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Schlagwortarchiv für: Gleichheit

Tom Stiebert

Aus 5 mach 3? – Zur Verfassungsmäßigkeit der geplanten Dreiprozentklausel bei Europawahlen

Aktuelles, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

In den letzten Tagen machte ein Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen die Runde, dem jetzt auch die SPD-Fraktion zustimmen will: Es geht um die Einführung einer Dreiprozentklausel bei Europawahlen. Ausgangspunkt ist ein Urteil des BVerfG vom 9.11.2011 – Az. 2 BvC 4/10, 2 BvC 6/10, 2 BvC 8/10, das die bis dahin bestehende Fünfprozentklausel für verfassungswidrig erklärt hatte. Wir hatten darüber ausführlich berichtet.
Berücksichtigt man dies, stellt sich die berechtigte Frage nach der Verfassungswidrigkeit des neuen Gesetzes. Kann es so einfach sein, dass eine bloße Änderung des Zahlwerts zu einer Verfassungsmäßigkeit der Regelung führt? Um diese Frage zu beantworten, muss das Urteil des BVerfG näher betrachte werden.
I. Verletzung der Gleichheit der Wahl
Unumstritten ist, dass sowohl eine Fünf- als auch eine Dreiprozentklausel gegen die Gleichheit der Wahl verstoßen. Bei der Europawahl ist dieser Grundsatz aus Art. 3 GG und nicht aus Art. 38 GG herzuleiten. Der Erfolgswert der Stimmen ist abhängig vom Überspringen der Fünf- bzw. Dreiprozenthürde.
II. Rechtfertigung
1. Strenger Maßstab des BVerfG
Fraglich ist aber, ob dieser Grundrechtsverstoß bei einer Dreiprozentklausel leichter gerechtfertigt werden kann. Es muss dafür ein sachlicher Grund vorliegen und der Eingriff muss geeignet und erforderlich sein. Bei der Fünfprozenthürde war dies nach Ansicht des BVerfG nicht der Fall, da als sachlicher Grund nur eine drohende schwerwiegende Funktionsstörung des Parlaments angeführt werden kann. Eine solche ist nicht ersichtlich. Außerdem fehlt auch die Wahl einer Regierung, so dass eine solche Klausel nicht notwendig ist.
Nimmt man diese Entscheidung so hin, so muss für eine Dreiprozentklausel Gleiches gelten. Dass der Eingriff hier weniger intensiv ist, vermag an der Beurteilung nichts zu ändern. Da ein sachlicher Grund fehlt, ist jede Differenzierung unzulässig. Negativ an dieser Ansicht ist aber, dass eine Differenzierung unterbleibt. Aus diesem Grund wäre eine 25%-Klausel ebenso wie eine 1%-Klausel unzulässig. Dies erscheint wenig überzeugend.
2. Abweichende Sondervoten
Fraglich ist aber, wie die Intensität des Eingriffs berücksichtigt werden kann. Helfen kann hier das Sondervotum dreier Richter im genannten Verfahren des BVerfG. Diese bejahten zwar auch einen Eingriff in die Gleichheitsgrundsätze der Wahl, prüften aber bei der Rechtfertigung zusätzlich die Intensität des Eingriffs. Je weniger intensiv der Eingriff sei, desto einfacher müsste die Rechtfertigung sein. Eine drohende schwerwiegende Funktionsstörung des Parlaments wird nicht stets für notwendig erachtet. Vielmehr reichen sachliche Gründe, wenn die Eingriffsintensität weniger stark ist. Durch 3 von 5 Richtern wurde bereits bei der Fünfprozentklausel eine solch hohe Intensität verneint. Deshalb ist es jetzt nicht unwahrscheinlich, dass noch mehr Richter dieser Ansicht zugeneigt sind und damit die Neuregelung für rechtmäßig halten.
III. Stellungnahme
Es erscheint damit nicht ausgeschlossen, dass die Richter des BVerfG aufgrund des geringeren Grades des Eingriffs im Rahmen einer Dreiprozentklausel einen Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit für gerechtfertigt halten. Sicher ist dies aber keineswegs. Mit dem Gesetzentwurf wird also ein sehr hohes Risiko eingegangen. Es droht die Gefahr, dass zum wiederholten Mal ein Wahlrechtsgesetz durch das BVerfG gecancelt wird.

22.05.2013/3 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-05-22 19:00:172013-05-22 19:00:17Aus 5 mach 3? – Zur Verfassungsmäßigkeit der geplanten Dreiprozentklausel bei Europawahlen
Tom Stiebert

Kein Wahlrecht für Menschenaffen…

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Verfassungsrecht, Verschiedenes

…die lto berichtetet kürzliche über eine kuriose Petition, die Menschenaffen das Wahlrecht erlauben sollte.
Auch wenn die Verneinung hier wenig überaschend war, so finden sich einige weitere interessante Probleme zum Wahlrecht:

  • Zum neuen Bundeswahlgesetz und der Vergrößerung des BT
  • Zum Wahlrecht von im Ausland lebenden Deutschen
  • Zur Verfassungswidrigkeit des (alten) BWahlG und möglichen Neuregelungen
  • Zur Fünfprozenthürde bei Landtagswahlen
  • Zu Problemen der Wahlkreiseinteilung
  • Zur Fünfprozenthürde bei der Europawahl
08.04.2013/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-04-08 15:19:162013-04-08 15:19:16Kein Wahlrecht für Menschenaffen…
Dr. Christoph Werkmeister

BVerfG zum Wahlrecht für im Ausland lebende Deutsche

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Verfassungsrecht

Das BVerfG entschied heute einen äußerst examensrelevanten Problemkreis (Az. 2 BvC 1/11). Es ging in der Sache darum, ob im Ausland lebende Deutsche wahlberechtigt sind. Gemäß § 12 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG) in seiner gegenwärtigen Fassung sind solche Deutsche nur dann wahlberechtigt, wenn sie vor ihrem Fortzug in das Ausland mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland gewohnt haben oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Diese Regelung erklärte das BVerfG für verfassungswidrig.
Historie
Das Sesshaftigkeitserfordernis hatte der Gesetzgeber in der Vergangenheit schrittweise gelockert. Die Wahlberechtigung von Auslandsdeutschen setzte zunächst zusätzlich zum Erfordernis des früheren dreimonatigen Aufenthalts voraus, dass seit ihrem Fortzug nicht mehr als zehn Jahre verstrichen waren. Später verzichtete der Gesetzgeber auf diese Fortzugsfrist. Er blieb indes bei dem in Frage stehenden Dreimonatserfordernisses.
Entscheidung des BVerfG
Das BVerfG hat entschieden, dass die Ausgestaltung der Wahlberechtigung der Auslandsdeutschen durch § 12 Abs. 2 S. 1 BWG mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG unvereinbar und damit nichtig sei. Der Entscheidung des BVerfG liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen zugrunde:

Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verbürgt die aktive und passive Wahlberechtigung aller Staatsbürger. Er ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit bei der Zulassung zur Wahl des Deutschen Bundestages zu verstehen. Daher bleibt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der aktiven und passiven Wahlberechtigung nur ein eng bemessener Spielraum für Beschränkungen. Differenzierungen können nur durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von mindestens gleichem Gewicht wie die Allgemeinheit der Wahl sind. Zu den möglichen Rechtfertigungsgründen zählt insbesondere das mit demokratischen Wahlen verfolgte Ziel, den Charakter der Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung des Volkes zu sichern. So kann ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn bei einer bestimmten Personengruppe davon auszugehen ist, dass die Möglichkeit der Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen nicht in hinreichendem Maße besteht.
Nach diesen Maßstäben verletzt § 12 Abs. 2 S. 1 BWG den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Die Vorschrift bewirkt eine Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Auslandsdeutschen, da sie diejenigen Auslandsdeutschen, die das Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfüllen, das aktive Wahlrecht versagt. Diese Ungleichbehandlung ist nicht durch einen zureichenden Grund legitimiert. Es ist zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei der Wahlbeteiligung der Auslandsdeutschen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl nicht voll verwirklicht, weil nach seiner Einschätzung die Fähigkeit, am politischen Willensbildungs- und Meinungsprozess mitzuwirken, ein Mindestmaß an persönlich und unmittelbar erworbener Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in Deutschland erfordert. Die Anknüpfung der Wahlberechtigung allein an den früheren dreimonatigen Daueraufenthalt im Bundesgebiet verstößt aber gegen das Gebot den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und die Kommunikationsfunktion der Wahl zu einem schonenden Ausgleich zu bringen.
Zum einen kann das gesetzgeberische Ziel, die für die Wahlteilnahme vorauszusetzende Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zu sichern, allein mit dem Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts in Deutschland nicht erreicht werden. Denn danach ist einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Auslandsdeutschen die Teilnahme an der Wahl gestattet, die entweder eine solche Vertrautheit gar nicht erlangen konnten, weil sie zum Zeitpunkt ihres Aufenthalts in Deutschland aufgrund ihres Alters noch gar nicht die Reife und Einsichtsfähigkeit hierzu hatten, oder aber die Bundesrepublik Deutschland vor so langer Zeit verlassen haben, dass ihre seinerzeit erworbenen Erfahrungen den aktuellen politischen Verhältnissen nicht mehr entsprechen. Zudem ist das Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts zwar geeignet deutsche Staatsangehörige ohne jede weitere Beziehung zu Deutschland von der Wahlteilnahme auszuschließen zugleich bewirkt es aber, dass Deutsche an den Wahlen zum Deutschen Bundestag nicht teilnehmen können, die typischerweise mit den politischen Verhältnissen vertraut und von ihnen betroffen sind, wie z. B. Auslandsdeutsche, die als „Grenzgänger“ ihre Berufstätigkeit in Deutschland ausüben.
Die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 BWG kann schließlich auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass andernfalls eine Häufung der Wahlberechtigten in bestimmten Wahlkreisen oder eine nennenswerte Änderung der Wählerstruktur eintreten würde. Es lässt sich bereits nicht feststellen, dass durch die Anknüpfung an einen früheren dreimonatigen Aufenthalt in der „Wegzugsgemeinde“ eine gleichmäßige Verteilung der wahlberechtigten Auslandsdeutschen auf die Wahlkreise zuverlässig gesichert wäre. Die Anknüpfung der Wahlberechtigung an einen vorherigen Aufenthalt im Bundesgebiet ist auch nicht erforderlich, um die Entstehung ungleichgroßer Wahlkreise zu verhindern, weil nicht ersichtlich ist, dass dieses Ziel mit anderen, weniger eingreifenden Zuordnungskriterien nicht ebenso zuverlässig erreicht werden könnte.

Die Richterin Lübbe-Wolff gab hierzu ein abweichendes – in meinen Augen weniger überzeugendes – Sondervotum ab. Wer sich dafür interessiert, dem seien Rz. 65 ff. der Entscheidung im Volltext ans Herz gelegt. Insbesondere in anstehenden mündlichen Prüfungen ist mit der Problematik zu rechnen, so dass hierfür eine umfassende Recherche sinnvoll erscheint.

07.08.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-08-07 16:01:452012-08-07 16:01:45BVerfG zum Wahlrecht für im Ausland lebende Deutsche
Tom Stiebert

BVerfG: Verfassungswidrigkeit des Bundeswahlgesetzes

BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Am gestrigen 25.07.2012 hat das BVerfG (2 BvF 3/11;- 2 BvR 2670/11; 2 BvE 9/11) (nicht zum ersten Mal) Regelungen des Bundeswahlgesetzes für verfassungswidrig erklärt.
Eine sehr gute Zusammenfassung des Urteils findet ihr in der Pressemitteilung des BVerfG, die auch die einzelnen Kritikpunkte am Gesetz gut darstellt.
Das Wahlrecht ist offensichtlich ein absoluter Dauerbrenner des BVerfG in den letzten Jahren, sodass wir zunächst nur kurz auf unsere Beiträge hierzu hinweisen wollen: siehe zuletzt hier, vgl. ferner  hier, hier, hier, hier und hier.
Viel Neues bringt die Entscheidung des BVerfG nicht, sondern wiederholt vielmehr die bekannten Grundlagen des Wahlrechts. Dennoch sollen einige zentrale Aussagen nachfolgend kurz dargestellt werden. Meist sind diese aber so technisch, dass sie sich für eine Prüfung in der Klausur wenig eignen. Auch in einer mündlichen Prüfung ist eher davon auszugehen, dass Grundsätze des Wahlrechts (Art. 38 GG) geprüft werden und nicht die mathematischen Besonderheiten.
Zentraler Ansatzpunkt der Prüfung ist (erneut) der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG). Das BVerfG formuliert den Obersatz wie folgt:

„Grundanforderungen an alle Wahlsysteme ergeben sich insbesondere aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Danach sind unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung des Wahlverfahrens alle Wähler bei der Art und Weise der Mandatszuteilung strikt gleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 11, 351 <360>; 95, 335 <369>). Die Stimme eines jeden Wahlberechtigten muss grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben (vgl. BVerfGE 95, 335 <353, 369 f.>; 121, 266 <295>; 124, 1 <18>). Alle Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis nehmen können (BVerfGE 121, 266 <295>).“

Fraglich ist, ob diese Gleichheit im jetzigen System gewahrt ist.
1. Verstoß des § 6 Abs. 1 Satz 1 BWahlG gegen Art. 38 GG
Nach dieser Norm ergibt sich der Anteil der Sitze für jedes Bundeslandes anhand des Verhältnisses zur Gesamtzahl der Stimmen. Das Land wird damit in voneinander abgetrennte Wahlkörper unterteilt. Eine solche Unterteilung ist auch grundsätzlich zulässig. Ein Verstoß gegen die Gleichheit der Wahl ergibt sich allerdings durch die Möglichkeit des negativen Stimmgewichts:

§ 6 Abs. 1 Satz 1 BWG verletzt die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien, soweit die Bildung der Ländersitzkontingente nach der Wählerzahl den Effekt des negativen Stimmgewichts ermöglicht. Ein Sitzzuteilungsverfahren nach dem Verteilungsprinzip der Verhältniswahl darf solche Effekte nur in seltenen Ausnahmefällen herbeiführen.

Nachfolgend wird erklärt, was darunter im Einzelnen zu verstehen ist:

Ein Sitzzuteilungsverfahren, das ermöglicht, dass ein Zuwachs an Stimmen zu Mandatsverlusten führt, oder dass für den Wahlvorschlag einer Partei insgesamt mehr Mandate erzielt werden, wenn auf ihn selbst weniger oder auf einen konkurrierenden Vorschlag mehr Stimmen entfallen, widerspricht aber Sinn und Zweck einer demokratischen Wahl (vgl. BVerfGE 121, 266 <299 f.>)
Das in § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 BWG geregelte Sitzzuteilungsverfahren kann infolge der Bildung der Ländersitzkontingente nach der Wählerzahl dazu führen, dass in bestimmten Konstellationen abgegebene Zweitstimmen für Landeslisten einer Partei insofern negativ wirken, als diese Partei in einem anderen Land Mandate verliert oder eine andere Partei Mandate gewinnt. Umgekehrt ist es auch möglich, dass die Nichtabgabe einer Wählerstimme der zu unterstützenden Partei dienlich ist. Dieser Effekt des negativen Stimmgewichts ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Aus diesem Grund verstößt diese Regelung gegen die Gleichheit der Wahl.
2. Verstoß des § 6 Abs. 2a BWahlG gegen Art. 38 GG
Eine schwer zu verstehende sehr technische Norm enthält § 6 Abs. 2a BWahlG. Diese neuaufgenommene Regelung sollte der Abmilderung von Ungleichheiten dienen und „Erfolgswertunterschiede unter den Landeslisten der Parteien, die aufgrund von Rundungsverlusten bei der Verteilung der Sitze in den 16 Sitzkontingenten entstehen“, durch die Vergabe weiterer Sitze (§ 6 Abs. 2a Satz 3 BWG) ausgleichen (vgl. BTDrucks 17/6290, S. 7 f., 15).
Vereinfacht gesagt summiert die Regelung „Bruchtteilssitze“ in den einzelnen Ländern auf und vergibt diese zusätzlich. Aufrundungsgewinne werden hingegen nicht entzogen. Dies führt zu einer ungleichen Gewichtung der Wählerstimmen.

Die Regelung identifiziert nur einseitig die Abrundungsverluste der Landeslisten einer Partei in den 16 Ländern, summiert diese bundesweit auf und vergibt, soweit sich dabei ganzzahlige Sitzanteile ergeben, hierfür zusätzliche Sitze. Aufrundungsgewinne der Landeslisten einer Partei lässt die Regelung außer Betracht. Dies hat zur Folge, dass bislang ohne Stimmerfolg gebliebene Stimmen zwar unter Umständen mandatswirksam werden, die vergleichsweise größere Erfolgskraft der bislang übergewichteten Stimmen jedoch unverändert bestehen bleibt.

3. Verstoß des § 6 Abs. 5 BWahlG gegen Art. 38 GG
Schließlich verstößt auch § 6 Abs. 2 BWahlG gegen die Gleichheit der Wahl, da er Überhangmandate weiterhin ohne Ausgleich ermöglicht. Das BVerfG erklärt diesen Fall wie folgt:

Der Gesetzgeber hat in § 6 Abs. 5 Satz 1 BWG klargestellt, dass die im jeweiligen Land in den Wahlkreisen errungenen Sitze einer Partei verbleiben. Wird das Ziel des Verhältnisausgleichs durch den Rechenschritt nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BWG unvollständig erreicht, weil die Sitze, die einer Landesliste nach dem Verhältnis der Summen der Zweitstimmen zustehen, nicht ausreichen, um alle errungenen Wahlkreismandate abzuziehen, so erhöht sich die Gesamtzahl der Sitze des Bundestages um die Unterschiedszahl (§ 6 Abs. 5 Satz 2 BWG); es entstehen Überhangmandate jenseits der proportionalen Sitzverteilung.

Eine generelle Unzulässigkeit von Überhangmandaten verneint das BVerfG, wenn es darlegt:

Diese Ungleichheit könne nur hingenommen werden, soweit sie notwendig sei, um das Anliegen der personalisierten Verhältniswahl zu verwirklichen; diese wolle zumindest für die Hälfte der Abgeordneten eine enge persönliche Bindung zu ihrem Wahlkreis gewährleisten (vgl. BVerfGE 7, 63 <74>; 16, 130 <139 f.>; 79, 169 <171>; 95, 335 <358>).

Das Anfallen von Überhangmandaten kann also gerechtfertigt sein, wenn es bei dem aktuellen Wahlrechtskonzept zwingend ist.

Die durch die ausgleichslose Zuteilung von Überhangmandaten bewirkte ungleiche Gewichtung der Wählerstimmen ist durch die verfassungslegitime Zielsetzung der personalisierten Verhältniswahl, dem Wähler im Rahmen einer Verhältniswahl die Wahl von Persönlichkeiten zu ermöglichen, grundsätzlich gerechtfertigt. Der insoweit bestehende Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird allerdings durch den Grundcharakter der Bundestagswahl als eine Verhältniswahl begrenzt.

Diesbezüglich müssen allerdings Grenzen bestehen:

Das Erfordernis eines föderalen Proporzes zwischen den Landeslisten einer Partei untereinander rechtfertigt die ausgleichslose Zuteilung von Überhangmandaten nicht.
Die mit der ausgleichslosen Zuteilung von Überhangmandaten verbundene Differenzierung des Erfolgswertes der Wählerstimmen kann jedoch in begrenztem Umfang durch das besondere Anliegen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gerechtfertigt werden.

Wie hoch dieser Umfang ist, kann aus dem Gesetz nicht klar hergeleitet werden, sondern ist eine eigene Entscheidung des Gerichtes, wie es auch selbst zugibt:

Vor diesem Hintergrund sieht der Senat einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Anliegen möglichst proportionaler Abbildung des Zweitstimmenergebnisses im Bundestag und dem mit der Personenwahl verbundenen Belang uneingeschränkten Erhalts von Wahlkreismandaten dann nicht mehr für gewahrt an, wenn die Zahl der Überhangmandate etwa die Hälfte der für die Bildung einer Fraktion erforderlichen Zahl von Abgeordneten überschreitet. Diese Größenordnung entspricht der vom Senat im Urteil vom 10. April 1997 gebilligten Quote von 16 Überhangmandaten bei einer regulären Abgeordnetenzahl von 656 […]

Der Senat ist sich bewusst, dass die Zahl von 15 Überhangmandaten als Akt richterlicher Normkonkretisierung nicht vollständig begründet werden kann.

Jedenfalls die jetzige Regelung, die einen unbegrenzten Anfall von Überhangmandaten ermöglicht, ist damit verfassungswidrig.
4. Fazit
Zumindest die Anknüpfung an Art. 38 GG sollte jedem Studenten bekannt sein. Ebenso sollte das Problem des negativen Stimmgewichts und der Überhangmandate zumindest bekannt sein und ansatzweise erklärt werden können. Gerade beim negativen Stimmgewicht kann allerdings nicht erwartet werden, dass die mathematischen Probleme bekannt sind.
Nicht beherrscht werden muss die Frage der Zusatzmandate, da dieser Regelung eine komplizierte mathematische Berechnung zugrundezulegen ist, die nicht abgeprüft werden kann (judex non calculat).
 
5. Möglichkeit eines verfassungskonformen Systems
Abschließend soll kurz dargestellt werden, wie ein verfassungsgemäßes Wahlrecht aussehen könnte.
a) Beseitigung negatives Stimmgewicht
Das negative Stimmgewicht beruht auf dem Verhältnis der unterschiedlichen Listen in den einzelnen Bundesländern. Es könnte damit beseitigt werden, wenn eine einheitliche Bundesliste eingeführt würde. Erst- und Zweitstimme könnten dann beibehalten werden.
Ebenso wäre es möglich, die Sitzvergabe der einzelnen Länder nicht mehr an die Anzahl der abgegebenen Stimmen zu koppeln, sondern als ausschlaggebendes Kriterium die Anzahl der Wahlberechtigten festzulegen. Dies bestätigt das BVerfG ausdrücklich:

Von Verfassungs wegen ist der Gesetzgeber nicht daran gehindert, diesen Ursachenzusammenhang innerhalb des von ihm geschaffenen Wahlsystems zu unterbinden, indem er zur Bemessung der Ländersitzkontingente statt der Wählerzahl die Zahl der Bevölkerung oder der Wahlberechtigten heranzieht. Denn jede vom Wahlverhalten der Wahlberechtigten nicht beeinflusste Größe als Grundlage der Bestimmung der Ländersitzkontingente würde den Effekt des negativen Stimmgewichts bei der Sitzzuteilung vermeiden.

Die daraus resultierende Erfolgsungleichheit der Stimmen in den einzelnen Ländern, scheint das BVerfG hinzunehmen.
b) Beseitigung der Überhangmandate
Eine generelle Beseitigung der Überhangmandate ist nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, anderen Parteien entsprechende Ausgleichsmandate zuzuweisen (wie bspw. im Landtag von NRW). Dies hätte dann zwar zur Folge, dass der Bundestag im Zweifel stark aufgebläht würde, die Gleichheit der Wahl wäre aber gewahrt. Dies könnte auch erst ab einer Mindestanzahl von Überhangmandaten erfolgen.
c) Extrempositionen
Neben diesen milden Positionen, die das personalisierte Verhältniswahlrecht beibehalten, sind auch Extrempositionen denkbar. So könnte auch die Erst- bzw. Zweitstimme abgeschafft werden. Würde die Erststimme abgeschafft, liefe dies auf ein reines Verhältniswahlrecht hinaus. Dies könnte sowohl bundeseinheitlich als auch in den einzelnen Ländern separat erfolgen. In dem zweiten Fall müsste allerdings wieder die Gefahr des negativen Stimmgewichts gebannt werden (s.o.).
Als Extremposition ist wohl auch ein reines Mehrheitswahlrecht denkbar. Zwar liefe das auf eine starke Erfolgswertungleichheit der Stimmen hinaus, diese wäre aber systemimmanent. Insofern würde für die Ungleichheit wohl ein sachlicher Grund bestehen, handelt es sich beim Mehrheitswahlrecht doch um ein weltweit anerkanntes Wahlsystem, dem nicht die demokratische Legitimation abgesprochen werden kann.

26.07.2012/4 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-07-26 14:09:252012-07-26 14:09:25BVerfG: Verfassungswidrigkeit des Bundeswahlgesetzes
Dr. Christoph Werkmeister

Ex-Verfassungsrichter Papier zur Fünf-Prozent-Hürde bei Wahlen

Aktuelles, Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

Beck-aktuell berichtet über Äußerungen des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier. Der Jurist sprach sich in diesem Kontext gegen die Forderung seines Vorgängers Roman Herzog aus, die Fünf-Prozent-Hürde bei Wahlen zu verschärfen.

Wir stellen in Deutschland seit längerem eine verbreitete Politikverdrossenheit fest», sagte Papier. Auch wenn der Name der Piratenpartei «nicht gerade auf Ernsthaftigkeit hindeutet», sei es «eine durchaus gesunde Entwicklung, wenn neue Parteien dazukommen und andere ausscheiden», sagte Papier. Die Piraten seien eine politische Partei im rechtlichen Sinne, die sich eines starken Zulaufs an Wählern erfreue. Das Recht schreibe nicht vor, wie komplex und umfangreich ein Parteiprogramm sein müsse – über die Güte eines Parteiprogramms entscheide der Wähler. Aber: «Eine Partei, die langfristig Erfolg haben will, wird um eine tragfähige Programmatik nicht herumkommen», sagte Papier, der inzwischen Staatsrecht an der Münchner Universität lehrt. «Eine Partei, die nur vom Protestpotenzial lebt, wird nicht von Dauer sein.

Über die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Fünf-Prozent-Klausel im Wahlrecht haben wir bereits mehrfach in verschiedensten Zusammenhängen berichtet. Da das Thema durch die Entwicklung der Piratenpartei und die kürzliche Stellungnahme von Papier wieder an Aktualität gewinnt, sei deshalb – insbesondere mit Blick auf anstehende mündliche Prüfungen – auf die einschlägigen Beitrage verwiesen (siehe hier und hier).

20.05.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-05-20 15:51:202012-05-20 15:51:20Ex-Verfassungsrichter Papier zur Fünf-Prozent-Hürde bei Wahlen
Dr. Christoph Werkmeister

VerfGH Saarland zur Fünf-Prozent-Hürde bei Landtagswahl

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Verfassungsrecht

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes entschied vor Kurzem mit Urteil vom 22.03.2012 (Az. Lv 3/12) zur Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Klausel bei einer Landtagswahl. Der VerfGH sah gewichtige Gründe für die Beibehaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel. Ohne die Klausel bestünde die Gefahr einer Zersplitterung des Parlaments, womit im Ergebnis die Regierungsbildung beeinträchtigt wäre. Insbesondere verändere sich diese rechtliche Beurteilung nicht, wenn bereits von vornherein fest stehe, dass die Bildung einer Großen Koalition angestrebt wird. Inbesondere für anstehende mündliche Prüfungen bietet diese Entscheidung also Anlass, sich noch einmal intensiver mit den verfassungsrechtlichen Wahlrechtsgrundsätzen und insbesondere der Gleichheit der Wahl auseinanderzusetzen.

25.03.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-03-25 10:12:422012-03-25 10:12:42VerfGH Saarland zur Fünf-Prozent-Hürde bei Landtagswahl
Dr. Christoph Werkmeister

VerfGH RLP zur Zulässigkeit von Zählsoftware bei Wahlen

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Verfassungsrecht

Der rheinlandpfälzische Verfassungsgerichtshof hatte mit Beschluss vom 20.05.2011 (Az. VGH B 4/11) über die wahlrechtliche Zulässigkeit des Einsatzes von computergesteuerten Zählsystemen zu entscheiden. Die Entscheidung behandelte naturgemäß nur landesspezifisches Verfassungsrecht. Gleichwohl sind die vom Gericht angestellten Erwägungen mutatis mutandis auf Bundeswahlen übertragbar. Da die Entscheidung in der aktuellen Ausgabe der NVWZ abgedruckt war und eine bislang noch nicht vom BVerfG entschiedene Problematik behandelt, erscheint es gut denkbar, dass sich ein Klausurersteller für das erste Staatsexamen sich von dieser landesverfassungsrechtlichen Entscheidung inspirieren lässt.
Sachverhalt (verkürzt)
Es fand am 07.06.2009 eine Stadtratswahl in Frankenthal statt, bei der zur Abgabe der Stimmen Stimmzettel in Papierform und Wahlurnen verwendet wurden. Zur Erfassung und Zählung der abgegebenen Stimmen verlas ein Wahlhelfer nach Entnahme der Stimmzettel aus der Wahlurne am Ende des Wahltags unter Aufsicht die auf dem jeweiligen Stimmzettel abgegebenen Stimmen, während ein anderer Wahlhelfer unter Aufsicht die verlesene Stimmenzahl in einen Computer eingab, in dem ein Stimmzählrogramm installiert war. Das Programm ordnete die Wählerstimmen entsprechend der manuellen Eingabe jeweils dem Wahlvorschlag und dem Bewerber zu. Darüber hinaus sollte es auch sicherstellen, dass entsprechend der gesetzlichen landesrechtlichen Regelungen nicht mehr als drei Stimmen pro Bewerber berücksichtigt werden. Hierbei zeigte das Programm die auf einem Stimmzettel für einen Bewerber abgegebenen Stimmen und die für diesen Bewerber berücksichtigten Stimmen in unterschiedlichen Farben auf dem Bildschirm des Computers an.
Ein wahlberechtigter Gemeindebürger erhob nach der öffentlichen Bekanntgabe des Wahlergebnisses Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl. Er bezweifelte die Richtigkeit der Stimmenauszählung und hielt sie auch insoweit für rechtswidrig, als sie nicht für jedermann überprüfbar gewesen sei.
Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl
Nach Urteil des BVerfG vom 3. März 2009 (Az. 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07) gebietet der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl aus Art. 38 i.V.m. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen soweit nicht andere verfassungsrechtliche Belange eine Ausnahme rechtfertigen (sog. Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl).
Jeder Bürger muss die zentralen Schritte der Wahl ohne besondere technische Vorkenntnisse zuverlässig nachvollziehen können. Ein Wahlverfahren, in dem der Wähler nicht zuverlässig nachvollziehen kann, ob seine Stimme unverfälscht erfasst und in die Ermittlung des Wahlergebnisses einbezogen wird und wie die insgesamt abgegebenen Stimmen zugeordnet und gezählt werden, schließt zentrale Verfahrensbestandteile der Wahl von der öffentlichen Kontrolle aus und genügt daher nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 123, 39)
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Einsatz der o.g. Software nicht gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl verstößt. Bei „echten“ rechnergesteuerten Wahlgeräten erfolgen die Abgabe und Zählung der Stimmen im Gegensatz zum hier skizzierten Fall ohne Stimmzettel und Wahlurnen. Die Stimmen der Wähler werden in solch einem Fall elektronisch erfasst und das Wahlergebnis elektronisch ermittelt. Solche Wahlgeräte sind nach der Rechtsprechung des BVerfG vor allem im Hinblick auf ihre Manipulierbarkeit und Fehleranfälligkeit nur unter sehr engen Voraussetzungen verfassungsrechtlich zulässig.
Manipulierbarkeit und Fehleranfälligkeit bestehen nach Auffassung des rheinlandpfälzischen Gerichts bei dem Einsatz von Computern, die allein zur Zählung der Stimmen bei der Verwendung von Stimmzetteln und Wahlurnen zur Abgabe der Stimme eingesetzt werden, nicht in gleichem Maße wie bei den vorgenannten „echten“ Wahlgeräten. Dem eingesetzten Computer und dem Stimmzettelerfassungsprogramm komme vielmehr nur die Bedeutung eines Taschenrechners zu, der lediglich über die Sonderfunktion verfügt, entsprechende landesrechtliche gesetzliche Zählvorgaben zu berücksichtigen. Als Kernargument brachte das Gericht hierzu noch vor, dass die Verwendung von Stimmzetteln und Wahlurnen gegenüber „echten“ Wahlgeräten einen deutlich höheren Schutz gegen Manipulationen und Fehlern des Computerprogramms biete, da die Zählung der Stimmen durch den Rechner sowohl durch Stichproben als auch beim Auftreten von Zweifeln durch eine manuelle Nachzählung aller Stimmen kontrolliert werden könne.
Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes
Neben einer Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl diskutierte das Gericht auch noch, ob durch den Einsatz eines Zählprogramms ein Verstoß gegen die im Rechtsstaatsprinzip verankerte Wesentlichkeitstheorie vorliege (auf Bundesebene ergibt sich das Rechtsstaatsprinzip i.ü. aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG). Dies wäre dann der Fall, wenn der Einsatz der Zählsoftware eine wesentliche grundrechtsrelevante Entscheidung darstellt und dennoch ohne entsprechendes Parlamentsgesetz umgesetzt würde.
Vorliegend wurden das Zählverfahren und entsprechende Vorgaben nämlich lediglich in einer Rechtsverordnung geregelt. Das Gericht führte hierzu aus, dass der im Rechtsstaatsprinzip und im Demokratiegebot wurzelnde Parlamentsvorbehalt gebietet, dass in grundlegenden normativen Bereichen die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber getroffen werden.
Im Hinblick auf die Frage, ob der Einsatz der Zählgeräte eine solche wesentliche Entscheidung darstellt, wurde die o.g. Argumentation erneut fruchtbar gemacht. Es wurde also auch in diesem Kontext festgestellt, dass der Einsatz einer Zählsoftware nicht wesensgleich mit der Einführung einer kompletten elektronischen Wahl ist. Der Einsatz der Software war damit noch nicht so grundrechtsintensiv, dass hierdurch der Parlamentsvorbehalt ausgelöst würde. Demnach verstieß eine bloß untergesetzliche Kodifikation des Zählverfahrens auch nicht gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Wesentlichkeitstheorie.
Weiterführende Literatur zum Thema
Zur verfassungsrechtlichen Problematik des Einsatzes von elektronischen Wahlgeräten vgl. Will, CR 2008, 540; ders., NVwZ 2009, 700; Sachs, JuS 2009,746.

08.02.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
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