VG Koblenz: Swimmingpool an einem im Außenbereich gelegenen Wohngebäude nicht genehmigungsfähig
Baurecht im Examen
Das Baurecht muss schon im ersten Staatsexamen in den Grundzügen beherrscht werden, besonders wichtig wird es aber für das Assessorexamen. Besonders examensrelevant sind dabei vor allem Entscheidungen zum Bauplanungsrecht, insb. zu den §§ 34, 35 BauGB. Zu diesem Bereich ist aktuell eine Entscheidung des VG Koblenz (Urteil vom 25. September 2014, 1 K 111/14.KO) ergangen, die so 1:1 auch Gegenstand einer Klausur sein kann.
Sachverhalt
Dem Fall lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde (nach Pressemitteilung Nr. 30/2014 des VG Koblenz vom 6.10.2014): Die klagenden Eheleute sind Eigentümer eines genehmigten Wohngebäudes im Außenbereich von Koblenz. In unmittelbarer Nähe hierzu befindet sich ein von ihnen betriebenes Waldhotel mit Wildgehege und Parkmöglichkeiten. Nachdem die zuständige Bauaufsichtsbehörde der Stadt Koblenz eine Baugenehmigung zur Errichtung eines privaten Schwimmbades 2003 abgelehnt hatte, stellte sie im Juli 2011 fest, dass im Garten der Kläger östlich des Wohnhauses eine Poolanlage errichtet wurde. Daraufhin wurde einem der Kläger die Beseitigung der Poolanlage unter gleichzeitiger Verfüllung der Baugrube mit unbelastetem Erdreich aufgegeben. Ferner untersagte die Behörde die Nutzung der entstehenden Freifläche zu „wie auch immer gearteten Zwecken“. Für den Falle der Zuwiderhandlung wurden Zwangsmittel (Zwangsgeld) angedroht. Die Kläger legten sodann für ihr privates Schwimmbad abermals Bauunterlagen vor und beantragten nochmals eine Baugenehmigung. Deren Erteilung wurde von der Stadt Koblenz abermals versagt. Die Kläger begehren nun die Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung. Zugleich wendet sich einer der Kläger gegen die Beseitigungsverfügung sowie die Nutzungsuntersagung mit Zwangsmittelandrohung.
Lösung des VG Koblenz
Das VG Koblenz hat die Klage im Hinblick auf den Verpflichtungsteil (Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung) abgelehnt. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für ein Schwimmbecken. Dem Vorhaben stünden öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen. Es verstoße namentlich gegen § 35 Abs. 2, 3 BauGB.
Unstreitig ging es hier um ein Vorhaben im Außenbereich. Die Kläger hatten vorgetragen, dass es sich um ein privilegiertes Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 1 BauGB handele; dem schloss sich das VG nicht an. Die Poolanlage sei weder selbst ein privilegiertes Vorhaben, noch könne sie als eine Nebenanlage zu einem privilegierten Vorhaben angesehen werden. Das Gericht begründet dies ausführlich und überzeugend:
„Selbst die Kläger behaupten nicht, dass das geplante Schwimmbecken als solches, das heißt unter Ausblendung des offenbar als privilegiertes Vorhaben im Jahr 1998 genehmigten und errichteten Wohngebäudes, einem Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient. Sie meinen aber, die Poolanlage werde von der Privilegierung des Wohnhauses gleichsam „mitgezogen“ […].
Dieser Argumentation vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Dabei erscheint es aus Sicht des Gerichts bereits zweifelhaft, ob das im Jahr 1998 genehmigte Wohn- bzw. Nebengebäude der Kläger den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB für sich in Anspruch nehmen kann. Weder den Verwaltungsvorgängen noch den Ausführungen der Beteiligten lässt sich entnehmen, inwiefern das Wohnhaus der Inhaber eines Waldhotels mit Freigehege und Waldmuseum einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient. Selbst wenn aber eine solche Privilegierung für das Hauptgebäude unterstellt würde, lässt sich die Rechtsauffassung der Kläger nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO stützen. Nach dieser Vorschrift sind zwar auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Doch wie bereits ihr Wortlaut („in dem Baugebiet“, vgl. § 1 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauNVO) hinreichend verdeutlicht, findet sie im Außenbereich keine Anwendung […]. Auch eine analoge Anwendung von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO ist im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Denn eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 31.01.2013, NuR 2013, 417). An einer solchen (planwidrigen) Lücke fehlt es im Fall der Kläger, weil die für den Außenbereich geltende Bestimmung des § 35 BauGB den vorliegenden Sachverhalt abschließend regelt (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.07.2013, a. a. O.).
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Schwimmbeckens richtet sich damit nach § 35 Abs. 1 BauGB. Ob eine für sich genommen nichtprivilegierte Nebenanlage an der Privilegierung einer Hauptanlage teilnimmt, ist durch Auslegung des Tatbestandsmerkmals „dienen“ in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Blick auf die Hauptanlage und deren Ausstattung zu bestimmen. Bei dieser Auslegung ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt.
Das Merkmal des Dienens nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist also auch dann zu verneinen, wenn ein Vorhaben zwar nach seinem Verwendungszweck grundsätzlich gerechtfertigt ist, doch nach seiner Ausgestaltung, Beschaffenheit oder Ausstattung nicht mehr durch diesen Verwendungszweck geprägt wird. Deswegen muss auch die Ausstattung eines im Außenbereich geplanten Wohnhauses verkehrsüblich und noch hinreichend vom Verwendungszweck geprägt sein, wobei zur Ausstattung grundsätzlich auch etwaige bauliche Nebenanlagen gehören können (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.07.2013, a. a. O., Rn. 30).
Dies vorausgeschickt zählt der Swimmingpool der Kläger nicht mehr zu der verkehrstypischen Ausstattung ihres Wohnhauses. Er lässt sich weder mit einer von der Rechtsprechung noch als angemessen angesehenen Pkw-Garage noch – wie die Kläger meinen – mit einer Terrasse vergleichen. Während sich die Verkehrsüblichkeit einer Garage daraus ergibt, dass zur funktionsgerechten Nutzung auch eines im Außenbereich gelegenen Wohngebäudes die Möglichkeit gehört, ein Kraftfahrzeug (sicher) abstellen zu können (BVerwG, Urt. v. 17.01.1986 – 4 C 80.82 – BVerwGE 72, 362), folgt dies für eine Terrasse daraus, dass es sich hierbei nach der Verkehrsanschauung um eine (weit verbreitete) Fortsetzung der Wohnnutzung in den Grundstücksaußenbereich handelt, die in aller Regel unmittelbar an das Wohngebäude anschließt, jedenfalls aber stets einen engen räumlichen wie funktionalen Bezug zu dem Wohngebäude aufweist. Dementsprechend verfügt eine Vielzahl von Wohngebäuden über Garagen bzw. Terrassen. Ein Swimmingpool ist dagegen in keiner Weise verkehrsüblich, da Wohnhäuser regelmäßig nicht über eine solche Einrichtung verfügen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.07.2013, a. a. O., Rn. 31). Pools gehören zudem nicht zur funktionsgerechten Nutzung einer Wohnung. Zwischen einer Garage oder Terrasse und dem Schwimmbecken besteht daher insoweit ein entscheidender Unterschied. Ihre unterschiedliche Behandlung kann deshalb auch nicht als sinnwidrig angesehen werden, auch wenn etwa eine Garage für den Betrachter optisch deutlich stärker in Erscheinung tritt als ein in den Boden eingelassenes Schwimmbecken, das vorliegend zudem aufgrund der konkreten Örtlichkeit von der Straße aus nicht wahrgenommen werden kann.“
Somit steht als ein erstes Zwischenergebnis fest, dass kein privilegiertes Vorhaben vorliegt. Als ein „sonstiges“ Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ist der Bau der Poolanlage mithin bereits dann unzulässig, wenn öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB „beeinträchtigt“ werden. Dies war hier der Fall: Zum einen widersprach das Vorhaben dem Flächennutzungsplan (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB); zum anderen lässt es die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Darüber hinaus wäre sicherlich auch eine Bejahung von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 5 BauGB vertretbar.
Die letzte – in der Klausur oft übersehene! – Möglichkeit, um die Zulässigkeit des Vorhabens noch zu retten, war somit § 35 Abs. 4 BauGB. Aber auch dies lehnte das VG ab:
„Soweit sich die Kläger auf die Möglichkeit einer erleichterten Zulassung des Bauvorhabens nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB berufen, teilt die Kammer diese Rechtsauffassung nicht. Von einer angemessenen Erweiterung eines Wohngebäudes kann begrifflich bei der Errichtung einer zweiten, vom Wohngebäude räumlich abgesetzten, eigenständigen baulichen Anlage nicht mehr die Rede sein (BVerwG, Urt. v. 12.03.1998, BVerwGE 106, 228; …). Durch § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB sollen keine neuen Baurechte geschaffen, sondern nur Härten und Schwierigkeiten beseitigt werden, um dem Eigentümer eine angemessene Wohnraumversorgung zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.10.1994, DÖV 1995, 199). Die zusätzliche Beeinträchtigung des Außenbereichs hält sich in Grenzen, wenn das ohnehin Vorhandene zwar erweitert wird, die Zahl der baulichen Anlagen sich hierdurch aber nicht erhöht. Dagegen sind Baumaßnahmen, die wie hier in keinem unmittelbaren bautechnischen Zusammenhang mit dem geschützten Baubestand stehen, geeignet, der Gefahr einer verstärkten Zersiedelung des Außenbereichs Vorschub zu leisten.“
Somit war die Verpflichtungsklage mangels Anspruch der Kläger abzuweisen. Gleiches gilt für die Anfechtungsklage gegen die Beseitigungsverfügung (synonym: Abrissverfügung; Rechtsgrundlage in RLP: § 81 Satz 1 BauO; in NRW: § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO). Das Schwimmbecken im Außenbereich ist formell illegal, weil es ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden ist. Wie dargelegt fehlt es dem Vorhaben zudem an der Genehmigungsfähigkeit, es ist also auch materiell illegal. Ermessensfehler waren nicht ersichtlich.
Erfolgreich war hingegen die Anfechtung der Nutzungsuntersagung und der damit verbundenen Zwangsgeldandrohung:
„Die ebenfalls auf § 81 Satz 1 LBauO gestützte Nutzungsuntersagung ist hingegen rechtswidrig. Die Beklagte kann sich für das von ihr ausgesprochene Nutzungsverbot von Freiflächen auf dem in Rede stehenden Grundstück der Kläger bereits nicht auf die Vorschrift des § 81 Satz 1 Alt. 2 LBauO stützen. [Danach sind] Nutzungen zu untersagen, die ohne die erforderliche Baugenehmigung ausgeübt werden oder die Variationsbreite einer erteilten Baugenehmigung überschreiten. […] Eine Ermächtigung, den Eigentümer eines Grundstücks zu verpflichten, jegliche Nutzung seines Grundstücks zu unterlassen, enthält deshalb § 81 Satz 1 Alt. 2 LBauO schon nach seinem Wortlaut nicht. Im Übrigen würde eine derartige Nutzungsuntersagung das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum unverhältnismäßig einschränken […]. Das vollständige Nutzungsverbot würde dazu führen, dass dem Kläger zu 1) noch nicht einmal die Nutzung des betroffenen Grundstücksteils als Wiese ermöglicht wird. Es führte daher letztlich zu größeren Beschränkungen, als dies bei der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes und mithin einer Gartenfläche selbst der Fall wäre.“
Ist die ausgesprochene Nutzungsuntersagung rechtswidrig, kann auch die damit verbundene Zwangsgeldandrohung keinen Bestand haben, denn sie kann nicht zur Durchsetzung einer rechtswidrigen und deshalb aufzuhebenden Grundverfügung erlassen werden. Ohne Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, dass sich die Beseitigungsverfügung als rechtmäßig erweist. Die Zwangsgeldandrohung habe ein einheitliches Zwangsgeld für die Durchsetzung von Beseitigungsverfügung und Nutzungsuntersagung zum Gegenstand. Ihr liege daher eine einheitliche Ermessensausübung hinsichtlich der Zwangsgeldhöhe zugrunde. Angesichts des einheitlichen Regelungscharakters lasse sich diese Zwangsgeldandrohung nicht in zwei selbständige Teile mit eigenständigen Ermessenserwägungen trennen, sie ist daher insgesamt rechtswidrig.
Weiterführende Lesehinweise
Zur Wiederholung und Vertiefung des examensrelevanten Wissens im Baurecht ist auf folgende Beiträge hinzuweisen:
- Urteil zu Mobilfunkmasten im Außenbereich
- Grundlagenwissen im Baurecht, insb. mit Blick auf das Assessorexamen
- Übersicht zu Problemen rund um die Bauordnungsverfügung
- sowie schließlich ein hervorragender Beitrag zum Nachbarschutz im Baurecht.
Die eigentlich spannende Diskussion um die Feststellung einer Lücke, der Lückenfüllung und der hierbei erforderlichen Abwägungen (Sinn, Zweck und Erforderlichkeit bzw. Verhältnismäßigkeit eines Schutzes des Außenbereichs) wird vom VG Koblenz leider verkürzt bzw. gar nicht vorgenommen, wobei der ja doch unstreitige – vorhandene – Bestandsschutz der Wohnanlage aus 1998 (mit offenbar zahlreichen Nebenanlagen) zu kurz gerät: Die zahlreichen Ausnahmen und Einschränkungen des Außenbereichsschutzes könnten im Hinblick auf die bestandsgeschützte Hauptanlage intensiver diskutiert werden und die Zuordnung einer Nebenanlage – mit ggf. geringer „Beeinträchtigung“ des Außenbereichs – unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ergebnisoffener angesprochen werden. Dem Aspekt der „Nebenanlage“ im Außenbereich wäre ggf. unter Wertungsgesichtgspunkten stärkere Aufmerksamkeit zu schenken gewesen als geschehen. Jedenfalls das Argument einer „Splittersiedlung“ trägt angesichts des Bestandsschutzes (Art. 14 GG) nicht weit, die Ausstrahlungswirkung des Eigentums dagegen in höherem Maße. Vielleicht wären die Ausmaße und die Lage des Pools eingehender zu beachten gewesen.
Das sind sicherlich valide Argumente. Mit der Splittersiedlung hatte ich auch so meine Probleme, wollte hier aber kein großes Fass aufmachen. Dennoch: Insgesamt halte ich die Entscheidung für überzeugend. Selbst ein eher kleiner Swimmingpool ist mE keine Nebenanlage mehr (kann man aber natürlich auch anders sehen, was wäre zB bei einem kleinen Whirlpool?), dann reicht mangels Privilegierung eben jede „Beeinträchtigung“ von Belangen i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB (kein „entgegenstehen“ erforderlich)… Zum Schutz von Art. 14 GG gibt es ja vor allem § 35 Abs. 4 BauGB, der ebenfalls verneint wurde. Diese Vorschriften sind ja nach stRspr auch verfassungskonform, direkte Ansprüche aus Art. 14 GG gibt es nicht.
Ich will hier keine große Diskussion aufmachen, aber man hätte auch § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BauGB intensiver diskutieren können, wenn man sich auf die bauliche „Erweiterung“ eines (Hotel-) „Betriebes“ – nicht iSe Handwerkers bzw. Maurers – verständigen könnte, also betriebsbezogene Baumaßnahmen im Blick hätte. Der Schutz des Außenbereich wäre damit kaum in gesteigerter Form tangiert.
Klingt auch gut