht eine Frist, kann diese auch ausgeschöpft werden.
„Die Kündigung erfolgte auch nicht nach Art, Inhalt oder Form in einer ehrverletzenden oder sonst wie zu beanstandenden Weise. Ebenso kann aus der Ausschöpfung der Probezeit bis zum letzten Tag nichts für die Beklagte Nachteiliges abgeleitet werden. Wenn das Arbeitsgericht meint, eine Kündigung am letzten Tag der Probezeit ohne vorheriges Gespräch mit den Eltern des damals minderjährigen Klägers verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, kann sich dem das Landesarbeitsgericht nicht anschließen.“
Fazit: Ein Fall mit einem klaren Ergebnis, bei dem Grundsätze der stellvertretung und vor allem des Zugangs gut wiederholt werden können. Gerade hiermit können Examensklausren sehr gut „angefettet“ werden.
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