Liebe Leser,
vorliegend finden Sie eine kleine Auswahl an Strafrechtsentscheidungen des Reichsgerichts und des BGH. Was allen Entscheidungen gemein ist: Sie haben (juristisch) Geschichte geschrieben, sei es, auf Grund eines besonders skurrilen Sachverhaltes, gesellschaftlicher oder politischer Brisanz, auf Grund rechtlicher Problematik, neuer Figuren oder Auslegungsvorgaben oder schlicht auf Grund ihrer „Unvertretbarkeit“.
Die Entscheidungen gehören zum Pflichtstoff des (angehenden) Juristen, wenngleich wohl kein Examensklausurersteller den „Hochsitzfall“ explizit geschildert haben möchte. Dies wäre aber in den Abschlussklausuren der Anfangssemester durchaus denkbar und natrürlich im Rahmen der mündlichen Prüfung.
Die Darstellung folgt dem Muster einer solchen Prüfung oder Klausur. Eine kurze Zusammenfassung des Sachverhalts, die keinen Anspruch auf detailreiche Vollständigkeit beansprucht, eine knappe und prägnante Formulierung der rechtlichen Kernproblematik und schließlich die Lösung des BGH, die auch den Wortlaut der Entscheidungsgründe wiedergibt. Diese Darstellung erscheint uns sinnvoll, da kaum ein Prüfer sie nach den Leitsätzen des BGH fragen wird. Vielmehr gilt es, den Sachverhalt kurz, aber mit allen tatsächlich relevanten Aspekten zu schildern, dann „den Finger in die Wunde zu legen“ und schlussendlich mit Hilfe, aber auch kritischer Auseinandersetzung der BGH Rechtssprechung, eine Lösung zu entwickeln.
Ihr Team von Juraexamen.info
Schlagwortarchiv für: Strafrecht Classics
„[…]Was Frau T. nicht ahnte und wollte, erstrebte der Angeklagte: Der – von beiden als sicher erwartete – Stromstoß sollte dem Leben der Getäuschten ein Ende setzen…[…]“
Sachverhalt: Der Angeklage lernte das spätere Opfer in einer Discothek kennen. Die junge Frau wird als „unselbstständig und komplexbeladen“ bezeichnet, was im Laufe des Geschehens durchaus an Bedeutung gewinnt. Im Folgenden entwickelte sich zwischen den beiden eine enge emotionale Beziehung, innerhalb derer es dem Angeklagten gelang, das völlige Vertrauen der jungen Frau zu gewinnen und ihr im Rahmen philosophischer und psychologischer Diskussionen vorzuspiegeln, er sei ein Bewohner des Sternes Sirius. Der Angeklagte beschloss im Folgenden, sich auf Kosten seiner „Schülerin“ zu bereichern, indem er unter anderem Geld für eine angeblich erforderliche „Heilbehandlung zur geistigen Fortentwicklung“ und für ein späteres Leben am Genfer See als Künstlerin in einem neuen Körper, entgegennahm. Zum Höhepunkt dieses skurilen Geschehens kam es am 1. Januar 1980: Der Angeklagte trug der Zeugin, im Bewusstsein seiner stark beeinflussenden Wirkung auf selbige, auf, sich in der Badewanne, mit Hilfe eines Haartrockerns, das „Leben zu nehmen“. Ziel war die Auszahlung der Summe einer Lebensversicherung, die die Zeugin im Vorfeld abgeschlossen hatte. Die Zeugen handlte im vollkommen Vertrauen auf die Angaben des Angeklagten, sie werde sofort in einem neuen Körper am „Genfer See in einem roten Raum“ erwachen. Eine Selbsttötung, die sie persönlich auch ablehnte, hatte sie dabei allerdings nie vor Augen. Aus technischen Gründen scheiterte der angebliche Selbstmord der Zeugin.
Kernfragen: Es stellt dich die Frage, ob der Angeklagte für das Verhalten des Opfers strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen ist. Dies vor allem im Hinblick auf die Tatsache, dass dieser das Opfer in einen Irrtum über den möglicheweise tödlichen Ausgang ihres Handelns versetzt hat. Wie ist die (straflose) Teilnahme an einer Selbsttötung von einer strafbaren Tötung in mittelbarer Täterschaft abzugrenzen, insbesondere in dem Fall, in dem der „Täter“ das Opfer lediglich in einen Irrtum versetzt?
BGH: Der BGH nimmt Stellung zur Abgrenzung von (strafloser) Teilnahme (vorliegen käme eine Anstiftung in Betracht) an einer Selbsttötung und eines (strafbaren) Mordes/Totschlages in mittelbarer Täterschaft, insbesondere für den Fall, in dem das Opfer (lediglich) durch eine Täuschung zu der Selbsttötung bewogen wird, wie dies vorliegen der Fall war. Letzlich könne hier keine allgemeingültige Abgrenzung vorgenommen werden, da eine Beurteilung immer nur an Hand des Einzelfalls zu treffen sei.
Die Frage der Abgrenzung »strafbarer Tötungstäterschaft von strafloser Selbsttötungsteilnahme[…]kann in Fällen, in denen derjenige, der unter dem Einfluß[…]eines anderen Hand an sich legt[…]durch Täuschung zur Vornahme der Tötungshandlung bewogen wird, nicht abstrakt beantwortet werden.
Indikatoren seien dabei die Art unf Weite des Irrtums und das sich daraus ergebende überlegende Wissen des „Hintermannes“.
Verschleiert er dem sich selbst ans Leben Gehenden die Tatsache, dass dieser eine Ursache für den eigenen Tod setzt, ist derjenige, der den Irrtum hervorgerufen[…] bewusst und gewollt ausgelöst hat, Täter eines[…]Tötungsdelikts kraft überlegenen Wissens, durch das er den Irrenden lenkt, zum Werkzeug gegen sich selbst macht.
Der BGH wendet die entwickelten Kriterien auf den Fall an und sieht sie als erfüllt an. Der Angeklagte habe dem Opfer gerade suggeriert, dass ihre irdische Existenz, wenn auch unter anderen Voraussetzungen weiter bestehen würde. Auch können die verwunderliche Leichtgläubigkeit des Opfers den Angeklagte nicht entlasten.
[…] spiegelte der Angeklagte seinem Opfer nicht vor, es werde durch das Tor des Todes in eine transzendente Existenz eingehen, sondern versetzte es in den Irrtum, es werde – obgleich es scheinbar als Leichnam in der Wanne liege – zunächst als Mensch seinen irdischen Lebensweg fortsetzen, wenn auch körperlich und geistig so gewandelt[…]Was Frau T. nicht ahnte und wollte, erstrebte der Angeklagte: Der – von beiden als sicher erwartete – Stromstoß sollte dem Leben der Getäuschten ein Ende setzen und dem Angeklagten die Versicherungssumme verschaffen, von der sein Opfer annahm, sie sei die wirtschaftliche Grundlage des neuen Lebensabschnitts. Der Angeklagte, der auch das eigentliche Tatgeschehen durch stundenlang erteilte Anweisungen maßgeblich steuerte, beging infolgedessen ein Verbrechen der versuchten mittelbaren Fremdtötung. Diese rechtliche Feststellung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Frau T. völlig unglaubhaften Suggestionen erlag, obwohl sie keine psychischen Störungen aufwies. […]Das Erstaunliche dieses Vorgangs entlastet ihn nicht.
Auch führt der BGH aus, dass ein Irrtum des Opfers dahingehend, dass der eigene Tod als „Zwischenstufe“ für ein neues, zukünftiges Dasein erforderlich sei, zu keinem anderen Ergebnis führen kann.
Auch wenn Frau T. angenommen hätte, daß dem »Erwachen« […] ihr Tod vorausgehen müsse, dass sie in ein Leben nach dem Tode eintreten werde, das sie nicht in Fortsetzung ihrer […]Individualität, sondern als ein anderes (höheres) Wesen zu führen habe, bestünde die Verurteilung des Angeklagten zu Recht. Auch im Falle eines so beschaffenen Irrtums ginge es nicht darum, ob der Angeklagte das Opfer nur über den »konkreten Handlungssinn« getäuscht oder einen »bloßen Motivirrtum« hervorgerufen habe und ob ein solcher Irrtum ausreicht, um seine Tatherrschaft zu begründen Der Täuschung über den »konkreten Handlungssinn« wäre die Vorspiegelung immanent, dass der Tod nichts anderes als der Beginn neuen Lebens sei. Der darauf beruhende Irrtum hätte das Gewicht des Irrtums über den Nichteintritt des Todes.[…]
Das Mordmerkmal der Habgier sieht der BGH als erfüllt an.
Fazit: Ein Fall, der insbesondere auf Grund seines skurillen Sachverhalts berühmt ist. Zu den rechtlichen Problemen nimmt der BGH im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung Stellung. Eine Abgrenzung in der Klausur hat also unter Verwendung aller Sachverhaltsangaben und einer Abwägung an Hand der entwickelten Kriterien und Gewichtungen des BGH zu erfolgen.
In diesem skurrilen Klassiker entschied der BGH, dass eine mittelbare Täterschaft auch dann in Frage kommen kann, wenn der Tatmittler als „menschliches Werkzeug“ volldeliktisch handelt, sich also auch strafbar gemacht hat. Konkret ging es darum, dass der Hintermann einen vermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) beim Tatmittler hervorgerufen und für seine Zwecke ausgenutzt hatte.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach den Feststellungen lebten die drei Angeklagten in einem von „Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben“ geprägten „neurotischen Beziehungsgeflecht“ zusammen. Der Angeklagten H. gelang es zusammen mit P., dem leicht beeinflußbaren Angeklagten R. zunächst die Bedrohung ihrer Person durch Zuhälter und Gangster mit Erfolg vorzugaukeln und ihn in eine Beschützerrolle zu drängen. Später brachten beide ihn durch schauspielerische Tricks, Vorspiegeln hypnotischer und hellseherischer Fähigkeiten und die Vornahme mystischer Kulthandlungen dazu, an die Existenz des „Katzenkönigs“, der seit Jahrtausenden das Böse verkörpere und die Welt bedrohe, zu glauben; R. – in seiner Kritikfähigkeit eingeschränkt, aber auch aus Liebe zu H. darum bemüht, ihr zu glauben – wähnte sich schließlich auserkoren, gemeinsam mit den beiden anderen den Kampf gegen den „Katzenkönig“ aufzunehmen. Auf Geheiß mußte er Mutproben bestehen, sich katholisch taufen lassen, ,H. ewige Treue schwören; so wurde er von ihr und P. zunächst als Werkzeug für den eigenen Spaß benutzt. Als die Angeklagte H. Mitte des Jahres 1986 von der Heirat ihres früheren Freundes erfuhr, entschloß sie sich aus Haß und Eifersucht, dessen Frau O. von R. – unter Ausnutzung seines Aberglaubens – töten zu lassen. In stillschweigendem Einverständnis mit P., der – wie sie wußte – seinen Nebenbuhler loswerden wollte, spiegelte die H. dem R. vor, wegen der vielen von ihm begangenen Fehler verlange der „Katzenkönig“ ein Menschenopfer in der Gestalt der O; falls er die Tat nicht binnen einer kurzen Frist vollende, müsse er sie verlassen, und die Menschheit oder Millionen von Menschen würden vom „Katzenkönig“ vernichtet. R., der erkannte, daß das Mord sei, suchte auch unter Berufung auf das fünfte Gebot vergeblich nach einem Ausweg. H. und P. wiesen stets darauf hin, daß das Tötungsverbot für sie nicht gelte, „da es ein göttlicher Auftrag sei und sie die Menschheit zu retten hätten“. Nachdem er H. „unter Berufung auf Jesus“ hatte schwören müssen, einen Menschen zu töten, und sie ihn darauf hingewiesen hatte, daß bei Bruch des Schwurs seine „unsterbliche Seele auf Ewigkeit verflucht“ sei, war er schließlich zur Tat entschlossen. Ihn plagten Gewissensbisse, er wog jedoch die „Gefahr für Millionen Menschen ab“, die er „durch das Opfern von O.“ retten könne. Am späten Abend des 30. Juli 1986 suchte R. die O in ihrem Blumenladen unter dem Vorwand auf, Rosen kaufen zu wollen. Entsprechend dem ihm von P. – im Einverständnis mit H. – gegebenen Rat stach R. mit einem ihm zu diesem Zweck von P. überlassenen Fahrtenmesser hinterrücks der ahnungs- und wehrlosen O. in den Hals, das Gesicht und den Körper, um sie zu töten. Als dritte Personen der sich nun verzweifelt wehrenden Frau zu Hilfe eilten, ließ R. von weiterer Tatausführung ab, um entsprechend seinem „Auftrag“ unerkannt fliehen zu können; dabei rechnete er mit dem Tod seines Opfers, der jedoch ausblieb.
Lösung des BGH:
Zur Strafbarkeit des R: Diese hatten alle Instanzen bejaht. Zwar war R wohl wirklich nicht gerade der hellste Mensch auf Erden, jedoch war er noch schuldfähig; § 20 StGB schied also aus. § 21 StGB wurde zwar bejaht, dadurch wird aber die Strafbarkeit dem Grunde nach nicht berührt. Zwar lag ein (indirekter) Verbotsirrtum vor (R glaubte sich „gerechtfertigt“, da er das Menschenopfer zur Rettung der Menschheit vor dem Zorn des Katzenkönigs für notwenig hielt; er zog damit die Grenzen des § 34 StGB zu weit), jedoch war dieser Irrtum relativ eindeutig vermeidbar:
„Daß der Angeklagte diesen Interessenkonflikt fehlerhaft abgewogen hat, führt als Bewertungsirrtum auch nicht zum Vorsatzausschluß, sondern zu einem – nach den Feststellungen vermeidbaren – Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 34 Rn. 51; Dreher/Tröndle a.a.O. § 34 Rn. 18). Danach hätte er als Polizeibeamter unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten und auch seiner Wahnideen bei gebührender Gewissensanspannung und der ihm zumutbaren Befragung einer Vertrauensperson, zum Beispiel eines Geistlichen, die rechtliche Unzulässigkeit einer quantitativen Abschätzung menschlichen Lebens als des absoluten Höchstwertes erkennen können.“
Somit war R strafbar wegen versuchten Heimtückemordes, §§ 212 I, 211, 22, 23 I StGB. Ein Rücktritt lag nicht vor, denn der Versuch war fehlgeschlagen und R ergriff die Flucht.
Problematisch war die Strafbarkeit von H. und P.:
„Zu Recht hat das Landgericht auch den Angeklagten P. als Täter verurteilt. Dieser hat gemeinschaftlich mit der Angeklagten H., die den Schuldspruch nicht angegriffen hat, die Tat „durch einen anderen“ im Sinne des § 25 Abs. 1 StGB begangen. Sie handelten aus niedrigen Beweggründen. Beide sind nicht etwa deswegen nur Anstifter, weil auch der Mitangeklagte R. als Täter einzustufen war.[…] Der Bundesgerichtshof hat zwar in BGHSt 2, 169 [170]; 30, 363 [364] ausgeführt, daß der mittelbare Täter die Tat durch einen anderen ausführe, der nicht selbst Täter sei. Diese Definition, die für den Regelfall der mittelbaren Täterschaft zutrifft, ist in den genannten Entscheidungen aber nicht tragend. Im vorliegenden Fall kommt es auf die Beantwortung der Frage an, weil den Angeklagten H. und P. – jedenfalls nach Überzeugung des Landgerichts – die für eine Verurteilung wegen Anstiftung zum versuchten Mord erforderliche Kenntnis des tatbezogenen Merkmals der Heimtücke nicht nachzuweisen war. […] Daß mit Hilfe des Verantwortungsprinzips allein nicht stets eine scharfe Grenzziehung möglich ist, wird von Vertretern dieser Lehre selbst eingeräumt, indem sie für die Fälle des durch einen Machtapparat organisierten Verbrechens ohne Rücksicht auf die volle rechtliche Verantwortbarkeit des Handelnden eine „Täterschaft hinter dem Täter“ anerkennen. Ein wertender Vergleich der Fälle des unvermeidbaren Verbotsirrtums – hier ist unbestritten mittelbare Täterschaft möglich – mit denen des vermeidbaren Verbotsirrtums zeigt, daß allein die Vermeidbarkeit des Irrtums kein taugliches Abgrenzungskriterium ist. Auch dem in einem solchen Irrtum handelnden Täter fehlt zur Tatzeit die Unrechtseinsicht. Daß er Kenntnisse hätte haben können, die er im konkreten Fall nicht hatte, braucht an der Tatherrschaft des die Erlaubtheit vorspiegelnden Hintermannes nichts zu ändern; ebensowenig wird dadurch notwendigerweise dem Vordermann die Eigenschaft eines Werkzeuges genommen. In Fällen des vermeidbaren Verbotsirrtums des Vordermannes als dem unmittelbar Handelnden ist deshalb bei der Prüfung, ob der Hintermann mittelbarer Täter ist, auf das Kriterium der vom Täterwillen getragenen objektiven Tatherrschaft abzustellen. Ob sie vor liegt, richtet sich nicht nach starren Regeln, sondern kann nur je nach der konkreten Fallgestaltung im Einzelfall wertend ermittelt werden. Eine solche Abgrenzung entspricht den Grundsätzen, die auch für die Beurteilung zwischen unmittelbarer Täterschaft und Teilnahme maßgeblich sind. Die Abgrenzung hängt im Einzelfall von Art und Tragweite des Irrtums und der Intensität der Einwirkung des Hintermannes ab. Mittelbarer Täter eines Tötungs- oder versuchten Tötungsdelikts ist jedenfalls derjenige, der mit Hilfe des von ihm bewußt hervorgerufenen Irrtums das Geschehen gewollt auslöst und steuert, so daß der Irrende bei wertender Betrachtung als ein – wenn auch (noch) schuldhaft handelndes – Werkzeug anzusehen ist. So liegt es nach den Feststellungen hier. Einerseits haben die Angeklagten H. und P. beim Angeklagten R. die Wahnideen hervorgerufen und diese später bewußt ausgenutzt, um seine rechtlichen Bedenken wie seine Gewissensbisse auszuschalten und ihn zu veranlassen, die von ihnen beabsichtigte Tat ihren Plänen und Vorstellungen entsprechend auszuführen. Auf diese psychologische Weise steuerten sie die Tatplanung. Darüber hinaus bestimmten sie wesentliche Teile der Tatausführung.“
Damit bejahte der BGH für beide „Hintermänner“ eine Strafbarkeit wegen versuchten Mordes.
Kritik: Nach einer in der Literatur verbreiteten Lösung muss im Katzenkönig-Fall eine mittelbare Täterschaft ausscheiden, denn diese sei generell nicht denkbar, wenn der Tatmittler strafrechtlich voll verantwortlich ist für seine Tat (sog. Lehre vom Verantwortungsprinzip). Diese Ansicht lehnt konsequenterweise auch andere Fallgruppen der mittelbaren Täterschaft ab, bei denen der Tatmittler keinen „Defekt“ aufweist, insbesondere also die auf Roxin zurückgehende Fallgruppe der mittelbaren Täterschaft kraft organisierter Machtapparate (z.B. DDR-Mauerschützen-Fälle). In Betracht kommt nach dieser Ansicht dann „nur“ eine Anstiftung. Mit dieser schon vor dem Katzenkönig-Fall bestehenden Ansicht hatte sich der BGH auseinandergesetzt (s. o.) und sie meines Erachtens mit überzeugenden Argumenten abgelehnt.
„…Der Angeklagte hatte, indem er den Hochsitz umwarf, um seinen Onkel zu verletzen, eine Handlung begangen, die für das Opfer das Risiko eines tödlichen Ausgangs in sich barg…“
Sachverhalt: Der Angeklagte warf einen Hochsitz um, auf dem sich zu dieser Zeit das spätere Opfer, sein Onkel befand. Dieser zog sich nach dem Sturz aus ca. 3,50m Höhe (lediglich) einen Knöchelverletzung zu. Diese wurde im nahe gelegenen Krankenhaus nach den Regeln der Kunst behandelt. Versäumt wurde allerdings, den Patienten bei und nach der Entlassung mit blutverflüssigenden Mitteln zu versorgen und bezgl. der Nachsorge zu Hause, zu informieren. Kurze Zeit später wurde der Verletzte wiederum, allerdings diesmal auf Grund erheblicher Herz-Kreislaufbeschwerden, ins Krankenhaus eingeliefert, wo er noch am gleichen Tag verstarb. Die Obduktion des Opfers ergab als Todesursache eine Lungenembolie, sowie eine Lungenentzündung, deren beider Ursprung in der langen Bettlägerigkeit des Opfers zu sehen ist. Darüber hinaus wurden altersbedingte Schwächen am Herz-Kreislaufsystem des Opfers diagnostiziert.
Kernfragen: Erforderlichkeit eines Unmittelbarkeitszusammenhangs iRv. § 227 StGB und Reichweite eines solchen? Dies insbesondere im Hinblick auf eine größere zeitliche Karenz und das fahrlässige Hinzutreten eines Dritten.
BGH: Der Wortlaut des § 227 StGB verlangt insoweit, dass der Todeserfolg „durch“ die Körperverletzung verursacht wurde, bezgl. der Tatfolge gilt § 18 StGB. Ein bloßer Kausalitätsnachweis iSd. „condicio sine qua non“ Formal, kann hierfür aber noch nicht ausreichen.
Vielmehr ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 227 StGB, dass hier eine engere Beziehung zwischen der Körperverletzung und dem tödlichen Erfolg verlangt wird. Die Vorschrift soll der mit der Körperverletzung verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden Todesfolge entgegenwirken. Sie gilt deshalb nur für solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muss sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben.
Der BGH stellt im Folgenden iRd. Unmittelbarkeitszusammenhangs ua. auf die Köperverletzungshandlung ab.
Als »Körperverletzung« stellt sich nicht nur die jeweils eingetretene Verletzungsfolge dar; vielmehr umfasst dieser Begriff auch das Handeln des Täters, das zu der Körperverletzungsfolge geführt hat. Demgemäß reicht es für den Tatbestand des § 227 StGB bereits aus, dass der Körperverletzungshandlung das Risiko eines tödlichen Ausgangs anhaftet und sich dann dieses dem Handeln des Täters eigentümliche Risiko im Eintritt des Todes verwirklicht.
Auch ein Geschehensablauf, der länger andauert und bei dem mehrere Ereignisse kausal hinzutreten, ist nicht von vorneherein in diesem Rahmen ausgeschlossen.
Liegt der tatsächliche Geschehensablauf, der Körperverletzung und Todesfolge miteinander verknüpft, nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit – wie es etwa bei der außergewöhnlichen Verkettung unglücklicher Zufälle der Fall wäre –, dann kann sich im Tod des Opfers jene Gefahr verwirklicht haben, die bereits der Körperverletzungshandlung anhaftete; dies gilt auch dann, wenn diese Gefahr in der zunächst eingetretenen Verletzungsfolge als solcher noch nicht zum Ausdruck gekommen war.
Diese Kriterien wendet der BGH auf den vorliegenden Fall an und sieht den Tatbestand des § 227 StGB als erfüllt an.
So verhält es sich hier. Der Angeklagte hatte, indem er den Hochsitz umwarf, um seinen Onkel zu verletzen, eine Handlung begangen, die für das Opfer das Risiko eines tödlichen Ausgangs in sich barg. Die Gefahr für das Leben des Verletzten hat sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen. Daran ändert es nichts, dass die zunächst verursachte Verletzung (Knöchelbruch) für sich genommen nicht lebensbedrohlich erschien. Der Tod des Verletzten ist auf Grund eines Geschehensablaufs eingetreten, der nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit lag. Dass eine Sprunggelenkfraktur zu einem längeren Krankenlager des Verletzten führt, stellt sich nicht als ein außergewöhnlicher Verlauf dar. Es widerspricht auch nicht jeder Erfahrung, dass ein längeres, Verletzungsbedingtes Krankenlager die Entwicklung lebensgefährlicher Embolien und Lungenentzündungen begünstigt. Dass die Gefahren einer solchen Entwicklung verkannt werden, wirksame Gegenmaßnahmen unterbleiben und deshalb der Tod des Verletzten eintritt, ist nicht in einem solchen Maße unwahrscheinlich, dass hierdurch der Zusammenhang unterbrochen würde, der – im Sinne des § 227 StGB – den Tod des Opfers mit der dafür ursächlichen Körperverletzung verbindet.
Auch die Vorhersehbarkeit wird vom BGH bejaht, insbesondere auch im Hinblick auf die bereits erwähnte Tatsache, dass sich vorliegender Geschehensablauf als nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung darstellt. Relevant sei außerdem hier der Zeitpunkt des Umwerfens.
Die neu erkennende Schwurgerichtskammer wird die Frage der Vorhersehbarkeit des tödlichen Ausgangs für denjenigen Zeitpunkt zu beantworten haben, in dem der Angeklagte den Hochsitz umwarf, um seinen Onkel zu verletzen. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis veranlasst, dass sich die Vorhersehbarkeit nicht auf alle Einzelheiten des daran anschließenden, zum Tod des Verletzten führenden Geschehensablaufs zu erstrecken braucht. Ein nicht völlig außerhalb jeder Lebenserfahrung liegender Geschehensablauf wird regelmäßig auch vorhersehbar sein, so dass der Fahrlässigkeitsvorwurf nur dann entfällt, wenn der Angeklagte nach seinem individuell-persönlichen Wissens- und Erfahrungsstand nicht in der Lage gewesen ist, sich den Tod des Opfers als mögliche Folge der von ihm begangenen Körperverletzung vorzustellen.
Fazit: Der Hochsitz Fall ist so berühmt, wie umstritten, insbesondere im Hinblick auf den „großzügigen“ Umgang des BGH mit dem zu fordernden Unmittelbarkeitszusammenhang. Es gilt, sich kritisch mit der Entscheidung auseinanderzusetzen, auch im Hinblick auf die weiteren „Klassiker“ in diesem Umfeld, ua. den „Rötzel Fall“ oder die „Hetzjagd von Guben“.