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Schlagwortarchiv für: Kommunalrecht

Dr. Maike Flink

OVG Koblenz: Burkini-Verbot verletzt Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Zulassung zu kommunalen Einrichtungen

Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Das Kommunalrecht ist ein von vielen Examenskandidaten gefürchtetes und häufig nur lückenhaft beherrschtes Rechtsgebiet. Dennoch ist es immer wieder Gegenstand von Examensklausuren. Dabei ist insbesondere der Anspruch auf Zulassung zu kommunalen Einrichtung ein „Dauerbrenner“ aus dem Bereich des Kommunalrechts, da er zugleich die Möglichkeit bietet, Grundkenntnisse des Verfassungsrechts abzufragen. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der folgenden Entscheidung des OVG Koblenz vom 12.6.2019 (10 B 10515/19.OVG) zur Zulässigkeit eines Burkini-Verbots für die Benutzung eines städtischen Schwimmbads ist daher ratsam.
 
I. Sachverhalt
Die Stadt S betreibt ein städtisches Schwimmbad. In diesem Rahmen hat sie eine Badeordnung erlassen, welche die Voraussetzungen und Bedingungen der Nutzung des Schwimmbades festlegt. So bestimmt sie unter anderem, dass „Personen, die an anstoßerregenden Krankheiten oder an meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten im Sinne des Bundesseuchenschutzgesetzes oder offenen Wunden bzw. Hautausschlägen leiden, der Zutritt zu den Bädern nicht gestattet ist.“ Diese Badeordnung enthält zudem seit dem 1.1.2019 eine Regelung über die im Schwimmbad zulässige Badekleidung. Demnach müssen Badegäste, die sich im Nassbereich aufhalten eine Badehose, einen Badeanzug, einen Bikini oder Badeshorts tragen. Andere Schwimmbekleidung ist nicht zulässig. Eine Ausnahme bilden Neoprenanzüge. Diese dürfen von Leistungsschwimmern und Triathleten im Rahmen ihres Schwimmtrainings getragen werden. M ist Einwohnerin von S und leidet – was zutrifft – aufgrund eines Bandscheibenvorfalls an starken Rückenschmerzen, zu deren Linderung der Besuch eines Schwimmbades dringend erforderlich ist. Allerdings ist M gläubige Muslima und kann aufgrund ihres Glaubens nur in einem sog. Burkini schwimmen gehen. Dieser bedeckt bis auf das Gesicht, die Hände und die Füße den gesamten Körper. M macht geltend, die Badeordnung, die ihr das Tragen eines Burkinis im Schwimmbad verbietet, verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Um schnellstmöglich wieder das Schwimmbad nutzen und ihre krankheitsbedingten Schmerzen lindern zu können, beantragt M beim zuständigen Oberverwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
 
II. Rechtliche Würdigung
 1. Zulässigkeit des Antrags
Zunächst müsste der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO zulässig sein. Dies ist der Fall, wenn die Überprüfung der Vorschriften der Badeordnung einen statthaften Antragsgegenstand darstellt und die Antragstellerin antragsbefugt ist.
a) Statthafter Antragsgegenstand
Die Überprüfung der Nutzungsvorschriften der Badeordnung müssten zunächst einen statthaften Antragsgegenstand darstellen. Dies richtet sich nach § 47 Abs. 1 VwGO. In Betracht kommt vorliegend ein Verfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1 AGVwGO RP (Ausführungsgesetz zur VwGO des Landes Rheinland-Pfalz). Dazu müsste es sich bei der Badeordnung um eine öffentlich-rechtliche Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO handeln.
 aa) Öffentlich-rechtlich
Die Badeordnung müsste zunächst öffentlich-rechtlicher Natur sein. Grundsätzlich kann eine Gemeinde frei entscheiden, ob sie das Verhältnis zwischen der öffentlichen Anstalt und ihren Benutzern öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich regelt. Dies gilt auch dann, wenn eine Einrichtung eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 14 Abs. 2 GemO RP ist und den Einwohnern der Gemeinde daher ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Benutzung zusteht. Indes ist in einem solchen Fall regelmäßig von einer öffentlich-rechtlichen Regelung des Benutzungsverhältnisses auszugehen, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen. So führt das Gericht aus:

„Eine Aufspaltung der Rechtsbeziehungen und eine Unterstellung des Benutzungsverhältnisses unter das Privatrecht trotz öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruchs kann nämlich nur dann vorgenommen werden, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen der öffentlichen Einrichtung und den Benutzern von der Gemeinde eine eindeutige privatrechtliche Ausgestaltung erfahren haben.“

Dies ist vorliegend nicht der Fall: Bereits die Bezeichnung „Badeordnung“ ist ein Indiz für den öffentlich-rechtlichen Charakter, da sie unterstreicht, dass die Stadt S die Regelungen für die Benutzung durch einseitigen Willensakt festsetzt und diese für die Benutzer verbindlich sind. Dies wird dadurch untermauert, dass die Badeordnung Bestimmungen über den Benutzerkreis und den Ausschluss von Badegästen trifft und damit den öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 GemO RP näher ausgestaltet. Diese Bestimmungen sind letztlich Grundlage für den Erlass von entsprechenden Verwaltungsakten, welche die subjektiven Rechte der Gemeindeeinwohner auf Benutzung des städtischen Schwimmbades einschränken. Es handelt sich mithin mangels eindeutig privatrechtlicher Ausgestaltung durch S um eine öffentlich-rechtliche Regelung.
bb) Rechtsvorschrift im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO
Zudem trifft die Badeordnung eine verbindliche abstrakte Regelung mit Außenwirkung für die Nutzer des Schwimmbades. Es handelt sich mithin um eine unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Ein statthafter Antragsgegenstand liegt damit vor.
b) Antragsbefugnis der Antragstellerin
Die M müsste auch antragsbefugt sein. Dies ist der Fall, wenn sie geltend machen kann, durch die Bekleidungsvorschriften der Badeordnung in ihren Rechten verletzt zu sein oder eine entsprechende Rechtsverletzung in absehbarer Zeit eintreten wird. Die M ist Einwohnerin der Stadt S und als solche grundsätzlich gem. § 14 Abs. 2 GemO RP grundsätzlich berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Stadt zu nutzen. M leidet aufgrund eines Bandscheibenvorfalls an Rückenschmerzen, die durch Schwimmen gelindert werden können. M ist gläubige Muslima und kann ihrem Glauben entsprechend das Schwimmbad nur dann benutzen, wenn sie einen Burkini trägt. Dies ist ihr indes untersagt, wohingegen das Tragen von Neoprenanzügen zulässig ist. Daher besteht zumindest die Möglichkeit, dass M in ihrem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist. Sie ist mithin antragsbefugt.
c) Zwischenergebnis
Der Antrag der M ist zulässig.
2. Begründetheit
Der Antrag müsste jedoch auch begründet sein. Im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht eine einstweilige erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Entscheidend ist insofern eine Abwägung der Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber Erfolg hätte gegenüber denjenigen Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, der spätere Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Entscheidende Bedeutung hat dabei, ob der spätere Normenkontrollantrag offensichtlich begründet oder unbegründet ist. Für die Überprüfung der durch S erlassenen Badeordnung ist das Verfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft. Diese hält der gerichtlichen Überprüfung nur dann stand, wenn die Stadt S sich bei Erlass der Badeordnung auf eine wirksame Rechtsgrundlage stützen kann und die Badeordnung formell wie materiell rechtmäßig ist.
a) Ermächtigungsgrundlage
Zunächst müsste die Stadt S den Erlass der Badeordnung auf eine wirksame Rechtsgrundlage stützen können. Zwar fehlt es insofern an einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage. Allerdings ist anerkannt, dass die Befugnis der Gemeinde zum Betrieb einer kommunalen Einrichtung zugleich die Ermächtigung umfasst, dass Benutzungsverhältnis generell zu regeln, um die Verwirklichung der verfolgten Anstaltszwecke zu gewährleisten, ohne dass es insofern einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage bedarf. Dies fußt auf dem Gedanken, dass es sich insofern nicht um eine Belastung des Bürgers im Rahmen der Eingriffsverwaltung handelt, sondern nur die Art und Weise einer Leistungsgewährung näher ausgestaltet wird.  Damit besteht eine ausreichende Rechtsgrundlage zum Erlass der Badeordnung.
b) Formelle Rechtmäßigkeit
An der formellen Rechtmäßigkeit der Badeordnung stehen mangels anderweitiger Anhaltspunkte keine Zweifel.
c) Materielle Rechtmäßigkeit
Fraglich ist allerdings, ob die Badeordnung auch materielle rechtmäßig ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die in der Badeordnung festgelegten Nutzungsvorschriften einerseits der Erfüllung des Anstaltszwecks dienen und andererseits kein Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere die verfassungsrechtlichen Rechte der Nutzer vorliegt.
aa) Badeordnung dient der Erfüllung des Anstaltszwecks
Zunächst müssten die Nutzungsvorschriften der Badeordnung dem Anstaltszweck dienen. In der Badeordnung ist festgelegt, dass Personen, die unter anstoßerregenden Krankheiten oder meldepflichtigen Krankheiten im Sinne des Bundesseuchenschutzgesetzes oder offenen Wunden bzw. Hausausschlägen leiden, der Zutritt zum Nassbereich des Schwimmbads untersagt ist. Um diese Regelung zu überwachen, müssen die Körper der Badegäste für das Badepersonal sichtbar sein, was bei einer vollständigen Bekleidung gerade nicht der Fall ist. Dies dient dem Schutz der Gesundheit anderer Badegäste. Wäre dieser nicht ausreichend gewährleistet, könnte das Schwimmbad insgesamt nicht betrieben werden. Damit dienen die in der Badeordnung vorgesehenen Bekleidungsvorschriften – und damit das Burkiniverbot – dem Anstaltszweck.
bb) Kein Verstoß gegen höherrangiges Recht
Allerdings dürften die Nutzungsvorschriften der Badeordnung, namentlich das Burkiniverbot auch nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Möglich erschiene ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar darf der Anspruch auf Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung eingeschränkt werden, jedoch darf sich diese Einschränkung nicht nur gegen einen Teil der Gemeindeeinwohner richten, sondern muss auf sachlichen Kriterien beruhen, die für alle Gemeindeeinwohner gleichermaßen gelten. Das Verbot der vollständigen Bekleidung bei der Nutzung des Nassbereichs belastet allerdings Trägerinnen von Burkinis ohne ausreichende sachliche Gründe stärker als andere Badegäste, die ihren Körper ebenfalls weitgehend bedecken. Denn für Triathleten und Leistungsschwimmer ist das Tragen von Neoprenanzügen jedenfalls im Rahmen ihres Schwimmtrainings erlaubt, obwohl diese gleichfalls den Körper beinahe vollständig bedecken. Mit Blick auf den Gesundheitsschutz anderer Badegäste sind indes keine Gründe ersichtlich, sie insofern eine Unterscheidung zwischen Neoprenanzügen und Burkinis rechtfertigen.
Denn einerseits bedecken Neoprenanzüge den Körper ebenso weitgehend wie Burkinis: Auch die hüllen den ganzen Körper ein und haben regelmäßig eine Kopfhaube. Auch aus dem Umstand, dass Neoprenanzüge nur während des Schwimmtraining getragen werden dürfen, folgt keine andere Bewertung. Zwar handelt es sich insofern nur um eine kleine Anzahl von Badegästen, die einen Neoprenanzug tragen, aber auch die Zahl der Trägerinnen von Burkinis wird regelmäßig überschaubar sein. Zudem ist nicht ersichtlich, dass Trägerinnen von Burkinis weniger verantwortungsvoll handeln als Träger von Neoprenanzügen, wenn sie an ansteckenden Hautkrankheiten leiden. Darüber hinaus werden auch die Träger von Neoprenanzügen nicht vorab daraufhin überprüft, ob sie entsprechende Krankheiten aufweisen. Dies gilt weder im Rahmen eines professionellen, noch eines privaten Trainings. Denn weder wird der Schwimmtrainer die Verantwortung für die Kontrolle der Körper der Leistungsschwimmer übernehmen, noch wird das Badepersonal bei einem Training ohne Schwimmtrainer eine Kontrolle vor dem Anlegen des Neoprenanzugs durchführen. Beim Tragen von Neoprenanzügen besteht damit gleichermaßen die Gefahr, das Personen mit ansteckenden Hautkrankheiten das Schwimmbad nutzen. Es sind mithin keinerlei sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von Trägerinnen von Burkinis und den Trägern von Neoprenanzügen ersichtlich. Die entsprechende Klausel in der Badeordnung verstößt erkennbar gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
c) Zwischenergebnis
Die Nutzungsvorschriften in der Badeordnung, die das Tragen eines Burkinis verbieten, aber zugleich das Tragen von Neoprenanzügen erlauben, sind materiell rechtswidrig.
3. Ergebnis
Der spätere Normenkontrollantrag gem. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist wegen der materiellen Rechtswidrigkeit der Nutzungsvorschriften der Badeordnung offensichtlich begründet. Damit ist der Erlass der einstweiligen Anordnung dringend geboten. Auch dieser Antrag ist mithin begründet.
III. Gesamtergebnis
Der Antrag der M auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet und hat daher Erfolg.
 
Anmerkung: In der Klausurbearbeitung müsste auch eine mögliche Verletzung von Art. 4 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG angesprochen werden. Das Gericht hat sich vorliegend wegen des offensichtlichen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG begnügt, da  es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt und schon dieser Verstoß für sich genommen zur offensichtlichen Begründetheit des späteren Normenkontrollantrags in der Hauptsache führt.

17.09.2019/1 Kommentar/von Dr. Maike Flink
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maike Flink https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maike Flink2019-09-17 10:00:202019-09-17 10:00:20OVG Koblenz: Burkini-Verbot verletzt Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Zulassung zu kommunalen Einrichtungen
Redaktion

Schema: Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG

Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes

Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG

A. Zulässigkeit
Richtet sich nach Art. 93 I Nr. 4b GG, § 13 Nr. 8a, §§ 91ff. BVerfGG

I. Beteiligtenfähigkeit, § 91 S. 1 BVerfGG
– Gemeinden
– Gemeindeverbände

II. Prozessfähigkeit
Die Kommune muss durch das zuständige Organ vertreten werden.

III. Tauglicher Beschwerdegegenstand, § 91 S.1 BVerfGG
Gesetze = Alle Rechtssätze des Bundes und des Landes, die Außenwirkung gegenüber de Kommune entfalten, d.h. formelle Gesetze und nach hM auch Rechtsverordnungen.

IV. Beschwerdebefugnis, § 91 S.1 BVerfGG

1. Möglichkeit der Verletzung von Art. 28 II GG

2. Selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen

V. Rechtswegerschöpfung, § 90 II 1 BVerfGG

Keine Rechtswegerschöpfung liegt insbesondere vor, wenn die Kommune die Norm im Wege de prinzipalen Normenkontrolle vor den Fachgerichten angreifen kann (§ 47 VwGO).

VI. Keine Subsidiarität
– Vorrang der Beschwerde zum LandesVerfG, soweit das Landesrecht diese Möglichkeit vorsieht, § 91 S. 2 BVerfGG. Der Vorrang besteht jedoch nicht, wenn die angegriffene Norm Bundesrecht ist.
– Allgemeine Subsidiarität

VII. Form, §§ 23 I, 92 BVerfGG

VIII. Frist, § 93 III BVerfGG

B. Begründetheit
Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist begründet, soweit das in Frage stehende Gesetz Art. 28 II GG verletzt.

I. Eingriff in den Schutzbereich

1. Schutzbereich

a) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die die Kommune in eigener Verantwortung ausführt (= Selbstverwaltungsaufgaben).

b) Organisationshoheit der Gemeinde

2. Eingriff

Regelung einer gemeindlichen Angelegenheit durch einen anderen Träger öffentlicher Gewalt.

II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

  • Art. 28 II enthält einen einfachen Gesetzesvorbehalt
Folge: Das eingreifende Gesetz muss verfassungsmäßig sein.
  • Grds. nur Prüfung, ob das Gesetz Art. 28 II GG verletzt. Ob das Gesetz weitere Vorschriften verletzt ist nur in Bezug auf solche Normen relevant, die geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der kommunalen Selbstverwaltung mitzubestimmen.
  • Verletzung von Art. 28 II GG

1. Eine Verletzung der Garantie der Gemeinden als Institution ist unzulässig. Zu beachten ist jedoch, dass die Auflösung einzelner Gemeinden im Rahmen einer Neugliederung zulässig sein kann, da Art. 28 II 1 GG keine Garantie für den Bestand einzelner Gemeinden gibt.

2. Eingriffe in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung sind unzulässig.

3. Eingriffe in den Randbereich, insb. ein Aufgabenentzug ist grds. nur aus überwiegenden Gründen des Gemeininteresses zulässig. Hier ist eine Vertretbarkeitskontrolle durchzuführen.

Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.

02.03.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-03-02 10:00:352017-03-02 10:00:35Schema: Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG
Gastautor

Kommunale politische Beteiligung nach den §§ 24-26 GO NRW

Examensvorbereitung, Kommunalrecht, Lerntipps, Öffentliches Recht, Startseite, Tagesgeschehen

Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Sebastian Nellesen veröffentlichen zu können. Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität zu Köln am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wissenschaftsrecht und Medienrecht (Prof. Dr. Christian von Coelln).
Nach § 11 Abs. 2 Nr. 13b) JAG NRW ist das Kommunalrecht mit Ausnahme des Kommunalwahl- und Kommunalabgabenrechts Pflichtfach der ersten Staatsprüfung. In diesem Zusammenhang müssen Examenskandidaten damit rechnen, nach den Möglichkeiten der unmittelbaren politischen Beteiligung (insbesondere von Einwohnern und Bürgern) auf kommunaler Ebene gefragt zu werden (vgl. dazu die Auswertung der Examensklausuren des Großen Kölner Examens- und Klausurenkurses http://www.klausurenkurs.uni-koeln.de/_download/Auswertung-Oe-Recht.pdf).
Die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung sieht in den §§ 24 bis 26 Elemente unmittelbarer sachlicher Beteiligung vor, die sowohl für die schriftliche als auch mündliche Prüfung bekannt sein sollten. Prüfungstechnisch am bedeutendsten ist § 26 GO NRW.
§ 24 GO NRW Anregungen und Beschwerden
Das Recht, sich schriftlich mit Anregungen und Beschwerden an den Gemeinderat bzw. die Bezirksvertretung zu wenden, ist wohl die in der Praxis am meisten genutzte Möglichkeit der politischen Beteiligung auf kommunaler Ebene. Es ist die einfachgesetzliche Ausprägung des Petitionsrechts aus Art. 17 GG.
Gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 GO NRW steht dieses Recht jedem einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen zu. Antragsberechtigt sind auch juristische Personen des Privatrechts. Im Gegensatz zum Einwohnerantrag nach § 25 GO NRW und der Möglichkeit, ein Bürgerbegehren gemäß § 26 GO NRW einzuleiten, ist das Recht aus § 24 GO NRW nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt, d.h. auch ohne den Status des Einwohners bzw. Bürgers (zu diesem siehe unten) kann ein entsprechender Antrag nach § 24 Abs. 1 GO NRW gestellt werden. Nicht einmal der vorrübergehende Aufenthalt in der jeweiligen Gemeinde oder die deutsche Staatsangehörigkeit sind erforderlich. Auch bedarf es keiner individuellen Betroffenheit.
Die Anregungen und Beschwerden müssen sich auf Angelegenheiten der Gemeinde beziehen. Dazu gehören alle Selbstverwaltungsangelegenheiten, Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung und Auftragsangelegenheiten mindestens soweit die Kontrollbefugnis des Rates reicht. Nicht erfasst sind alle Angelegenheiten, für die die Gemeinde nicht zuständig ist, wie z.B. die Außen- und Sicherheitspolitik.
Aus § 24 Abs. 1 S. 4 GO NRW folgt ein Anspruch des Antragstellers auf Bescheidung. Die jeweilige Vertretung ist also verpflichtet, sich mit der Eingabe zu befassen, eine Entscheidung zu fällen und diese dem Antragsteller mitzuteilen. Damit ist der Anspruch erfüllt.
Nach § 24 Abs. 2 GO NRW können in der Hauptsatzung der Gemeinde nähere Einzelheiten geregelt werden, die allerdings nicht von den Vorschriften der Gemeindeordnung abweichen dürfen.
§ 25 GO NRW Einwohnerantrag
Ein direktdemokratisches Mittel, das ausdrücklich nur Einwohnern zur Verfügung steht, ist der Einwohnerantrag gemäß § 25 GO NRW. Der Kreis der Antragsteller ist hier deutlich enger gefasst als beim Beschwerde- und Anregungsrecht nach § 24 GO NRW. Wer einen zulässigen Antrag stellen will, muss Einwohner gemäß § 21 Abs. 1 GO NRW sein, also in der Gemeinde wohnen.
Der Begriff des „Wohnens“ knüpft an den der Wohnung aus § 20 Bundesmeldegesetz an. Danach ist eine Wohnung jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Entscheidend ist nicht, ob es der einzige Wohnsitz oder der Hauptwohnsitz ist. Unterhält jemand mehrere Wohnungen in verschiedenen Gemeinden, ist er Einwohner jeder dieser Gemeinden.
Selbstverständlich steht die Möglichkeit, einen Einwohnerantrag zu stellen, auch Bürgern im Sinne des § 21 Abs. 2 GO NRW (jeder, der in der Gemeinde wohnt und zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt ist) zu. Denn jeder Bürger ist Einwohner, aber nicht jeder Einwohner ist auch Bürger.
Zudem muss der Antragsteller seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde wohnen und mindestens 14 Jahre alt sein.
Ein zulässiger Einwohnerantrag muss nach § 25 Abs. 3 GO NRW eine Mindestzahl an Unterschriften tragen, deren exakte Höhe von der Gemeindegröße und vom Status als kreisangehörige Gemeinde oder kreisfreie Stadt abhängt. § 25 Abs. 4 GO NRW stellt konkrete Anforderungen an die Form der Unterzeichnungslisten.
Nach § 25 Abs. 2 S. 1 GO NRW muss der Antrag schriftlich eingereicht werden; § 25 Abs. 2 S. 2 GO NRW verlangt, dass er ein konkretes Begehren und eine Begründung enthält. Eine kurze formale Begründung reicht bereits aus. Weder die Richtigkeit noch der Wahrheitsgehalt der Begründung sind relevant.
Es dürfen bis zu drei Vertreter der Unterzeichnenden benannt werden. Mindestens ein Vertreter ist Pflicht (§ 25 Abs. 2 S. 3 GO NRW). Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, ist der Einwohnerantrag bereits deshalb unzulässig. Schließlich ist noch die 12-Monatsfrist aus § 25 Abs. 5 GO NRW zu beachten: Ein Antrag über eine Angelegenheit, zu der innerhalb der letzten 12 Monate bereits ein Einwohnerantrag gestellt wurde, ist unzulässig. Dennoch muss der Rat als zuständiges Gemeindeorgan gemäß § 25 Abs. 7 S. 1 GO NRW über die Unzulässigkeit des Antrags formell befinden. Der Bürgermeister ist auch bei offensichtlich unzulässigen Anträgen nicht berechtigt, an Stelle des Rates zu entscheiden.
Materiell erfordert ein zulässiger Antrag einen Gegenstand, der auf eine Ratsentscheidung im Rahmen der Verbandskompetenz der Gemeinde und der Organkompetenz des Rates zielt. Liegen diese Voraussetzungen vor, berät und entscheidet der Rat unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Monaten nach Eingang, gemäß § 25 Abs. 7 S. 2 GO NRW über den Antrag. Die nach § 25 Abs. 2 S. 3 GO NRW benannten Vertreter sollen die Gelegenheit haben, den Antrag im Rat zu erläutern. Der Rat ist selbstverständlich frei in seiner Entscheidung. Ob er dem Antrag zustimmt oder ihn ablehnt, ist im Gegensatz zur Zulässigkeitsfrage keine rechtlich gebundene, sondern eine rein politische Entscheidung.
§ 25 Abs. 8 GO NRW erweitert den Anwendungsbereich des Einwohnerantrags. Ein solcher kann unter den dort näher geregelten Voraussetzungen auch an die Bezirksvertretung gerichtet werden.
§ 26 GO NRW Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
Deutlich umfangreichere Regelungen als zu § 24 und § 25 GO NRW enthält die Gemeindeordnung für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in § 26 GO NRW. Gerade weil die Norm auf den ersten Blick etwas unübersichtlich wirkt, ist es zu empfehlen, sich die Strukturen vor einer Prüfung zu verdeutlichen. Bürgerbegehren und Bürgerentscheid verkörpern das zweistufige direktdemokratische Entscheidungsverfahren auf Gemeindeebene. Nach der Legaldefinition des § 26 Abs. 1 S. 1 GO NRW stellt das Bürgerbegehren den Antrag der Bürger dar, über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst zu entscheiden. Die eigentliche Sachentscheidung nennt sich dann Bürgerentscheid. Zwischen diesen beiden Instrumenten ist zwingend zu trennen: Das Bürgerbegehren ist der Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids.
Neben den Bürgern ist aber auch der Rat berechtigt, mit einer Zweidrittelmehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl zu beschließen, einen Bürgerentscheid durchzuführen, der dann programmatisch als Ratsbürgerentscheid bezeichnet wird. Für diesen gelten im Wesentlichen die gleichen rechtlichen Vorschriften, was § 26 Abs. 1 S. 3 GO NRW bestimmt. Ein vorausgehendes Bürgerbegehren entfällt in diesem Fall.
Das Bürgerbegehren:
Das Bürgerbegehren (= der Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids, s.o.) muss gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 GO NRW schriftlich und begründet eingereicht werden sowie die zur Entscheidung zu bringende Frage enthalten. Genauso wie beim Einwohnerantrag muss nach § 26 Abs. 2 S. 2 GO NRW mindestens ein Vertreter benannt werden. Maximal dürfen es auch hier drei sein.
Gegenstand eines Bürgerbegehrens kann gemäß § 26 Abs. 3 GO NRW auch eine bereits getroffene Entscheidung des Rates sein (sog. kassatorische Bürgerbegehren). In diesem Fall ist das Bürgerbegehren fristgebunden (innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntmachung des Beschlusses des Rates bzw. innerhalb von drei Monaten nach dem Sitzungstag bei Beschlüssen, die nicht der Bekanntmachung bedürfen, vgl. § 26 Abs. 3 GO NRW). Andernfalls, bei initiierenden Bürgerbegehren, besteht keine Fristbindung.
§ 26 Abs. 4 GO NRW regelt die Frage, wie viele Bürger das Begehren unterzeichnen müssen. Dafür knüpft die Norm an die Anzahl der Einwohner an. So muss beispielsweise ein Bürgerbegehren in einer nordrhein-westfälischen Kommune mit bis zu 10.000 Einwohnern von 10% der Bürger unterzeichnet werden. Jede Unterschriftenliste muss dabei die vollständigen vom Gesetz geforderten Angaben, wie Begründung und Angaben über die Vertretungsberechtigten, enthalten.
§ 26 Abs. 5 GO NRW beinhaltet einen bei direktdemokratischen Elementen grundsätzlich üblichen Ausschlusskatalog. Unzulässig ist ein Bürgerbegehren unter anderem über die innere Organisation der Gemeindeverwaltung (Nr. 1), die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Rates und der Bediensteten der Gemeinde (Nr. 2) oder wenn innerhalb der letzten zwei Jahre bereits ein Bürgerentscheid zu der Angelegenheit durchgeführt worden ist (S. 2).
Zuständiges Kommunalorgan für die Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ist nach § 26 Abs. 6 S. 1 GO NRW der Rat. Sofern der Rat das Bürgerbegehren für unzulässig erklärt, können der Vertretungsberechtigte bzw. die Vertretungsberechtigten dagegen klagen (§ 26 Abs. 6 S. 2 GO NRW). Unabhängig von der Erhebung einer Verpflichtungsklage durch die Vertretungsberechtigten auf Feststellung der Zulässigkeit, müsste der Bürgermeister einen rechtswidrigen Ratsbeschluss gemäß § 54 Abs. 2 GO NRW beanstanden (gleiches gilt bzgl. der Zulässigkeitsentscheidung beim Einwohnerantrag).
Ist das Bürgerbegehren zulässig, hat es der Rat in der Hand, wie das weitere Verfahren verläuft: Er kann gemäß § 26 Abs. 6 S. 4 GO NRW dem Bürgerbegehren entsprechen. Bei einem solchen Beschluss ist der Rat sachlich an den Inhalt des Bürgerbegehrens gebunden. Auch bei einem nur geringfügig ergänzenden oder einschränkenden Beschluss wird dem Bürgerbegehren nicht entsprochen. Entspricht der Rat dem Bürgerbegehren, findet kein Bürgerentscheid mehr statt, weil die Bürger mit der positiven Entscheidung des Rates ihr Ziel erreicht haben. Andernfalls ist gemäß § 26 Abs. 6 S. 3 GO NRW innerhalb von drei Monaten ein Bürgerentscheid durchzuführen.
Nach der Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens kommt diesem gemäß § 26 Abs. 6 S. 6 GO NRW Sperrwirkung zu, sodass die Gemeinde keine dem Begehren entgegenstehende Entscheidungen treffen oder diese vollziehen darf. Ausgenommen hiervon sind schon bestehende rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde.
Der Bürgerentscheid:
§ 26 Abs. 7 und Abs. 8 GO NRW gestalten den Bürgerentscheid näher aus. Ein Bürgerentscheid kann nur über eine Frage durchgeführt werden, die mit Ja oder Nein beantwortet werden kann (§ 26 Abs. 7 S. 1 GO NRW). Für die Abstimmenden – eine Teilnahmepflicht besteht freilich nicht – gibt es also stets nur zwei Abstimmungsoptionen. Die Möglichkeit der Enthaltung ist nicht vorgesehen. Der Bürgerentscheid ist gemäß § 26 Abs. 7 S. 2 GO NRW erfolgreich, wenn die Mehrheit der Abstimmenden, die abhängig von der Einwohnzahl mindestens 10 %, 15 % oder 20 % der Bürger der Gemeinde betragen muss, für die Annahme stimmen (JA-Stimmen). Im unwahrscheinlichen Fall einer Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet (§ 26 Abs. 7 S. 3 GO NRW).
Die rechtliche Wirkung eines Bürgerentscheids ist die gleiche wie die eines Ratsbeschlusses (§ 26 Abs. 8 S. 1 GO NRW). Dass die politische Bedeutung in der Regel anders – nämlich höher – zu bewerten ist, ändert nichts an der rechtlichen Wirkung. Eine Änderung der Entscheidung innerhalb von zwei Jahren nach dem ersten Bürgerentscheid ist nach § 26 Abs. 8 S. 2 GO NRW nur unmittelbar von der Bürgerschaft selbst durch einen zweiten Bürgerentscheid aufgrund einer Initiative des Rates (Ratsbürgerentscheid) möglich.

04.11.2016/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2016-11-04 09:30:522016-11-04 09:30:52Kommunale politische Beteiligung nach den §§ 24-26 GO NRW
Dr. Christoph Werkmeister

OVG Koblenz: NPD-Mitglied zu Recht aus Ausschuss abberufen

Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Verwaltungsrecht

Wir berichteten bereits im Januar 2013 über ein äußerst examensrelevantes Urteil des VG Neustadt, das sich mit der Abberufung eines NPD-Mitglieds aus einem Kreisausschuss befasste. Das VG bejahte seinerzeit die Rechtmäßigkeit der Entscheidung. In der Berufungsinstanz wurde das respektive Urteil mit der Berufung beim OVG Koblenz angegriffen (Beschluss vom 07.08.2013, Az. 10 A 10430/13.OVG). Das OVG bestätigte – zumindest unter Zugrundelegung des hiesigen Sachverhalts – die Entscheidung des VG.
Mit der aktuellen Entscheidung des OVG dürfte sich die Examenrelevanz der im Urteil diskutierten rechtlichen Fragestellung noch einmal signifikant erhöhen, so dass die Lektüre der erstinstanzlichen Entscheidung im Volltext durchaus angeraten sei (s. dazu VG Neustadt, Urteil vom 28.01.2013 – 3 K 845/12.NW).
Sachverhalt und Entscheidung
Die Pressemitteilung des erstinstanzlich zuständigen VG Neustadt fasst den Sachverhalt sowie die wesentlichen Entscheidungssgründe konzis zusammen:

Das VG Neustadt hat entschieden, dass die Entscheidung des Kreistages des Landkreises Südwestpfalz, eines seiner Mitglieder, das der NPD angehört, als Beisitzer aus dem Kreisrechtsausschuss des Landkreises Südwestpfalz abzuberufen, rechtmäßig war ().
Nach Auffassung des VG Neustadt ist die Entscheidung des Kreistages, den Kläger als Beisitzer aus dem Kreisrechtsausschuss abzuberufen, rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften sei ein Beisitzer von seinem Amt abzuberufen, wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt habe. Dies sei hier der Fall. Ein Beisitzer im Kreisrechtsausschuss übe ein Ehrenamt aus und unterliege deshalb gegenüber dem Landkreis einer besonderen Treuepflicht. Der Kreisrechtsausschuss sei weisungsunabhängig und überprüfe das vom Bürger beanstandete Verhalten der Verwaltung auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit. Insofern übe er hoheitliche Gewalt aus. Die Stellung des von Weisungen des Landkreises unabhängigen Beisitzers des Rechtsausschusses sei derjenigen eines ehrenamtlichen Richters angenähert. Dieser unterliege jedoch einer Pflicht zur besonderen Verfassungstreue. Da der Beisitzer dasselbe Stimmrecht wie der vorsitzende Landrat bzw. dessen Vertreter habe, dieser aber die Gewähr dafür bieten müsse, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, müsse dies ebenso für die Beisitzer gelten. Der Kläger biete diese Gewähr aber nicht. Er sei langjähriges Mitglied in der NPD, einer rechtsextremen Partei, und nehme dort eine herausgehobene Funktion wahr. So gehöre er als NPD-Mitglied dem Kreistag des Landkreises Südwestpfalz. Er trete als Organisator rechtsextremistischer Demonstrationen und Veranstaltungen in Erscheinung und berichte auf den Seiten des NPD-Kreisverbandes Westpfalz und der “Pfalzstimme”, deren Herausgeber er sei, über aktuelle politische Themen und Veranstaltungen der NPD sowie anderer rechtsextremistischer Organisationen. Bei Kundgebungen verunglimpfe er die Bundesrepublik öffentlich als “Bananenrepublik”, “BRD-Regime” und “Besatzer-Regime”.
Zwar habe es bisher keine aktenkundigen Beanstandungen aufgrund seines Verhaltens in Sitzungen des Kreisrechtsausschusses gegeben. Jedoch stelle auch ein außeramtliches Verhalten eines Beisitzers eine Amtspflichtverletzung dar, wenn durch dessen gezeigtes Verhalten sein Ansehen in einem solchen Maße erschüttert werde, dass seine Vertrauenswürdigkeit ausgeschlossen werde. Davon sei hier auszugehen. Der Kläger habe mehrfach mit E-Mails die Betriebsabläufe in der Kreisverwaltung gestört, um Arbeitskraft zu binden und zu provozieren. Ferner habe der Kläger einen Beitrag in der “Pfalzstimme” verfasst (“NPD legt Bürokratie in der Südwestpfalz lahm”), in dem er seine negative Einstellung zur Kreisverwaltung eindeutig zu erkennen gegeben habe. Mit diesem Artikel habe er ebenfalls gegen die Treuepflicht verstoßen. Es sei aufgrund einer Gesamtschau nicht anzunehmen, dass der Kläger seiner Aufgabe im Rechtsausschuss unvoreingenommen (z.B. Ausländer betreffend) und offen für unterschiedliche Auffassungen und Überzeugungen nachzukommen vermöge. Das Ansehen des Rechtsausschusses als von Weisungen unabhängiges Kontrollorgan bei der Kreisverwaltung sei daher in hohem Maße gefährdet.

Prozessuales
In prozessualer Hinsicht stellt hier u.a. die statthafte Klageart einen Schwerpunkt bei der Prüfung der Zulässigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen die Abberufungsentscheidung des Kreisrechtsausschusses dar. Die statthafte Klageart hängt davon ab, ob man den Ausschluss als Verwaltungsakt iSd § 35 S. 1 VwVfG qualifizieren kann. Insbesondere ist fraglich, ob die dafür erforderliche Außenwirkung vorliegt. Dies wäre nur dann der Fall, sofern der Ausschluss als Beisitzer den Inhaber des Ehrenamtes auch außerhalb seiner organschaftlichen Funktion, mithin im verwaltungsexternen Bereich, tangiert. Das VG Neustadt führt hierzu etwa aus:

Der Beschluss des Kreistages oder Stadtrates ergeht gegenüber dem abberufenen  Mitglied als hoheitliche Maßnahme mit Regelungscharakter. Denn der Abberufene verliert seine Stellung als Beisitzer des Kreis- oder Stadtrechtsausschusses. Dieser Maßnahme kommt auch die für einen Verwaltungsakt charakteristische Außenwirkung zu. Denn der Verlust der Stellung als Beisitzer des Rechtsausschusses trifft den Betroffenen in seinem Recht auf ehrenamtliche Tätigkeit als Beisitzer des Kreis- oder Stadtrechtsausschusses (vgl. § 9 Abs. 3 AGVwGO) und damit als Bürger, der ein Ehrenamt bekleidet (vgl. Oster/Nies, Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz, Kommentar, § 11 AGVwGO, Anm. 3; Stamm/Lukas in Gabler/Höhlein u.a., Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, Stand: Dezember 2012, § 28 GemO, Anm. 4.1).
Im vorliegenden Fall ändert an der Einordnung des Beschlusses des Kreistages des Südwestpfalz Kreises vom 18. Juni 2012 als Verwaltungsakt die Mitgliedschaft des Klägers im Kreistag des Südwestpfalz Kreises nichts. Denn der Kläger ist durch diesen Kreistagsbeschluss nicht in seiner Stellung als Kreistagsmitglied und damit als Teil des Landkreisorgans Kreistag (§ 21 Abs. 1 LKO) betroffen. Seine Rechtsstellung als Kreistagsmitglied bleibt von der angegriffenen Entscheidung des Kreistages gänzlich unberührt.

Eine andere Ansicht ist an dieser Stelle indes gut vertretbar. Es lässt sich insofern durchaus argumentieren, dass vorliegend lediglich die organschaftliche Position als solche und nicht etwa weitere subjektive öffentliche Rechte in Frage stehen. Das Vorliegen der Außenwirkung i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG wäre bei dieser Argumentation zu verneinen.  Da es dann an einem Verwaltungsakt fehlen würde, wäre die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO nicht die statthafte Klageart. Vielmehr wäre dann eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO einschlägig und zwar gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (und damit Rechtsfolgenlosigkeit) des Kreistagsbeschlusses.
Der letztgenannte Weg ist – auch wenn die Gerichte dies gut vertretbar anders entschieden haben – zumindest aus klausurtaktischer Sicht vorzugswürdig. Der Fall bietet so nämlich Gelegenheit, sich im Übrigen noch mit den besonderen Zulässigkeitsproblemen des sog. Kommunalverfassungsstreites zu befassen, was bei Annahme einer Anfechtungsklage fehlgehen würde. Einen umfassenderen Überblick zu den relevanten prozessualen Problemen des Kommunalverfassungsstreites bietet dieser instruktive Beitrag.
Kontext
Die Entscheidung reiht sich nahtlos in die bereits bestehende Judikatur zu nachteiligen Folgen durch die NPD-Mitgliedschaft ein. Das Urteil ist aufgrund der prozessualen sowie materiellrechtlichen Hürden als enorm examensrelevant zu bezeichnen und wird ganz sicher in nächster Zeit Gegenstand von Klausuren des ersten sowie des zweiten Staatsexamens sein. Aus diesem Grunde sei – wie Eingangs bereits erwähnt – ausnahmsweise die Lektüre der Entscheidungsgründe im Volltext empfohlen.
Um sich mit dem breiten Kontext der übrigen examensrelevanten Entscheidungen in diesem Zusammenhang vertraut zu machen, sei zudem die Lektüre der folgenden weiterführenden Artikel sehr empfohlen:

  • Entzug einer Waffenbesitzkarte wegen NPD-Mitgliedschaft
  • Kündigung im öffentlichen Dienst wegen NPD-Mitgliedschaft
  • Gleichbehandlung bei Ausübung des Hausrechts gegen ein NPD-Mitglied
  • Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfeger wegen NPD-Mitgliedschaft

19.08.2013/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-08-19 08:11:402013-08-19 08:11:40OVG Koblenz: NPD-Mitglied zu Recht aus Ausschuss abberufen
Dr. Christoph Werkmeister

VG Gera: Verweis aus Stadtratsitzung wegen Kleidung der Marke «Thor Steinar»

Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite

Das VG Gera hat mit Urteil vom 20.02.2013 (Az. 2 K 267/12 Ge) einen äußerst examensrelevanten Sachverhalt aus dem Gebiet des Kommunalrechts entschieden.
Nach dem Urteil des VG könne eine Person, die ihre rechtsextreme Gesinnung mit Kleidung einschlägiger Marken kundtue, nicht pauschal aufgrund dieser Kleidung einer Stadtratssitzung verwiesen werden. Es müsse vielmehr im jeweiligen Einzelfall abgewogen werden.

Im konkreten Fall ging es um die Jacke eines Geraer NPD-Stadtrates, an deren Ärmel das «Thor Steinar»-Label prangte. Dies müsse der Stadtrat tolerieren, entschieden die Richter. In einem anderen Fall trug ein Gast einer Stadtratssitzung ein T-Shirt der Marke «Ansgar Aryan» mit kriegsverherrlichendem Motiv. Er wurde des Saales verwiesen. Dieser Schritt sei angesichts des Motivs und seiner Größe gerechtfertigt, ließ das Gericht durchblicken, woraufhin die Klage zurückzogen wurde.

Wir berichteten bereits im Juni 2012 ausführlich zu dieser Problematik, weshalb die Lektüre des damaligen Beitrages zu vergleichbaren Rausschmissen im sächsischen Landtag unbedingt angeraten sei (siehe dazu hier). Interessant ist die Thematik insbesondere auch deshalb, weil der sächsische Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf den damaligen Fall von der Rechtmäßigkeit des Rauswurfs eines NPD-Mitglieds, das einschlägige Mode-Labels trug, ausging (siehe dazu SächsVerfGH, Beschluss vom 22. Juni 2012, Az. Vf. 58-I-12).

08.03.2013/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-03-08 17:00:222013-03-08 17:00:22VG Gera: Verweis aus Stadtratsitzung wegen Kleidung der Marke «Thor Steinar»
Dr. Christoph Werkmeister

BVerwG: Kommunalwahl in Dortmund muss wiederholt werden

Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Verfassungsrecht

Das Bundesverwaltungsgericht entschied vor kurzem über die Beschwerde von zwei SPD-Ratsherren gegen eine Entscheidung des OVG in Münster. Das OVG hatte ausgesprochen, dass die Dortmunder Kommunalwahl von 2009 wiederholt werden müsse. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtete sich die Beschwerde zum BVerwG, die nunmehr abgewiesen wurde. Damit ist das Urteil des OVG Münster aus dem Dezember 2011 rechtskräftig (s. zum ganzen auch hier).
Die nunmehr rechtskräftige Entscheidung des OVG ist äußerst examensrelevant, da in diesem Kontext die wohl bekannten Wahlrechtsgrundsätze in einem ungewöhnlichen Gewand abgeprüft werden können. Wir berichteten bereits ausführlich zu dieser Entscheidung, so dass an dieser Stelle lediglich ein Verweis auf unseren Beitrag vom Dezember 2011 erfolgt.

19.05.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-05-19 08:11:342012-05-19 08:11:34BVerwG: Kommunalwahl in Dortmund muss wiederholt werden
Dr. Christoph Werkmeister

Rezension: Dietlein/Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 4. Auflage 2011

Rezensionen, Verschiedenes

Dietlein/Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 4. Auflage 2011, Verlag C.H. Beck, ISBN: 978-3-406-62761-3, Verkaufspreis 29,90 €
Das hier rezensierte Werk versteht sich als landesspezifisches Kompendium, das auf gut 600 Seiten die drei examensrelevanten Bereiche des besonderen Verwaltungsrechts abdecken soll. Darüber hinaus enthält das Werk einen Abschnitt zum (weniger examensrelevanten) Landesverfassungsrecht. In den Augen des Rezensenten ist das Werk durchaus sehr gelungen, jedoch nicht in jedem Stadium des Studiums sinnvoll einsetzbar.
Inhalt
Neben der Besonderheit, dass spezifisch das Landesrecht NRW besprochen wird, gilt es die Aktualität des Lehrbuchs zu loben. Das JustizG NRW sowie die kürzliche Polizeirechtsreform sind im Lehrbuch berücksichtigt. Zudem fanden äußerst aktuelle Entscheidungen Eingang in das Buch.
Inhaltlich fällt zunächst einmal auf, dass gut 120 der knapp 620 Seiten einen Abschnitt zum Landesverfassungsrecht ausmachen. Für das Examen sind die dort geschilderten Ausführungen nicht zwingend notwendig. Wer also schnell auf die relevanten Rechtsgebiete springen möchte, sollte diesen Teil überspringen. Ich persönlich fand den Abschnitt zur Landesverfassung NRW allerdings äußerst interessant und sogar für Klausuren hilfreich. Zumindest diejenigen Kandidaten, die bereits Grundkenntnisse in den Gebieten des besonderen Verwaltungsrechts und des Verfassungsrechts vorweisen können, erwerben in diesem Abschnitt sinnvolles Grundlagenwissen. Ohne entsprechendes Vorwissen halte ich die Lektüre dieses Abschnitts für verfehlt, da dies wohl mehr Verwirrung als Erkenntnis bringen wird.
Der Abschnitt zum Kommunalrecht baut anschließend auf den zuvor gewonnenen Erkenntnissen auf und vertieft zunächst die verfassungsrechtlichen Wurzeln des Kommunalrechts. Die Einleitung in das Rechtsgebiet fällt umfassend aus, bietet jedoch für den bereits vorbereiteten Leser erneut sinnvolles Hintergrundwissen. Sodann werden viel diskutierte kommunalrechtliche Fragestellungen erörtert. Dies erfolgt in prägnanter Form. klausurmäßige Aufbaufragen, wie sie etwa bei den Skripten namhafter Repetitoren zu finden sind, werden in diesem Werk konsequent auch nur vereinzelt und äußerst knapp dargestellt. Für mich persönlich war eine solche Darstellung gelungen, da sich die Probleme und Rechtssysteme so schnell erfassen ließen. Für jemanden, der sich das Gebiet allerdings erst erschließen möchte und insbesondere auch in der Klausurbearbeitung noch nicht erfahren ist, wird eine solche Art der Darstellung wohl regelmäßig zu knapp sein.
Die Abschnitte zum Polizei- und Baurecht ähneln dem kommunalrechtlichen Abschnitt sehr. Zu Beginn findet sich stets eine etwas breitere Einleitung in die Materie, die vertiefenden Background zu den jeweiligen Rechtsgebieten bietet. Derjenige, der lediglich wissen möchte, wie er die Klausur in diesen Rechtsgebieten am sinnvollsten bearbeitet, wird diese Einleitungen wohl erneut überspringen, um direkt zu den Rechtsproblemen zu gelangen.
Insgesamt lässt sich zu allen Abschnitten wohl sagen, dass die jeweiligen Ausführungen wohl knapper sind als die meisten vergleichbaren Lehrbücher, die jeweils explizit nur eines der Rechtsgebiete abdecken. M.E. enthalten diese Abschnitte dennoch alles, was für das Examen in den großen Gebieten des besonderen Verwaltungsrechts zu wissen ist. Klausurtaktik und vertiefende prozessuale Betrachtungen können angesichts der Kürze der Abschnitte natürlich nicht in umfassender Länge erwartet werden.
Lesbarkeit
Der optische Stil des Buches wirkt etwas altbacken, lässt sich jedoch gleichwohl angenehm lesen. Zum Schreibstil gilt es zu sagen, dass das Werk in dieser Hinsicht in allen Abschnitten äußerst gelungen ist. Sofern entsprechende Vorkenntnisse vorhanden sind, lässt sich das ganze wie ein einfacher Roman runterlesen und die wichtigsten Normstrukturen und Besonderheiten können stets schnell erfasst werden.
Fazit
In meinen Augen ist das Werk von Dietlein/Burgi/Hellermann eine perfekte Wahl für diejenigen Examenskandidaten, die bereits einige Vorkenntnisse in den drei Rechtsgebieten des Kommunal-, Polizei- und Baurechts gesammelt haben. Für eine erste Einführung in die Dogmatik und insbesondere für die Handhabe in der Klausur halte ich leichtere Kost (wie etwa die Werke der bekannten Repetitoren) zunächst für angemessen. Angesichts des geringen Preises spricht m.E. allerdings nichts dagegen, dass zunächst der Beginn der Examensvorbereitung im öffentlichen Recht mit anderen Werken eröffnet und dass sodann in einem zweiten Durchlauf das Werk von Dietlein/Burgi/Hellermann durchgelesen wird. Die bereits erarbeiteten Kenntnisse werden sich durch das Wiederholen der Materie setzen und gleichzeitig wird das Wissen an vielen Stellen vertieft. Da sich das Buch wirklich gut und einfach lesen lässt, wird ein solcher zweiter Durchgang der Rechtsgebiete auch nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen, so dass die Investition auch in Zeiten immer kürzer werdender Examensvorbereitungen sinnvoll ist.

20.10.2011/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-10-20 21:08:082011-10-20 21:08:08Rezension: Dietlein/Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 4. Auflage 2011
Dr. Christoph Werkmeister

Kommunalrecht: Stadtrat will NPD-Mitglied Babic ausschließen

Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Tagesgeschehen

Das aktuelle Tagesgeschehen bringt dieses mal einen Fall zum Vorschein, der sich ideal für das Abfragen kommunalrechtlicher Grundsätze in der mündlichen Prüfung eignet. Dem ganzen liegt der folgende Sachverhalt zugrunde (Quelle SWR.de):

Trier: Stadtrat will NPD-Mitglied Babic ausschließen
Der Stadtrat wird das wegen Körperverletzung verurteilte NPD-Mitglied Safet Babic aus dem Rat ausschließen. Darauf haben sich die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen, FWG und FDP sowie Oberbürgermeister Klaus Jensen (SPD) am Montag verständigt. Das Landgericht Trier hatte Babic im Dezember vergangenen Jahres wegen Körperverletzung zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Nach Überzeugung der Richter hatte er zusammen mit anderen Gesinnungsgenossen einen Studenten krankenhausreif geschlagen. Dieser hatte NPD-Wahlplakate abgerissen. Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof die Revision abgelehnt hat. Babic will seine Verurteilung aber noch vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen.

Ausschluss aus dem Stadtrat möglich?
In kommunalrechtlicher Hinsicht stellt sich deshalb die Frage, ob ein solcher Ausschluss aus dem Stadtrat denn überhaupt möglich ist. Bekannter sind die Fälle, wo es um den Ausschluss eines Stadtrats-Mitglieds aus einer (oder künftiger) Sitzungen geht. Die Kompetenz des Bürgermeisters für solche Fälle findet sich für NRW etwa in § 51 Abs. 1 GO NRW. Da sich der hier vorliegende Sachverhalt in einem Stadtrat in  Rheinland Pfalz abspielt, ist jedoch deren entsprechende Gemeindeordnung heranzuziehen. In der GO RLP findet sich für die hier diskutierte Konstellation tatsächlich eine passende Vorschrift. § 31 GO RLP lautet nämlich wie folgt:

§ 31 Ausschluß aus dem Gemeinderat

(1) Ein Ratsmitglied, das nach seiner Wahl durch Urteil eines deutschen Strafgerichts rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt wird, kann durch Beschluß des Gemeinderats aus dem Gemeinderat ausgeschlossen werden, wenn es durch die Straftat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt hat. Der Gemeinderat kann den Beschluß nur innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verurteilung Kenntnis erhalten hat, fassen. Der Bürgermeister hat den Gemeinderat zu unterrichten, sobald er von der Verurteilung Kenntnis erlangt.

(2) Wer durch Wort oder Tat die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung für Rheinland-Pfalz bekämpft, ist der Stellung eines Ratsmitglieds unwürdig. Der Gemeinderat hat in diesem Falle über den Ausschluß zu beschließen; der Beschluß soll innerhalb eines Monats, nachdem der Gemeinderat von dem Vorgang Kenntnis erhalten hat, gefaßt werden. Absatz l Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Beschließt der Gemeinderat den Ausschluß eines Mitglieds, so scheidet dieses vorläufig aus. Die Ersatzperson wird nach dem Kommunalwahlgesetz bestimmt. Sie tritt ihr Amt jedoch erst an, wenn der Ausschluß unanfechtbar geworden ist.

(4) Gegen die Beschlüsse des Gemeinderats nach den Absätzen l und 2 kann Klage beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Das Vorverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung entfällt.

Keine Regelung in NRW?
In NRW hingegen findet sich keine entsprechende Regelung in der GO NRW. Aus diesem Grund gilt es zu fragen, ob mittels Auslegung eine entsprechende Kompetenz des Rates für einen Ausschluss eines Mitglieds ermittelt werden kann. Die Arbeitsfähigkeit des Rates (geregelt in §§ 40 ff. GO NRW) wäre jedenfalls beeinträchtigt, sofern Mitglieder beiwohnen, die zu regelmäßigen Verstößen gegen ihre ratsmäßigen Pflichten (§ 43 GO NRW) tendieren. § 43 Abs. 1 GO NRW sieht insbesondere vor, dass die Ratsmitglieder in ihrer Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz handeln.
Andererseits gilt es zu berücksichtigen, dass das Mitglied die Position durch freie, geheime und gleiche Wahl entsprechend des KommunalwahlG NRW erlangt hat und demnach eine gewisse demokratische Legitimation genießt. Zudem sieht § 43 Abs. 1 GO NRW auch vor, dass die Mandatsträger an Weisungen nicht gebunden sind. Überdies kann der geregelte Arbeitsablauf im Rat bereits durch probate Mittel wie den Sitzungsausschluss (§ 51 Abs. 1 GO NRW) gesichert werden. Dies insbesondere auch deshalb, weil ein Ausschluss für künftige Sitzungen möglich ist.
Ein weiteres systematisches Argument besteht darin, dass die GO NRW für Fraktionen durchaus die Möglichkeit des Ausschlusses anerkennt (vgl. § 56 Abs. 2 S. 3 GO NRW). Es erscheint somit fraglich, weshalb eine so gewichtige Rechtsfrage wie die des Mandatsverlust keinerlei Kodifizierung innerhalb der GO NRW erhält. Die Systematik der GO NRW, die keine Regelung zum Mandatsentzug vorsieht, spricht aus diesen Gründen dafür, dass ein solch drastisches Mittel gerade nicht vorgesehen sein soll.
§ 37 KommunalwahlG NRW kann ebenso für eine solche Argumentation herangezogen werden:

§ 37 KWahlG(Gesetz) – Landesrecht Nordrhein-Westfalen – Mandatsverlust
Ein Vertreter verliert seinen Sitz
1. durch Verzicht,
2. durch nachträglichen Verlust der Wählbarkeit,
3. durch ein Parteiverbot gemäß Artikel 21 des Grundgesetzes, durch eine Entscheidung nach Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes und durch eine Entscheidung nach Artikel 32 Abs. 2 der Landesverfassung (§ 46 Abs. 1 und 3),
4. durch Ungültigkeit seiner Wahl gemäß einer Entscheidung im Wahlprüfungsverfahren,
5. durch nachträgliche Feststellung eines Hindernisses für die gleichzeitige Zugehörigkeit zu einer Vertretung (§ 13 Abs. 3 Satz 2 und 3, Abs. 4 und Abs. 6 Satz 3),
6. durch Annahme der Wahl zum Bürgermeister oder Landrat der Gebietskörperschaft, deren Vertretung er angehört.

Dieser Katalog lässt im Sinne der obigen Argumentation darauf schließen, dass die hier genannten Gründe als abschließend zu verstehen sind. Andererseits lässt sich gegen dieses systematische Argument vorbringen, dass Situationen außerhalb der in § 37 KommunalwahlG NRW genannten Fälle denkbar sind, in denen ein Mandatsträger schlicht nicht für den Rat tragbar ist und aus diesem Grund auch keine Mitgliedschaftsrechte aus der GO NRW genießen soll. Die vorher diskutierte Systematik lässt bei Anerkennung einer solchen Kompetenz allerdings darauf schließen, dass diese nur in extremen Fällen bei Vorliegen eines qualifizierten wichtigen Grundes möglich sein kann. Dies könnte etwa der Fall sein bei wiederholten strafrechtlichen Verurteilungen.
Ob eine einmalige strafrechtliche Verurteilung wegen eines Körperverletzungsdelikts dafür ausreicht, müsste sodann im Einzelfall begutachtet werden. Im vorliegenden Sachverhalt ereignete sich das Delikt zumindest im engen Zusammenhang mit den Kommunalwahlen, so dass ein wichtiger Ausschlussgrund in diesem Sinne u.U. vorliegen könnte. Zu berücksichtigen ist zudem die Dauer einer Haftstrafe. Eine längere Haftstrafe führt im Ergebnis nämlich dazu, dass das Ratsmitglied seiner Mandatsarbeit zumindest nicht mehr vollkommen effektiv nachgehen kann. Zu beachten ist allerdings, dass der Ausschluss wirklich ultima ratio darstellen sollte. Der vollständige Ausschluss kommt somit  nur dann in Frage, wenn die in der GO NRW vorhandenen Mittel nicht mehr ausreichen, um der Situation Herr zu werden.
Prüfungsaufbau
Prüfungsmäßig zu verorten wäre der hier vorliegende Problempunkt im Übrigen bei der Frage, ob eine taugliche Ermächtigungsgrundlage vorliegt, die einem etwaigen Beschluss des Rates zugrunde liegt.
Ergebnis: Einiges ist vertretbar
Bei dieser Einschätzung der rechtlichen Lage in NRW handelt es sich um meine persönliche Ansicht. Der Beitrag soll nur zeigen, dass es in der mündlichen Prüfung (und auch den Klausuren) nicht darauf ankommt, die richtige Lösung zu finden. Wichtig ist es lediglich, mittels Argumenten eine interessengerechte Lösung aufzubereiten.

16.08.2011/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-08-16 10:37:572011-08-16 10:37:57Kommunalrecht: Stadtrat will NPD-Mitglied Babic ausschließen

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