BAG: Kündigung im öffentlichen Dienst wegen NPD-Mitgliedschaft?
Gestern hat das BAG über die Zulässigkeit der Kündigung eines im öffentlichen Dienst tätigen NPD-Mitglieds geurteilt (v. 6.9.2012 – 2 AZR 372/11, hier die Pressemitteilung, auf der diese Nachricht basiert).
I. Sachverhalt (gekürzt und abgewandelt)
A ist Mitglied der NPD […] und seit dem Jahr 2003 in der Finanzverwaltung des Landes X tätig. „Er war in einem Versandzentrum für die Planung, Steuerung und Überwachung von Druckaufträgen zuständig. Dabei […] hatte er Zugriff auf personenbezogene, dem Steuergeheimnis unterliegende Daten der Steuerpflichtigen. In seiner Freizeit verbreitete er mittels elektronischer „Newsletter“ Informationen zu Treffen und Veranstaltungen eines NPD-Kreisverbands und der JN sowie Rundbriefe verschiedener Art. Im Jahr 2009 verschickte er einen Aufruf zur Teilnahme an einer Demonstration in Halle/Saale. Unter der Überschrift „17. Juni – Ein Volk steht auf und kämpft sich frei – Zeit einen neuen Aufstand zu wagen!“ heißt es darin, auch die „BRD“ könnte „Angst davor haben“, das Volk könne sich eines Tages erneut „gegen den Alles über Alles raffenden und volksverratenden Staat erheben“. Falls „die bürgerliche Revolution“ erfolgreich wäre, könne es „gut möglich“ erscheinen, dass „diesmal … Tode nicht bei den Demonstranten, sondern bei den etablierten Meinungsdiktatoren zu verzeichnen (wären). – Dem Volk wär´s recht“. Die Passage endet mit der Aussage: „Hoffen wir mal, die nächste Revolution verläuft erfolgreicher. In diesem Sinne: Volk steh auf, kämpf dich frei!““
II. Klausurlösung
1. Prozessuale Situation: Kündigungsschutzklage
Regelmäßig wird die Entscheidung in der Klausur im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzklage geprüft werden, weil dies wegen der materiell-rechtlichen Präklusion gem. §§ 4 S. 1, 7 KSchG beinahe die einzige Situation ist, in der sich in der Praxis die Frage nach der Wirksamkeit der Kündigung stellen wird.
Für Kündigungsschutzklagen gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln der ZPO (§ 46 II S. 1 ArbGG), die durch das ArbGG modifiziert werden. Die Kündigungsschutzklage ist nach ganz hM eine Feststellungsklage (§ 256 ZPO i.V.m. § 46 II S. 1 ArbGG – vgl. nur BAG (GS) NJW 1985, 2968). Abweichend von § 256 ZPO ist ihr Gegenstand allerdings nicht das Bestehen eines Rechtsverhältnis festzustellen, sondern lediglich, ob es durch die streitgegenständliche Kündigung beendet wurde. Man spricht insofern von dem „punktuellen Streitgegenstand“ der Klage (MüKoBGB/Hergenröder, 5. Aufl 2009, § 4 KSchG Rn 15). Dieser erklärt sich daraus, dass nach § 4 S. 1 KSchG Gegenstand der Klage die Wirksamkeit einer Willenserklärung ist. Selbstverständlich kann daneben eine „normale“ Feststellungsklage (§ 256 ZPO i.V.m. § 46 II S. 1 ArbGG) erhoben werden, um zusätzlich auch positiv festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis noch besteht. Das Feststellungsinteresse für die Kündigungsschutzklage folgt immer schon daraus, dass sie erforderlich ist, um den Eintritt der materiellen Präklusion nach §§ 4 S. 1, 7 KSchG zu verhindern. Auch gegen eine außerordentliche Kündigung, die sich im Übrigen nur nach den Regeln des BGB richtet (§ 13 I S. 1 KSchG), muss Kündigungsschutzklage nach § 4 S. 1 KSchG erhoben werden, um den Eintritt der materiellen Präklusion zu verhindern, §§ 13 I S. 2, 4 S. 1,7 KSchG.
Schema Kündigungsschutzklage:
A. Zulässigkeit
I. Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, § 2 I Nr. 3 b) ArbGG
II. Zuständigkeit (sachlich: § 8 I ArbGG; örtlich: § 46 II ArbGG i.V.m. §§ 12 ff ZPO)
III. Partei-, Prozess-, Postulationsfähigkeit (§ 46 II ArbGG i.V.m. §§ 50 ff ZPO;
§ 11 ArbGG)
IV. Klageart: Feststellungsklage, punktueller Streitgegenstand
V. Besonderes Feststellungsinteresse: §§ 4,7 KSchG
VI. Form, § 46 II ArbGG i.V.m. § 253 ZPO
B. Begründetheit
2. Begründetheit: Wirksamkeit der Kündigung
Schema Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung
I. wirksame Erklärung der Kündigung, insbesondere
1. Schriftform, § 623 BGB
2. Stellvertretung
3. Zugang
II. Keine materielle Präklusion, §§ 4, 7 KSchG
III. Kein Ausschluss der ordentlichen Kündigung (individual- oder tarifvertraglich)
IV. Kein Sonderkündigungsschutz (Mütter, Schwerbehinderte etc.)
V. Beteiligung des Betriebsrats, § 102 BetrVG
VI. Unwirksamkeit wegen fehlender sozialer Rechtfertigung, § 1 I KSchG?
1. Anwendbarkeit des KSchG (zeitlich: § 1 I KSchG, sachlich: § 23 KSchG)
2. Vorliegen eines Kündigungsgrundes (§ 1 II S. 1 KSchG)
– Verhaltensbedingte Gründe
– Personenbedingte Gründe
– Betriebsbedingte Gründe
3. Interessenabwägung (Verhältnismäßigkeitsprinzip, insb. Ultima-Ratio-Prinzip)
VII. Rechtsfolge: Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der Kündigungsfrist (§ 622 BGB)
Der Schwerpunkt des Falles liegt dann bei der Frage, ob die Kündigung materiell wirksam ist. Hier wurde lediglich „ordentlich“, d.h. gem. § 622 BGB gekündigt. Anders als nach allgemeinem Zivilrecht bedarf auch diese ordentliche Kündigung im Arbeitsrecht regelmäßig gemäß § 1 I und II KSchG eines rechtfertigenden Grundes, wobei die Anwendungsgrenzen des KSchG in zeitlicher (§ 1 I KSchG) und sachlicher Hinsicht (§ 23 KSchG) zu beachten sind. Der vom BAG entschiedene Fall spielte sicher im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzrechts.
a) Vorliegen eines Kündigungsgrundes
In der Klausur wird das Vorliegen eines Kündigungsgrundes immer einen Schwerpunkt darstellen, gerne werden dann noch etwa im Bereich des Zugangs der Kündigung oder der Form Probleme des BGB AT abgeprüft. Die Kündigungsgründe können im Anschluss an § 1 II KSchG unterschieden werden zwischen personen-, verhaltens- und betriebsbedingten Gründen.
In dem vom BAG entschiedenen Fall wären sowohl an eine verhaltens- als auch an eine personenbedingte Kündigung zu denken. Diese sind im Gutachten (und anders als das BAG es tat) regelmäßig abzugrenzen, denn beide Gründe schließen sich logisch aus. Der Unterschied zwischen der verhaltens- und personenbedingten Kündigung liegt darin, dass dem Arbeitnehmer die Leistungsstörung bei ersterer vorwerfbar ist (ErfK/Oetker, 11. Aufl 2011, § 1 KSchG Rn 99, 188; Ascheid/Preis/Schmidt-Dörner Kündigungsrecht, 3. Aufl 2007, § 1 KSchG Rn 266). Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Handlungsweise, die zu einer Leistungsstörung führt, von dem Arbeitnehmer steuerbar ist (vgl. Hoyningen-Huene/Linck KSchG, 14. Aufl 2007, § 1 KSchG Rn 461; MüKoBGB/Hergenröder, 5. Aufl 2009, § 1 KSchG Rn 136; ErfK/Oetker, 11. Aufl 2011, § 1 KSchG Rn 188). Demgegenüber ist Voraussetzung für eine personenbedingte Kündigung, dass der Arbeitnehmer auf Grund persönlicher Fähigkeiten, Eigenschaften oder nicht vorwerfbarer Einstellungen nicht mehr in der Lage ist, künftig eine vertragsgerechte Leistung zu erbringen (BAG NJW 2007, 1901; BAG NJW 1990, 2953; BAG NZA 1989, 464).
aa) Vorliegen einer Vertragsverletzung / Leistungsstörung
Zunächst muss man hier also herausarbeiten, dass eine Vertragsverletzung vorliegt. Da der Arbeitnehmer in der Freizeit gehandelt hat, kommt nur eine Verletzung von Nebenpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Aus der Natur des Arbeitsverhältnisses als traditionell „personenrechtliches Näheverhältnis“ leitet die Rechtsprechung auch gewisse Loyalitätspflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber im privaten Bereich ab (vgl. ErfK/Preis, § 611 Rn. 734). Ob eine solche vorliegt, ist aber im Einzelfall anhand der Auslegung des Arbeitsvertrages gem. §§ 133, 157 BGB unter besonderer Berücksichtigung der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) zu ermitteln. Nach der inzwischen auch im Arbeitsrecht allgemein anerkannten Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte ist ihre Ausstrahlungswirkung insbesondere auch bei der Auslegung zivilrechtlicher Verträge zu beachten. Die Auslegung erfolgt nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der als Generalklausel klassiches Einfallstor für Grundrechte ist.
Beachte: Wegen der Grundrechtsrelevanz des Verhaltens des Arbeitnehmers findet schon bei der durch Auslegung zu beantwortenden Frage, ob überhaupt eine Vertragsverletzung vorliegt, bereits eine Abwägung statt. Diese ist zu trennen von der Interessenabwägung, die zusätzlich noch nach Feststellung einer solchen Vertragsverletzung folgen muss, um die Rechtmäßigkeit der Kündigung zu begründen (vgl. obiges Schema).
Welche Loyalitätspflichten gegenüber dem Staat bestehen, ist besonders problematisch. In der Literatur (etwa ErfK/Preis, § 611 Rn. 734) ist es zwar selbstverständliche Pflicht, den Ruf des Unternehmens nicht zu schädigen. Dies lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres auf den Staat übertragen, weil dies dazu führen würde, dass staatlichen Beschäftigten politische Betätigung jedenfalls kaum noch möglich wäre. Das würde schwerwiegend in seine Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und in seine Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG eingreifen. Deshalb ist nicht jede, auch nicht harte Kritik des Staates, per se unzulässig. Andererseits ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass das Ansehen des Staates durch seine Repräsentanten nicht in den „Schmutz“ gezogen werden darf. Bei Lehrern kommt außerdem noch hinzu, dass sie schon aus Gründen des Schutzes ihrer Schüler jedenfalls im Dienst zu politischer und auch religiöser Neutralität in relativ großem Umfang verpflichtet sind.
Zu den hier geltenden Maßstäben führt das BAG aus:
„Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes müssen ein bestimmtes Maß an Verfassungstreue aufbringen. Welchen Anforderungen sie insoweit unterliegen, richtet sich nach ihrer vertraglich geschuldeten Tätigkeit und der Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers. Mitgliedschaft in und Aktivitäten für die NPD oder ihre Jugendorganisation (JN) stehen regelmäßig nicht schon als solche einer Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst entgegen, selbst wenn man die Verfassungsfeindlichkeit der Organisationen – nicht ihre nur vom Bundesverfassungsgericht festzustellende Verfassungswidrigkeit – unterstellt. Allerdings dürfen auch Beschäftigte, die keiner „gesteigerten“, beamtenähnlichen Loyalitätspflicht unterliegen, nicht darauf ausgehen, den Staat oder die Verfassung und deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Entfaltet ein Arbeitnehmer – und sei es nur außerdienstlich – Aktivitäten dieser Art, kann dies ein Grund für eine Kündigung durch seinen Arbeitgeber auch dann sein, wenn das Verhalten nicht strafbar ist.“
Dass die Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei wie der NPD nicht als Vertragsverletzung angesehen werden kann, folgt schon aus Art. 21 Abs. 2 GG, wonach über die Verfassungswidrigkeit von Parteien ausschließlich das BVerfG entscheidet. Auch sonst darf jedenfalls der Staat auch in seiner Rolle als Arbeitnehmer nicht nach politischen Anschauungen diskriminieren (Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG). Dies folgt mittelbar auch aus Art. 33 GG, denn die politische Anschauung ist kein dort genanntes erlaubtes Einstellungskriterium. Deshalb ist im Prinzip auch nicht zu beanstanden, wenn ein Mitarbeiter im öffentlichen Dienst rechtsextreme Ansichten hat.
Auch diese Grundsätze werden wiederum durch verfassungsimmanente Schranken begrenzt. So ist das Interesse des Arbeitgebers daran, dass sein Ruf nicht geschädigt werde, bei privaten Arbeitgebern durch Art. 12 GG geschützt, beim Staat folgt dies implizit aus dem Gesamtzusammenhang des Grundgesetzes und auch aus einer Pflicht zur politischen Neutralität. Letztere kann durch die Wahrnehmung staatlicher Angestellter als Proponnenten rechtsextremer Positionen gefährdet sein. Auch das Funktionieren der staatlichen Verwaltung als Ganzes setzt zumindest in weiten Teilen ein gewisses Mindestbekenntnis zu der staatlichen Grundordnung voraus. Ansonsten droht die Unterwanderung und Zersetzung der Verwaltungsstrukturen von innen heraus, was langfristig ihr Funktionieren in Frage stellt.
In diesem Sinne verlangt die Rspr. entsprechend ein „Mindestmaß an Verfassungstreue“, dass der Arbeitnehmer gegenüber Staat und Verfassung nur eine gleichsam neutrale Haltung einnimmt und – insbesondere im Unterricht – die Grundwerte der Verfassung nicht in Zweifel stellt (vgl. BAG NJW 1983, 779, 781f.).
„Im Gesamtkontext der Äußerungen treten die Verfasser des Demonstrationsaufrufs für einen gewaltsamen Umsturz ein. Eine andere Deutung erscheint nicht möglich. Der Kläger hat sich den Inhalt des Aufrufs zumindest dadurch zu eigen gemacht, dass er ihn weiterverbreitete. Sein Vorgehen macht deutlich, dass er das auch ihm abzuverlangende Mindestmaß an Verfassungstreue nicht aufbringt. Die Kündigung ist jedenfalls aus Gründen in seiner Person gerechtfertigt.“
Damit liegt nach dem BAG eine Vertragsverletzung vor. In der Klausur sollte man hier freilich einen Schwerpunkt legen und ausführlich auf den geschilderten Sachverhalt eingehen. Insbesondere kann man das Verhalten im konkreten Fall mit vielleicht noch erlaubter Wahlwerbung z.B. für Landtagskandidaten der NPD kontrastieren. Während es dort um die grundgesetzlich stark geschützte (Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG!) Freiheit geht, politische Anschauungen zu haben und sich zu betätigen, zielt das Handeln des A vorliegend auf die Abschaffung gerade des demokratischen, freiheitlichen Rechtsstaates ab. In der Abwägung sollte man auch darauf hinweisen, dass die Position des Arbeitnehmers durchaus eine Rolle spielt. Für exponierte Amtsträger müsste man strengere Maßstäbe anlegen.
bb) Verhaltens- oder Personenbedingt?
Sodann kann man diskutieren, ob es sich um einen verhaltens- oder personenbedingten Kündigungsgrund handelt. Das BAG hat „jedenfalls“ letzteres angenommen, die Frage aber wohl offen gelassen. Ich halte aber auch die Annahme eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes für möglich. Wenn man erst in der Auslegung des Pflichtenkanons lang und breit abwägt, was zumutbar ist für den Arbeitnehmer, so ist es dann nur konsequent, seine Nichteinhaltung des Vertrages auch für steuerbar und damit vorwerfbar zu halten. Er wird schließlich im Zweifel nicht vortragen, ihm sei es unmöglich, rechtsextreme Äußerungen zu unterlassen.
Wofür man sich entscheidet, ist wichtig insbesondere für die Frage, ob im Rahmen der Interessenabwägung eine vorherige Abmahnung des Arbeitnehmers zu fordern ist. Eine solche macht natürlich nur Sinn, wenn er die Möglichkeit hat, sein Verhalten zu ändern.
Gerade deshalb kann es übrigens für den Arbeitnehmer sogar günstiger sein, einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund anzunehmen. Daher bin ich mir nicht sicher, ob das Vorgehen des BAG, jedenfalls eine personenbedingte Kündigung zuzulassen, wirklich überzeugend ist.
b) Interessenabwägung
Ebenso wie bei der außerordentlichen Kündigung reicht jedoch die Feststellung, dass eine personen- oder verhaltensbedingte Leistungsstörung vorliegt, noch nicht aus, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Ebenso wie dort bedarf es zusätzlich einer umfassenden Interessenabwägung, um festzustellen, ob die konkrete Leistungsstörung die Kündigung rechtfertigt.
Hier kann man insbesondere abwägen, wie häufig derartige Verletzungen vorgekommen sind, welche sonstigen Leistungen der Arbeitnehmer vorzuweisen hat oder ob abgemahnt wurde. Auch seine relativ wenig „sensible“ Position kann hier noch zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Dennoch ist das BAG wohl auch hier der Ansicht gewesen, dass die Kündigung gerechtfertigt war. Ich halte das im Hinblick auf die schwere Schädigung auch für gut vertretbar.
III. Exkurs: Als außerordentliche Kündigung
Häufig wird in solchen Fällen der Arbeitgeber zunächst außerordentlich kündigen, da er dann keine Kündigungsfrist (vgl. §§ 626, 622 BGB) einhalten muss. Allgemein geregelt hat der Gesetzgeber die außerordentliche Kündigung in § 314 BGB, der jedoch für Arbeitsverhältnisse durch den spezielleren § 626 BGB verdrängt wird. Die außerordentliche Kündigung setzt voraus, dass ein wichtiger Grund vorliegt, der die Weiterführung des Dauerschuldverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist unzumutbar macht. Anders als die ordentliche Kündigung ist sie also nicht fristgebunden, sondern erlaubt die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses. Nach allgemeinem Zivilrecht unterscheidet sie sich ferner dadurch von der ordentlichen Kündigung, dass nur sie eines Kündigungsgrundes bedarf.
Dieser Frage nähert man sich entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes (§§ 314 I, 626 I BGB) und der Rspr. des BAG (BAG NJW 1985, 284; ErfK/Müller-Glöge § 626 BGB Rn 15 ff) in einem zweistufigen Vorgehen: Zunächst ist zu untersuchen, ob Tatsachen vorliegen, die „an sich“, also abstrakt-generell die Annahme eines wichtigen Grundes rechtfertigen können. Sodann ist im konkreten Fall in einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen, ob die Kündigung unter Würdigung aller Umstände des konkreten Falls gerechtfertigt ist. Hierbei ist insbesondere darzulegen, wieso dem Arbeitgeber noch nicht einmal das Abwarten des Ablaufs der regulären Kündigungsfrist zumutbar ist. Inhaltlich können jedoch die obigen Ausführungen übernommen werden.
Es bietet sich an, die Prüfung nach folgendem Schema aufzubauen:
I. wirksame Erklärung der Kündigung, insbesondere
1. Schriftform, § 623 BGB
2. Stellvertretung
3. Zugang
II. Keine materielle Präklusion, §§ 4, 7 KSchG
III. kein Sonderkündigungsschutz (Mütter, Schwerbehinderte etc.)
IV. Beteiligung des Betriebsrats, § 102 I, II S. 3 BetrVG
V. Vorliegen eines wichtigen Grundes, § 626 I BGB
1. „an sich“ wichtiger Grund
2. umfassende Interessenabwägung (Prognoseprinzip, ultima ratio-Prinzip, ggf. Abmahnung)
VI. Kündigungserklärungsfrist, § 626 II BGB
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