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Schlagwortarchiv für: Beseitigungsverfügung

Carlo Pöschke

Brandschutz nur vorgeschoben: Räumung und Abriss von Baumhäusern im Hambacher Forst rechtswidrig

Baurecht, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Verwaltungsrecht

Mit Urteil vom 08.09.2021 (Az.: 23 K 7046/18, BeckRS 2021, 25334) hat sich das Verwaltungsgericht Köln zur Rechtmäßigkeit der Räumung und des Abrisses von Baumhäusern im Hambacher Forst geäußert. Der Tenor des Urteils dürfte hinreichend bekannt sein, schließlich hat die Entscheidung des VG Köln den vergangenen Bundestagswahlkampf maßgeblich mit beeinflusst. Inzwischen ist das Urteil im Volltext verfügbar. Eine eingehende Beschäftigung mit der Entscheidung ist vor allem für fortgestrittene Studenten ratsam. Die nachfolgenden Ausführungen wurden an das geltende Baurecht angepasst. Freilich bezieht sich die Darstellung auf das nordrhein-westfälische Landesrecht. Angesichts der Tatsache, dass die entscheidenden Aussagen des VG Köln solche des allgemeinen Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrechts sind und das Verwaltungsvollstreckungsrecht in den Ländern an §§ 6 ff. BVwVG angelehnt und damit strukturell weitgehend parallel ist, dürfte der Fall insbesondere aufgrund der großen medialen Aufmerksamkeit auch außerhalb der Landesgrenzen von Nordrhein-Westfalen in Prüfungsaufgaben einziehen.
 
A. Sachverhalt (dem Tatbestand des Urteils entnommen, vereinfacht und leicht abgewandelt)
In den Jahren 2012 bis 2018 errichteten Gegner des Braunkohlebergbaus in den verbliebenen Teilflächen des Hambacher Forstes eine Vielzahl von Baumhäusern, Plattformen in Bäumen, Holzunterständen und Zelten auf dem Erdboden, Lagerflächen und anderen Anlagen. Im Laufe des Jahres 2018 beabsichtigte das dort tätige Energieunternehmen die Rodungen im Hambacher Forst mit Beginn der Rodungsperiode ab Oktober 2018 fortzusetzen, zugleich verstärkten sich die Proteste gegen dieses Vorhaben. Im Juli 2018 beantragte das dort tätige Energieunternehmen bei der großen kreisangehörigen Stadt Kerpen, die Räumung von Waldbesetzungen in Teilbereichen der Reste des Hambacher Forstes zum Zwecke der planmäßigen Fortsetzung des genehmigten Braunkohletagebaus Hambach zu verfügen und zwangsweise durchzusetzen. Diesen Antrag lehnte der Bürgermeister der Stadt Kerpen mit bestandskräftigem Bescheid ab. In der Folge fanden Besprechungen im Ministerium des Innern NRW unter Beteiligung von Vertretern des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW (im Folgenden: Bauministerium), des Verfassungsschutzes, des Kreises Düren und der Stadt Kerpen statt. Ausweislich der in den Akten der Stadt Kerpen befindlichen Niederschriften über diese Besprechungen befürworteten insbesondere die Vertreter der Polizei und des Ministeriums des Innern NRW ein baurechtliches Vorgehen gegen die Anlagen im Hambacher Forst. Die Vertreter der unteren Bauaufsichtsbehörden lehnten dies weit überwiegend ab. In einer E-Mail vom 06.09.2019 erklärte der zuständige Abteilungsleiter an mehrere Beteiligte, das mit Blick auf ein Verfahren beim OVG NRW die geplanten Rodungen im Hambacher Forst nicht vor Ablauf der zweiten Oktoberwoche beginnen würden, sodass spätestens bis zu diesem Zeitpunkt die Räumung erfolgt sein müsse.
Am 12.09.2018 erließ das Bauministerium eine Weisung gegenüber den oberen Bauaufsichtsbehörden (Bezirksregierung Köln und Rhein-Erft-Kreis). Hiermit gab das Ministerium den oberen Bauaufsichtsbehörden unter anderem auf, im Wege der Aufsicht die betroffenen unteren Bauaufsichtsbehörden umgehend anzuweisen, die folgende Maßnahme zu treffen: „Im Wege des Sofortvollzuges sind beginnend ab Donnerstag, dem 13. September 2018, 7:00 Uhr, auf Grundlage von § 20 Abs. 1 S. 2 OBG NRW i.V.m. § 82 Abs. 1 BauO NRW die baulichen Anlagen in Gestalt der Baumhäuser im Hambacher Forst unter vorheriger Ankündigung zu räumen und diese baulichen Anlagen zu beseitigen.“ Zur Begründung führte das Ministerium im Kern aus, im Rahmen der durchgeführten Ortsbesichtigung seien Wohn- und Lagerstrukturen entdeckt worden, die offenkundig der längerfristigen Unterbringung von Menschen dienen sollten. Es seien Verstöße gegen das materielle Bauordnungsrecht gegeben, insbesondere seien Bestimmungen des Brandschutzes verletzt. Die Entscheidung berücksichtige die überragende Rolle der bauordnungsrechtlichen Brandschutzvorschriften. Bei der Einschätzung der Dringlichkeit einer Gefahr mit Bezug auf den Brandschutz seien auch die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Insoweit bestehe die eindeutige Einschätzung, dass bei einem Brand- und Unglücksfall im Hambacher Forst eine zeitnahe Rettung der im Forst befindlichen Personen nicht gewährleistet sei. Aufgrund des Zustands und der Lage der baulichen Anlagen bestehe eine akute Lebensgefahr, sodass die weitere Nutzung der baulichen Anlagen nicht vertretbar sei. Der Abriss der Anlagen sei auch verhältnismäßig, insbesondere sei die alleinige Untersagung der Nutzung nicht hinreichend effektiv, da mit einer Wiederaufnahme der Nutzung zu rechnen sei. Nach Erkenntnissen der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden sei die Nutzerstruktur im Hambacher Forst zu einem signifikanten Anteil von gewaltbereiten Personen durchsetzt. Bei erneuter Aufnahme der Nutzung sei davon auszugehen, dass sich Vorfälle wie in der Vergangenheit, bei denen Polizisten angegriffen und zum Teil durch den Beschuss mit „Zwillen“ schwer verletzt worden seien, wiederholen würden. Dies gelte es zu verhindern. Schließlich sei es auch erforderlich, im Wege des Sofortvollzugs zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr vorzugehen. Dies gelte gerade mit Blick auf die erheblichen brandschutzrechtlichen Gefahren.
Am Morgen des 13.09.2018 begann die Räumung der Anlagen im Hambacher Forst, gefolgt von der Beseitigung der Anlagen. So widerfuhr es auch X, der eines der Baumhäuser seit längerer Zeit bewohnte. Zuvor verlas ihm der Bürgermeister der Stadt Kerpen folgenden Text: „Das von Ihnen genutzte Baumhaus ist zu räumen und muss beseitigt werden. Ich untersage Ihnen die weitere Nutzung des Baumhauses. Es besteht Gefahr für Leib und Leben. Es liegen schwerwiegende Verstöße gegen geltendes Bauordnungsrecht vor. Ihr Baumhaus verfügt nicht über die erforderlichen Rettungswege. Es wurde entgegen der einschlägigen brandschutzrechtlichen Vorschriften errichtet, die erforderliche Erschließung ist nicht sichergestellt, die Verkehrssicherheit ist nicht gegeben und die Standsicherheit ist nicht sicher gewährleistet. Sofern Sie das Baumhaus nicht freiwillig innerhalb der nächsten 30 Minuten räumen und dessen Nutzung unterlassen, werde ich die Räumung in Anwendung des unmittelbaren Zwangs vornehmen. Bitte nehmen sie beim Verlassen des Baumhauses ihre persönlichen Gegenstände mit.“
K erhob daraufhin Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht Köln mit dem Antrag, den von der Stadt Kerpen durchgeführten Sofortvollzug zur Räumung und Beseitigung seines Baumhauses aufzuheben.
Hat die Klage des X Aussicht auf Erfolg?
Bearbeitervermerk: Es ist davon auszugehen, dass das Baumhaus des K mit dem materiellen Bauordnungsrecht nicht vereinbar ist. Der Falllösung zugrunde zu legen ist die BauO NRW 2018 (im Folgenden: BauO NRW).
 
B. Gutachterliche Falllösung
Die Klage des X hat Erfolg, soweit diese zulässig und begründet ist.
 
I. Die Klage müsste zulässig sein.
 
1. Für eine Klage vor dem Verwaltungsgericht müsste der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Mangels aufdrängender Sonderzuweisung bestimmt sich die Eröffnung der Verwaltungsrechtswegs nach der Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit diese Streitigkeiten nicht durch Bundesrecht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
Öffentlich-rechtlich ist eine Streitigkeit, wenn die streitentscheidenden Normen dem öffentlichen Recht angehören. Streitentscheidend sind vorliegend §§ 55 VwVG NRW, die die Vollzugsbehörde einseitig berechtigen, Mittel des Verwaltungszwangs gegenüber dem Bürger anzuwenden. Somit gehören §§ 55 ff. VwVG nach Maßgabe der modifzierten Subjektstheorie dem öffentlichen Recht an.
Weder X noch die Stadt Kerpen sind Verfassungsorgane. Auch geht es vorliegend schwerpunktmäßig um die Anwendung und Auslegung verwaltungsrechtlicher und nicht verfassungsrechtlicher Norm, weshalb die Streitigkeit mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Art ist.
Eine abdrängende Sonderzuweisung ist ebenfalls nicht ersichtlich, sodass der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet ist.
 
2. Die statthafte Klageart bestimmt sich gemäß § 88 VwGO nach dem klägerischen Begehren; an die Fassung der Anträge ist das Gericht jedoch nicht gebunden. K hat die Aufhebung des von der Stadt Kerpen durchgeführten Sofortvollzugs zur Räumung und Beseitigung seines Baumhauses beantragt.
 
a) Möglicherweise ist eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Dies würde voraussetzen, dass es sich bei den durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen um Verwaltungsakte i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG handelt.
Problematisch ist insofern vor allem das Merkmal der Regelungswirkung. Eine Maßnahme zeitigt eine Regelungswirkung, wenn sie unmittelbar auf Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Die Wirkung einer Vollstreckungsmaßnahme erschöpft sich jedoch im rein tatsächlichen Bereich; der Stadt Kerpen kam es auf den Abriss des Baumhauses und nicht auf die Setzung einer Rechtsfolge an. Zwar begründete insbesondere die frühere Rechtsprechung die Regelungswirkung unter Rückgriff auf die Figur der konkludenten Duldungsverfügung. Dieses auf das Preußische Recht zurückgehende Vorgehen wirkt jedoch bereits vom äußeren Geschehensablauf her konstruiert. Zudem ist unter Geltung der VwGO der Rückgriff auf die Figur der konkludenten Duldungsverfügung nicht erforderlich, da mit der Feststellungsklage und der allgemeinen Leistungsklage auch ein effektiver Rechtsschutz gegen Realakte gewährt wird. Mithin stellt die Vollstreckungsmaßnahme mit der heute ganz herrschenden Meinung mangels Regelungswirkung keinen Verwaltungsakt dar.
Möglicherweise ist, obwohl es sich bei der Räumung und der Beseitigung des Baumhauses um einen Realakt handelt, dennoch eine Anfechtungsklage statthaft. Zu diesem Ergebnis kommt – unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung der OVG NRW – auch das VG Köln:

Denn ungeachtet der Verwaltungsaktsqualität sind gemäß § 18 Abs. 2 BVwVG gegen die Anwendung von Zwangsmitteln ohne vorausgehenden Verwaltungsakt die Rechtsmittel zulässig, die gegen Verwaltungsakte allgemein gegeben sind. Jedenfalls in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift für landesrechtliche Vollstreckungsmaßnahmen kann damit die Aufhebung der Versiegelung wegen Rechtswidrigkeit begehrt werden.
(OVG NRW, Urt. v. 16.10.2008 – 7 A 696/07 – juris Rn. 35)

Fraglich ist, ob dieses Vorgehen Zustimmung verdient. Vorliegend wurde nicht durch eine Bundesbehörde vollstreckt, sodass das BVwVG jedenfalls keine direkte Anwendung findet. Eine Parallelvorschrift zu § 18 Abs. 2 BVwVG findet sich im VwVG NRW nicht. In Betracht kommt somit lediglich eine analoge Anwendung des § 18 Abs. 2 BVwVG. Die analoge Anwendung einer Norm setzt das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage voraus. Aufgrund des Fehlens einer Parallelvorschrift zu § 18 Abs. 2 BVwVG im VwVG NRW besteht eine Regelungslücke. Diese wäre planwidrig, wenn anzunehmen ist, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber eine derartige Regelung schlichtweg übersehen hat, wobei insbesondere auch auf verfassungsrechtliche Wertungen zu rekurrieren ist. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven Rechtsschutz. Wie bereits dargelegt vermittelt das Rechtsschutzsystem der VwGO jedoch auch auf anderem Wege als über eine Anfechtungsklage effektiven Rechtsschutz. Deshalb erscheint zumindest aus verfassungsrechtlichem Blickwinkel die Annahme einer Anfechtungsklage nicht zwingend geboten. Bei § 18 Abs. 2 BVwVG handelt es sich vielmehr um eine spezifische Entscheidung des Bundesgesetzgebers. Mangels eines anderweitig zutage getretenen Willens darf das ausdifferenzierte Rechtsschutzsystem der VwGO nicht durch die analoge Anwendung des § 18 Abs. 2 BVwVG unterlaufen werden.
Aus diesem Grund ist die Anfechtungsklage nicht die statthafte Klageart.
 
b) In Betracht kommt weiterhin eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Var. 2 VwGO. Eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Var. 2 VwGO ist statthaft, wenn der Kläger die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt und der Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 Abs. 2 VwGO gewahrt ist. Unter einem Rechtsverhältnis versteht man die sich aus einem konkreten Sachverhalt aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ergebenden Rechtsbeziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Der Kläger muss also die gerichtliche Beantwortung einer konkreten streitigen Rechtsfrage begehren. Zur Konkretheit der Rechtsfrage gehört es, dass sie sich auf einen fest umrissenen und überschaubaren Sachverhalt bezieht. Um konkrete Rechtsfragen handelt es sich insbesondere dann, wenn zwischen Bürger und Behörde einzelne Rechte oder Pflichten, die sich aus einer Rechtsvorschrift ergeben, umstritten sind. Hier steht in Frage, ob der Bürgermeister der Stadt Kerpen in dem konkreten Lebenssachverhalt auf Grundlage der §§ 55 ff. VwVG NRW berechtigt war, X gegenüber Verwaltungszwang auszuüben. X begehrt also die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Wie bereits dargelegt kommt eine Gestaltungsklage in Form einer Anfechtungsklage nicht in Betracht, weshalb auch der Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 Abs. 2 VwGO gewahrt wird. Dass die Räumung und der Abriss des Baumhauses bereits abgeschlossen sind und daher ein vergangenes Rechtsverhältnis in Rede stehen könnte, schadet nicht. Nach einhelliger Auffassung ist nämlich auch ein vergangenes Rechtsverhältnis nach § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähig.
 
c) Statthafte Klageart ist somit eine Feststellungsklage im Sinne des § 43 Abs. 1 Var. 2 VwGO.
 
3. X müsste über ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung verfügen. Unter das Feststellungsinteresse fällt jedes schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Sollte das Rechtsverhältnis, dessen Nichtbestehen X festgestellt wissen will, ein vergangenes sein, müsste es über seine Beendigung hinaus anhaltende Wirkungen äußern. In diesem Fall kämen mit dem Fortsetzungsfeststellungsinteresse vergleichbare Fallgruppen zum Tragen. Zu klären ist daher, ob vorliegend ein vergangenes Rechtsverhältnis in Rede steht, wovon auszugehen wäre, wenn sich die Rechtsbeziehung zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits erledigt hätte. Nach Ansicht des VG Köln habe sich die angegriffene Maßnahme noch nicht erledigt:

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, […], der sich die Kammer anschließt, tritt eine Erledigung einer Vollstreckungsmaßnahme nicht ein, so lange diese noch Grundlage einer Kostenforderung sein kann. Dies ist vorliegend der Fall, weil nach § 77 VwVG NRW i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 7 und 8 VwVG-VO NRW die Beträge, die bei der Ersatzvornahme oder der Anwendung unmittelbaren Zwangs an Beauftrage und an Hilfspersonen zu zahlen sind sowie sonstige Kosten der Ausführung des unmittelbaren Zwangs vom Ordnungspflichtigen zu erstatten sind.

Selbst wenn man entgegen der Rechtsprechung Erledigung annehmen würde, stünde dies der Zulässigkeit der Klage jedoch nicht entgegen, da sich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse jedenfalls aus dem Gesichtspunkt einer sich kurzfristig erledigenden Eingriffsmaßnahme ergibt.
 
4. Nach herrschender Meinung muss der Kläger auch bei Feststellungsklage analog § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt sein. Demnach müsste nach den substantiierten Behauptungen des Klägers die Möglichkeit bestehen, dass er durch die angegriffenen Maßnahmen in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist. Hier ergibt sich die Klagebefugnis jedenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Ob angesichts der Tatsache, dass sich X in dem betreffenden Bereich des Hambacher Forsters „wohnmäßig“ aufgehalten hat, auch ein Eingriff in Art. 13 GG im Raum steht, könne – so die Kölner Richter – offenbleiben.
 
5. Unter Zugrundelegung des allgemeinen Rechtsträgerprinzips ist die Klage gegen die Stadt Kerpen zu richten.
 
6. X ist gem. §§ 61 Nr. 1 Alt. 1, 63 Nr. 1, 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO beteiligungs- und prozessfähig. Als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts ist die Stadt Kerpen nach §§ 61 Nr. 1 Alt. 2, 63 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig und nach § 62 Abs. 3 VwGO, vertreten durch den Bürgermeister (§ 63 Abs. 1 S. 1 GO NRW), prozessfähig.
 
7. Die Klage des X ist zulässig.
 
II. X wendet sich sowohl gegen die Räumung als auch gegen die Beseitigung seines Baumhauses. Er verfolgt also mehrere Klagebegehren. Die Voraussetzungen der objektiven Klagehäufung gemäß § 44 VwGO sind vorliegend erfüllt, sodass die Begehren zusammen verfolgt werden können.
 
III. Die Klage des X ist begründet, soweit die zu den Vollstreckungsmaßnahmen berechtigenden Rechtsverhältnisse nicht bestanden. Dies wäre dann der Fall, wenn die Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig waren.
 
1. Die Räumung des Baumhauses ist rechtmäßig, soweit diese auf einer Ermächtigungsgrundlage beruht, von der in formell und materiell rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht wurde.
 
a) Rechtsgrundlage für die Räumung des Baumhauses ist §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62 VwVG NRW.
 
b) Die Räumung müsste formell rechtmäßig sein.
 
aa) Die Zuständigkeit des Bürgermeisters zur Räumung des Baumhauses ergibt sich aus § 56 Abs. 1 VwVG NRW.
 
bb) Mangels Verwaltungsaktsqualität der Räumung musste X nicht gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört werden.
 
cc) Somit ist die Räumung formell rechtmäßig.
 
c) Die Maßnahme müsste auch materiell rechtmäßig sein.
 
aa) Dann müsste der Verwaltungszwang gemäß § 55 VwVG NRW zulässig sein.
 
(1) In Betracht kommt zunächst das gestreckte Verfahren nach § 55 Abs. 1 VwVG NRW.
 
(a) Dann müsste zunächst ein Verwaltungsakt vorliegen, der auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet ist. Ein solcher Verwaltungsakt ist in der Aufforderung des Bürgermeisters zu erblicken, das von X genutzte Baumhaus zu räumen.
 
(b) Der Verwaltungsakt müsste vollziehbar gewesen sein. Die Aufforderung, das Baumhaus zu räumen, und die Räumung erfolgten am selben Tag. Somit war die Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO noch nicht abgelaufen. Möglicherweise hatte die Aufforderung des Bürgermeisters jedoch keine aufschiebende Wirkung. Der Bürgermeister ist nicht Polizeivollzugsbeamter, sodass die aufschiebende Wirkung nicht bereits gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO entfallen ist. Fraglich ist, ob die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde. Jedenfalls ordnete der Bürgermeister die sofortige Vollziehung nicht ausdrücklich an. Mit den gewählten Formulierungen („Gefahr für Leib und Leben“, „innerhalb der nächsten 30 Minuten“) bringt der Bürgermeister jedoch eine besondere Dringlichkeit zum Ausdruck. Zu klären ist daher, ob hierin eine konkludente Anordnung der sofortigen Vollziehung liegt. Aus den unmissverständlichen gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO („besonders angeordnet“) und § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO („schriftlich zu begründen“) folgt jedoch, dass die Vollziehungsanordnung nicht konkludent möglich ist. Somit war der Verwaltungsakt nicht vollziehbar.
 
(c) Der Bürgermeister der Stadt Kerpen konnte also auch nicht nach dem gestreckten Verfahren gemäß § 55 Abs. 1 VwVG vorgehen.
 
(2) Damit stellt sich die Frage, ob der Verwaltungszwang im gekürzten Verfahren gemäß § 55 Abs. 2 VwVG NRW zulässig war.
 
(a) Dann müsste der Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet worden sein. Problematisch erscheint hier, dass der Bürgermeister zuvor einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt erließ, das Baumhaus zu räumen. Hat die Behörde schon eine Grundverfügung erlassen, ist sie deshalb jedoch nicht automatisch auf das gestreckte Verfahren festgelegt. Zwar hat dieser Fall keine gesetzliche Regelung gefunden, es wäre jedoch sinnwidrig, wenn die Behörde nach dem Erlass der Grundverfügung die Dringlichkeit der Gefahrenlage erkennt, aber im gestreckten Verfahren vollziehen müsste. Wenn die Behörde im Sofortvollzug gänzlich ohne Grundverfügung vollstrecken kann, so muss ihr dies – bei Vorliegen der anderen Tatbestandsvoraussetzungen des Sofortvollzuges – vielmehr erst recht möglich sein, wenn sie vorher eine Grundverfügung erlassen hat. Auch droht keine Umgehung der Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 VwVG NRW, da die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 VwVG NRW strenger sind als die des § 55 Abs. 1 VwVG NRW. Dass der Bürgermeister der Vollstreckung vorausgehend eine Räumungsverfügung erlassen hat, steht der Zulässigkeit des Verwaltungszwangs gemäß § 55 Abs. 2 VwVG NRW nicht entgegen.
 
(b) Weiterhin verlangt § 55 Abs. 2 VwVG, dass die Vollzugsbehörde innerhalb ihrer Befugnisse gehandelt hat. Mit dem Handeln innerhalb der Befugnisse meint § 55 Abs. 2 VwVG NRW dabei die Rechtmäßigkeit eines hypothetischen Grundverwaltungsakts. Hier hat der Bürgermeister der Stadt Kerpen sogar einen Grundverwaltungsakt erlassen, sodass die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung zu prüfen ist. Auch bezüglich des Grundverwaltungsakts gilt, dass dieser rechtmäßig wäre, soweit dieser auf einer formell und materiell ordnungsgemäß angewendeten Ermächtigungsgrundlage beruht.
 
(aa) Ermächtigungsgrundlage für die Verfügung, das Baumhaus zu räumen, ist § 82 Abs. 1 S. 2 BauO NRW.
 
(bb) Der Grundverwaltungsakt müsste formell rechtmäßig sein.
 
(aaa) Der Bürgermeister der Stadt Kerpen war gemäß § 57 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 Nr. 3 lit. a) BauO NRW für den Erlass der Räumungsverfügung zuständig.
 
(bbb) Grundsätzlich hätte der Bürgermeister X gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW vor Erlass der Räumungsverfügung anhören müssen. Angesichts der Tatsache, dass wegen Missachtung der Brandschutzvorschriften bei einem Brand- und Unglücksfall im Hambacher Forst eine zeitnahe Rettung der im Forst befindlichen Personen nicht gewährleistet gewesen ist, bestand akute Lebensgefahr. Somit war eine Anhörung wegen Gefahr im Verzug gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW entbehrlich.
 
(ccc) Grundsätzlich hätte der Bürgermeister gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 BauO NRW, §§ 12, 20 Abs. 1 S. 1 OBG NRW eine schriftliche Ordnungsverfügung erlassen müssen. Wegen Gefahr im Verzug bedurfte es gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 OBG NRW ausnahmsweise nicht der Schriftform.
 
(ddd) Der Grundverwaltungsakt ist formell rechtmäßig.
 
(cc) Der Grundverwaltungsakt müsste auch materiell rechtmäßig sein.
 
(aaa) Zunächst müsste es sich bei dem Baumhaus um eine Anlage handeln. § 2 Abs. 1 S. 4 BauO NRW legaldefiniert den Begriff der Anlagen als bauliche Anlagen und sonstigen Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 BauO NRW. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 S. 1 BauO NRW ist eine bauliche Anlage wiederum eine mit dem Erdbunden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlage. Daran, dass das Baumhaus aus Bauprodukten hergestellt wurde, bestehen keine Zweifel. Allerdings wirft die Tatsache, dass das Baumhaus nicht unmittelbar mit dem Erdboden verbunden ist, Probleme auf. Ob auch eine mittelbare Verbindung mit dem Erdboden ausreicht, ist durch Auslegung des § 2 Abs. 1 S. 1 BauO NRW zu ermitteln. Zweck der bauordnungsrechtlichen Begriffsbestimmungen ist es, Anlagen zu erfassen, von denen für Bauwerke typische Gefahren ausgehen können. Das Baumhaus ist für den dauerhaften Aufenthalt von Menschen geeignet und wird hierfür auch genutzt. Auch von einem Baumhaus gehen daher Gefahren aus, die typischerweise mit Mitteln des Bauordnungsrechts abgewehrt werden. Insbesondere eine am Telos des § 2 Abs. 1 BauO NRW orientierte Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Baumhaus um eine Anlage handelt.
 

Anmerkung: In seinem Urteil ließ das VG Köln dahinstehen, ob es sich bei einem Bauhaus um eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 BauO NRW handelt. In einer gutachterlichen Fallbearbeitung wird jedoch erwartet, dass auf alle im Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen eingegangen wird. Hier wurde – ebenso wie im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts – der Argumentation des Bauministerium gefolgt, um zu dem Hauptproblem des Falles zu gelangen, ohne ein Hilfsgutachten anfertigen zu müssen.

 
(bbb) X müsste das Baumhaus im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt haben. Ausweislich des Bearbeitervermerks ist von der materiellen Bauordnungsrechtswidrigkeit des Baumhauses auszugehen, sodass diese Voraussetzung erfüllt ist.
 
(ccc) Als Bewohner des Baumhauses ist X jedenfalls Verhaltensverantwortlicher im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 BauO NRW, §§ 12, 17 Abs. 1 OBG NRW.
 
(ddd) Auf Rechtsfolgenseite eröffnet § 81 S. 2 BauO NRW einen Ermessensspielraum. Zu prüfen ist daher, ob beim Erlass der Räumungsverfügung Ermessensfehler im Sinne des § 114 S. 1 VwGO begangen wurden.
 
Eine Besonderheit ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass der Bürgermeister der Stadt Kerpen nicht aufgrund einer autonomen Entscheidung handelte, sondern vielmehr eine an ihn gerichtete Weisung ausführte. Zwar eröffnet § 81 S. 1 BauO NRW der unteren Bauaufsichtsbehörde Ermessen, allerdings wollen die Ermessensnormen die Verwaltungshierarchie nicht außer Kraft setzen. Daraus hat das VG Köln gefolgert:
 

Die Weisung verschiebt daher nur die Anforderungen an eine rechtmäßige Ermessensausübung „eine oder zwei Stufen höher“, ohne sie inhaltlich zu verändern. Die angewiesene Behörde hat somit die Ermessenserwägungen, die die anweisende Behörde vorgenommen hat, zu übernehmen und zur Grundlage ihres Handelns zu machen.

 
Vorliegend könnte das Bauministerium das ihr zustehende Ermessen zweckwidrig i.S.d. § 114 S. 1 Alt. 2 VwGO ausgeübt haben:
 

Ein besonderer Fall der zweckwidrigen Ermessensausübung ist dabei die „Vorwegbindung“ der Behörde. Voraussetzung jeder Ermessensausübung ist der unvoreingenommene Blick auf den Sachverhalt. Die Unbefangenheit des entscheidenden Verwaltungsbeamten ist eine wesentliche allgemeine Voraussetzung des Verwaltungsverfahrens und muss es wegen des größeren Freiraums erst recht für die Ermessensentscheidung sein. Die bewusste Berücksichtigung unsachlicher Motive ist daher nicht nur ein beachtlicher Verfahrensfehler, sondern zugleich zumindest Fehler der Ermessensausübung. Vorwerfbare subjektive Motive oder Haltungen des konkreten Amtswalters, der den Verwaltungsakt erlässt, widersprechen der aus der Ermessensnorm entstehenden Pflicht zur Berücksichtigung der maßgeblichen einschlägigen Gesichtspunkte.
[…]
Weiter ist zu berücksichtigen, dass es bei mehreren Ermessensgründen für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ausreicht, wenn der maßgebliche Grund dem Gesetz entspricht. Dieser Grund muss jedoch wirklich tragend und nicht nur Vorwand sein. Umgekehrt führt es zum Ermessensfehler, wenn ein zweckwidriger Grund für die im Ermessensweg getroffene Entscheidung gewichtige Bedeutung hatte.
[…]
Gemessen hieran ist die Ermessenausübung in der Weisung vom 12. September 2018 in tragenden Teilen zweckwidrig und damit fehlerhaft.
Zweck der hier herangezogenen Ermächtigungsnorm […] [ist], das formelle und materielle Baurecht (Bauordnungsrecht wie Bauplanungsrecht) durchzusetzen. Hiervon ausgehend muss die Ermessenausübung darauf bezogen sein, ob bauordnungs- und/oder bauplanungsrechtliche Ziele verfolgt bzw. Missstände beseitigt werden sollen.
In der Weisung vom 12. September 2018 wird […] zunächst – dem Zweck der Ermächtigungsnorm entsprechend – der hohe Stellenwert des Brandschutzes und der damit verbundene Schutz von Leib und Leben der Bewohner betont. Sodann folgen jedoch umfangreiche Ausführungen dazu, welche Personen nach Erkenntnissen der Polizei und des Verfassungsschutzes zu der Waldbewohnerszene gehören, welche Art von erheblichen Angriffen (z.B. Zwillenbeschuss) von diesen Personen gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte […] ausgegangen sind und dass diese Personen nach Angriffen immer wieder in den „Wohn- und Lagerstrukturen im Wald“ untergetaucht sind. Dieser gewichtige Teil der Ermessenserwägungen weist keinen Bezug zu [§ 82 BauO NRW] auf. Schon der sprachliche Wechsel von „baulichen Anlagen“ zu „Wohn- und Lagerstrukturen“ führt klar vor Augen, dass es hier nicht mehr um Bauplanungs- und/oder Bauordnungsrecht geht, sondern dass die Räumungsmaßnahme der allgemeinen Gefahrenabwehr dient. […] Damit lösen sich die Ermessenserwägungen vollständig vom dem Zweck der Ermächtigungsnorm.
Darüber hinaus zeigt der Inhalt der Akte deutlich, dass hier – mit Blick auf die gewählte Eingriffsnorm aus dem Bauordnungsrecht – ein Fall der „inneren Vorwegbindung“ gegeben ist. Schon in der ersten Besprechung im Ministerium des Innern NRW am 25. Juli 2018 bestand am gewünschten Ergebnis, nämlich der Beseitigung sämtlicher Anlagen im Hambacher Forst, kein Zweifel. […] Letztlich ging es erkennbar darum, für die polizeilichen Aktionen eine Rechtsgrundlage zu finden, die – aus Gründen, die sich der Akte nicht entnehmen lassen – nicht im Polizei- und Ordnungsrecht liegen sollte.
Dass der dem Schutz der Bewohner dienende Brandschutz lediglich als „Vehikel“ genutzt wurde, um [§ 82 BauO NRW] als Ermächtigungsgrundlage heranziehen zu können, zeigt auch die E-Mail des zuständigen Abteilungsleiters des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW […] an die Bezirksregierung Köln, den Kreis Düren und die Beklagte […]. Während in den Weisungen die besondere Dringlichkeit des Eingreifens mit dem hohen Stellenwert des Brandschutzes und den akuten Gefahren für die Bewohner der Baumhäuser begründet wurde, führt der Abteilungsleiter in dieser E-Mail u.a. aus, da sich das Land aufgrund eines Verfahrens beim Oberverwaltungsgericht NRW dafür einsetze, dass die Rodungen nicht vor Ablauf der zweiten Oktoberwoche beginnen, komme eine Verschiebung der Fristen (für die Räumung) um wenige Tage in Betracht. Damit wird in bemerkenswerter Klarheit zum Ausdruck gebracht, dass die besondere Eile und das Ziel des schnellen Eingreifens nicht den Brandgefahren geschuldet waren.

 
(eee) Mithin ist die Grundverfügung ermessensfehlerhaft und damit materiell rechtswidrig.
 
(d) Die Räumungsverfügung ist rechtswidrig. Damit handelte der Bürgermeister der Stadt Kerpen nicht innerhalb seiner Befugnisse.
 
(c) Die Anwendung von Verwaltungszwang im gekürzten Verfahren gemäß § 55 Abs. 2 VwVG NRW war nicht zulässig.
 
(3) Der Verwaltungszwang war nicht gemäß § 55 VwVG NRW zulässig.
 
bb) Die Räumung des Baumhauses war materiell rechtswidrig.
 
d) Die Räumung des Baumhauses war rechtswidrig.
 
2. Zu beantworten bleibt schließlich die Frage, ob auch die Beseitigung des Baumhauses rechtswidrig war. Als Ermächtigungsgrundlage für die Beseitigung des Baumhauses kommen §§ 55 Abs. 2, 57 Abs. 1 Nr. 1, 59 VwVG NRW in Betracht. Die der Vollstreckung zugrunde liegende, auf § 82 Abs. 1 S. 1 BauO NRW gestützte Beseitigungsverfügung leidet allerdings unter denselben Ermessensfehlern wie die Räumungsverfügung. Somit war auch die Beseitigung des Baumhauses rechtswidrig.
 
3. Demzufolge waren sowohl die Räumung als auch die Beseitigung des Baumhauses rechtswidrig. Die zu den Vollstreckungsmaßnahmen berechtigenden Rechtsverhältnissen bestanden also nicht. Die Klage des X ist begründet.
 
III. Die Klage des X hat Erfolg.
 
C. Summa
Angesichts der Länge der Ausführungen soll die Summa umso knapper ausfallen: Der vom VG Köln entschiedene Fall erscheint wie gemalt für eine Examensklausur. Er kombiniert Probleme aus dem Baurecht mit solchen aus dem Verwaltungsvollstreckungs-, allgemeinen Verwaltungs- sowie Verwaltungsprozessrecht. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die angesprochenen Zulässigkeitsprobleme sowie die Frage, auf wessen Ermessenserwägungen abzustellen ist, wenn eine Behörde eine Maßnahme in Ausführung einer an sie gerichteten Weisung anordnet. Auch sollte man sich vergegenwärtigen, dass die „Vorwegbindung“ der Behörde einen Unterfall der Zweckverfehlung darstellt.
Insgesamt bietet der Fall einen Anlass, die Grundzüge des Verwaltungsvollstreckungsrechts zu wiederholen. Bei Prüfungsaufgaben im Verwaltungsvollstreckungsrecht ist es – wie der vorliegende Fall zeigt – besonders wichtig, den Überblick zu bewahren.  Dies gilt insbesondere dann, wenn statt der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme die Rechtmäßigkeit eines Kostenbescheids zu prüfen ist, wodurch der Prüfungsaufbau durch eine weitere Ebene weiter verkompliziert wird.

08.11.2021/1 Kommentar/von Carlo Pöschke
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Carlo Pöschke https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Carlo Pöschke2021-11-08 08:39:542021-11-08 08:39:54Brandschutz nur vorgeschoben: Räumung und Abriss von Baumhäusern im Hambacher Forst rechtswidrig
Dr. Stephan Pötters

VG Koblenz: Swimmingpool an einem im Außenbereich gelegenen Wohngebäude nicht genehmigungsfähig

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Baurecht im Examen
Das Baurecht muss schon im ersten Staatsexamen in den Grundzügen beherrscht werden, besonders wichtig wird es aber für das Assessorexamen. Besonders examensrelevant sind dabei vor allem Entscheidungen zum Bauplanungsrecht, insb. zu den §§ 34, 35 BauGB. Zu diesem Bereich ist aktuell eine Entscheidung des VG Koblenz (Urteil vom 25. September 2014, 1 K 111/14.KO) ergangen, die so 1:1 auch Gegenstand einer Klausur sein kann.
Sachverhalt
Dem Fall lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde (nach Pressemitteilung Nr. 30/2014 des VG Koblenz vom 6.10.2014): Die klagenden Eheleute sind Eigentümer eines genehmigten Wohngebäudes im Außenbereich von Koblenz. In unmittelbarer Nähe hierzu befindet sich ein von ihnen betriebenes Waldhotel mit Wildgehege und Parkmöglichkeiten. Nachdem die zuständige Bauaufsichtsbehörde der Stadt Koblenz eine Baugenehmigung zur Errichtung eines privaten Schwimmbades 2003 abgelehnt hatte, stellte sie im Juli 2011 fest, dass im Garten der Kläger östlich des Wohnhauses eine Poolanlage errichtet wurde. Daraufhin wurde einem der Kläger die Beseitigung der Poolanlage unter gleichzeitiger Verfüllung der Baugrube mit unbelastetem Erdreich aufgegeben. Ferner untersagte die Behörde die Nutzung der entstehenden Freifläche zu „wie auch immer gearteten Zwecken“. Für den Falle der Zuwiderhandlung wurden Zwangsmittel (Zwangsgeld) angedroht. Die Kläger legten sodann für ihr privates Schwimmbad abermals Bauunterlagen vor und beantragten nochmals eine Baugenehmigung. Deren Erteilung wurde von der Stadt Koblenz abermals versagt. Die Kläger begehren nun die Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung. Zugleich wendet sich einer der Kläger gegen die Beseitigungsverfügung sowie die Nutzungsuntersagung mit Zwangsmittelandrohung.
Lösung des VG Koblenz
Das VG Koblenz hat die Klage im Hinblick auf den Verpflichtungsteil (Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung) abgelehnt. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für ein Schwimmbecken. Dem Vorhaben stünden öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen. Es verstoße namentlich gegen § 35 Abs. 2, 3 BauGB.
Unstreitig ging es hier um ein Vorhaben im Außenbereich. Die Kläger hatten vorgetragen, dass es sich um ein privilegiertes Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 1 BauGB handele; dem schloss sich das VG nicht an. Die Poolanlage sei weder selbst ein privilegiertes Vorhaben, noch könne sie als eine Nebenanlage zu einem privilegierten Vorhaben angesehen werden. Das Gericht begründet dies ausführlich und überzeugend:

„Selbst die Kläger behaupten nicht, dass das geplante Schwimmbecken als solches, das heißt unter Ausblendung des offenbar als privilegiertes Vorhaben im Jahr 1998 genehmigten und errichteten Wohngebäudes, einem Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient. Sie meinen aber, die Poolanlage werde von der Privilegierung des Wohnhauses gleichsam „mitgezogen“ […].
Dieser Argumentation vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Dabei erscheint es aus Sicht des Gerichts bereits zweifelhaft, ob das im Jahr 1998 genehmigte Wohn- bzw. Nebengebäude der Kläger den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB für sich in Anspruch nehmen kann. Weder den Verwaltungsvorgängen noch den Ausführungen der Beteiligten lässt sich entnehmen, inwiefern das Wohnhaus der Inhaber eines Waldhotels mit Freigehege und Waldmuseum einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient. Selbst wenn aber eine solche Privilegierung für das Hauptgebäude unterstellt würde, lässt sich die Rechtsauffassung der Kläger nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO stützen. Nach dieser Vorschrift sind zwar auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Doch wie bereits ihr Wortlaut („in dem Baugebiet“, vgl. § 1 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauNVO) hinreichend verdeutlicht, findet sie im Außenbereich keine Anwendung […]. Auch eine analoge Anwendung von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO ist im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Denn eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 31.01.2013, NuR 2013, 417). An einer solchen (planwidrigen) Lücke fehlt es im Fall der Kläger, weil die für den Außenbereich geltende Bestimmung des § 35 BauGB den vorliegenden Sachverhalt abschließend regelt (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.07.2013, a. a. O.).
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Schwimmbeckens richtet sich damit nach § 35 Abs. 1 BauGB. Ob eine für sich genommen nichtprivilegierte Nebenanlage an der Privilegierung einer Hauptanlage teilnimmt, ist durch Auslegung des Tatbestandsmerkmals „dienen“ in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Blick auf die Hauptanlage und deren Ausstattung zu bestimmen. Bei dieser Auslegung ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt.
Das Merkmal des Dienens nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist also auch dann zu verneinen, wenn ein Vorhaben zwar nach seinem Verwendungszweck grundsätzlich gerechtfertigt ist, doch nach seiner Ausgestaltung, Beschaffenheit oder Ausstattung nicht mehr durch diesen Verwendungszweck geprägt wird. Deswegen muss auch die Ausstattung eines im Außenbereich geplanten Wohnhauses verkehrsüblich und noch hinreichend vom Verwendungszweck geprägt sein, wobei zur Ausstattung grundsätzlich auch etwaige bauliche Nebenanlagen gehören können (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.07.2013, a. a. O., Rn. 30).
Dies vorausgeschickt zählt der Swimmingpool der Kläger nicht mehr zu der verkehrstypischen Ausstattung ihres Wohnhauses. Er lässt sich weder mit einer von der Rechtsprechung noch als angemessen angesehenen Pkw-Garage noch – wie die Kläger meinen – mit einer Terrasse vergleichen. Während sich die Verkehrsüblichkeit einer Garage daraus ergibt, dass zur funktionsgerechten Nutzung auch eines im Außenbereich gelegenen Wohngebäudes die Möglichkeit gehört, ein Kraftfahrzeug (sicher) abstellen zu können (BVerwG, Urt. v. 17.01.1986 – 4 C 80.82 – BVerwGE 72, 362), folgt dies für eine Terrasse daraus, dass es sich hierbei nach der Verkehrsanschauung um eine (weit verbreitete) Fortsetzung der Wohnnutzung in den Grundstücksaußenbereich handelt, die in aller Regel unmittelbar an das Wohngebäude anschließt, jedenfalls aber stets einen engen räumlichen wie funktionalen Bezug zu dem Wohngebäude aufweist. Dementsprechend verfügt eine Vielzahl von Wohngebäuden über Garagen bzw. Terrassen. Ein Swimmingpool ist dagegen in keiner Weise verkehrsüblich, da Wohnhäuser regelmäßig nicht über eine solche Einrichtung verfügen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.07.2013, a. a. O., Rn. 31). Pools gehören zudem nicht zur funktionsgerechten Nutzung einer Wohnung. Zwischen einer Garage oder Terrasse und dem Schwimmbecken besteht daher insoweit ein entscheidender Unterschied. Ihre unterschiedliche Behandlung kann deshalb auch nicht als sinnwidrig angesehen werden, auch wenn etwa eine Garage für den Betrachter optisch deutlich stärker in Erscheinung tritt als ein in den Boden eingelassenes Schwimmbecken, das vorliegend zudem aufgrund der konkreten Örtlichkeit von der Straße aus nicht wahrgenommen werden kann.“

Somit steht als ein erstes Zwischenergebnis fest, dass kein privilegiertes Vorhaben vorliegt. Als ein „sonstiges“ Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ist der Bau der Poolanlage mithin bereits dann unzulässig, wenn öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB „beeinträchtigt“ werden. Dies war hier der Fall: Zum einen widersprach das Vorhaben dem Flächennutzungsplan (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB); zum anderen lässt es die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Darüber hinaus wäre sicherlich auch eine Bejahung von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 5 BauGB vertretbar.
Die letzte – in der Klausur oft übersehene! – Möglichkeit, um die Zulässigkeit des Vorhabens noch zu retten, war somit § 35 Abs. 4 BauGB. Aber auch dies lehnte das VG ab:

„Soweit sich die Kläger auf die Möglichkeit einer erleichterten Zulassung des Bauvorhabens nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB berufen, teilt die Kammer diese Rechtsauffassung nicht. Von einer angemessenen Erweiterung eines Wohngebäudes kann begrifflich bei der Errichtung einer zweiten, vom Wohngebäude räumlich abgesetzten, eigenständigen baulichen Anlage nicht mehr die Rede sein (BVerwG, Urt. v. 12.03.1998, BVerwGE 106, 228; …). Durch § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB sollen keine neuen Baurechte geschaffen, sondern nur Härten und Schwierigkeiten beseitigt werden, um dem Eigentümer eine angemessene Wohnraumversorgung zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.10.1994, DÖV 1995, 199). Die zusätzliche Beeinträchtigung des Außenbereichs hält sich in Grenzen, wenn das ohnehin Vorhandene zwar erweitert wird, die Zahl der baulichen Anlagen sich hierdurch aber nicht erhöht. Dagegen sind Baumaßnahmen, die wie hier in keinem unmittelbaren bautechnischen Zusammenhang mit dem geschützten Baubestand stehen, geeignet, der Gefahr einer verstärkten Zersiedelung des Außenbereichs Vorschub zu leisten.“

Somit war die Verpflichtungsklage mangels Anspruch der Kläger abzuweisen. Gleiches gilt für die Anfechtungsklage gegen die Beseitigungsverfügung (synonym: Abrissverfügung; Rechtsgrundlage in RLP: § 81 Satz 1 BauO; in NRW: § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO). Das Schwimmbecken im Außenbereich ist formell illegal, weil es ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden ist. Wie dargelegt fehlt es dem Vorhaben zudem an der Genehmigungsfähigkeit, es ist also auch materiell illegal. Ermessensfehler waren nicht ersichtlich.
Erfolgreich war hingegen die Anfechtung der Nutzungsuntersagung und der damit verbundenen Zwangsgeldandrohung:

„Die ebenfalls auf § 81 Satz 1 LBauO gestützte Nutzungsuntersagung ist hingegen rechtswidrig. Die Beklagte kann sich für das von ihr ausgesprochene Nutzungsverbot von Freiflächen auf dem in Rede stehenden Grundstück der Kläger bereits nicht auf die Vorschrift des § 81 Satz 1 Alt. 2 LBauO stützen. [Danach sind] Nutzungen zu untersagen, die ohne die erforderliche Baugenehmigung ausgeübt werden oder die Variationsbreite einer erteilten Baugenehmigung überschreiten. […] Eine Ermächtigung, den Eigentümer eines Grundstücks zu verpflichten, jegliche Nutzung seines Grundstücks zu unterlassen, enthält deshalb § 81 Satz 1 Alt. 2 LBauO schon nach seinem Wortlaut nicht. Im Übrigen würde eine derartige Nutzungsuntersagung das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum unverhältnismäßig einschränken […]. Das vollständige Nutzungsverbot würde dazu führen, dass dem Kläger zu 1) noch nicht einmal die Nutzung des betroffenen Grundstücksteils als Wiese ermöglicht wird. Es führte daher letztlich zu größeren Beschränkungen, als dies bei der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes und mithin einer Gartenfläche selbst der Fall wäre.“

Ist die ausgesprochene Nutzungsuntersagung rechtswidrig, kann auch die damit verbundene Zwangsgeldandrohung keinen Bestand haben, denn sie kann nicht zur Durchsetzung einer rechtswidrigen und deshalb aufzuhebenden Grundverfügung erlassen werden. Ohne Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, dass sich die Beseitigungsverfügung als rechtmäßig erweist. Die Zwangsgeldandrohung habe ein einheitliches Zwangsgeld für die Durchsetzung von Beseitigungsverfügung und Nutzungsuntersagung zum Gegenstand. Ihr liege daher eine einheitliche Ermessensausübung hinsichtlich der Zwangsgeldhöhe zugrunde. Angesichts des einheitlichen Regelungscharakters lasse sich diese Zwangsgeldandrohung nicht in zwei selbständige Teile mit eigenständigen Ermessenserwägungen trennen, sie ist daher insgesamt rechtswidrig.
Weiterführende Lesehinweise
Zur Wiederholung und Vertiefung des examensrelevanten Wissens im Baurecht ist auf folgende Beiträge hinzuweisen:

  • Urteil zu Mobilfunkmasten im Außenbereich
  • Grundlagenwissen im Baurecht, insb. mit Blick auf das Assessorexamen
  • Übersicht zu Problemen rund um die Bauordnungsverfügung
  • sowie schließlich ein hervorragender Beitrag zum Nachbarschutz im Baurecht.

07.10.2014/4 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2014-10-07 08:30:072014-10-07 08:30:07VG Koblenz: Swimmingpool an einem im Außenbereich gelegenen Wohngebäude nicht genehmigungsfähig
Anna Ebbinghaus

Grundwissen Baurecht- die Bauordnungsverfügung

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Mit unserem Kurzüberblick haben wir euch schon einen ersten Einstieg in das Baurecht gegeben. Einige Themen sollen nun in nächster Zeit vertieft werden. Heute möchten wir die Bauordnungsverfügung näher betrachten:
Die Bauordnungsverfügung
Die Bauaufsichtsbehörden haben auch die Aufgabe, bereits bestehende bauliche Vorhaben zu überwachen. Werden Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, insbesondere die des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts, festgestellt, so haben die zuständigen Behörden die Möglichkeit, mit verschiedenen Verfügungen den baurechtswidrigen Zustand wieder zu beseitigen (sog. repressive Kontrolle).
I. Überblick über die Verfügungen
Den Bauaufsichtsbehörden stehen eine Vielzahl von Verfügungen zur Wahl.
Besonders examensrelevant sind folgende:
1. Stilllegungsverfügung
Bei noch laufenden Bauarbeiten kann die Behörde ein materiell oder formell illegales Vorhaben mit einer Stilllegungsverfügung stoppen.
2. Abriss-/Beseitigungsverfügung
Ist das bauliche Vorhaben schon fertig gestellt, kann bei Verstößen eine Abriss- oder Beseitigungsverfügung ergehen.
3. Nutzungsuntersagung
Werden bauliche Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, hat die Behörde die Befugnis, dies zu untersagen.
Beispiel: störender Gewerbebetrieb in reinem Wohngebiet
 
II. Ermächtigungsgrundlagen
In den meisten landesrechtlichen Bauordnungen sind für die jeweiligen Verfügungen spezielle Ermächtigungsgrundlagen normiert, zB 89 I Nr. 1 und 2 BauO Nds, Art. 81 BauO Bay, § 64 BauO BW.
Ansonsten ist als Ermächtigungsgrundlage die bauordnungsrechtliche Generalklausel des jeweiligen Landesrechts heranzuziehen, zB § 61 I S2 BauO NRW.
 
III. Prüfungsschema
Zu prüfen ist häufig, ob eine erlassene Bauordnungsverfügung rechtmäßig ist.
I. Ermächtigungsgrundlage
Gestützt wird die Verfügung entweder auf die nach der jeweiligen Bauordnung bestehende spezielle Ermächtigungsgrundlage oder auf die bauordnungsrechtliche Generalklausel.
Für NRW: § 61 I S2 BauO NRW ist EGL für alle oben genannten Verfügungen
II. formelle Rechtmäßigkeit
Weiterhin müsste die Verfügung formell rechtmäßig sein.
Zuständig sind die nach dem Landesrecht zu bestimmenden unteren Bauordnungsbehörden,
zB für NRW nach §§ 62, 60 I Nr. 3 BauO NRW.
Daneben ist grundsätzlich eine Anhörung nach § 28 VwVfG des jeweiligen Landes notwendig. Die Verfügungen sind insoweit belastende Verwaltungsakte.
Die Verfügung kann schriftlos ergehen, sofern das Landesrecht nicht etwas anderes vorschreibt. Für NRW zB ergibt sich das Schriftformerfordernis aus § 20 I S1 OBG NRW.
Ergeht der VA schriftlich, ist er nach § 39 VwVfG zu begründen.
III. materielle Rechtmäßigkeit
Auch müsste die Verfügung materiell rechtmäßig sein.
1. Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
Dazu müssten zunächst die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vorliegen.
Sofern die Ermächtigungsgrundlage spezielle Voraussetzungen neben dem Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften enthält, sind diese hier auch zu prüfen.
Das bauliche Vorhaben darf insoweit nicht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehen.
a) formelle Illegalität
Ein Vorhaben ist formell illegal, wenn es im Widerspruch zu formellen bauordnungsrechtlichen Vorschriften steht.
Hier ist festzustellen, ob eine benötigte Baunehmigung fehlt. Ist dies der Fall, so ist das Vorhaben formell illegal.
b) materielle Illegalität
Steht das Vorhaben materiell-rechtlichen Vorschriften entgegen, ist es materiell illegal.
Einschlägig sind insbesondere Vorschriften des Bauordnungs- und des Bauplanungsrechts ( zB Vereinbarkeit des Vorhabens mit den §§ 29 BauGB).
Ob die materielle Illegalität notwendige Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ist, hängt von der Art der Verfügung ab.
Es ist zu differenzieren:
Stilllegungsverfügung
Eine Stilllegungsverfügung kann allein auf die formelle Illegalität gestützt werden. Die materielle Illegalität ist nicht erforderlich. Es genügt also, wenn die erforderliche Baugenehmigung nicht vorliegt oder nicht vollstreckbar ist.
Begründet kann dies damit werden, dass eine Stilllegungsverfügung nur vorrübergehend das Vorhaben stoppt und in der Regel nicht substanzverletzend ist, Muckel, S. 130, Rn. 39. Der Bauherr, der sein Vorhaben noch nicht umsetzt und bis zum Erlass der Baugenehmigung wartet, soll nicht benachteiligt werden gegenüber denjenigen, die einfach ohne Genehmigung mit dem Bau unmittelbar beginnen, Schlichter, JuS 1985, 898; Muckel, S. 127, Rn. 33.
Abriss/Beseitungsverfügung
Auch ist unstreitig, dass eine solche Verfügung aufgrund des starken Eingriffs der formellen und materiellen Illegalität bedarf, Muckel, S. 126, 29; Stollmann, § 19 Rn. 23.
Ausnahmsweise kann die formelle Illegalität ausreichen, wenn mit der auferlegten Beseitigung keine Substanzverletzung oder ein sonstiger irreparabler Nachteil verbunden ist, OVG NRW NVwZ 1995, 718; BauR 1992, 742.
zB Carport, der unproblematisch wieder auf- und abgebaut werden kann
Nutzungsuntersagung
Besonders streitig ist, ob eine Nutzungsuntersagung auch materiell illegal zu sein hat.
Dagegen  soll sprechen, dass sonst eine Nutzung eingeleitet und aufrecht erhalten werde, solange eine Genehmigung nicht erteilt sei, zudem könne der Betroffene einen Antrag auf eine Baugenehmigung noch stellen, Schlichter, JuS 1985, 898; OVG Lüneburg, BauR 2007. Auch droht regelmäßig kein Substanzverlust, so dass vielfach die formelle Illegalität als ausreichend angenommen wird, Stollmann, § 19, Rn. 18 mwN.
Andererseits wird der Betroffene in der Art der Nutzung der baulichen Anlage wesentlich eingeschränkt, weswegen auch mit Hinblick auf Art. 14 GG die formelle Illegalität nicht als ausreichend angesehen werden könnte.
Sachgerechter erscheint es aber, diese Frage im Einzelfall zu entscheiden:
Dabei ist darauf abzustellen, ob die konkrete Verfügung einer Stilllegungsverfügung oder einer dauerhaften Beseitigungsverfügung gleichkommt.
Verbietet die Behörde die Nutzung nur zeitweise und zB nur bis zur Klärung des Verfahrens, werden keine endgültigen Tatsachen geschaffen und die Verfügung hat den Charakter einer (vorübergehenden) Stilllegungsverfügung, die ja auch wieder rückgängig gemacht werden kann. In diesem Fall ist die formelle Illegalität ausreichend, s. zusammenfassend Muckel, S. 130, Rn. 39.
Sofern die Behörde jedoch eine Nutzung dauerhaft untersagt und ggf. auch eine andere Nutzung der baulichen Anlage für den Bürger nicht in Frage kommt, reicht die Unersagung in ihrer Eingriffsintensität so an die Abrissverfügung heran, dass aufgrund des damit verbundenen Substanzeingriffs und mit Hinblick auf Art. 14 GG zusätzlich die materielle Illegalität gegeben sein muss.
In der Falllösung bietet es sich also an, diese Frage nicht pauschal zu entscheiden, sondern die Sachverhaltsangaben in Hinblick auf die Intensität des Eingriffs und die Dauer der Untersagung genau herauszuarbeiten und mit ihnen euren Lösungsweg zu begründen. Korrektoren lieben die Arbeit am Sachverhalt.
Bestandsschutz
Anmerkung: für den passiven Bestandsschutz gibt es verschiedene Prüfungsstandorte: entweder im Rahmen der materiellen Illegalität auf Tatbestandsseite oder im Ermessen („Verstoß gegen Art. 14, passiver Bestandsschutz“). Wo es geprüft wird, ist völlig gleich. Es gilt wie immer der Grundsatz: völlig egal, wo, Hauptsache es wird überhaupt angesprochen, natürlich wird der eigene Aufbau dabei nicht begründet. 
Hier wird die erste Aufbauvariante gewählt: 
Das Vorhaben kann aber dennoch matieriell trotzdem legal sein, wenn es unter Bestandsschutz steht.
Gegen eine vormals genehmigte bauliche Anlage oder Nutzung, die nach jetzigem Recht nicht mehr genehmigt werden könnte, kann die Behörde nicht einschreiten, sog. formeller Bestandsschutz, Muckel, § 7, Rn. 141-143.
Daneben wird vielfach traditionell auch Bestandschutz angenommen, wenn das Vorhaben auch nur zeitweilig- in Anlehnung an § 75 S2 VwGO mind. ein Zeitraum von drei Monaten- dem materiellen Recht entsprochen hat, Muckel, § 9, Rn. 31-32; BVerwG, NJW 1987, 1348.
 
2. richtiger Adressat
a) Grundsatz
Adressat der Verfügung ist der für den baurechtswidrigen Zustand Verantwortliche.
Dies kann der Bauherr oder ein anderer am Bau Beteiligter sein, s. jeweilige landesrechtliche BauO.
Im Übrigen ist der Eigentümer oder Besitzer als Zustands- oder Verhaltensstörer nach allgemeinem Ordnungsrecht pflichtig. Theoretisch kann auch ein Nichtstörer in Betracht kommen,
zB NRW §§ 17,18 OBG NRW.
b) Rechtsnachfolge
In manchen Bundesländern ist dies ausdrücklich geregelt.
Unter Umständen kann sich hier auch das Problem der Rechtsnachfolge stellen.
Die Behörde hat gegen A eine Beseitiungsverfügung erlassen und für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld angedroht. A verkauft das Grundstück später an B.
Fraglich ist, ob und wie die Behörde nun gegen B vorgehen kann.
Ist B Eigentümer und insoweit Zustandsstörer, kann die Behörde gegen ihn eine eigene (originäre) Verfügung erlassen.
Daneben könnte auch die gegen A erlassene Verfügung kraft Rechtsnachfolge gegen B wirken.
Zu diesem Problem vertiefend: Schoch, Eingriffsbefugnisse der Bauaufsichtsbehörden, Jura 2005, 178.
3. sonstige allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen
Anmerkung: Bestimmtheit der Verfügung, der Vorstoß gegen Grundrechte oder das Problem der Verwirkung sollten nur bei Hinweisen im Sachverhalt angesprochen werden.
Auf das Ermessen und die Verhältnismäßigkeit ist allerdings immer, wenn auch in der gebotenen Kürze, einzugehen.
a) Ermessen-keine Ermessensfehler
b) Verhältnismäßigkeit
c) Bestimmtheit
d) Grundrechte im Besonderen, insb. Art 3 I GG
Es kann vorkommen, dass der Bürger vorträgt, dass sein bauliches Vorhaben vielleicht illegal sei, die Behörde aber gegen andere Schwarzbauten oder vergleichbare illegale Nutzungen nicht eingeschritten sei.
Erlässt die Behörde nur eine Verfügung gegen den einen Bürger A, nicht aber gegen B und C, könnte sie möglicherweise gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 I GG verstoßen.
Grundsätzlich herrscht im Polizei- und Ordnungsrecht der Grundsatz „keine Gleichheit im Unrecht“ vor.* Das heißt, dass der Einwand, die Behörde lässt andere Bürger unbehelligt, nicht schützt. Die Behörde kann grundsätzlich nach ihrem eigenen Ermessen auswählen, gegen wen sie vorgeht und gegen wen nicht.
Im Bauordnungsrecht ist dieser Grundsatz nach überwiegender Ansicht zumindest aufgeweicht. Die Behörde muss ihrer Entscheidung ein gewisses planerisches Konzept zugrundelegen und kann nicht einfach willkürlich Einzelfälle herausgreifen, OVG Berlin NVWZ 1990, 176; BVerwG, BauR 1999, 734.
Allerdings kann die Behörde Kriterien, wie eine erhöhte Einsturzgefährdetheit oder größerer Nachahmungseffekt als bei den anderen Vorhaben, berücksichtigen. Auch kann die Behörde bei einem laufenden Prüfungsverfahren die Verfügung gegenüber einem Bürger A zurückstellen, gleichzeitig aber schon gegen B, bei dem die baurechtliche Illegalität unproblematisch feststeht, vorgehen, s. dazu Stollmann, § 19, Rn. 35.
*Anmerkung: teilweise wird vertreten, dass der Grundsatz „keine Gleichheit im Unrecht“ nur auf der TB-Ebene und nicht im Ermessen zum Tragen kommt. Auch wenn man diesen Begriff auf der Ermessensseite nicht verwenden möchte, so sind die inhaltlichen Argumente aber gleich.
e) Verwirkung
Auf die Möglichkeit der Verwirkung der Einschreitungsbefugnis seitens der Behörde ist einzugehen, wenn zB im Sachverhalt vorgetragen wird, die zuständige Behörde hätte ja wohl von der Rechtswidrigkeit des Vorhabens gewusst, wäre aber sehr lange untätig geblieben.
Damit eine Verwirkung angenommen werden kann, müssen zwei Elemente vorliegen:
Anmerkung: das Problem der Verwirkung kann bei allen Verwaltungsakten in Betracht kommen, die im folgenden genannten Voraussetzungen sind immer gleich:
aa) Umstandsmoment
Die Behörde muss über das bloße Nichtstun hinaus in Kenntnis der baurechtswidrigen Zustände einen Vertrauenstatbestand gesetzt haben, aus dem der Bürger schließen durfte, dass die Behörde nicht einschreiten werde.
 
bb) Zeitmoment
Weiterhin darf die Behörde über einen nicht unerheblichen Zeitraum untätig geblieben sein.
Hinweis für NRW: Das OVG Münster verneint die Möglichkeit der Verwirkung („dass nur Rechte, nicht aber Pflichten- hier das Recht der Bauaufsichtsbehörde, für rechtmäßige Zustände zu sorgen- verwirkt werden kann“, BauR 2009, 857; Stollmann, § 19, Rn. 37.) und löst das Problem über das Bestehen einer eventuellen Pflicht der Behörde zur aktiven Duldung des baurechtswidrigen Zustandes. Die Voraussetzungen unterscheiden sich nicht wesentlich von denen der Verwirkung. Auch hier muss die Behörde „in Kenntnis der formellen und ggf. matriellen Illegalität eines Vorhabens zu erkennen g[eben], dass sie sich auf Dauer mit dessen Existens abzufinden gedenkt. (…) [Es] muss den entsprechenenden Erklärungen der Behörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und ggf. über welchen Zeitraum die Duldung der illegalen Zustände erfolgen soll.“. Im übrigen nimmt das OVG an, dass diese Erklärung, um genügend Vertrauensschutz zu gewähren, wohl schriftlich erfolgen muss.

 
IV. Rechtsschutz
verschiedene Klausurkonstellationen sind denkbar:
A: Die Behörde erlässt eine Bauordnungsverfügung gegen A. Was kann er tun?
Gegen die Bauordnungsverfügung als belastenden Verwaltungsakt ist der Widerspruch, soweit vom jeweiligen Landesrecht vorgesehen, und die Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht statthaft. Zu prüfen ist hier also bespielsweise, ob die Klage des A zulässig und begründet ist.
B: A soll sein baurechtswidriges Haus schnell abreißen. Die Behörde erlässt eine Bauordnungsverfügung und ordnet zudem die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Wie kann A schnell dagegen vorgehen?
Aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. A verbleibt noch der einstweilige Rechtsschutz: Er kann einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 V VwGO stellen.
C. B möchte, dass A sein Haus abreißt. Was kann er tun?
B begehrt im Ergebnis die Supendierung der Baugehmigung. Zur Durchsetzung dieses Begehrens kommt ein Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Baugehmigung gem. §§ 80a III S1, Var. 3, 80a I Nr. 2, Var. 1, 80 V S1 VwGO in Betracht (aA: Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung). Die Baugehmigung ist ein VA mit Doppelwirkung isd 80a I VwGO, gegen den Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, § 80 II S1 Nr. 3 VwGO iVm 212a BauGB.
Ist die Baugehmigung bestandskräftig, kann B vor dem VG Verpflichtungsklage auf Einschreiten der Behörde erheben. Die AGL für das Einschreiten der Behörde ergibt sich aus der EGL für das bauordnungsrechtliche Einschreiten, s.o. zB § 61 I S2 BauO NRW. B hat allerdings nur einen Anspruch auf ein Einschreiten der Behörde, wenn ihr Ermessen auf Null in diesem Fall reduziert ist und sie so gezwungen ist, einzuschreiten.
D. A wurde eine Baugehmigung erteilt. Dagegen hat B einen Rechtsbehelf eingelegt, der wegen § 80 II S1 Nr.3 VwGO iVm 212a BauGB keine aufschriebende Wirkung hat. Die Behörde hat daraufhin auf Antrag des B nach § 80a I Nr.2 iVm 80 IV VwGO die Vollziehung der Baugehmigung ausgesetzt. Sie ist nun suspendiert. Was kann A tun, damit er weiterbauen kann?
A hat nun die Möglichkeit, einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach §§ 80a III S1, 3.Var, 80a I Nr. 1, 80 V S1 zu stellen (aA: Antrag auf Aufhebung der Aussetzungsentscheidung nach 80a III 1,2 Var VwGO).
E. A baut ohne Baugnehmigung. Dagegen hat die Behörde eine Bauordnungsverfügung erlassen, die nicht zur sofortigen Vollziehung ausgesetzt ist. A legt nun einen Rechtsbehelf dagegen ein (Widerspruch oder Anfechtungsklage), welcher hier aufschiebende Wirkung hat. 212a BauGB kommt hier nicht zum Tragen, da es sich nicht um einen Drittrechtsbehelf gegen die Zulassung eines Bauvorhabens handelt. A kann weiterbauen. Wie kann der Nachbar B das verhindern?
Ziel des B ist es, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des A zu beseitigen.
Dazu kann er einen Antrag an die Behörde stellen: die Behörde kann die Anordnung der sofortigen Vollziehung beseitigen, vgl. 80a II iVm 80 II S1 Nr. 4 VwGO.
Daneben kann er einen Antrag an das VG stellen auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung nach § 80 III 1,3 Var, 80a II, 80V VwGO.
 
V. Fazit
Die Bauordnungsverfügung ist absoluter Pflichtstoff im Baurecht und sollte insbesondere von jedem Examenskandidaten beherrscht werden. Sie lässt sich prima mit einem Antrag nach §§ 80V, 80a VwGO verbinden. Im Rahmen der matriellen Illegalität kann wunderbar die Zulässigkeit von Vorhaben nach §§29ff BauGB abgeprüft werden. Auch Aspekte des Bestandsschutzes können hier besonders relevant werden.

23.12.2013/3 Kommentare/von Anna Ebbinghaus
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Anna Ebbinghaus https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Anna Ebbinghaus2013-12-23 09:00:282013-12-23 09:00:28Grundwissen Baurecht- die Bauordnungsverfügung

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