Das BVerfG hat sich mit Beschluss vom 19.11.2018 (1 BvR 2391/18, NVwZ 2019, 162) mit der Frage beschäftigt, ob eine per De-Mail eingereichte Verfassungsbeschwerde zulässig ist bzw. genauer gesagt, ob sie die Formerfordernisse des § 23 Abs. 1 S. 1 BVerfGG an einen ordnungsgemäßen Antrag erfüllt. Da diese Problematik leicht in Klausuren eingebaut werden kann, lohnt sich ein Blick auf die wesentlichen Erwägungen – zumal die 4. Kammer des Ersten Senats nahezu mustergültig die juristischen Auslegungsmethoden zur Klärung der Streitfrage heranzieht. Daher bietet es sich an, sich die Anforderungen an die Form eines Antrags nach § 23 Abs. 1 S. 1 BVerfGG am Beispiel der De-Mail genauer vor Augen zu führen.
Zum Hintergrund: „De-Mail-Dienste sind Dienste auf einer elektronischen Kommunikationsplattform, die einen sicheren, vertraulichen und nachweisbaren Geschäftsverkehr für jedermann im Internet sicherstellen sollen“, so die Legaldefinition des § 1 Abs. 1 De-Mail-G. Damit handelt es sich bei De-Mails um nichts weiter als gewöhnliche E-Mails, nur dass erstere sicherer, vertraulicher und besser nachweisbar sein sollen als letztere. Sichergestellt werden soll dies dadurch, dass eine De-Mail „eine sichere Anmeldung, die Nutzung eines Postfach- und Versanddienstes für sichere elektronische Post sowie die Nutzung eines Verzeichnisdienstes“ ermöglichen muss, zusätzlich „Identitätsbestätigungs- und Dokumentenablagedienste ermöglichen“ kann (§ 1 Abs. 2 S. 1 De-Mail-G) und ferner nur durch einen „akkreditierten Diensteanbieter“ angeboten werden darf (§ 1 Abs. 2 S. 2 De-Mail-G). Doch begründet das einen Unterschied zu dem bereits von der Rechtsprechung als unzulässig bewerteten Fall des Einreichens einer Verfassungsbeschwerde per E-Mail?
Den Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage bildet das Schriftformerfordernis des § 23 Abs. 1 S. 1 BVerfGG, wonach verfahrenseinleitende Anträge – und damit nicht nur Verfassungsbeschwerden – „schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen“ sind. Doch was heißt eigentlich schriftlich? Mangels nachfolgender Definition im BVerfGG bedarf der nicht ganz eindeutige Begriff, der vom Wortlaut her jedenfalls nach dem allgemeinen Sprachgebrauch lediglich einen „in geschriebener Form“ erhobenen Antrag meint (Duden, Stichwort „schriftlich“), der Auslegung. In Betracht kommt eine weite, quasi BVerfGG-autonome Auslegung, die den Grundsatz berücksichtigt, dass Grundrechtsschutz nicht von einer – durch den einfachen Gesetzgeber eingefügten – Förmelei abhängen darf, oder aber ein an anderen Gesetzen orientierter Schriftlichkeitsbegriff im Sinne der Einheit der Rechtsordnung. Für die zuletzt angedeutete Sichtweise kann ein systematischer Seitenblick auf die § 130a ZPO, § 55a VwGO, § 46c ArbGG, § 65a SGG, § 52a FGO geworfen werden, die allesamt eine De-Mail als sicheren Übermittlungsweg anerkennen, oder auch auf § 126 Abs. 3 i.V.m. § 126a BGB, wonach die schriftliche durch die elektronische Form ersetzt werden kann, soweit eine qualifizierte elektronische Signatur vorhanden ist. Das BVerfG jedoch liest aus den aufgezählten Normen heraus, dass der Gesetzgeber in bestimmten Bereichen De-Mail und Schriftlichkeit gleichgesetzt hat, während er das BVerfGG trotz Einführung des elektronischen Behördenpostfachs (§ 1 ERVV) bewusst unangetastet gelassen habe, woraus im Umkehrschluss folge, dass eine De-Mail dort gerade nicht zulässig sein solle (Rn. 4). Der Gesetzgeber müsse die Regelungen erst für das BVerfGG öffnen. Damit folgt das BVerfGG dem bislang herrschenden Schrifttum (s. nur BeckOK-BVerfGG/Scheffczyk, 7. Ed. 2019, § 23 Rn. 5 f.). Mithin wird man von einem BVerfGG-eigenen Schriftlichkeitsbegriff ausgehen können, der sich von anderen Gesetzen abgrenzt und die De-Mail nicht umfasst. Aber was heißt dann „schriftlich“ im Sinne des BVerfGG?
Schriftlichkeit meint, dass zwar keine eigenhändig unterschriebene Urkunde im Original vorliegen muss, aber doch, dass ein körperliches Schriftstück beim BVerfG eingeht (Rn. 2). Ein Fax genügt diesem weiten Schriftlichkeitsverständnis ausnahmsweise deshalb, weil es – so jedenfalls das BVerfG – anders als eine De-Mail zum sofortigen Ausdruck bestimmt ist. Das muss vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Regelung ausreichen, die sicherstellen will, dass die Identität des Antragsstellers verlässlich erkennbar ist (BeckOK-BVerfGG/Scheffczyk, 7. Ed. 2019, § 23 Rn. 5).
Ein anderes könnte sich indes daraus ergeben, dass das BVerfG auf seiner Internetpräsenz bewusst eine eigene E-Mail-Adresse angibt. Das jedoch kann insoweit nicht ausreichen, als dort deutlich gemacht wird, dass die betreffende E-Mail-Adresse allein für Verwaltungsangelegenheiten vorgesehen ist, nicht aber für das Einreichen verfahrenseinleitender Anträge (Rn. 4) – zumal ein Antragssteller, der eine Verfassungsbeschwerde über das E-Mail-Postfach erhebt, per automatisch generierter Antwort-E-Mail gerade darauf hingewiesen wird, dass das E-Mail-Postfach nur für Verwaltungsangelegenheiten offensteht (BeckOK-BVerfGG/Scheffczyk, 7. Ed. 2019, § 23 Rn. 6). Irrtümer seitens des Antragsstellers werden damit ausgeschlossen.
Man merke sich also: Eine per De-Mail erhobene Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Damit wird den typischen Fallgruppen im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 1 BVerfG (der zulässigen Erhebung per Telegramm, Fax oder Computerfax und der unzulässigen Erhebung per E-Mail oder Telefon) eine weitere hinzugefügt: die (unzulässige) De-Mail. Da sich ein solches Formproblem leicht in eine jede Verfassungsrechtsklausur einbauen lässt, dürfte die Entscheidung von nicht allzu geringer Bedeutung sein – sowohl für die Ausbildung, als auch für die Praxis.
Wer sich vertiefend mit den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Antrag nach den §§ 23 Abs. 1, 92 BVerfGG auseinandersetzen will, sei auf den Aufsatz von Gas, JA 2007, 375 verwiesen.
Folge juraexamen.info auf Facebook und Instagram:
Facebook: juraexamen.info
Instagram: @juraexamen.info
Schlagwortarchiv für: Zulässigkeit
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der zivilrechtlichen Klage
I. Echte Prozessvoraussetzungen
1. Deutsche Gerichtsbarkeit, §§ 18-29 GVG
2. Wirksame Klageeinreichung (= keine schweren Einreichungsmängel), insbesondere müssen die Parteien so genau bezeichnet sein, dass eine Klagezustellung möglich ist.
II. Sachurteilsvoraussetzungen
Prüfung von Amts wegen (§§ 56 I, 139 III ZPO).
1. Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung, § 253 ZPO
Der notwendige Inhalt der Klageschrift ergibt sich aus § 253 II ZPO.
2. Parteifähigkeit der Parteien, § 50 ZPO
– Formeller Parteibegriff: Der in der Klageschrift bezeichnete Kläger/Beklagte ist Partei.
– Parteifähigkeit knüpft an die Rechtsfähigkeit der Parteien an.
3. Prozessfähigkeit der Parteien, §§ 51, 52 ZPO
– Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, einen Prozess selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter wirksam führen zu können.
– Knüpft an die Geschäftsfähigkeit der Parteien an, u.U. ist auch nur eine partielle Geschäftsfähigkeit möglich, vgl. §§ 112, 113 BGB.
4. Prozessführungsbefugnis, § 51 I ZPO
– Befugnis, einen Prozess im eigenen Namen zu führen
oder
– Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen im Wege der Prozessstandschaft.
5. Zuständigkeit
a) Zivilrechtsweg, §§ 13, 17 GVG
Nicht zu prüfen, wenn eine Verweisung an das Zivilgericht gem. § 17a GVG vorliegt.
c) Örtlich, §§ 12ff. ZPO (beachte ggf. weitere Regelungen außerhalb der ZPO, z.B. § 61 III GmbHG).
– Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen des §§ 38, 40 ZPO möglich.
– Rügelose Einlassung möglich, sofern kein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist, §§ 39, 40 II ZPO. (Beachte: Beim Amtsgericht nur nach richterlichem Hinweis, § 504 ZPO).
– Bei sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit Verweisung an das zuständige Gerichte nur auf Antrag des Klägers, § 281 ZPO.
6. Streitgegenstandsbezogene Sachurteilsvoraussetzungen
a) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
(-), wenn Klageziel einfacher und preiswerter erreichbar.
b) Keine anderweitige Rechtshängigkeit, § 261 III Nr. 1 ZPO
c) Keine rechtskräftige Entscheidung über Streitgegenstand
d) Prozessuale Klagbarkeit des Anspruchs
(-) zB bei § 1297 BGB
e) Ggf. besondere Sachurteilsvoraussetzungen für die jeweilige Klageart
f) Ggf. Sonstige Besonderheiten (zB Klagerücknahme, § 269 ZPO oder Klageänderung, § 263 ZPO)
III. Prozesshindernisse
Berücksichtigung nur bei Rüge durch eine Partei, nicht von Amts wegen.
1. Einrede des Schiedsvertrages, § 1032 ZPO
2. Mangelnde Kostenerstattung bei vorheriger Klagerücknahme, § 269 VI ZPO
3. Kostengefährdung bei Nicht-EU Ausländern, §§ 110-113 ZPO
Folgen der Nichterfüllung einer Zulässigkeitsvoraussetzung
Folgen des Fehlens einer echten Prozessvoraussetzung:
- Keine Klagezustellung, keine Anberaumung eines mündlichen Termins.
- Erneute Klageerhebung unter Vermeidung des Mangels möglich.
(Es ergeht kein Sachurteil, daher besteht keine entgegenstehende Rechtskraft).
Folgen des Fehlen einer Sachurteilsvoraussetzung:
- Zunächst Entstehen eines Prozessrechtsverhältnisses.
- Sofern nur die Rechtswegzuständigkeit fehlt, Verweisung von Amts wegen an das zuständige Gericht, § 17a II GVG.
- i.Ü.: Abweisung der Klage durch Prozessurteil, d.h. keine Sachentscheidung, sofern die fehlende Voraussetzung nicht bis spätestens zur letzten mündlichen Verhandlung erfüllt ist.
- Erneute Klageerhebung unter Vermeidung der prozessualen Mängel möglich.
Folgen des Bestehens eines Prozesshindernisses:
- Abweisung der Klage als unzulässig, soweit keine Abhilfe geschaffen wird (Ausnahme: § 113 ZPO).
- Erneute Klageerhebung möglich.
Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.
Gestern wurde der sogenannte Fiskalpakt geschlossen (vgl. etwa FAZ v. 3.3.2012, S. 1 „Merkel: Fiskalpakt ein Meilenstein in der Geschichte der EU“), in dem sich die unterzeichnenden Staaten dazu verpflichten, Haushaltsdisziplin zu halten und nationale Schuldenbremsen einzuführen.
Dieses Wissen sollte man für die mündliche Prüfung in jedem Fall parat haben.
Außerdem stellt sich im Zusammenhang mit dem Fiskalpakt auch eine hochumstrittene Rechtsfrage: Da Großbritannien und Tschechien dem Vertrag nicht beigetreten sind, konnte der Vertrag nicht im Rahmen der EU-Verträge – als Änderung bzw. Ergänzung dieser – geschlossen werden. Die teilnehmenden Staaten haben vielmehr den Vertrag als „normalen“ völkerrechtlichen Vertrag geschlossen, der neben die EU-Verträge tritt. Die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Konstruktion ist hochproblematisch. Hierzu sei noch mal auf unseren Artikel zu der Frage hingewiesen – danach ist die Zulässigkeit im Ergebnis zu bejahen.
Da es sich um eine Frage handelt, die mit allgemeinen Kenntnissen im Völker/Europarecht gelöst werden kann, könnte sie durchaus in der mündlichen Prüfung drankommen.
- Soweit sich die Beschwerdeführer gegen die Anordnung und Durchführung der für den 27. November 2011 geplanten Volksabstimmung wenden und deren Unvereinbarkeit mit den einschlägigen Bestimmungen der Landesverfassung Baden-Württemberg, insbesondere mit Art. 60 LVerf BW, rügen, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil mit der Verfassungsbeschwerde nur die Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten des Grundgesetzes (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG), nicht aber eine Unvereinbarkeit mit Landesrecht geltend gemacht werden kann […]
- Soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus – unter anderem auf Grundrechte gestützte – Einwände gegen die zur Abstimmung gestellte Gesetzesvorlage erheben, ist die Verfassungsbeschwerde bereits deshalb unzulässig, weil das Gesetz noch nicht beschlossen, geschweige denn verkündet ist […]. Ob für besondere Ausnahmefälle die Möglichkeit anzuerkennen ist, eine Verfassungsbeschwerde schon früher zu erheben […], bedarf keiner Entscheidung, denn dass ein Ausnahmefall vorläge, in dem der wirksame Schutz von Grundrechten dies erforderte, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.