Das Thema der Bagatell-Kündigungen ist seit der neuen Linie des BAG im Fall „Emmely“ besonders interessant, um im Examen abgeprüft zu werden. Der Beck-Blog berichtet in diesem Kontext über erste Auswirkungen des Emmely-Urteils für die Praxis.
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Die Entlassung sei nicht gerechtfertigt, weil nur eine „erhebliche Pflichtwidrigkeit“ vorliege, hieß es zur Begründung. Das in 30-jähriger Mitarbeit erworbene Vertrauen könne durch eine einmalige und geringe Verfehlung „nicht aufgezehrt“ werden.
Mit dieser Aussage revidierte das Bundesarbeitsgericht die harte Linie, die es in seit Jahrzehnten vertreten hat und die besagte: Ein Diebstahl, egal, wie gering der Vermögensschaden auch sein mag, rechtfertigt grundsätzlich eine fristlose Kündigung, selbst wenn der Mitarbeiter schon lange Jahre Dienst bei seinem Arbeitgeber tut.
Quelle: https://www.focus.de/finanzen/karriere/arbeitsrecht/tid-18584/grundsatzurteil-emmely-siegt-vor-dem-bundesarbeitsgericht_aid_517809.html
Prüfungstechnisch ist die Frage der Angemessenheit/Verhältnismäßigkeit einer außerordentlichen Kündigung bei der Subsumtion des zentralen Merkmals zu verorten: dem wichtigen Grund, § 626 BGB, vgl. auch § 314 BGB. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist nach stRspr des BAG in zwei Schritten zu prüfen:
- Erst ist die Frage zu erörtern, ob der Sachverhalt geeignet ist „an sich“, also generell einen wichtigen Grund darzustellen. Dies würde man bei einer Straftat bejahen, auch wenn sie noch so gering ist.
- Dann ist in einem zweiten Schritt eine konkrete Abwägung der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberinteressen vorzunehmen. hierbei kann man dann eben bspw. die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Schadensausmaß, Grad des Vertrauensverlusts etc. berücksichtigen.
Bagatellkündigungen im Arbeitsrecht als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG?
Am Donnerstag dieser Woche wird sich das Bundesarbeitsgericht mit der Bagatell-Kündigung im Fall Emmely befassen. Wir haben zwar bereits ausgiebig über Bagatellkündigungen berichtet, interessant finde ich allerdings das Vorbringen des Anwalts zu Art. 3 Abs. 1 GG (zitiert von Spiegel-Online):
Zudem weist der Anwalt auf einen Wertungswiderspruch im Arbeits- und Dienstrecht hin. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte gebe es „soweit ersichtlich keinen einzigen Fall“, in dem eine fristlose Kündigung eines Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds wegen eines Eigentums- oder Vermögensdelikts mit geringfügigem Sach- oder Vermögensschaden Bestand hatte.
So seien in der Vergangenheit selbst unberechtigte Spesenabrechnungen in dreistelliger Höhe als zu gering angesehen worden, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Wenn dagegen bei einer Arbeitnehmerin die Einlösung zweier Bons in Höhe von 1,30 Euro als Kündigungsgrund ausreichen würde, verstoße dies gegen das „Gebot der Gleichbehandlung“ nach Artikel 3 des Grundgesetzes.
Wir sind gespannt, wie das BAG heute entscheiden wird. Eventuell geht der ganze Fall danach noch zum Bundesverfassungsgericht.
Siehe hierzu insbesondere:
Diebstahl von Brotaufstrich
Aufladen vom Handy am Arbeitsplatz
Der Emmely-Prozess – 1,30 Pfandbons