Wir freuen uns über einen weiteren Gastbeitrag von Max Randerath. Max studiert an der Goethe Universität Frankfurt am Main und hat sich die Mühe gemacht, den Zivilrecht-Klassiker „Jungbullenfall“ als Lösung aufzubereiten:
Der Jungbullenfall (VIII ZR 261/69) wurde vom BGH am 11.1.1971 entschieden. Er ist ein absoluter Klassiker und verbindet Problematiken des Sachenrechts mit dem Bereicherungsrecht.
Viele Studenten kennen zwar den „groben Fall“ und „freuen sich“, dem Geschädigten Eigentümer Ansprüche aus §§ 951 und 816 BGB zuzusprechen. Dass diese Ansprüche sorgfältig geprüft werden müssen und andere nicht vergessen werden dürfen, wie insbesondere Ansprüche aus Delikt und angemaßter Eigengeschäftsführung ist nicht zu unterschätzen. Auch dass dort insbesondere auf die Anwendbarkeit des Bereicherungsrecht und Deliktsrecht neben EBV und die Höhe des Wertersatzes eine zentrale Rolle spielen, ist nicht nur in diesem Fall wichtig, sondern im Allgemeinen zum Examensverständnis notwendig. Gelaufen ist der Fall – mit leichter Abwandlung (Ferkel statt Bullen) – gerade erst im September 2010 in NRW im 1. Staatsexamen und auch in der mündlichen Prüfung. Deswegen schadet es nicht den Fall in seiner gesamten Lösung einmal durchdacht zu haben.
Sachverhalt
Dieb D entwendet von Viehzüchter V einen Jungbullen (Wert 2.000 €). D verkauft das Tier an Metzgermeister M für 2.500 €, ohne dass M vom Diebstahl etwas weiß. Die 2.500 € verspielt der D im Casino. Er verarbeitet das Tier zu Fleisch im Wert von 3.300 €. V bekommt Wind von der Sache und will D und M in Anspruch nehmen. M lehnt Ansprüche unter anderem mit dem Argument ab, er habe ja schließlich schon 2.500 € bezahlt.
Aufgabe: Ansprüche des V gegen D und M
Lösung
Teil 1 : Ansprüche des Viehzüchters (V) gegen Metzgermeister (M)
A. Schadensersatz aus angemaßter Eigengeschäftsführung §§ 687 II 1, 678 (-)
Zwar ist die Schlachtung und Verarbeitung des Bullen für M ein objektiv fremdes Geschäft, eine angemaßte Eigengeschäftsführung scheidet jedoch aus, weil M keine positive Kenntnis von der Fremdheit hatte.
B. Schadensersatz aus EBV §§ 989, 990 BGB (-)
Im Zeitpunkt der Verletzungshandlung (Schlachtung und Verarbeitung) müsste eine Vindikationslage bestanden haben.
a) V ist im Zeitpunkt der Schlachtung noch Eigentümer gewesen, da der M nicht von D gutgläubig nach §§ 929 S.1, 932 BGB erwerben konnte, weil die Sache dem V abhanden gekommen ist § 935 BGB.
b) M war Besitzer
c) Dem M stand auch kein Recht zum Besitz zu.
d) Jedoch liegt keine Rechtshängigkeit nach §§ 989 BGB, 253, 261 ZPO vor und M war beim Besitzerwerb nicht bösgläubig, sodass ein Anspruch aus §§ 989,990 BGB ausscheidet.
C. Schadensersatzanspruch aus Delikt § 823 I BGB (-)
Fraglich ist, ob § 823 I BGB hier überhaupt anwendbar ist. Zweck der §§ 987 ff. BGB ist die Privilegierung des gutgläubigen unrechtmäßigen Besitzers. Die §§ 987ff. BGB sollen deswegen nach § 993 I 2.HS BGB grundsätzlich abschließend Schadensersatz- und Nutzungsersatzansprüche regeln. Die Anwendung des Deliktrechts ist deswegen grundsätzlich ausgeschlossen. Wäre dies nicht der Fall, würde sich der gutgläubige Besitzer bereits bei fahrlässiger Eigentumsverletzung nach § 823 I BGB strafbar machen können, was mit dem Zweck den gutgläubigen Besitzer zu schützen unvereinbar wäre.
D. Wertersatzanspruch aus §§ 951 I 1 i.V.m 812 I 1 Alt.2 BGB in Höhe von 2.000 € (+)
I. Anwendbarkeit
Eine Anwendbarkeit könnte auch hier wegen § 993 I 2.HS BGB ausgeschlossen sein. § 951 BGB jedoch ist kein Schadensersatz-, sondern Wertersatzanspruch. Bei dem Verbrauch der Sachsubstanz durch Schlachtung handelt es sich auch nicht um eine Nutzung im Sinne des § 100 BGB.
II. Voraussetzungen des § 951 I 1 BGB
Damit die Voraussetzungen des § 951 I 1 BGB erfüllt sind, muss es zu einem Rechtsverlust nach §§ 946-950 BGB gekommen sein. In Betracht kommt hier nach § 950 BGB die Verarbeitung.
a) Herstellung einer neuen beweglichen Sache: Bulle zu Fleisch
b) M als Hersteller: Nach Verkehrsauffassung ist dies der Unternehmer, auch wenn Verarbeitung durch Angestellte vorgenommen wurde
c) Wert der Verarbeitung darf nicht erheblich geringer sein als Wert des Stoffes
Hier: Wert der Verarbeitung = Wert neuer Sache 3.300 € – Wert Stoffe 2000 €, also 1.300 €, also 65% des Stoffwertes
Die Rechtsprechung zieht eine Grenze bei 60% des Stoffwertes, sodass hier die Voraussetzungen vorliegen
III. Voraussetzungen des § 812 I 1 Alt.2 BGB
Nach der herrschenden Meinung handelt es sich bei § 951 I 1 BGB um eine Rechtsgrundverweisung, sodass alle Voraussetzungen des § 812 I 1 Alt.2 BGB erfüllt sein müssen.
1. M müsste etwas erlangt haben: Eigentum und Besitz an Wurst
2. In sonstiger Weise erlangt
M müsste Eigentum und Besitz in sonstiger Weise, also nicht durch Leistung erlangt haben. Möglicherweise greift hier aber der Vorrang der Leistungskondiktion. Wer durch die Leistung eines anderen etwas erlangt, ist gegenüber Dritten nicht bereicherungsrechtlich verpflichtet. Es soll im jeweiligen Leistungsverhältnis rückabgewickelt werden, denn jeder soll nur mit dem zu tun haben, den er sich als Partner schuldrechtlich aussucht.
M hat hier zwar den Besitz durch Leistung des D erlangt. Das Eigentum jedoch konnte er wegen § 935 BGB nicht von D, sondern erst selber durch Verarbeitung § 950 BGB erlangen.
Bereicherungsgegenstand der Eingriffskondiktion (Eigentum) und der Leistung (Besitz) sind also verschieden. Der Vorrang der Leistungskondiktion gilt aber nur, wenn derselbe Bereicherungsgegenstand auch geleistet wurde. Die Eingriffskondiktion ist also möglich.
M hat demnach in sonstiger Weise erlangt.
3. Auf Kosten des V: Eingriff in Zuweisungsgehalt des V (Eigentum)
4. Ohne Rechtsgrund: Der Kaufvertrag mit D wirkt nur inter partes (Relativität der Schuldverhältnisse)
IV. Rechtsfolge § 818
Nach § 818 II BGB ist der objektive Wert zu ersetzen (2.000 Euro).
Fraglich ist, ob sich M nach § 818 III BGB auf Entreicherung wegen Kaufpreiszahlung an D berufen kann. Dies wird jedoch verneint, da § 951 I 1 BGB Rechtsfortwirkungsanspruch von § 985 BGB ist. Nach diesem könnte die abhanden gekommene Sache herausverlangt werden, der Kaufpreis würde jedoch unberücksichtigt bleiben. Das Gleiche muss bei § 951 I 1 BGB gelten.
Dass der Kaufpreis von M bezahlt wurde, bleibt hier zwar unbeachtlich. M kann jedoch von D den Kaufpreis nach §§ 346 I, 326 I, 326 IV, 437 Nr.2 BGB aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit durch mangelnde Eigentumsverschaffung zurückverlangen. Er hat also nicht „umsonst“ bezahlt.
Teil 2 : Ansprüche des V gegen D
Prüfungsreihenfolge: Geprüft werden hier zunächst die Ansprüche auf Veräußerungserlös vor den Schadensersatzansprüchen. Grund dafür ist, dass der Veräußerungserlös in der Höhe 2.500 € beträgt, da D den Bullen „über dem objektiven Wert“ verkauft. Die Schadensersatzansprüche erfassen lediglich den objektiven Wert (s.u) von 2.000 €. Eine andere Reihenfolge ist aber auch möglich.
A. Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungserlös wegen angemaßter Eigengeschäftsführung §§ 687 II 1, 681 S.2, 667 BGB in Höhe von 2.500 € (+)
1. Anwendbarkeit: Es geht hier um Veräußerungserlös und nicht um Schadens- oder Nutzungsersatz, sodass eine Anwendungssperre wegen § 993 I HS.2 nicht vorliegt.
2. Objektiv fremdes Geschäft des D : Veräußerung an M
3. Kenntnis von Fremdheit : D wusste, dass er zu der Veräußerung nicht berechtigt war
4. RF : Herausgabe des Veräußerungserlös §§ 681 S.2, 667: 2.500 €
B. Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungserlös § 816 (+) 2.500
1. Anwendbarkeit : Auch hier greift die Anwendungssperre des § 993 I Hs.2 BGB nicht, da § 816 BGB nicht auf Schadens- oder Nutzungsersatz, sondern auf Veräußerungserlös gerichtet ist
2. Verfügung des D als Nichtberechtigter
3. Verfügung muss wirksam gegenüber Berechtigten V sein
Die Verfügung des D müsste gegenüber dem V wirksam gewesen sein. Wegen § 935 BGB kam es hier jedoch zu keiner wirksame Übereignung.
Möglicherweise liegt hier aber eine Genehmigung des V nach § 185 II 1 Alt.1, 184 BGB vor. Im Herausgabeverlangen kann eine solche gesehen werden.
Dies könnte aber zum Verlust anderer Ansprüche des V gegen M führen, sodass er auf die Solvenz des D angewiesen ist.
Durch die Genehmigung würde D zum Berechtigten und M würde vom Berechtigten D Eigentum erlangt und nicht erst durch Verarbeitung. Ein Anspruch aus § 951 BGB würde entfallen.
Außerdem könnte eine Genehmigung gar nicht möglich sein, da V bereits Eigentum durch die Verarbeitung des M verloren hat.
Nach herrschender Meinung überlebt die Genehmigungsmöglichkeit jedoch das Eigentum, da es Sinn und Zweck des § 816 I BGB ist, das auch der früher Berechtigte Erlös verlangen kann.
Dadurch würde jedoch die Verfügung D an M wirksam werden und der Anspruch aus § 951 BGB würde wegfallen, da M bereits zuvor Eigentum erlangt hat.
Deswegen sollte V nur Zug-um Zug gegen Bezahlung genehmigen, da er sonst das Risiko trägt, dass D nicht solvent ist. Zahlt er nicht, kann er immer noch vom solventen M Ersatz nach § 951 I BGB verlangen.
4. Umfang der Bereicherung § 818
Fraglich ist, was unter dem „Erlangten“ zu verstehen ist. Entweder versteht man darunter die 2.500 €, also den Kaufpreis oder man versteht darunter das Freiwerden von der Leistungsverpflichtung, also den objektiven Wert der Sache, also 2.000 €. Dafür wird argumentiert, dass der Mehrerlös nicht auf Eingriff in das Eigentumsrecht des V, sondern auf Geschäftstüchtigkeit des D beruht.
Überzeugender ist jedoch die andere Ansicht, die auf den Kaufpreis abstellt. Grund dafür ist, dass das Gesetz selbst auf den Vertrag und damit auf den Kaufpreis abstellt. Außerdem führt erst der Eingriff in das Eigentum des V zu der Gewinnerzielungsmöglichkeit des D. Das Gesetz sollte keine falschen Anreize setzten, indem es hier den deliktischen Besitzer belohnen würde, indem D die erwirtschafteten 500 € behalten darf.
5. Keine Entreicherung § 818 III
Auf Entreicherung kann sich der D als bösgläubiger Besitzer schon wegen der verschärften Haftung nach §§ 819 I, 818 IV BGB nicht berufen.
C. Schadensersatz aus angemaßter Eigengeschäftsführung §§ 687 II 1, 678 BGB in Höhe von 2.000 €
1. Angemaßte Eigengeschäftsführung des D § 687 II 1 BGB
a) Objektive Fremdes Geschäft des D : Veräußerung des Bullen
b) D wusste von Fremdheit da fehlende Berechtigung
2. Voraussetzungen § 687 BGB
a) Übernahme der Geschäftsführung widerspricht den Willen des Geschäftsherrn
b) Übernahmeverschulden des D: D müsste den entgegenstehenden Willen des V erkannt haben oder erkennen müssen §§ 122 II, 276 I,II BGB. Maßstab ist dabei das objektives Interesse. D wusste das V nicht mit der Veräußerung einverstanden war.
c) Schaden des V: 2.000 €
3. Rechtsfolge : § 249 I BGB Naturalrestitution
Unter der Naturalrestitution versteht man die Beschaffung gleichartiger oder gleichwertiger Sachen. Eine Ersetzungsbefugnis nach § 249 II (Geldersatz)BGB besteht nicht, da diese nur bei Beschädigung einer Sache, nicht bei völliger Zerstörung einschlägig ist.
Schadensersatz in Geld kann aber nach § 250 BGB verlangt werden. Der Umfang richtet sich nach dem Widererschaffungswert (2000 €)
D. Schadensersatz aus EBV §§ 989,990 (+) in Höhe von 2.000 € (+)
1. Vindikationslage zur Zeit der Verletzung = Veräußerung D an M
a) Eigentümer V + Besitzer D
b) D hatte kein Recht zum Besitz
2. Voraussetzungen §§ 989, 990
a) Bösgläubigkeit bezüglich Besitzrecht des D
b) Verschulden §§ 989, 276 I : vorsätzliche Weggabe an M
c) Schaden : 2.000 €
E. Schadensersatz des früheren Besitzers §§ 1007 I, III 2, 989, 990 BGB
Voraussetzungen § 1007 I BGB
a) Vor der Veräußerung des Bullen D an M war V rechtmäßiger Besitzer
b) D ist gegenwärtiger Besitzer und bei Besitzerwerb war er bösgläubig
c) Schuldner : Nur gegenwärtige Besitzer > Nicht mehr D
d) Aber : Ersatzpflicht gegen alten Besitzer §§ 1007 III 2, 987ff. > Jedoch erfasst dieser nicht das Eigentümerinteresse, sondern nur das Besitzerinteresse wie etwa das Nutzungsinteresse: Keine Angaben im Sachverhalt
F. Schadensersatzanspruch aus Delikt §§ 992, 823 I + §§ 992, 823 II i.V.m § 242 StGB + §§ 992, 823 II i.V.m § 858 + 826 BGB in Höhe von 2.000 €
§ 992 BGB erklärt ausdrücklich das Deliktrecht für anwendbar, sofern der Besitzer ein deliktischer Besitzer ist. Das ist der Fall, wenn D den Besitz durch verbotene Eigenmacht oder eine Straftat erlangt hat. Die Voraussetzungen des § 858 I BGB und des § 242 StGB (Diebstahl) sind erfüllt. Außerdem ist § 858 I BGB Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB. Die Voraussetzungen der Delikttatbestände sind alle gegeben.
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Nach langer Zeit mal wieder ein Rechtsprechungsklassiker. Der Fräsmaschinenfall ist ein Klassiker des Zivilrechts aus dem Jahre 1968. Jeder Jurastudent, der die Sachenrechtvorlesung schon hinter sich gebracht hat, hat von ihm schon einmal gehört. Ging es in dem Fall nicht um den Nebensitz? Ja, unter anderem. Doch der Fräsmaschinenfall behandelt neben der Frage, ob es die Konstruktion des Nebenbesitzes gibt, noch einige andere examensrelevante sachenrechtliche Probleme:
– Was versteht man eigentlich unter Übereignung i.S.d. § 929 S. 1 BGB und was i.S.d. § 933 BGB?
– Verschiedene Formen des gutgläubigen Erwerbs: § 929 S. 1 BGB mit Eigentumsvorbehalt § 158 Abs. 1 BGB / §§ 929 S. 1, 930, (933) BGB / §§ 929 S. 1, 931, (934) BGB
– Verschiedene Formen des Besitzes: Eigenbesitz VS Fremdbesitz, unmittelbarer VS mittelbarer Besitz
Im Folgenden soll eine Lösung des Fräsmaschinenfalls mit Schwerpunkt auf die examensrelevanten Probleme herausgearbeitet werden. Es empfiehlt sich, zur besseren Nachvollziehung der Lösung beim Lesen des Sachverhalts eine Skizze anzufertigen, da hier vier Personen / Parteien im Spiel sind.
Sachverhalt
V verkauft K eine Fräsmaschine unter Eigentumsvorbehalt und übergibt diese K. Dieser zahlt den Kaufpreis nicht. Stattdessen übereignet er die Fräsmaschine zur Sicherung einer Darlehensforderung an die C-Bank, ohne die Berechtigung des V offen zu legen. K bleibt der Abrede gemäß die ganze Zeit im Besitz der Sache. Die C-Bank übereignet die Fräsmaschine unter Abtretung des Herausgabeanspruchs an D. Wie ist die Eigentumslage?
Lösung
1. Ursprünglich war die Fräsmaschine im Eigentum des V.
2. Übereignung V an K, §§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB (-)
Übereignung scheitert bereits an der ersten Voraussetzung der dinglichen Einigung.
Die dingliche Einigung stand unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung durch K an V. Hier ist die Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB nicht eingetreten.
3. Übereignung K an die C-Bank, §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB, i. Erg. (-)
a. Dingliche Einigung (+)
b. Übergabe (-), da kein vollständiger Besitzverlust bei K
c. Übergabesurrogat des § 930 BGB anstelle der Übergabe?
– Sicherungsabrede als „sonstiges Verhältnis“ i.S.d. § 930 BGB
– Sicherungsabrede = Besitzmittlungsverhältnis (BMV)
d. Berechtigung des K (-)
e. Aber gutgläubiger Erwerb der C-Bank gem. §§ 929 S.1, 930, 933 BGB?
– C-Bank war gutgläubig. Laut SV hatte K die Berechtigung des V nicht offen gelegt.
– Jedoch Übergabe (-)
Die Übergabe i.S.d. § 933 BGB entspricht der Übergabe im § 929 BGB, so dass hier zwar ein mittelbarer Besitzerwerb der C-Bank genügt, jedoch auch ein vollständiger Besitzverlust des K erforderlich ist. Da K jedoch weiterhin unmittelbarer Besitz der Fräsmaschine blieb, hat er seinen Besitz nicht vollständig aufgegeben.
4. Übereignung C-Bank an D, §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB, i. Erg. (+)
a. (P) Berechtigung der C-Bank (-)
Ein Eigentumserwerb gem. §§ 929 S. 1, 931 BGB von der C-Bank als Berechtigtem scheidet aus, da die C-Bank nicht Eigentümer der Fräsmaschine war.
b. Jedoch gutgläubiger Erwerb des D gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB
– Gutgläubigkeit des D (+)
– Voraussetzung des § 934 Alt. 1 BGB: „mittelbarer Besitzer“
(P 1) Ist die C-Bank überhaupt mittelbarer Besitzer?
– BMV zwischen K und C-Bank (+) s.o., aber Übereignung (-) s.o.
=> Ist daher BMV nutzlos?
=> Schlägt die Unwirksamkeit der Übereignung über § 139 BGB auch auf den schuldrechtlichen Sicherungsvertrag durch?
i. Erg. (-). Argumente: Abstraktionsprinzip, zudem hat die C-Bank immerhin ein Anwartschaftsrecht erworben.
Ein Anwartschaftsrecht besteht, wenn von einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass der Veräußerer den Erwerb des Vollrechts nicht mehr einseitig verhindern kann. (BGHZ 49, 202). -> hier (+)
=> somit C-Bank mittelbarer Besitzer
(P 2) Nebenbesitz
§ 934 BGB spricht von „mittelbarer Besitzer“, zu lesen ist dies jedoch als „mittelbarer Alleinbesitzer“
Scheitert die Anwendung des § 934 Alt. 1. BGB nicht daran, dass C nicht mittelbaren Alleinbesitz, sondern lediglich mittelbaren Nebenbesitz hatte?
Verständnisfrage: Warum stellt sich hier die Frage des Nebenbesitzes überhaupt? Wer ist hier Nebenbesitzer?
a. Ursprünglich bestand wegen des vereinbarten Eigentumsvorbehalts zwischen V und K ein BMV: Bis zum Eintritt der Bedingung ist im Verhältnis V – K der V als Vorbehaltskäufer mittelbarer Eigenbesitzer der Fräsmaschine, K unmittelbarer Fremdbesitzer.
b. Daneben könnte D durch die Abtretung der C-Bank von ihrem mittelbaren Besitz an der Fräsmaschine gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 BGB mittelbarer Nebenbesitzer geworden sein.
d.h. Nebenbesitzer 1: V, Nebenbesitzer 2: D
Dies wäre jedoch nur dann möglich, wenn man die Konstruktion des Nebenbesitzes bejaht.
e.A.: Nebenbesitz möglich
– Besitzposition des V gehe nicht automatisch bei Begründung eines neuen BMV verloren. Vielmehr sei es denkbar, dass K sowohl vorliegend die C-Bank als Sicherungsnehmer als anerkennt als auch die Weisungen des Vorbehaltsverkäufers befolge.
h.M. lehnt die Konstruktion des Nebenbesitzes ab
Argumente:
– Rechtssystematik: BGB spreche nur von „dem Besitz“, niemals vom „Nebenbesitz“
– Aufteilung der Besitzposition sei nur in den vom Gesetz abschließend geregelten und vorgesehenen Fällen anzuerkennen, nämlich § 866 BGB und § 871 BGB
– Zudem könne K als Besitzmittler nicht gleichzeitig den Willen haben, die Sache an mehrere Personen herauszugeben. Inhalt beider BMVe sei ja gerade, dass die Sache im Sicherungsfall (bei V bei Rücktritt vom Vertrag, § 449 Abs. 2 BGB; bei der C-Bank, wenn die Darlehensraten nicht ordnungsgemäß beglichen wurden, bzw. das Darlehen fällig gestellt wurde) herauszugeben ist.
Der Meinungsstreit müsste hier jedoch nicht entschieden werden, wenn auch schon nach der ersten Auffassung hier Nebenbesitz nicht vorliegt. Der mittelbare Besitz endet (außer in den Fällen des Wegfalls des unmittelbaren Besitzes und dem Erlöschen des Herausgabeanspruchs) durch eine objektiv erkennbare Änderung des Besitzmittlungswillens. Eine solche ist dann gegeben, wenn der unmittelbare Besitzer ein neues, mit dem ersten unverträgliches BMV mit einem anderen Oberbesitzer (hier der C-Bank) eingeht. Dadurch wird objektiv erkennbar, dass er sich vom bisherigen Oberbesitzer V lösen will und nur noch für den neuen Oberbesitzer K den Besitz vermitteln will. Somit war auch nach der ersten Auffassung mit Abschluss des Sicherungsvertrags kein Nebenbesitz bei V verblieben. (andere Ansicht vertretbar, dann ist der Streit zu entscheiden)
=> Mithin ist die C-Bank, wie für § 934 Alt. 1 BGB erforderlich, mittelbarer Alleinbesitzer der Fräsmaschine
=> C-Bank konnte daher D wirksam seinen Anspruch aus dem BMV mit K gemäß §§ 931, 870, 934 1. Alt. BGB abtreten.
=> D hat von C gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 1. Alt, 932 Abs. 2 BGB gutgläubig Eigentum erworben.
Aber Wertungswiderspruch: Warum ist der Erwerb des D wirksam, der der C-Bank jedoch unwirksam? Enthält gutgläubiger Erwerb nach § 934 1. Alt. BGB einen Widerspruch gegenüber dem gutgläubigen Erwerb nach § 933 BGB?
Der gutgläubige Erwerb nach § 933 BGB setzt voraus, dass der nichtberechtigte Veräußerer dem Erwerber den unmittelbaren Besitz an der verkauften Sache verschafft (Traditionsprinzip). Nach § 933 BGB wird der gutgläubige Erwerber nicht geschützt, wenn ihm der unmittelbare Besitzer nur den mittelbaren Besitz einräumt.
Ist der Veräußerer dagegen mittelbarer Besitzer, so erlangt der Erwerber gem. § 934 1. Alt. mit Abtretung des Herausgabeanspruchs gutgläubig Eigentum.
Dieses Ergebnis erscheint widersprüchlich, da der D als zweiter Sicherungsnehmer, der gem. § 934 1. Alt. BGB gutgläubig Eigentum erworben hat, der Vorbehaltssache ferner stand als die C-Bank als erster Sicherungsnehmer, die gem. § 933 kein Eigentum erwerben konnte.
Dies ist jedoch so hinzunehmen, da der Gesetzgeber den §§ 933, 934 BGB bewusst das Prinzip zugrunde gelegt hat, dass die Neubegründung mittelbaren Besitzes zum gutgläubigen Erwerb nicht ausreichen soll, wohl aber seine Übertragung. Das Gesetz geht dabei von der Gleichstellung des mittelbaren mit dem unmittelbaren Besitz aus, und lässt es für den gutgläubigen Erwerb genügen, wenn sich der Veräußerer seines Besitzes vollständig entledigt. Diese Voraussetzung ist bei §§ 931, 934 1. Alt. BGB durch die Abtretung des Anspruchs aus dem BMV erfüllt, mangels Übergabe aber nicht bei §§ 930, 933 BGB.
Daher i. Erg. kein Wertungswiderspruch. § 934 1. Alt. BGB ist mithin gesetzestreu anzuwenden.
Ergebnis: D hat gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 1. Alt, 932 Abs. 2 BGB gutgläubig Eigentum an der Fräsmaschine erworben.
Nach langer Zeit bringen wir mit dem Flugreisefall (BGH-Urteil vom 7. Januar 1971 – VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128 = NJW 1971, 609) mal wieder ein BGH-Klassiker aus dem Zivilrecht.
Sachverhalt:
Der Beklagte flog wenige Tage vor Vollendung seines 18. Lebensjahres nach Erwerb eines entsprechenden Flugscheins mit einer Linienmaschine der Klägerin von München nach Hamburg. Dort gelang es ihm, mit den Transitpassagieren das Flugzeug wieder zu besteigen und an dem Weiterflug nach New York teilzunehmen, ohne dass er im Besitz eines Flugscheins für diese Strecke gewesen wäre. In New York wurde ihm die Einreise in die USA verweigert, weil er kein Visum hatte. Die Klägerin beförderte ihn daraufhin noch am selben Tag zurück nach München. Sie verlangt von ihm unter anderem die Zahlung des tariflichen Flugpreises für die Strecke Hamburg/New York.
Lösung:
1. Vertragliche Ansprüche aus Werkvertrag gemäß §§ 631, 632 II BGB bzw. gemischttypischen Vertrag bestehen nicht, da schon überhaupt kein Vertragsverhältnis zustande gekommen ist. Auch ein konkludenter Vertragsschluss oder ein faktischer Vertrag kommen nicht in Frage, da die Fluggesellschaft von vornherein nur Personen mit Flugschein befördern will, und nicht jeden, der das Flugzeug mit besteigt. Außerdem ist M minderjährig, so dass ohne Genehmigung der Eltern auch von daher kein Vertragsschluss zustande kommt.
2. Ansprüche aus c.i.c. gemäß §§ 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB scheiden ebenfalls aus, da es zum einen an einem vorvertraglichen Schuldverhältnis i.S.d. § 311 II Nr. 1 BGB fehlt und des Weiteren der Minderjährigenschutz vorgeht.
3. Deliktische Ansprüche (§ 823 I BGB, § 823 II BGB i.V.m. § 265a StGB) kommen mangels Schaden nicht in Betracht, weil die Maschine nicht ausgebucht war und der Lufthansa damit kein Schaden entstanden war.
4. Begründet ist jedoch ein Anspruch in Form der Nichtleistungskondiktion nach § 812 I 1 Alt. 2 BGB, sogenannte Eingriffskondiktion.
Fraglich ist jedoch, ob sich der Beklagte, der sich keine Aufwendungen erspart hatte, gem. § 818 III auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann. Das kann er nicht, wenn er bösgläubig war (§§ 819 I, 818 IV BGB). Zu entscheiden war dabei die Frage, ob und unter welchen Umständen die Kenntnis des Minderjährigen selbst ausreichend ist. Der BGH stellt hier zumindest für die Fälle, in welchen sich der Minderjährige das Erlangte durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung verschafft, wegen der Nähe der Eingriffskondiktion zum Deliktsrecht auf die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen nach § 828 Abs. 3 BGB ab.
Im Folgenden die amtlichen Leitsätze der BGH-Entscheidung:
a) Wer ohne Rechtsgrund eine geldwerte Leistung in Anspruch nimmt (hier: eine Flugreise), die er sich anderweitig nicht verschafft hätte und durch die auch sonst sein Vermögen nicht vermehrt worden ist, muss sich gleichwohl so behandeln lassen, als hätte er die dafür übliche bzw. angemessene Vergütung erspart, wenn er den Mangel des rechtlichen Grundes beim Empfang der Leistung kannte.
b) Handelt es sich um einen kurz vor der Vollendung seines 18. Lebensjahres stehenden Minderjährigen, so kommt es auf dessen Kenntnis (und nicht die seines gesetzlichen Vertreters) jedenfalls dann an, wenn er sich in den Genuß der Leistung durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung gebracht hat und die erforderliche Einsicht in die Erkenntnis hatte, zur unentgeltlichen Inanspruchnahme der Leistung nicht berechtigt zu sein.
Dies ist allerdings mit dem Gedanken des Minderjährigenschutzes nur schwer vereinbar, weshalb die wohl h.L. die §§ 104 ff analog anwendet. Eine andere Ansicht unterscheidet zwischen der (rechtsgeschäftsähnlichen) Leistungskondiktion, wo sie analog §§ 104 ff. analog auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abstellt, und der deliktsähnlichen Eingriffskondiktion, wo sie die §§ 827, 828 analog anwendet.
Examensrelevanz:
Schwerpunkt dieses Zivilrecht Klassikers ist die Problematik des Wegfalls der Bereicherung nach § 818 III und des Ausschlusses der Berufung auf § 818 III im Falle der Bösgläubigkeit nach §§ 818 III, IV, 819 I bei Minderjährigen.
Der Flugreisefall gehört zum absoluten Standardrepetoire bei der Examensvorbereitung. Er eignet sich, um das komplette zivilrechtliche Prüfungsschema einmal abzufragen und die systematischen Zusammenhänge zwischen den einzelnen zivilrechtlichen Rechtsgebieten zu überprüfen.
Am 18. November 1916 verkaufte der Beklagte dem Kläger rund 214 Fass Haakjöringsköd per Dampfer Jessica, abgeladen zu 4,30 M per Kilo. Der Kläger zahlte dem Beklagten den berechneten Kaufpreis. Beide gingen davon aus, dass es sich bei Haakjöringsköd (eigentlich håkjerringkjøtt) um Walfleisch handele. Haakjöringsköd ist jedoch Haifischfleisch (Håkjerring norwegisch Grönlandhai, köd Fleisch), welches dann auch tatsächlich in den Fässern des Schiffes war. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg unterlag Haifischfleisch – im Gegensatz zu Walfleisch – allerdings starken Einfuhrbeschränkungen. Dies hatte zur Folge, dass die Ladung beim Eintreffen im Hamburger Hafen von der staatlichen Zentral-Einkaufsgesellschaft beschlagnahmt wurde. Dem Käufer wurde für das Fleisch ein erheblich niedrigerer Übernahmepreis als der Kaufpreis gezahlt und er klagte daher auf Zahlung von 47.515,90 Mark. Das LG Hamburg hielt den Klageanspruch für gerechtfertigt. Die Berufung des Beklagten zum OLG Hamburg und Revision des Beklagten zum Reichsgericht hatten keinen Erfolg. Das Reichsgericht hat festgestellt, dass zwischen dem Käufer und dem Verkäufer ein Vertrag über Walfleisch zustandgekommen ist, auch wenn beide beim Vertragsschluss den Ausdruck Haakjöringsköd verwendet haben: eine Falschbezeichnung schadet nicht, solange sich die Parteien einig sind.