In diesem skurrilen Klassiker entschied der BGH, dass eine mittelbare Täterschaft auch dann in Frage kommen kann, wenn der Tatmittler als „menschliches Werkzeug“ volldeliktisch handelt, sich also auch strafbar gemacht hat. Konkret ging es darum, dass der Hintermann einen vermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) beim Tatmittler hervorgerufen und für seine Zwecke ausgenutzt hatte.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach den Feststellungen lebten die drei Angeklagten in einem von „Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben“ geprägten „neurotischen Beziehungsgeflecht“ zusammen. Der Angeklagten H. gelang es zusammen mit P., dem leicht beeinflußbaren Angeklagten R. zunächst die Bedrohung ihrer Person durch Zuhälter und Gangster mit Erfolg vorzugaukeln und ihn in eine Beschützerrolle zu drängen. Später brachten beide ihn durch schauspielerische Tricks, Vorspiegeln hypnotischer und hellseherischer Fähigkeiten und die Vornahme mystischer Kulthandlungen dazu, an die Existenz des „Katzenkönigs“, der seit Jahrtausenden das Böse verkörpere und die Welt bedrohe, zu glauben; R. – in seiner Kritikfähigkeit eingeschränkt, aber auch aus Liebe zu H. darum bemüht, ihr zu glauben – wähnte sich schließlich auserkoren, gemeinsam mit den beiden anderen den Kampf gegen den „Katzenkönig“ aufzunehmen. Auf Geheiß mußte er Mutproben bestehen, sich katholisch taufen lassen, ,H. ewige Treue schwören; so wurde er von ihr und P. zunächst als Werkzeug für den eigenen Spaß benutzt. Als die Angeklagte H. Mitte des Jahres 1986 von der Heirat ihres früheren Freundes erfuhr, entschloß sie sich aus Haß und Eifersucht, dessen Frau O. von R. – unter Ausnutzung seines Aberglaubens – töten zu lassen. In stillschweigendem Einverständnis mit P., der – wie sie wußte – seinen Nebenbuhler loswerden wollte, spiegelte die H. dem R. vor, wegen der vielen von ihm begangenen Fehler verlange der „Katzenkönig“ ein Menschenopfer in der Gestalt der O; falls er die Tat nicht binnen einer kurzen Frist vollende, müsse er sie verlassen, und die Menschheit oder Millionen von Menschen würden vom „Katzenkönig“ vernichtet. R., der erkannte, daß das Mord sei, suchte auch unter Berufung auf das fünfte Gebot vergeblich nach einem Ausweg. H. und P. wiesen stets darauf hin, daß das Tötungsverbot für sie nicht gelte, „da es ein göttlicher Auftrag sei und sie die Menschheit zu retten hätten“. Nachdem er H. „unter Berufung auf Jesus“ hatte schwören müssen, einen Menschen zu töten, und sie ihn darauf hingewiesen hatte, daß bei Bruch des Schwurs seine „unsterbliche Seele auf Ewigkeit verflucht“ sei, war er schließlich zur Tat entschlossen. Ihn plagten Gewissensbisse, er wog jedoch die „Gefahr für Millionen Menschen ab“, die er „durch das Opfern von O.“ retten könne. Am späten Abend des 30. Juli 1986 suchte R. die O in ihrem Blumenladen unter dem Vorwand auf, Rosen kaufen zu wollen. Entsprechend dem ihm von P. – im Einverständnis mit H. – gegebenen Rat stach R. mit einem ihm zu diesem Zweck von P. überlassenen Fahrtenmesser hinterrücks der ahnungs- und wehrlosen O. in den Hals, das Gesicht und den Körper, um sie zu töten. Als dritte Personen der sich nun verzweifelt wehrenden Frau zu Hilfe eilten, ließ R. von weiterer Tatausführung ab, um entsprechend seinem „Auftrag“ unerkannt fliehen zu können; dabei rechnete er mit dem Tod seines Opfers, der jedoch ausblieb.
Lösung des BGH:
Zur Strafbarkeit des R: Diese hatten alle Instanzen bejaht. Zwar war R wohl wirklich nicht gerade der hellste Mensch auf Erden, jedoch war er noch schuldfähig; § 20 StGB schied also aus. § 21 StGB wurde zwar bejaht, dadurch wird aber die Strafbarkeit dem Grunde nach nicht berührt. Zwar lag ein (indirekter) Verbotsirrtum vor (R glaubte sich „gerechtfertigt“, da er das Menschenopfer zur Rettung der Menschheit vor dem Zorn des Katzenkönigs für notwenig hielt; er zog damit die Grenzen des § 34 StGB zu weit), jedoch war dieser Irrtum relativ eindeutig vermeidbar:
„Daß der Angeklagte diesen Interessenkonflikt fehlerhaft abgewogen hat, führt als Bewertungsirrtum auch nicht zum Vorsatzausschluß, sondern zu einem – nach den Feststellungen vermeidbaren – Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 34 Rn. 51; Dreher/Tröndle a.a.O. § 34 Rn. 18). Danach hätte er als Polizeibeamter unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten und auch seiner Wahnideen bei gebührender Gewissensanspannung und der ihm zumutbaren Befragung einer Vertrauensperson, zum Beispiel eines Geistlichen, die rechtliche Unzulässigkeit einer quantitativen Abschätzung menschlichen Lebens als des absoluten Höchstwertes erkennen können.“
Somit war R strafbar wegen versuchten Heimtückemordes, §§ 212 I, 211, 22, 23 I StGB. Ein Rücktritt lag nicht vor, denn der Versuch war fehlgeschlagen und R ergriff die Flucht.
Problematisch war die Strafbarkeit von H. und P.:
„Zu Recht hat das Landgericht auch den Angeklagten P. als Täter verurteilt. Dieser hat gemeinschaftlich mit der Angeklagten H., die den Schuldspruch nicht angegriffen hat, die Tat „durch einen anderen“ im Sinne des § 25 Abs. 1 StGB begangen. Sie handelten aus niedrigen Beweggründen. Beide sind nicht etwa deswegen nur Anstifter, weil auch der Mitangeklagte R. als Täter einzustufen war.[…] Der Bundesgerichtshof hat zwar in BGHSt 2, 169 [170]; 30, 363 [364] ausgeführt, daß der mittelbare Täter die Tat durch einen anderen ausführe, der nicht selbst Täter sei. Diese Definition, die für den Regelfall der mittelbaren Täterschaft zutrifft, ist in den genannten Entscheidungen aber nicht tragend. Im vorliegenden Fall kommt es auf die Beantwortung der Frage an, weil den Angeklagten H. und P. – jedenfalls nach Überzeugung des Landgerichts – die für eine Verurteilung wegen Anstiftung zum versuchten Mord erforderliche Kenntnis des tatbezogenen Merkmals der Heimtücke nicht nachzuweisen war. […] Daß mit Hilfe des Verantwortungsprinzips allein nicht stets eine scharfe Grenzziehung möglich ist, wird von Vertretern dieser Lehre selbst eingeräumt, indem sie für die Fälle des durch einen Machtapparat organisierten Verbrechens ohne Rücksicht auf die volle rechtliche Verantwortbarkeit des Handelnden eine „Täterschaft hinter dem Täter“ anerkennen. Ein wertender Vergleich der Fälle des unvermeidbaren Verbotsirrtums – hier ist unbestritten mittelbare Täterschaft möglich – mit denen des vermeidbaren Verbotsirrtums zeigt, daß allein die Vermeidbarkeit des Irrtums kein taugliches Abgrenzungskriterium ist. Auch dem in einem solchen Irrtum handelnden Täter fehlt zur Tatzeit die Unrechtseinsicht. Daß er Kenntnisse hätte haben können, die er im konkreten Fall nicht hatte, braucht an der Tatherrschaft des die Erlaubtheit vorspiegelnden Hintermannes nichts zu ändern; ebensowenig wird dadurch notwendigerweise dem Vordermann die Eigenschaft eines Werkzeuges genommen. In Fällen des vermeidbaren Verbotsirrtums des Vordermannes als dem unmittelbar Handelnden ist deshalb bei der Prüfung, ob der Hintermann mittelbarer Täter ist, auf das Kriterium der vom Täterwillen getragenen objektiven Tatherrschaft abzustellen. Ob sie vor liegt, richtet sich nicht nach starren Regeln, sondern kann nur je nach der konkreten Fallgestaltung im Einzelfall wertend ermittelt werden. Eine solche Abgrenzung entspricht den Grundsätzen, die auch für die Beurteilung zwischen unmittelbarer Täterschaft und Teilnahme maßgeblich sind. Die Abgrenzung hängt im Einzelfall von Art und Tragweite des Irrtums und der Intensität der Einwirkung des Hintermannes ab. Mittelbarer Täter eines Tötungs- oder versuchten Tötungsdelikts ist jedenfalls derjenige, der mit Hilfe des von ihm bewußt hervorgerufenen Irrtums das Geschehen gewollt auslöst und steuert, so daß der Irrende bei wertender Betrachtung als ein – wenn auch (noch) schuldhaft handelndes – Werkzeug anzusehen ist. So liegt es nach den Feststellungen hier. Einerseits haben die Angeklagten H. und P. beim Angeklagten R. die Wahnideen hervorgerufen und diese später bewußt ausgenutzt, um seine rechtlichen Bedenken wie seine Gewissensbisse auszuschalten und ihn zu veranlassen, die von ihnen beabsichtigte Tat ihren Plänen und Vorstellungen entsprechend auszuführen. Auf diese psychologische Weise steuerten sie die Tatplanung. Darüber hinaus bestimmten sie wesentliche Teile der Tatausführung.“
Damit bejahte der BGH für beide „Hintermänner“ eine Strafbarkeit wegen versuchten Mordes.
Kritik: Nach einer in der Literatur verbreiteten Lösung muss im Katzenkönig-Fall eine mittelbare Täterschaft ausscheiden, denn diese sei generell nicht denkbar, wenn der Tatmittler strafrechtlich voll verantwortlich ist für seine Tat (sog. Lehre vom Verantwortungsprinzip). Diese Ansicht lehnt konsequenterweise auch andere Fallgruppen der mittelbaren Täterschaft ab, bei denen der Tatmittler keinen „Defekt“ aufweist, insbesondere also die auf Roxin zurückgehende Fallgruppe der mittelbaren Täterschaft kraft organisierter Machtapparate (z.B. DDR-Mauerschützen-Fälle). In Betracht kommt nach dieser Ansicht dann „nur“ eine Anstiftung. Mit dieser schon vor dem Katzenkönig-Fall bestehenden Ansicht hatte sich der BGH auseinandergesetzt (s. o.) und sie meines Erachtens mit überzeugenden Argumenten abgelehnt.