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Schlagwortarchiv für: Zugang

Gastautor

BAG: Neues zum Zugang einer Kündigungserklärung

Arbeitsrecht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite

Wir freuen uns sehr, nachfolgend einen Gastbeitrag von Hannah Linke veröffentlichen zu können. Die Autorin hat Jura an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert und ist derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP am Düsseldorfer Standort im Arbeitsrechtsteam tätig. 
 
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Im Fokus der Entscheidung des BAG (Urt. v. 22.8.2019 – 2 AZR 111/19) steht der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Vom Zugangszeitpunkt hängt es insbesondere ab, ob die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt ist, oder ob die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG eingehalten wird. Letzteres ist auch in dem hier zu besprechenden Urteil problematisch. Sollte Arbeitsrecht einmal Thema einer Examensklausur sein, ist in der Regel die Wirksamkeit einer Kündigung, ggf. eingebettet in die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage, zu prüfen. Aber nicht nur für Examenskandidaten ist der folgende Beitrag von Interesse: Es geht maßgeblich um die Zugangsvoraussetzungen einer empfangsbedürftigen Willenserklärung unter Abwesenden. Unter Punkt III. findet sich ein informativer Exkurs zu diesem Komplex, sodass auch Studierende in den Anfangssemestern angesprochen werden.
 
I. Sachverhalt
Die Beklagte ließ das Kündigungsschreiben von einer Mitarbeiterin gegen 13.25 Uhr am 27.1.2017 (Freitag) in den Briefkasten des bei ihr angestellten Klägers werfen. Die Postzustellung im Wohnort des Klägers ist in aller Regel bis 11.00 Uhr abgeschlossen. Die Kündigungsschutzklage des Klägers ging am 20.2.2017 (Montag) beim Arbeitsgericht ein. Der Kläger macht geltend, er habe das Kündigungsschreiben erst am 30.1.2017 seinem Briefkasten entnommen. Der Zugang habe folglich frühestens an dem auf den 27.1.2017 folgenden Tag stattfinden können.
 
II. Vorinstanzen
Die Vorinstanzen (ArbG Karlsruhe v. 17.4.2018 – 2 Ca 60/17; LAG Baden-Württemberg v. 14.12.2018 – 9 Sa 69/18) haben die Klage abgewiesen. Mangels Einhaltung der maßgeblichen Drei-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG gelte die außerordentliche Kündigung nach § 13 Abs. 1 S. 2 iVm § 7 Hs. 1 KSchG als von Anfang an wirksam. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben mithin einen Zugang des Kündigungsschreibens bereits am 27.1.2017 angenommen. Nach dem LAG könne der Verkehrsanschauung entsprechend mit einer Kenntnisnahme von Schriftstücken, die im Briefkasten eines Arbeitnehmers hinterlassen werden, bis 17.00 Uhr gerechnet werden. Auf den Zeitpunkt des Abschlusses der örtlichen Postzustellung komme es hingegen nicht (mehr) an. Heutzutage könne bei Berufstätigen mit einer Leerung des Briefkastens erst nach Rückkehr von der Arbeit gerechnet werden.
 
III. Exkurs: Zugang von Willenserklärungen unter Abwesenden
Neben der Abgabe stellt der Zugang kumulativ vorzuliegende Voraussetzung für das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen dar. Das Erfordernis des Zugangs einer Willenserklärung gegenüber Abwesenden ist in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB geregelt. Definiert wird der Begriff des Zugangs im Gesetz jedoch nicht. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Willenserklärung zugegangen, wenn sie so in den Bereich des Erklärungsempfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.[1]Da nach dieser Definition im Hinblick auf die Komponente der Kenntnisnahmemöglichkeit nur auf die gewöhnlichen Verhältnisse abgestellt wird, ist es für die Annahme eines Zugangs unerheblich, wann die Kenntnisnahme durch den Empfänger tatsächlich erfolgt.[2]Auch die Tatsache, dass der Empfänger im Urlaub, Krankenhaus oder aus sonstigen Gründen für längere Zeit nicht zu Hause ist, steht dem Zugang der Willenserklärung prinzipiell nicht entgegen. Den Erklärungsempfänger trifft die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Kenntnisnahme vom Inhalt von in seinen Machtbereich gelangten Willenserklärungen auch bei seiner Abwesenheit zu gewährleisten, sofern er mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen rechnen muss. Dies ist beispielsweise der Fall bei der Anbahnung von vertraglichen Beziehungen oder im bestehenden Arbeitsverhältnis.[3]Selbst wenn der Erklärende von der Abwesenheit des Empfängers weiß, gilt grundsätzlich nichts anderes.[4]Das ist auch interessengerecht, da die Risikosphäre des Empfängers eröffnet ist, sobald die Erklärung in seinen Herrschaftsbereich (Briefkasten, Empfangsboten etc.) gelangt ist. Beim Übergabe-Einschreiben ist dabei Folgendes zu beachten: Schlägt die Aushändigung des Einschreibens durch die Zustellungsperson fehl, weil der Empfänger nicht zugegen ist, erfolgt der Zugang der Willenserklärung nicht schon mit der Hinterlegung des Benachrichtigungsscheins im Briefkasten des Empfängers, sondern erst mit Abholung bei der Post.[5]Erst dann gelangt die Erklärung in seinen Machtbereich. Sollte die Erklärung fahrlässig oder vorsätzlich nicht bei der Poststelle abgeholt werden, liegt ein Fall der Zugangsvereitelung vor.
Zu differenzieren ist zwischen der berechtigten und der unberechtigten Zugangsvereitelung.[6]Von der berechtigten Zugangsverweigerung spricht man, wenn der Erklärungsempfänger sich auf einen legitimen Grund für die Verweigerung der Entgegennahme der Erklärung berufen kann. Dieser Fall ist etwa dann einschlägig, wenn der Empfänger ein sog. Nachentgelt zahlen muss, weil das Schreiben vom Absender nicht ausreichend frankiert wurde.[7]Hier fehlt es an einem Zugang und die Willenserklärung wird nicht wirksam. Der Erklärende muss einen erneuten Zustellungsversuch unternehmen. Das Gleiche gilt bei der fahrlässigen Zugangsvereitelung, auch wenn hier keine Rechtfertigungsgründe für die Zugangsverhinderung gegeben sind. Erfolgt unverzüglich ein weiterer Zustellungsversuch, kann der Empfänger sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) indes nicht auf eine verspätete Zustellung berufen. Die fahrlässige Zugangsvereitelung zieht eine Rechtzeitigkeitsfiktion nach sich.[8]Etwas anderes gilt bei der vorsätzlichen Zugangsver-eitelung, bei der ein erneuter Zustellungsversuch nicht unternommen werden muss. Die Zustellung wird hier nach dem Rechtsgedanken der §§ 162 Abs. 1, 815 BGB fingiert.[9]
 
IV. Entscheidung des BAG 
Das BAG hat sich den Vorinstanzen nicht angeschlossen. Zumindest mit der vom LAG angebotenen Begründung hätte der Kündigungsschutzantrag nicht abgewiesen werden dürfen. Zwar sei das Kündigungsschreiben bereits am 27.1.2017 in den Machtbereich des Klägers gelangt. Ob an diesem Tag aber auch bereits mit einer Kenntisnahme durch den Arbeitnehmer gerechnet werden könne, sei problematisch. Vor allem die Aussage des LAG, von einer Leerung des Briefkastens sei bei Arbeitnehmern nach der Verkehrsanschauung um 17.00 Uhr auszugehen, hat das BAG als willkürlich kritisiert:

„Ob die Möglichkeit einer Kenntnisnahme bestand, ist nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten.“[10]

Grundsätzlich sei die Annahme einer Verkehrsanschauung, wonach eine Leerung der Hausbriefkästen unmittelbar nach Abschluss der Regelpostzustellzeiten erfolge, nicht zu beanstanden. Zwar könne das LAG eine davon abweichende Verkehrsanschauung aufgrund sich ändernder Lebensumstände annehmen, jedoch seien die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht geeignet, eine solche Anschauung zu begründen. Teilzeitbeschäftigte, im Homeoffice tätige Arbeitnehmer, Nachtarbeiter oder nicht erwerbstätige Personen würden bei Beurteilung der Leerungszeiten von Briefkästen am Wohnort des Klägers durch das LAG außer Betracht bleiben. Hinzukomme, dass der Kläger im Elsass wohnhaft sei, sodass die durch das Gericht in zweiter Instanz herangezogenen Werte und Statistiken in Bezug auf Deutschland nicht herangezogen werden könnten. Auch eine auf Verhältnismäßigkeitserwägungen beruhende Festlegung der Leerungszeit auf 17.00 Uhr sei nicht geeignet, eine dahingehende Verkehrsanschauung zu begründen. Schließlich sei auch die landgerichtliche Argumentation, wonach ein fristwahrender Zugang für den Erklärenden bis 24.00 Uhr möglich sein müsse, da andernfalls eine unzulässige Verkürzung des Fristendes nach § 188 BGB gegeben sei, nicht haltbar. Die Regelung des § 188 BGB bezieht sich auf das Ende einer Frist, trifft aber keine Aussage zum Zugang von Willenserklärungen.
Das BAG hat die Entscheidung des LAG aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Es sei dessen Aufgabe festzustellen, wann nach der Verkehrsanschauung mit der Entnahme des am 27.1.2017 in den klägerischen Briefkasten eingeworfenen Schreibens zu rechnen war. Die Feststellung des Inhalts der Verkehrsanschauung sei eine Tatfrage, deren Beurteilung vom Revisionsgericht nur eingeschränkt kontrolliert werden könne. 
Im Jahr 2015 hat das BAG[11]zum Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung festgehalten: „Anders als dann, wenn ein Brief ohne Wissen des Adressaten erst nach den üblichen Postzustellzeiten in dessen Hausbriefkasten eingeworfen wird, ist mit der Kenntnisnahme eines Schreibens, von dem der Adressat weiß oder annehmen muss, dass es gegen 17.00 Uhr eingeworfen wurde, unter gewöhnlichen Verhältnissen noch am selben Tag zu rechnen. Ob die Kl. dazu angesichts ihrer Termine tatsächlich in der Lage war, ist nicht entscheidend.“ Das BAG unterscheidet richtigerweise dazwischen, ob der Arbeitnehmer mit der Zustellung eines Schreibens nach den üblichen Postzustellungszeiten rechnet bzw. rechnen muss. Orientiert man sich hieran, spricht, sofern der Kläger nichts von dem Einwurf des Kündigungsschreibens um 13.25 Uhr wusste oder wissen musste, gegen einen Zugang des Schreibens noch am 27.1.2017. Zu berücksichtigen ist nichtsdestotrotz, dass der Einwurf des Kündigungsschreibens hier am frühen und nicht am späten Nachmittag stattgefunden hat.
Es bleibt somit abzuwarten, wie da LAG Baden-Württemberg im Anschluss an das Urteil des BAG entscheidet.
 
V. Fazit
Auch wenn das BAG noch keine abschließende Entscheidung zu der Frage getroffen hat, wann die Kündigungserklärung dem Kläger im Fall zugegangen ist, enthält das Urteil wichtige Kriterien zur Bestimmung der jeweils einschlägigen Verkehrsanschauung, die den Zugangszeitpunkt bestimmt. Denn sobald die jeweilige Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, kommt es bei der Bestimmung, wann der Empfänger Möglichkeit hatte, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen, nur auf die Verkehrsanschauung an. Ist nach der Verkehrsanschauung die Kenntnisnahmemöglichkeit zu bejahen, gilt die Willenserklärung als zugegangen. Auf den tatsächlichen Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Empfänger kommt es hingegen nicht an.
[1]Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl. 2019, § 130 Rn. 5.
[2]Noack/Uhlig, JA 2012, 740, 741.
[3]LAG-Schleswig-Holstein v. 1.4.2019 – 1 Ta 29/19, NZA-RR 2019, 528, 529; BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 366/04, NZA 2006, 204, 205.
[4]Vgl. hierzu etwa BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 461/03, NZA 2004, 1330.
[5]Klinkhammer/Schmidbauer, ArbRAktuell 2018, 362, 363.
[6]Noack/Uhlig, JA 2012, 740, 744.
[7]MüKo/Einsele, BGB, 8. Aufl. 2018, § 130 Rn. 36; https://www.deutschepost.de/content/dam/dpag/images/G_g/Gesamtpreisliste/dp-leistungen-und-preise-012019.pdfS. 35 (Stand: 11.1.2020).
[8]Preis, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 5. Aufl. 2017, 1. Teil, Kap. D Rn. 58.
[9]Weiler, JuS 2005, 788, 792 f.
[10]BAG v. 22.8.2019 – 2 AZR 111/19, NJW 2019, 3666, 3667
[11]BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183, 1183 f.
 
 

24.01.2020/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2020-01-24 09:15:472020-01-24 09:15:47BAG: Neues zum Zugang einer Kündigungserklärung
Dr. David Saive

LAG Schleswig Holstein: Keine Kündigung am Sonntag

Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Das Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein hat sich in seinem Urteil vom 13.10.2015, Aktenzeichen 2 Sa 149/15, das heute veröffentlich worden ist, mit allseits beliebten Fristenproblemen befasst.
 
Zum Sachverhalt:
Im vorliegenden Falle beschäftigte der beklagte Rechtsanwalt eine nun klagende Rechtsanwaltsgehilfin. Dieser wollte er noch innerhalb der Probezeit kündigen. Die Probezeit endete am Sonntag, den 30.11.2014. Innerhalb der Probezeit konnte er das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen beenden; danach mit einer Frist von vier Wochen.
Um noch rechtzeitig innerhalb der Probezeit kündigen zu können, warf der Rechtsanwalt das Kündigungsschreiben bei der Klägerin am Sonntag, den 30.11.2014, in den Briefkasten.
Der Beklagte ist der Auffassung, die Kündigung sei rechtzeitig zugegangen, wobei die Klägerin dies bestreitet und sich auf die nunmehr gültige Kündigungsfrist von vier Wochen beruft, nach der sie noch bis zum 31.12.2014 beschäftigt gewesen wäre.
 
Aus den Gründen:
Das Gericht gab der Klägerin recht. Als Begründung führte das Gericht an, dass Arbeitnehmer grundsätzlich nicht dazu verpflichtet sind, ihren Briefkasten auch sonntags zu leeren. Dies gelte sogar dann, wenn an diesem Tag die Probezeit endet und am diesen Tag auch gearbeitet werde. Das Schreiben ist der Klägerin somit frühestens am 01.12.2014 zugegangen, sodass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2014 fortbestand.
 
Anmerkung:
Das Urteil regt dazu an, sich erneut vertieft mit dem Zugang von Willenserklärungen und den damit zusammenhängenden Fristenproblemen zu beschäftigen. Bei allen Kündigungsfristen des BGB ist die Sonntagsregelung des § 193 BGB weder direkt noch analog anwendbar (BGH NJW 2005, 1354, 1355). Nach ganz herrschender Meinung dient § 193 BGB dem Schutz des Gekündigten. Insbesondere bei Arbeitsverhältnissen ist es dem Gekündigten nicht zumutbar, sich mit den komplexen Fristenregelungen des BGB auseinanderzusetzen (MüKo BGB, Grothe, § 193, Rn.7).
Ausnahmsweise mal eine Begründung, die sich jedem Jurastudenten sofort erschließt.
Zur Wiederholung der Fristenberechnung lohnt sich ein Blick hier.

11.11.2015/0 Kommentare/von Dr. David Saive
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. David Saive https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. David Saive2015-11-11 19:18:112015-11-11 19:18:11LAG Schleswig Holstein: Keine Kündigung am Sonntag
Dr. David Saive

Der Poststreik oder Zugang von Willenserklärungen

BGB AT, Für die ersten Semester, Tagesgeschehen

Seit einiger Zeit streiken die Zusteller der Deutschen Post. Grund genug für uns, sich einmal mit absolutem Basiswissen zu befassen: dem Zugang von Willenserklärungen.
 
1. Die Willenserklärung
Zunächst einmal gilt es, den Begriff der Willenserklärung näher zu definieren:
Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines privaten Willens, der unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung (einer Rechtsfolge) gerichtet ist. Bestandteile: Handlungswille, Erklärungsbewusstsein (str.), Geschäftswille (- vgl. 119 BGB). Zur Bestimmung des Inhalts bedarf es der Auslegung. (Diese und weitere Definitionen des BGB findet ihr hier in unserem Grundlagenbeitrag.)
 
2. Ohne Willenserklärungen kein Vertragsschluss
Sodann stellt sich die Frage der Funktion von Willenserklärungen. Im Grunde gilt, dass die allermeisten Verträge zwischen zwei oder mehreren Parteien zwei übereinstimmender Willenserklärungen bedürfen, dem Angebot und der Annahme.
Beispiele:
A bietet B einen PKW im Wert von 5.000 € an. – B stimmt zu. Ein Kaufvertrag über den PKW wurde erfolgreich geschlossen.
A bietet B einen PKW im Wert von 5.000 € an. – B möchte lediglich 3.000 € zahlen. Es fehlt an der inhaltlichen Übereinstimmung der beiden Erklärungen, sodass kein Kaufvertrag zu Stande gekommen ist.
Es gibt auch Fälle, in denen auch eine Willenserklärung genügt. Es handelt sich dabei um sog. einseitige Rechtsgeschäfte. Hierbei wird zwischen den empfangsbedürftigen, also Kündigung, Rücktritt, Anfechtung und den nicht empfangsbedürftigen Rechtsgeschäften, nämlich Auslobung, Erbschaftsannahme- und Ausschlagung, Eigentumsaufgabe unterschieden. Im Übrigen gibt es auch solche Rechtsgeschäfte, die einem Amt gegenüber abzugeben sind, sog. amtsempfangsbedürftige Rechtsgeschäfte (z.B. Eigentümergrundschuld gem. § 1196 II BGB).
Beispiele:
A hat von B eine Wohnung gemietet. A möchte ausziehen und kündigt daher form- und fristgerecht per Post. Geht B der Brief mit der Kündigung zu, wird sie wirksam und das Mietverhältnis nach entsprechender Zeit gekündigt.
A lobt in Hamburg eine Belohnung von 500 € für den Finder seiner Katze aus. Mit der Bekanntmachung der Belohnung wird dieses Rechtsgeschäft wirksam. Der Finder der Katze kann nun von A die Belohnung verlangen.
 
3. Zugang von Willenserklärungen
Fraglich ist jetzt nur noch, wann die entsprechenden Willenserklärung ihre Wirksamkeit entfaltet, wenn der Empfänger sie nicht direkt in Empfang nimmt, also abwesend ist.
Gemäß § 130 I 1 BGB wird eine Willenserklärung unter Abwesenden dann wirksam, wenn sie dem Empfänger zugegangen ist. Zugegangen ist sie dann, wenn die Willenserklärung in verkehrsüblicher Weise derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass die Kenntnisnahme durch den Empfänger möglich ist, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem nach den Gepflogenheiten des Verkehrs die Kenntnisnahme zu erwarten ist (siehe ebenfalls hier).
Sprich, die Kündigung des oben angesprochen A wäre dann zugegangen und somit wirksam, wenn sie in den Briefkasten des B geworfen würde. Allerdings erst in dem Zeitpunkt, in dem nach den Gepflogenheiten des Verkehrs damit gerechnet werden kann, das B die Post entnimmt. Sonntags oder Nachts kann hiermit z.B. nicht gerechnet werden
 
5. Streikbedingte Verzögerung
Was passiert aber, wenn der Brief des A deswegen nicht rechtzeitig zugestellt werden kann, weil die Zusteller der Post streiken und der Postverkehr daher zum Stillstand gekommen ist.
Die Beweislast trifft im Falle des Zugangs von Willenserklärungen, denjenigen der sich darauf beruft (statt aller OLG Saarbrücken NJW 2004, 2908, 2909). Es genügt allerdings nicht, sich darauf zu berufen, man habe den Brief bei der Post abgegeben, um den rechtzeitigen Zugang zu begründen.
Wird also eines der Postzustellungsunternehmen bestreikt, ist daher Vorsicht geboten. Das Streikrisiko fällt in die Sphäre des Absenders. Somit sollte im Zweifel die Willenserklärung eigenhändig zugestellt werden oder auf ein anderes Unternehmen ausgewichen werden.
 
5. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand?
Denkbar wäre jedoch, sich über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 ZPO zu retten. Hiernach kann ein unverschuldetes Versäumen einer Notfrist oder der Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 I ZPO einzuhalten.
Diese Aufzählung ist jedoch grundsätzlich abschließend (BGH NJW 1991, 229, 230) sodass sich A bei seiner Kündigung nicht hierauf berufen kann.
Handelt es sich allerdings um eine der genannten Fristen, stellt sich sodann die Frage des Verschuldens. Abzustellen ist dabei auf das objektive Kriterium der allgemein zu erwartenden Sorgfalt einer Prozesspartei (Wendtland in: BeckOK ZPO, § 233, Rn.10, Stand: 10.01.2015).
Wenn die Prozesspartei schon bei Absendung darüber informiert ist, dass das betreffende Unternehmen bestreikt wird, sollte ihr dies auch entgegengehalten werden, da sie die Verzögerung durchaus hätte vermeiden können.
Weniger eindeutig ist jedoch der Fall, wenn die Partei bei Absendung nicht über den Streik Bescheid wusste bzw. nicht darüber Bescheid wissen konnte. Im Grundsatz gilt, dass die Partei auf die Zuverlässigkeit der Postdienste vertrauen darf (BVerfG NJW 1992, 38). Mithin wäre der Weg zur Wiedereinsetzung eröffnet. Dies gilt allerdings dann nicht mehr, wenn die Prozesspartei die Frist bis zum letzten Moment ausschöpfen will. Dann treffen sie besondere Sorgfaltspflichten (Wendtland in: BeckOK ZPO, § 233, Rn.11, Stand: 10.01.2015), die ein Verschulden und somit den Ausschlus des § 233 ZPO begründen können.
           

18.06.2015/1 Kommentar/von Dr. David Saive
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. David Saive https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. David Saive2015-06-18 10:42:002015-06-18 10:42:00Der Poststreik oder Zugang von Willenserklärungen
Gastautor

Häkchen bei WhatsApp – Zugang und Beweisbarkeit elektronischer Willenserklärungen

BGB AT, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Wir freuen uns, heute eine Gastbeitrag von Christopher Weidt veröffentlichen zu können. Der Autor absolvierte sein Jurastudium in Bonn und ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Juniorprofessur für Bürgerliches Recht und Immaterialgüterrecht der Universität Siegen bei Prof. Dr. Maximilian Becker.
I. Einführung
Das aktuelle BGB-Lehrbuch an einen Kommilitonen verkaufen, das Auto an einen Freund verleihen, einen DJ für die Hochzeit buchen. Die Kette der Verträge, die allein im privaten Bereich über E-Mail oder Kurznachricht geschlossen werden ließe sich beliebig fortführen. Besonders der Massaging-Dienst WhatsApp hat in den vergangenen Jahren die klassische SMS abgelöst. Für den Absender einer Nachricht hält der Dienst Zustellungsinformationen in drei Stufen bereit. Diese werden durch kleine „Häkchen“ rechts unten in der jeweiligen Nachricht angezeigt. Ein graues Häkchen bedeutet, dass die Nachricht gesendet wurde. Zwei graue Häkchen bedeuten, dass die Nachricht zugestellt wurde. Färben sich die beiden Häkchen blau, hat der Empfänger die Nachricht gelesen[1]. Insbesondere die dritte Zustellungsebene hat zu kontroversen Diskussionen geführt[2]. Auch juristisch bieten die Häkchen Anlass zu einer Auseinandersetzung über den Zugang von Willenserklärungen und dessen Beweisbarkeit. Als Ausgangspunkt dient die rechtliche Behandlung von E-Mails.
 
II. Zugang von Willenserklärungen unter Abwesenden
Eine empfangsbedürftige Willenserklärung wird gemäß § 130 I 1 BGB dann wirksam, wenn sie dem Empfänger zugeht. Dies ist nach hM dann der Fall, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen[3]. Nicht erforderlich ist demnach die tatsächliche Kenntnisnahme. Die Definition hat mithin zwei Voraussetzungen: (1) Das Gelangen in den Macht- oder Herrschaftsbereich; (2) die Möglichkeit der Kenntnisnahme.
 1. Gelangen in den Machtbereich
Unter dem Machtbereich versteht man die räumliche Herrschaftssphäre des Empfängers[4]. Diese ist jedenfalls beim Einwurf eines Schriftstücks in den Hausbriefkasten erreicht. Ebenso befindet sich eine E-Mail im Account des Online-Servers im Machtbereich des Adressaten[5]. Bei einer SMS ist der Machtbereich dann erreicht, wenn die Nachricht auf dem Mobiltelefon zugestellt worden ist[6]. Das Gleiche gilt für eine Nachricht bei WhatsApp.[7] Dokumentiert wird das Gelangen in den Machtbereich durch zwei graue Häkchen.
Bei der elektronischen Kommunikation ist zusätzlich zu beachten, dass – anders als etwa bei Briefen – eine „Widmung“ des E-Mail- oder SMS-Postfachs als Empfangseinrichtung erforderlich[8] ist. Dafür kommt es auf den nach außen erkennbaren Willen an, rechtlich verbindliche Erklärungen in dieser Form schließen zu wollen. Dies kann etwa aufgrund einer Angabe der E-Mail-Adresse oder Handynummer auf Visitenkarten oder in öffentlichen Verzeichnissen der Fall sein[9]. Eine Widmung ist jedoch umso eher anzunehmen, je mehr die Kommunikation auf diesem Wege für die Beteiligten vorhersehbar ist bzw sie damit rechnen durften[10]. Erfolgt beispielsweise schon die Anbahnung eines Vertrages per SMS, kann auch Angebot und Annahme auf diesem Weg erfolgen.
Erreicht eine E-Mail den Server oder das Postfach des Empfängers nicht, kann dies verschiedene Ursachen haben: Softwarefehler, Kompatibilitätsprobleme bei Anhängen, Spam-Filter. Hierzu hat sich eine detaillierte Rechtsprechung gebildet[11]. Grundsätzlich gilt jedoch, dass vor der Speicherung im Postfach das Risiko auf Seiten des Absenders liegt, danach auf Seiten des Empfängers[12].
Bezogen auf ein in sich geschlossenes System wie WhatsApp sind Software- und Kompatibilitätsprobleme zwar nicht auszuschließen. Sie sind gleichwohl seltener. Man wird daher davon ausgehen können, dass beim zweiten grauen Häkchen der Machtbereich des Empfängers ohne technische Schwierigkeiten erreicht worden ist.
 2. Möglichkeit der Kenntnisnahme
Der Zeitpunkt vom Erreichen des Machtbereichs fällt bei Willenserklärungen unter Abwesenden regelmäßig mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme auseinander. Wann nach „normalen Umständen“ die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht, ist nach der Verkehrsanschauung zu ermitteln. Bei E-Mails ist idR spätestens am nächsten Werktag mit einem Zugang zu rechnen[13]. Ähnliches gilt für Kurznachrichten über das Mobiltelefon[14], wobei hier sogar eher häufiger, also auch mehrfach am Tag und am Wochenende mit einem Abrufen zu rechnen ist. Auch, wenn tatsächlich später als unter diesen „gewöhnlichen Umständen“ Kenntnis genommen wird (etwa wegen Krankheit, Urlaub oder Haft), hindert dies den Zugang nicht. Erfolgt die tatsächliche Kenntnisnahme vor dem gewöhnlichen Zugangszeitpunkt ist die Erklärung schon in diesem Moment zugegangen[15].
 
III. Beweisbarkeit
Vom Zugang einer Willenserklärung zu trennen ist die Beweisbarkeit. Für Briefpost wird diese idealerweise mit einem Einschreiben dokumentiert, wobei der volle Beweis des Zugangs nur durch ein Einschreiben mit Rückschein erbracht werden kann[16]. Bei E-Mails kann eine Lese- oder Empfangsbestätigung den Erhalt beweisen[17]. Diese muss der Empfänger jedoch idR über einen speziellen Button aktiv verschicken[18]. Eine Nachricht bei WhatsApp sendet durch das zweite Häkchen eine automatische Empfangsbestätigung und durch die blauen Häkchen eine automatische Lesebestätigung. Da für SMS die gleichen Grundsätze gelten, wie für E-Mails[19], dokumentieren die grauen Häkchen den Zugang. Die blauen Häkchen dürften sogar die tatsächliche Kenntnisnahme beweisen und insofern zu einer Verkürzung der „gewöhnlichen Umstände“ des Zugangs in der Lage sein. Ein Screenshot kann daher für einen Anscheinsbeweis[20] ausreichen.
 
IV. Fazit
Der Zugang von elektronischen Willenserklärungen unter Abwesenden richtet sich nach den allgemeinen Voraussetzungen: Das Gelangen in den Machtbereich und die Möglichkeit der Kenntnisnahme. Der Machtbereich wird mit Zustellung auf den Server bzw das Mobiltelefon erreicht. Die Kenntnisnahme erfolge für gewöhnlich spätestens am nächsten Werktag. Dies gilt nicht nur für E-Mails sondern auch für Kurznachrichten auf dem Mobiltelefon. Letztere haben bzgl der Beweisbarkeit für den Absender entscheidende Vorteile. Durch die Häkchen beim Massaging-Dienst WhatsApp wird automatisch Empfang und tatsächliche Kenntnisnahme angezeigt. Dies ist bei einer E-Mail idR nicht der Fall. Vor Gericht dürfte damit die Kenntnisnahme bewiesen werden können.
 
 
[1] https://www.whatsapp.com/faq/de/general/20951546
[2] etwa http://www.stern.de/digital/telefon/neue-whatsapp-funktion-blaue-haken-veraergern-viele-whatsapp-nutzer-2150755.html
[3] BGH NJW 2011, 872 (873); BGH NJW 1998, 976 (977); Ellenberger, in Palandt, § 130, Rn 5; Brox/Walker, BGB AT, § 7, Rn 149
[4] G.Noack/Uhlig, JA 2012, 740 (741)
[5] OLG Köln, NJW 1990, 1608 (1609); LG Nürnberg-Fürth, NJW-RR 2002, 1721 (1722); Spindler/Anton, in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 130 BGB, Rn 4; Einsele, in MünchKomm BGB, § 130, Rn 18
[6] G.Noack/Uhlig, JA 2012, 740 (741)
[7] dies ändert sich auch nicht dadurch, dass Dienste wie WhatsApp eine Internetverbindung erfordern; es kann – analog zur E-Mail – mit einer regelmäßigen Internetverbindung gerechnet werden
[8] Spindler/Anton, in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 130 BGB, Rn 5
[9] Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839 (841), Ultsch, NJW 1997, 3007 (3008)
[10] Spindler/Anton, in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 130 BGB, Rn 5
[11] Spam: AG Frankfurt aM 23.10.2008, 30 C 730/08; LG Hamburg 07.07.2009, MMR 2010, 654 mwN; sonstige Probleme: Spindler/Anton, in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 130 BGB, Rn 11 ff mwN
[12] Spindler/Anton, in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 130 BGB, Rn 6
[13] Rüthers/Stadler, Allgemeiner Teil des BGB, § 17, Rn 48 f; Brox/Walker, BGB AT, § 7, Rn 150 b
[14] G.Noack/Uhlig, JA 2012, 740 (742)
[15] Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839 (841); Spindler/Anton, in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 130 BGB, Rn 7
[16] zu den verschiedenen Arten des Einschreibens Mrosk, NJW 2013, 1484 (1482 ff)
[17] Willems, MMR 2013, 551 (553); Mrosk, NJW 2013, 1484 (1482 ff); differenzierend zwischen beiden Arten Mankowski, NJW 2004, 1901
[18] dies gilt zumindest für die konventionelle E-Mail; anders verhält es sich bei der „De-Mail“, bei der der Absender eine obligatorische Empfangsbestätigung anfordern kann, vgl Willems, MMR 2013, 551 (554); zum De-Mail-Gesetz BT-Drucksache 17/3630, S. 30
[19] Ellenberger, in Palandt, § 130, Rn 7a; Mrosk, NJW 2013, 1484 (1484); G.Noack/Uhlig, JA 2012, 740 (741)
[20] zu den Voraussetzungen Heß, NJW-Spezial, 2008, 233 (233)

27.04.2015/6 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2015-04-27 09:00:012015-04-27 09:00:01Häkchen bei WhatsApp – Zugang und Beweisbarkeit elektronischer Willenserklärungen
Dr. Deniz Nikolaus

Falschmeldung auf Facebook

Startseite, Tagesgeschehen

In den letzten zwei Tagen verbreitete sich eine Falschmeldung über die Pinnwände des sozialen Netzwerks Facebook. Nutzer teilten (englisch: share) auf ihrem Profil einen vermeintlichen Widerspruch gegen neue AGB von Facebook, welche angeblich die kommerzielle Nutzung der eigenen Daten vorsehen. Der Widerspruch lautet (verkürzt) wie folgt:

Aufgrund der neuen AGB in Facebook widerspreche ich hiermit der kommerziellen Nutzung meiner persönlichen Daten (Texte, Fotos, persönliche Bilder, persönliche Daten) gemäß BDSG. Das Copyright meiner Profilbilder liegt ausschließlich bei mir. Die kommerzielle Nutzung bedarf meiner schriftlichen Zustimmung!
Because of the new terms of Use on Facebook I disagree with this, the commercial use of my personal information (text, photos, personal images, personal data) according to BDSG. The copyright of my profile images belongs exclusively to me. The commercial use requires my written permission!

Dieser Widerspruch suggeriert, dass Facebook neue AGB eingeführt habe und nunmehr Nutzerdaten der kommerziellen Verwendung durch Facebook unterlägen. Jedoch besteht kein Grund zur Panik. Weder hat Facebook neue AGB beschlossen, noch werden Nutzerdaten und Eintragungen kommerziell genutzt.
Keine neuen AGB
Facebook hat in letzter Zeit keine Änderung seiner AGB vorgenommen. Die letzte Änderung wurde am 8. Juni 2012 durchgeführt. Hier hatten die Nutzer die Möglichkeit mit abzustimmen. Mit einer Beteiligung von nur 0,04 Prozent war das Ergebnis freilich ernüchternd. Aus diesem Grund hat Facebook jüngst angedeutet, ihre Nutzerrichtlinien hinsichtlich des Datenschutzrechtes insoweit zu ändert, als die Möglichkeit der Mitabstimmung der Nutzer in Zukunft abgeschafft werde (siehe hierzu: http://newsroom.fb.com/News/535/Proposed-Updates-to-our-Governing-Documents).
[Es sei kurz darauf hingewiesen, dass AGB, die bereits wirksam in einen Vertrag einbezogen wurden, grundsätzlich nachträglich geändert werden können. Die Änderungen müssen den Anforderungen des § 305 Abs 2 BGB genügen. Oftmals sind Änderungsvorbehalte in den AGB selbst vorgesehen. Liegt ein Änderungsvorbehalt vor, so kann das notwendige Einverständnis des Kunden mit der Geltung der geänderten AGB durch eine Erklärungsfiktion – welche den Anforderungen des § 308 Nr. 5 BGB entspricht – ersetzt werden.]
Urheberrechte bleiben bei den Nutzern
Das Urheberrecht für selbst erstellte Inhalte bleibt (weiterhin) ausschließlich beim Nutzer der Seite. In den Facebook-Nutzungsbedingungen (http://www.facebook.com/legal/terms) heißt es dazu: „Du bist Eigentümer aller Inhalte und Informationen, die du auf Facebook postest. Zudem kannst du mithilfe deiner Privatsphäre- und Anwendungseinstellungen kontrollieren, wie diese ausgetauscht werden.“ Der Nutzer selbst entscheidet also durch das Posting-Verhalten, wer die Fotos zu Gesicht bekommt. Allerdings sichert sich Facebook die Rechte an den hochgeladenen Bildern und Videos, um diese überall darstellen zu dürfen (z.B. auf dem PC, iPhone oder bei Freunden). Dieses Sicherungsrecht, sog. IP License, endet dann, wenn Fotos oder Videos gelöscht werden oder der Nutzer aus Facebook austritt, solange der Inhalt nicht von anderen Nutzern geteilt wird und diese ihn nicht gelöscht haben.
Ohne exklusive Urheberrechte darf Facebook die persönlichen Daten auch nicht an Werbekunden unentgeltlich oder entgeltlich weitergeben.
Widerspruch auf Pinnwand ohne rechtliche Wirkung
Zu klären bleibt noch die Frage, ob es rechtlich überhaupt möglich wäre, durch einen geposteten Text den AGB der Plattform zu widersprechen. In einem Artikel vom Gründer von allfacebook.de (deutschsprachiger Blog im Bereich Facebook Marketing & Werbung) wird hierzu unter http://allfacebook.de/beyond/scam/hoax-der-kommerziellen-nutzung-der-personlichen-daten-gemas-bdsg-widersprechen-ist-naturlich-quatsch/ ausgeführt:

Es ist irrwitzig zu glauben, dass das Posten einer solchen Meldung auch nur irgendeine Auswirkung darauf hat, was Facebook – oder andere – mit den eigenen Daten tun können. Nutzer können die Nutzungsbedingungen und andere Regeln auf Facebook nicht durch das Posten solcher Texte verändern.[…]
Auf Facebook gilt, was in deren AGB steht. Persönliche Änderungen daran sind nicht möglich: https://www.facebook.com/policies

Diese Aussage entspricht so nicht der vollen juristischen Wahrheit. Es wäre fatal, wenn Internetplattformen einseitig die AGB stellen und verändern könnten und die Nutzer diesen nicht widersprechen könnten. Wie oben ausgeführt, hat der Nutzer in der Regel ein Widerspruchsrecht bei nachträglichen Änderungen von AGB. Insbesondere bei Änderungen, wonach private Daten und Bilder veröffentlicht oder weitergegeben werden können, entspringt das Widerspruchsrecht dem grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.
Der Widerspruch muss dem Vertragspartner aber wirksam gem. § 130 BGB zugehen. Der Begriff des Zugangs setzt voraus, dass die Erklärung dergestalt in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass es nur noch an ihm liegt, von ihr Kenntnis zu nehmen und mit seiner Kenntnisnahme unter normalen Umständen gerechnet werden kann. Genau hieran scheitert es aber bei den in Rede stehenden Widerspruchserklärungen. Unter gewöhnlichen Umständen kann nicht damit gerechnet werden, dass die Mitarbeiter von Facebook Millionen von Pinnwandeinträgen lesen und die Erklärungen registrieren. Die so erstellten Widerspruchserklärungen bleiben folglich ohne rechtliche Konsequenzen.
Damit ein Widerspruch wirksam ist, sollte er auch bei Internetdiensten klassisch per Post erfolgen, eine förmliche E-Mail reicht im Zweifel nicht. Facebook muss den Widerspruch aber nicht akzeptieren. Vielmehr kann der Nutzer einfach durch Löschung des Accounts ausgeschlossen werden.
Was kann man durch den Widerspruch verändern?
Trotz fehlender rechtlicher Konsequenzen sollte man sich vor Augen halten, dass jeder Protest etwas bewirken kann. „HOAX“ (englisch:  Falschmeldung) oder nicht, jede Diskussion ist grundsätzlich dazu geeignet, die Nutzer und Betreiber von Facebook zu sensibilisieren und auf die Gefahren der Plattform  aufmerksam zu machen. Immerhin lässt es sich als politisches Statement für mehr Datenschutz lesen.
Wer sich weiterhin unsicher ist, was mit den eigenen Daten bei Facebook geschieht, sollte streng die Privateinstellung überprüfen oder private Informationen schlichtweg nicht veröffentlichen… Und einmal Hand aufs Herz, schließlich ist eine aufgedrängte Bereicherung ja auch nicht schutzwürdig.

27.11.2012/1 Kommentar/von Dr. Deniz Nikolaus
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Deniz Nikolaus https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Deniz Nikolaus2012-11-27 22:04:372012-11-27 22:04:37Falschmeldung auf Facebook
Nicolas Hohn-Hein

Anfechtung (Inhaltsirrtum), Unterschreiben einer ungelesenen Urkunde

BGB AT, Lerntipps, Schon gelesen?, Verschiedenes, Zivilrecht

Wir freuen uns über einen Gastbeitrag von Roy Dörnhöfer. Der Autor hat in Bayern beide Staatsexamina abgelegt und war dann in den neuen Bundesländern als Richter am Landgericht tätig.  Er war unter anderem im Rahmen einer Abordnung für mehrere Jahre in einem Zivilsenat beim Oberlandesgericht beschäftigt.  Weitere Übungsfälle zum BGB AT können unter Amazon.de zum Download auf den Computer erworben werden.
Die ungelesen unterschriebene Urkunde – viele Studenten dürften davon schon im Laufe ihres Studiums gehört haben.  Gilt der Grundsatz der Unanfechtbarkeit auch dann, wenn der Erklärende vor dem ungelesenen Unterschreiben seinen Brief richtig diktiert, ein Dritter diesen aber falsch geschrieben hat?  Dazu stellt sich die Frage, ob der Erklärungsempfänger neben einem Schadensersatz aus § 122 I BGB einen solchen aus culpa in contrahendo gegen den Anfechtenden geltend machen kann oder ob dies im Wege der Konkurrenz ausgeschlossen ist.  Die beiden Probleme sollen in einem Übungsfall erläutert werden.
Sachverhalt
Der vielbeschäftigte Unternehmer A lässt sich jeden Morgen von seiner Sekretärin S eine Unterschriftenmappe vorlegen, in der von ihm diktierte Briefe enthalten sind, die er dann unterzeichnet. Eines Tages legt ihm die Sekretärin wieder die Mappe vor, in der sich ein Schreiben befindet, das A am Tag zuvor diktiert und die S danach am Computer schriftlich niedergelegt hat. In seinem Diktat hatte der A das Angebot des B zum Verkauf eines Gemäldes X für 200 € abgelehnt. Aus Versehen schrieb die S in dem Antwortbrief aber, dass A das Gemälde X kaufen wolle. A unterschrieb sodann alle Briefe in der Mappe, ohne einen einzigen gelesen zu haben. Einige Tage später ruft B bei A an und dankt ihm für den Kauf des Gemäldes X, das er bald übersenden wolle. A erläutert entsetzt dem B sie Sachlage und erklärt die Anfechtung infolge Irrtums. B hätte zwischenzeitlich das Gemälde, welches einen tatsächlichen Marktwert von 180 € hat, an einen Dritten für 250 € verkaufen können, der sich jedoch mittlerweile anderweitig eingedeckt hat. Falls er den Kaufpreis nicht verlangen könne, will B wenigstens 70 € Schadensersatz von A.
Kann B Zahlung von 200 € für das Gemälde verlangen? Steht ihm etwa ein Schadensersatz in Höhe von 70 € zu?
Lösung
1) Der B könnte einen Anspruch auf Zahlung von 200 € haben, wenn ein Kaufvertrag zwischen ihm und dem A zustandegekommen wäre, § 433 II BGB.
Das würde zwei korrespondierende Willenserklärungen voraussetzen, §§ 145, 147 BGB (Angebot und Annahme).
a) Angebot des B:
Das schriftliche Angebot des B an den A, einen Kaufvertrag über das Gemälde abzuschließen, liegt unproblematisch vor.
b) Annahme des A:
In seinem Antwortschreiben hat der A dieses Angebot ausdrücklich angenommen, so dass ein Kaufvertrag zustandegekommen ist. Der anderslautende Geschäftswille des A ist insoweit zunächst unbeachtlich, da die konstitutiven Merkmale einer wirksamen Willenserklärung vorliegen und der B vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet die Erklärung des A als Annahme seines Angebots verstehen durfte, §§ 133, 157 BGB.
c) Anfechtung:
Der Vertrag könnte aber von Anfang an (ex tunc) nichtig sein, falls der A eine wirksame Anfechtung erklärt hat, § 142 I BGB.
aa) Anfechtungsgrund:
Dem A könnte hier der Anfechtungsgrund des Inhaltsirrtums gem. § 119 I 1. Alt. BGB zustehen. Dann müssten Wille und Erklärung bei Abgabe der Willenserklärung auseinandergefallen sein.
Dies ist vorliegend problematisch, da der A ja wusste, dass er in der Unterschriftenmappe Briefe unterzeichnete, die sodann zu rechtsgeschäftlichen Erklärungen wurden. Er irrte sich lediglich über den Inhalt des Schreibens an den B, da er es nicht gelesen hatte.
Nach herrschender Meinung kommt eine Anfechtung in den Fällen nicht in Frage, in denen der Erklärende eine ungelesene Urkunde in dem Bewusstsein unterschreibt, eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben, ohne sich von deren Inhalt eine Vorstellung zu machen (OLG Hamm NJW 2001, 1142).
Andererseits ist in der Rechtsprechung aber anerkannt, dass derjenige, der ein Schriftstück ungelesen unterschrieben hatte, dann anfechten kann, wenn er sich von dessen Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat (BGH NJW 95, 190). Als eine Irrung in diesem Sinne ist nach herrschender Meinung auch der Fall anzusehen, wenn der Erklärende eine von ihm diktierte und dann von einem Dritten unrichtig geschriebene Urkunde in Unkenntnis des Fehlers ungelesen unterzeichnet (Flume, Allg. Teil des BGB, 2. Band, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, S. 454). Denn die S wird nach dem Willen des A gerade nicht als Vertreter, sondern als sein “Werkzeug” bei Vorbereitung seiner eigenen Erklärung tätig, so dass sie nicht Erklärende ist und es nicht auf ihren Irrtum ankommt gem. § 166 I BGB.
Hier hat der A das Angebot in seinem Diktat abgelehnt, die S aber versehentlich eine Annahme niedergeschrieben. Bei Unterzeichnung des ungelesenen Schriftstücks ist der A davon ausgegangen, dass er das Angebot ablehne. Er wusste also, dass er eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgab, aber nicht, was er damit sagte. Dies stellt einen beachtlichen Inhaltsirrtum dar.
Wäre dem A sein Fehler bewusst gewesen, hätte er die Erklärung nicht abgegeben, so dass sein Irrtum ursächlich war für die Abgabe der Willenserklärung. Auch war der Irrtum objektiv erheblich für die Abgabe der Willenserklärung.
Insofern steht ihm der Anfechtungsgrund des Inhaltsirrtums zu.

Anmerkung: Da der Fall, dass der Erklärende eine richtig diktierte und falsch geschriebene Urkunde im Irrtum über deren Inhalt ungelesen unterschreibt, einem Fehler in der Erklärungshandlung durch Verschreiben etc. ähnlich ist, könnte man auch von einem Erklärungsirrtum iSd. § 119 I 2. Alt. BGB ausgehen, vgl. Plate, Das gesamte examensrelevante Zivilrecht, 4. Aufl., 2008, 355. Nach anderer Ansicht liegt ein Inhaltsirrtum vor, vgl. Leipold, BGB I Einführung und AT, 3. Aufl., 2007, § 18 R. 15. Letztlich spielt das aber keine Rolle, da die Folgen für den Inhalts- und Erklärungsirrtum dieselben sind.

bb) Anfechtungserklärung, § 143 I BGB:
Der A hat ausdrücklich dem B gegenüber (§ 143 II BGB) die Anfechtung erklärt und auch seinen Irrtum dargelegt.
cc) Anfechtungsfrist, § 121 I BGB:
Noch im Telefonat mit dem B hat der A die Anfechtung erklärt, also unverzüglich und ohne schuldhaftes Zögern.
d) Folge:
Infolge der wirksamen Anfechtung ist der Kaufvertrag rückwirkend weggefallen, so dass B keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 200 € hat.
 
2) Der B könnte nunmehr aber einen Anspruch auf Schadensersatz haben, § 122 I BGB.
a) Der Kaufvertrag wurde wirksam von A angefochten, weshalb dieser dem B den Vertrauensschaden ersetzen muss, d.h., er muss die Nachteile ersetzen, die dem B dadurch entstanden sind, dass er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut hat (negatives Interesse).
Hier hätte der B das Gemälde an den Dritten zu 250 € verkaufen können, wenn er nichts von dem Vertrag mit A gehört hätte. Da das Gemälde einen tatsächlichen Marktwert von 180 € hat, liegt der Schaden des B bei 70 €. Die Nachteile durch das Nichtzustandekommen eines möglichen anderen Geschäfts sind in diesem Rahmen auch umfasst (BGH NJW 84, 1950).
Allerdings ist der Schadensersatz durch das Erfüllungsinteresse nach oben begrenzt (RG 170, 284), d.h., der A darf nicht schlechter stehen, als er bei Erfüllung des Vertrages stünde. Es muss also gefragt werden, wie der B stehen würde, wenn der Vertrag mit A wirksam erfüllt worden wäre. Bei Bestand des Vertrags mit A hätte der B einen Gewinn von 20 € gemacht (200 € Kaufpreis minus 180 € Marktwert). Dies stellt somit die Obergrenze des Schadens für B dar.
b) Folge:
Der B kann Schadensersatz in Höhe von 20 € verlangen.
 
3) Ein Schadensersatzanspruch auf das negative Interesse in Höhe von 70 € könnte sich aber aus culpa in contrahendo ergeben, §§ 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB.
a)  Anwendbarkeit:
Fraglich ist zunächst, ob ein Anspruch aus culpa in contrahendo überhaupt neben dem (oben bejahten) Schadensersatz aus § 122 I BGB anwendbar ist.
Man könnte der Auffassung sein, § 122 I BGB treffe eine abschliessende Regelung darüber, wie im Falle der erfolgreichen Anfechtung ein Schaden beim Anfechtungsgegner ausgeglichen werden soll.  Nach einer Mindermeinung sei § 122 I BGB zwar keine Sonderregelung zur cic, beziehe sich aber auf deren typische Anwendungsfälle, die nur bei Fehlen einer gesetzlichen Regelung über das Rechtsinstitut der cic gelöst werden könnten.  Der Gesetzgeber habe durch eine Wertentscheidung auch die Fälle des schuldhaften Handelns des Erklärenden von § 122 I BGB umfassen wollen, so dass es schon an einer Regelungslücke fehle, die für die Anwendbarkeit der cic erforderlich sei (Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999, S. 51).
Dagegen richtet sich aber die herrschende Meinung (Jauernig, BGB, 12. Aufl., 2007, § 122 Rn. 5; Palandt-Ellenberger, BGB, 70. Aufl., 2011, § 122 Rn. 6), der hier gefolgt werden soll.  Der Schadensersatz aus culpa in contrahendo schützt den Anspruchsinhaber vor Vermögensschäden, während das Anfechtungsrecht die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit gewährleisten soll.  Die verschiedenen Schutzgüter können somit schon nicht zu einer Exklusivität führen.  Desweiteren wird für einen Anspruch aus § 122 I BGB kein Verschulden vorausgesetzt, wohl aber für einen Anspruch aus cic, so dass die Voraussetzungen für letzteren strenger sind und damit auch eine entsprechende Haftung rechtfertigen.  Die Grundsätze der cic sind deshalb vorliegend anwendbar.
b) Schuldverhältnis:
Die Parteien haben hier Vertragsverhandlungen mit dem Ziel aufgenommen, einen Vertrag abzuschließen, so dass ein weit fortgeschrittener Kontakt vorliegt, der ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis darstellt, § 311 II Nr. 1 BGB.
c) Pflichtverletzung:
Eine Pflichtverletzung gem. § 241 II BGB kann darin gesehen werden, dass der A die Anfechtbarkeit des Vertrags verursacht hat, obwohl er gehalten war, die Unwirksamkeit zu verhindern.
d) Vertretenmüssen:
Im Rahmen des Vertretenmüssens kommt Vorsatz oder Fahrlässigkeit in Betracht, § 276 I 1 BGB.
Hier hat der A die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet, da er den Wortlaut seines Schreibens vor Absendung unschwer hätte überprüfen können, also handelte er fahrlässig, § 276 II BGB.
Im Übrigen wird ein Verschulden gem. § 280 I 2 BGB aufgrund der Pflichtverletzung vermutet.
e) Folge:
Der A ist im zum Schadensersatz verpflichtet und muss dem B den Vertrauensschaden ersetzen, § 249 I BGB. Der B muss also so gestellt werden, als hätte er von dem Vertrag mit A nichts gehört.  Dabei gilt die Besonderheit, dass der Umfang nicht durch das Erfüllungsinteresse nach oben begrenzt ist, wie das der Fall bei dem Schadensersatzanspruch nach § 122 I BGB wäre (BGH NJW-RR 90, 230).
Dann wird nach der Rechtsprechung konsequenterweise auch der entgangene Gewinn iSd. § 252 S. 1 BGB  vom Anspruch umfasst:  Hätte der Geschädigte ohne das schuldhafte Verhalten des Gegners einen Vertrag mit einem anderen geschlossen, gehört zum negativen Interesse auch der aus diesem Vertrag entgangene Gewinn (BGH NJW 88, 2236).
Im vorliegenden Fall hätte der B in dem Geschäft mit dem Dritten einen Gewinn von 70 € gemacht (250 € Kaufpreis minus 180 € Marktwert). Diesen Betrag muss der A nun ersetzen, § 252 S. 1 BGB.
 

13.01.2012/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2012-01-13 22:35:302012-01-13 22:35:30Anfechtung (Inhaltsirrtum), Unterschreiben einer ungelesenen Urkunde
Tom Stiebert

BAG zu Kündigung eines Minderjährigen

Arbeitsrecht, BGB AT, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Das Bundesarbeitsgerichts hat am 8.12. eine Pressemitteilung zu einem Urteil (6 AZR 354/10) veröffentlicht, das sich mit der Frage beschäftigte, welche Voraussetzung eine wirksame Kündigung eines Minderjährigen habe.
Der Sachverhalt stellte sich wie folgt dar:

„Der Ausbildungsvertrag enthielt eine dreimonatige Probezeit. Der Ausbildende erklärte mit Schreiben vom 31. Oktober 2008, dem letzten Tag der Probezeit, die Kündigung. Das Schreiben war gerichtet an den Kläger, gesetzlich vertreten durch die Eltern, und wurde durch Boten am selben Tag in den gemeinsamen Hausbriefkasten des Klägers und seiner an diesem Tag verreisten Eltern eingeworfen. Dort fand es der Kläger zwei Tage später und verständigte seine Mutter telefonisch von der Kündigung, die vom Kündigungsschreiben nach ihrer Rückkehr am 3. oder 4. November 2008 tatsächlich Kenntnis erhielt.“

Problematisch waren hier zwei Fragen, die beide nicht unmittelbar im Arbeitsrecht wurzeln, sondern den Allgemeinen Teil des BGB erfassen. Aus diesem Grund ist der Fall bereits im Grundstudium relevant.
1. Zugang der Kündigung bei Minderjährigen
Zunächst hatte das BAG zu klären, wann bei Minderjährigen eine Kündigung wirksam gemäß § 130 BGB zugehe. Da der Adressat der Kündigung hier noch Minderjährig war, ist der Zugang beim gesetzlichen Vertreter maßgeblich (§ 131 Abs. 2 S. 1 BGB).  Nach der bekannten Definition liegt Zugang dann vor, wenn die Willenserklärung in den Herrschaftsbereich des Adressaten gelangt ist und mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist. Dies erfolgte im konkreten Fall durch den Einwurf in den Hausbriefkasten der gesetzlichen Vertreter, sodass spätestens am Abend der Zugang vorliegt. Die Ortsabwesenheit der gesetzlichen Vertreter steht dem nicht entgegen. Zugang iSd. § 130 BGB bedeutet gerade nicht tatsächliche Kenntnisnahme, sondern nur eine entsprechende objektive Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit.
An dieser Stelle sei ergänzend nochmals auf ein weiteres Problem hingewiesen: Nach der Rechtsprechung des BAG liegt nämlich ein Zugang auch dann vor, wenn der Adressat im Urlaub war und das Schreiben in den Hausbriefkasten eingeworfen wurde. Dies gilt selbst dann, wenn der Absender Kenntnis vom Urlaub hatte. (BAG NZA 1988, 875) Ausnahmen sind nach § 242 BGB lediglich dann möglich, wenn der Absender bewusst den Zeitpunkt des Urlaubs gewählt hat, um die Präklusinsfrist des § 4 KSchG zu umgehen.
2. Kündigung durch Bevollmächtigten
Neben der Zugangsproblematik hatte sich das BAG auch mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Wirksamkeit der Kündigung dadurch gehindert ist, dass sie nciht vom Ausbildenden selbst, sondern von einem Vertreter erklärt wurde. Grundsätzlich ist zwar eine – hier unstrittige – Stellvertretung möglich, gemäß § 174 S. 1 BGB ist aber die Vorlage einer Vollmachtsurkunde zeitgleich mit dem Rechtsgeschäft (also gemeinsam mit der Kündigung) erforderlich. Dies ist hier nicht erfolgt. Die Unwirksamkeit tritt allerdings nur dann ein, wenn eine unverzügliche Zurückweisung der Erklärung erfolgt. Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 121 BGB. Die Vorinstanz legt dazu dar:

„Für die Frage, ob eine Zurückweisung im Sinne des § 174 S. 1 BGB unverzüglich erfolgt ist, gelten die zu § 121 BGB aufgestellten Grundsätze entsprechend. Die Zurückweisung muss daher nicht sofort erfolgen. Dem Erklärungsempfänger ist vielmehr eine gewisse Zeit zur Überlegung und zur Einholung des Rates eines Rechtskundigen darüber einzuräumen ob er das einseitige Rechtsgeschäft wegen fehlender Bevollmächtigung zurückweisen soll. Innerhalb welcher Zeitspanne der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft wegen der fehlenden Bevollmächtigung zurückweisen muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.“

Hier erfolgte die Zurückweisung nach einer Woche. Dies war nach Ansicht des BAG nicht mehr unverzüglich.
3. Verstoß gegen Treu und Glauben
Die Vorinstanz (LAG Baden Württemberg  – 13 Sa 68/09) hatte zudem auch einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verneint. Es ist weder ein vorheriges Gespräch mit den Eltern erforderlich, noch ergibt sich die Treuwidrigkeit daraus, dass die Kündigung am letztmöglichen Tag erfolgte – besteht eine Frist, kann diese auch ausgeschöpft werden.

„Die Kündigung erfolgte auch nicht nach Art, Inhalt oder Form in einer ehrverletzenden oder sonst wie zu beanstandenden Weise. Ebenso kann aus der Ausschöpfung der Probezeit bis zum letzten Tag nichts für die Beklagte Nachteiliges abgeleitet werden. Wenn das Arbeitsgericht meint, eine Kündigung am letzten Tag der Probezeit ohne vorheriges Gespräch mit den Eltern des damals minderjährigen Klägers verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, kann sich dem das Landesarbeitsgericht nicht anschließen.“

Fazit: Ein Fall mit einem klaren Ergebnis, bei dem Grundsätze der stellvertretung und vor allem des Zugangs gut wiederholt werden können. Gerade hiermit können Examensklausren sehr gut „angefettet“ werden.
 

16.12.2011/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2011-12-16 11:40:542011-12-16 11:40:54BAG zu Kündigung eines Minderjährigen

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