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Schlagwortarchiv für: Autokauf

Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zum Rücktritt wegen Sachmangels – Keine zweite Chance zur Nachbesserung erforderlich

Lerntipps, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Mit Urteil vom 26.08.2020 hat sich der BGH (Az.: VIII ZR 351/19) abermals mit dem extrem klausur- und examensrelevanten Gebiet des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts auseinandergesetzt. Konkret wurden die Anforderungen an einen Rücktritt vom Kaufvertrag und Schadensersatzansprüche nach einem erfolglosen Nachbesserungsversuch präzisiert: Wurde eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt, innerhalb derer der Verkäufer voraussichtlich nicht nur die Leistungshandlung vornehmen, sondern auch den Leistungserfolg herbeiführen kann, und ist diese Frist erfolglos verstrichen, so muss der Käufer dem Verkäufer grundsätzlich keine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einzuräumen, bevor er sekundäre Gewährleistungsrechte geltend machen kann. Der Fall eignet sich hervorragend, um systematische Feinheiten des Mängelrechts abzuprüfen, und kann problemlos Einzug in Klausuren ab dem Grundstudium finden – eine Auseinandersetzung mit den Grundzügen der Entscheidung ist angesichts dessen nicht nur für Examenskandidaten dringend zu empfehlen.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: K kaufte am 12.09.2017 bei V einen Neuwagen zum Preis von 18.750 Euro. Mit Schreiben vom 14.05.2018 rügte K Mängel an der Lackierung des Fahrzeugs im Bereich der Motorhaube, der A-Säule und am Heckdeckel. Hierbei setzte er V eine Frist zur Nachbesserung bis zum 30.05.2018. Mit Anwaltsschreiben vom 28.05.2018 bot V dem K an, einen Vertragshändler seiner Wahl zum Zwecke der Besichtigung des Fahrzeugs und der Nachbesserung aufzusuchen. Hiervon machte K Gebrauch und überstellte das Fahrzeug am 03.07.2018 einer Vertragswerkstatt zur Untersuchung. Im Anschluss hieran fand die Nachbesserung im Zeitraum vom 14. bis zum 21.08.2018 statt. Indes wurden die beanstandeten Mängel im Zuge dieser ersten Nachbesserung nicht vollständig beseitigt und die Neulackierung nicht fachgerecht ausgeführt, weshalb der K das Fahrzeug einige Tage später erneut bei der Werkstatt vorstellte und einen zweiten Nachbesserungstermin vereinbarte. Diesen Termin nahm er jedoch nicht wahr, sondern erklärte mit Anwaltsschreiben vom 24.09.2018 den Rücktritt vom Kaufvertrag gegenüber V. Er verlangt nun unter anderem – unter Anrechnung gezogener Nutzungen – Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 17.437,50 Euro nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs.
 
B) Rechtsausführungen
Nach Abweisung der Klage vor dem Landgericht Hanau ist auch die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem OLG Frankfurt erfolglos geblieben. In der Revision hat der BGH nunmehr festgestellt, dass ein Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises nach §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 434 Abs. 1, 323 Abs. 1 i.V.m. 346 ff. BGB sowie auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 437 Nr. 3, 434 Abs. 1, 325, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB nicht verneint werden kann, und die Sache an das OLG Frankfurt zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
 
I. Anwendungsbereich des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts
Der Anwendungsbereich des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts ist zweifellos eröffnet: Angesichts der genannten Mängel ist der Verkäufer seiner Pflicht aus dem Kaufvertrag zur mangelfreien Verschaffung der Sache gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB nicht nachgekommen. Es liegen also Sachmängel i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB vor, die nach den gerichtlichen Feststellungen auch bereits im Zeitpunkt der Übergabe i.S.v. § 446 S. 1 BGB, also bei Gefahrübergang, bestanden.
 
II. Rücktrittsvoraussetzungen
Die Voraussetzungen des Rücktritts wegen – wie hier vorliegender – behebbarer Mängel richten sich nach §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 BGB.
Der zunächst erforderliche gegenseitige Vertrag besteht in dem von den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag; die zuvor festgestellten Sachmängel bei Gefahrübergang bedeuten eine nicht vertragsgemäße Leistung i.S.v. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1 Alt. 2 BGB.
Damit liegt der Schwerpunkt der Prüfung – parallel zum Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB – auf der Frage, ob eine angemessene Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen ist. Denn § 323 Abs. 1 BGB zufolge kann der Gläubiger dem Grundsatz nach nur dann zurücktreten, wenn er dem Schuldner gegenüber zuvor ergebnislos eine angemessene Frist zur Erbringung der ausstehenden Leistung bzw. Nacherfüllung bestimmt hat. Mit anderen Worten: Sobald die angemessene Frist fruchtlos verstrichen ist, der Schuldner also vor ihrem Ablauf nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß geleistet hat, steht dem Gläubiger ein Rücktrittsrecht zu. Welche konkrete Zeitspanne objektiv angemessen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 323 Rn. 72).
 
Anmerkung: Erweist sich die konkret gesetzte Frist als unangemessen kurz, ist die Rechtsfolge jedoch nicht ihre Unwirksamkeit, sondern es wird eine längere (angemessene) Frist in Gang gesetzt (s. hierzu exemplarisch BGH, Urt. v. 13.07.2016 – VIII ZR 49/15, NJW 2016, 3654, 3655 Rn. 31).
 
1. Berufen auf Verstreichen der ursprünglich gesetzten Frist als Verstoß gegen Treu und Glauben
Nach diesen Maßstäben hat der BGH zunächst – im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht – festgestellt, dass ein Rücktrittsrecht nicht schon deswegen besteht, weil die Nachbesserungsarbeiten nicht innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist (bis zum 30.05.2018), sondern erst im Zeitraum vom 14. bis zum 21.08.2018 durchgeführt worden sind. Anders als das Berufungsgericht ausgeführt hat, ergebe sich dies allerdings noch nicht daraus, dass ein vor Ablauf der Nachbesserungsfrist eingegangenes Angebot des Verkäufers auf Untersuchung des Fahrzeugs für eine fristwahrende Nachbesserung ausreiche. Unabhängig davon, dass das vor Fristablauf erfolgte Angebot auf Vorstellung des Fahrzeugs beim Vertragshändler als bloß vorgeschalteter Schritt zur Nacherfüllung, mithin nicht als Leistungshandlung selbst zu werten sei, komme es nämlich bei der Nacherfüllung auf das Ausbleiben des Leistungserfolgs innerhalb der Frist an. Allein die fristgerechte Erbringung der Leistungshandlung könne weitergehende Rechte des Käufers nicht ausschließen; dies folge bereits aus dem Sinn und Zweck der Nacherfüllung, die Durchsetzung und Ermöglichung der Erfüllung der Verkäuferpflichten sicherzustellen, und stehe auch nur nach diesem Verständnis im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben:

„Das erfolglose Verstreichen der vom Käufer gesetzten (angemessenen) Frist führt dazu, dass der Käufer, der eine mangelhafte Sache erhalten hat, nun sekundäre Gewährleistungsrechte (Rücktritt, Minderung, Schadens- oder Aufwendungsersatz) geltend machen kann. Es ist weder ein Bedürfnis des Verkäufers erkennbar, dem Käufer bereits bei einer fristgerecht vorgenommenen Leistungshandlung den Übergang zu den sekundären Gewährleistungsrechten zu verwehren, noch würde dies den Interessen des Käufers gerecht. Denn die vom Käufer zu setzende Frist ist so zu bemessen, dass der Verkäufer bei ordnungsgemäßem Vorgehen vor Fristablauf voraussichtlich nicht nur die Leistungshandlung vornehmen, sondern auch den Leistungserfolg herbeiführen kann.“ (Rn. 28)

Ob die konkret gesetzte Frist bis zum 30.05.2018 als angemessen einzustufen sei, könne gleichwohl dahinstehen. Denn angesichts der Tatsache, dass sich der Käufer freiwillig auf eine Nachbesserung im August eingelassen habe, wurde damit entweder die gesetzte Frist verlängert oder jedenfalls kein Widerspruch dagegen erhoben, dass die Mängelbeseitigung erst später vorgenommen wurde – sodass ein Berufen auf die nicht erfolgte Nachbesserung bis zum 30.05.2018 nach dem Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB als rechtsmissbräuchlich zu werten sei.
 
2. Keine zweite Chance zur Nachbesserung erforderlich
Dennoch: Die Geltendmachung sekundärer Gewährleistungsrechte sei nicht an die Einräumung einer zweiten Chance zur Nachbesserung gekoppelt. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass eine Fristsetzung zur Nachbesserung nicht erst dann erfolglos im Sinne des § 323 Abs. 1 BGB verstrichen sei, wenn – wie in § 440 S. 2 BGB für den Fall einer ausnahmsweise entbehrlichen Fristsetzung infolge einer fehlgeschlagenen Nacherfüllung vorgesehen – zwei Nachbesserungsversuche des Verkäufers nicht zur Beseitigung des Mangels geführt hätten. Im Gegenteil sei § 440 S. 1 Alt. 2, S. 2 BGB, wonach die Nachbesserung nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt und die Fristsetzung in der Konsequenz für den Übergang zu sekundären Gewährleistungsrechten ausnahmsweise entbehrlich ist, angesichts seines Ausnahmecharakters gerade keine allgemeine Wertung zu entnehmen:

„Das Gesetz unterscheidet konsequent zwischen dem Fristsetzungserfordernis nach den Regeltatbeständen (§ 323 Abs. 1 BGB [Rücktritt und Minderung [iVm § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB]], § 281 Abs. 1 BGB [Schadensersatz statt der Leistung]) und den Fallgestaltungen, in denen eine Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich ist (§ 323 Abs. 2, 3, § 281 Abs. 2 BGB, § 440 Satz 1 BGB). Der grundsätzlich gebotenen Fristsetzung ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers bereits dann genügt, wenn der Käufer einmalig fruchtlos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Die gesetzlichen Vorschriften, die einen Rücktritt, eine Minderung oder ein Verlangen auf Schadensersatz statt der Leistung in Ausnahmefällen auch ohne Fristsetzung erlauben, zeichnen sich jeweils dadurch aus, dass sie den Verzicht auf dieses einmalige Erfordernis durch andere (gleichwertige) Anforderungen ersetzen. Weiter verkennt das Berufungsgericht den Sinn und Zweck des § 440 Satz 2 BGB, der dem Käufer die Geltendmachung eines Fehlschlagens der Nachbesserung in praktischer Hinsicht erleichtern (BT-Drucks. 14/6040, S. 234), nicht aber den Übergang zu den sekundären Gewährleistungsrechten erschweren soll.“ (Rn. 38 f.)

Anders gesagt: Einem Schuldner, der eine fällige Leistung nicht erbracht hat, wird durch das einmalige Setzen einer angemessenen Frist hinreichend deutlich gemacht, dass ein weiteres Ausbleiben der Leistung Rechtsfolgen nach sich zieht – so die Grundkonzeption der Mängelrechte. In bestimmten Fällen muss der Käufer aber ausnahmsweise keine Frist setzen, weil dies keinen Erfolg versprechen würde oder ihm aus anderen Gründen nicht zugemutet werden kann (§§ 323 Abs. 2, 440, 281 Abs. 2 BGB). Aus diesen Ausnahmetatbeständen und den ihnen zugrunde liegenden Wertungen lassen sich aber keine Rückschlüsse auf die Auslegung der Regeltatbestände ziehen:

„Denn dies würde das vom Gesetzgeber als Regelfall ausgestaltete Fristerfordernis obsolet machen. Wenn der Käufer dem Verkäufer trotz Fristsetzung regelmäßig zweimal eine Nachbesserungsmöglichkeit einräumen müsste, ist nicht zu erkennen, warum der Käufer überhaupt noch eine Frist setzen und nicht stattdessen ein Fehlschlagen der Nachbesserung im Sinne von § 440 BGB geltend machen sollte. Zugleich wären dem Käufer die Vorteile einer Fristsetzung abgeschnitten. Er könnte sich – entgegen dem Willen des Gesetzgebers – nicht mehr darauf verlassen, dass bei Ablauf einer von ihm gesetzten angemessenen Frist zur Nachbesserung ein Übergang zu den sekundären Gewährleistungsrechten möglich ist.“ (Rn. 50)

Der Käufer muss dem Verkäufer also grundsätzlich keine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einräumen, bevor er zurücktreten oder Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Das Recht zur Nachbesserung ist mit dem erfolglosen Versuch, den Wagen zu lackieren, abgegolten gewesen; die Frist ist mithin erfolglos abgelaufen.
 
Ferner dürfte der Mangel nicht unerheblich gemäß §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 5 S. 2 BGB bzw. § 281 Abs. 1 S. 3 BGB sein. Hierzu bedarf es gleichwohl weiterer Feststellungen seitens des Berufungsgerichts. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob dem Käufer eine Berufung auf den erklärten Rücktritt wegen widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB verwehrt ist. Daher hat der BGH die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
 
III. Letztlich kann ein Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises nach §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 434 Abs. 1, 323 Abs. 1 i.V.m. 346 ff. BGB sowie auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 437 Nr. 3, 434 Abs. 1, 325, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB daher nicht mit der Begründung verneint werden, dass ein zweiter Nachbesserungsversuch nicht stattgefunden hat.  
 
C) Zusammenfassung
Kurz zusammengefasst gilt:

  • Damit sekundäre Gewährleistungsrechte (Rücktritt, Minderung, Schadensersatz statt der Leistung) geltend gemacht werden können, bedarf es dem Grundsatz nach der Setzung einer angemessenen Frist durch den Käufer, die erfolglos ablaufen muss.
  • Innerhalb dieser Frist muss es dem Verkäufer voraussichtlich möglich sein, nicht nur die Leistungshandlung vorzunehmen, sondern auch den Leistungserfolg herbeizuführen.
  • Ist diese Frist verstrichen, ohne dass der Leistungserfolg herbeigeführt wurde, muss der Käufer dem Verkäufer grundsätzlich keine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einräumen. Dem Ausnahmetatbestand nach § 440 S. 1 Alt. 2, S. 2 BGB, dem zufolge die Nachbesserung erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt, ist keine allgemeine Wertung zu entnehmen, die Rückschlüsse auf die Auslegung der Regeltatbestände zulassen könnte.

 

22.10.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-10-22 08:50:242020-10-22 08:50:24BGH: Neues zum Rücktritt wegen Sachmangels – Keine zweite Chance zur Nachbesserung erforderlich
Dr. Melanie Jänsch

OLG Hamm: Nachforschungspflicht des Käufers beim Autokauf im Internet

BGH-Klassiker, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsprechung, Sachenrecht, Schuldrecht, Zivilrecht

Verschiedene Probleme rund um den Autokauf – insbesondere Gebrauchtwagenkauf – sind absolute Klassiker, die immer wieder Einzug in Examensklausuren finden. Konstellationen wie in zwei kürzlich entschiedenen, sehr ähnlich gelagerten Fällen des OLG Hamm, in denen sich das Gericht unter anderem mit Nachforschungspflichten des Käufers beim Autokauf beschäftigte, eignen sich hervorragend, um sachenrechtliches Standardwissen abzuprüfen. Dass die Kaufverträge über das Internet geschlossen wurden, könnte die Sachverhaltsersteller inspirieren, auch schuldrechtliche Probleme (Stichwort: Vertragsschluss über eBay, s. auch hierzu unsere Rechtsprechungsübersicht) zu integrieren.
Die vereinfacht dargestellten Fälle sollen in diesem Beitrag zum Anlass genommen werden, insbesondere die Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten – angewandt auf die konkreten Fälle – darzustellen.
 
I. Sachverhalte
 
1. Rechtsstreit 5 U 110/15
Der Kläger, ein privater Verkäufer, bot seinen PKW im Internet zum Verkauf an. Er einigte sich mit einem Kaufinteressenten, der jedoch – wie sich später herausstellte – einen falschen Namen benutzte. Zur Abholung des Wagens erschien eine Person, die sich als Beauftragter des Namensträgers auswies, und dem Kläger zudem eine gefälschte Quittung eines Bankinstituts über die angeblich getätigte Überweisung des Kaufpreises aushändigte. Der Kläger übergab daraufhin Pkw nebst Schlüsseln und Papieren, erhielt jedoch den Kaufpreis nicht.
Der Beklagte kaufte das Fahrzeug in der Folgezeit über ein Internetportal, wobei sich der Verkäufer, ein nach eigener Angabe gewerblicher Zwischenhändler, mit einem ausländischen Personalausweis auswies. Nach einer Besichtigung und Probefahrt des Fahrzeugs erfolgte die Bezahlung in bar, woraufhin der Beklagte das Auto sowie Schlüssel und Fahrzeugpapiere erhielt.
 
2. Rechtsstreit 5 U 69/16
Der Kläger verkaufte im Internet seinen Pkw. In den Fahrzeugpapieren war die Ehefrau des Klägers als Halterin genannt. Bei dem Kaufinteressenten handelte es sich jedoch ebenfalls um einen Dritten, der sich unter falschem Namen gemeldet hatte. 
Am Tag des Vertragsschlusses erhielt der Kläger eine gefälschte Bankbescheinigung, die bestätigte, dass der Namensträger den Kaufpreis überwiesen hatte. Im Vertrauen hierauf händigte der Kläger den Pkw, die Schlüssel sowie die Fahrzeugpapiere wie vereinbart an ein Transportunternehmen aus, welches das Fahrzeug bei dem Dritten ablieferte. Den Kaufpreis erhielt er nicht. Der Dritte verkaufte den Wagen auf einem Gebrauchtwagenmarkt gegen Barzahlung an den Beklagten, wobei er sich mit einem ausländischen Reisepass auswies. Mit dem Pkw übergab er dem Beklagten auch Schlüssel und Fahrzeugpapiere.
 
II. Lösung
Fraglich ist in beiden Konstellationen, wer Eigentümer des Fahrzeugs ist bzw. ob der Kläger gegen den Beklagten einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hat.
 
1. Ursprünglich Eigentum des Klägers
Zunächst war in beiden Fällen der Kläger Eigentümer.
 
2. Übereignung Kläger an Dritten
Das Eigentum könnte der Kläger jedoch durch die Veräußerung des Wagens an den Dritten gemäß § 929 S. 1 BGB verloren haben, was zunächst eine dingliche Einigung zwischen den Parteien erfordert. Fraglich ist hierbei aber, ob der Kläger das Eigentum an dem Wagen an den Handelnden oder an den im Kaufvertrag genannten Unbeteiligten übertragen wollte. Es ist folglich das Handeln unter falscher Namensangabe (Namenstäuschung) vom Handeln unter fremden Namen (Identitätstäuschung) abzugrenzen. Maßgeblich ist hierbei, ob sich „das getätigte Geschäft aus der insoweit maßgeblichen Sicht der anderen Vertragspartei als Eigengeschäft des Handelnden darstellt, bei diesem also keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen wird. Ein Eigengeschäft unter falscher Namensangabe – aus dem der Handelnde selbst verpflichtet wird – ist dann gegeben, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der anderen Vertragspartei keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen hat, diese den Vertrag also nur mit dem Handelnden abschließen will. Ein Geschäft des Namensträgers ist demgegenüber anzunehmen, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hinweist und die andere Partei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande. In diesem Fall sind die Grundsätze der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) entsprechend anzuwenden.“ (vgl. hierzu grundlegend BGH v. 3.3.1966 – II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, 195 f.; s. auch v. 18.1.1988 – II ZR 304/86, NJW-RR 1988, 814; v. 8.12.2005 – III ZR 99/05, NJW-RR 2006, 701)
Vor diesem Hintergrund hat das OLG Hamm in beiden Fällen angenommen, dass der Kläger sich mit dem Namensträger dinglich einigen wollte, also ein Handeln unter fremdem Namen vorliegt, was wie folgt begründet wird:

„[Der Kläger] hat […] Wert auf die Identität [seines Geschäftspartners] gelegt, wie sein gesamtes Verhalten bei der Geschäftsabwicklung deutlich macht. […] Angesichts dieser Zahlungsmodalitäten handelte es sich nicht um einen typischen Gebrauchtwagenkauf mit einem sofortigen und vollständigen Austausch der beiderseitigen Leistungen. Anders als in den Fällen, in denen das Eigeninteresse des Verkäufers in der Regel durch den sofortigen Erhalt des Kaufpreises in bar abgedeckt ist, bestand vorliegend die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass die angebliche Überweisung seinem Konto nicht gutgeschrieben werde“ (s. Urteil v. 22.2.2016 – 5 U 110/15, Rn. 51, 42).

Da der Namensträger den Handelnden zu dem Erwerbsgeschäft aber weder bevollmächtigt noch dieses nachträglich genehmigt hat, fehlt es vorliegend an der dinglichen Einigung. Der Kläger hat sein Eigentum nicht durch die Veräußerung an den Dritten verloren.
 
Anmerkung: Hierbei sei darauf hingewiesen, dass eine Beurteilung, ob ein Handeln unter falscher Namensangabe oder unter fremdem Namen vorliegt, stets anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen muss. Insbesondere ist auf das Urteil des BGH v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 zu verweisen, in dem der BGH bei einem sofortigen Austausch der beiderseitigen Leistungen ein Handeln unter falscher Namensangabe angenommen hat.
 
3. Übereignung an den Beklagten
Durch die darauffolgende Übereignung an den Beklagten könnte dieser aber das Eigentum an dem Pkw erworben haben. Mangels Verfügungsberechtigung des Veräußerers kommt nur ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß §§ 929 S. 1, 932 ff. BGB in Betracht. Bei einer wie in den vorliegenden Fällen erfolgten Übereignung im Wege des § 929 S. 1 BGB wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist, § 932 I 1 BGB. Da keine Anhaltspunkte für eine positive Kenntnis bestehen, könnte dem Beklagten allenfalls grobe Fahrlässigkeit zur Last fallen. Hierunter fällt ein Handeln, „bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH v. 29.1.2003 – IV ZR 173/01 – NJW 2003, 1118, 1119 m.w.N.)“.
Maßgeblich sind auch hierbei die konkreten Umstände des Einzelfalls. Grundsätzlich bestehen keine Nachforschungspflichten. Für den Gebrauchtwagenkauf entspricht es jedoch ständiger Rechtsprechung, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung II vorlegen lassen muss, sowie überprüfen, ob der dort genannte Halter mit dem Veräußerer übereinstimmt. „Beim Kauf von Gebrauchtwagen sind bei fehlender Identität zwischen dem Veräußerer eines gebrauchten Pkw und dem letzten in dem Kraftfahrzeugbrief bzw. in der Zulassungsbescheinigung Teil II verzeichneten Halter in aller Regel Verdachtsmomente vorhanden, die die Annahme einer Nachforschungspflicht rechtfertigen“ (vgl. BGH v. 11.3.1991 – II ZR 88/90, Rn. 17, juris; v. 02.03.1989 – 5 U 202/88, juris; OLG Köln v. 28.4.2014 – 11 U 14/14, Rn. 4, juris).
Vor diesem Hintergrund führte das OLG Hamm in seinem Urteil aus, es gehöre

„zu den Mindesterfordernissen gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeuges, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Der Fahrzeugbrief (§ 25 Abs. 4 Satz 2 StVZO a.F.) wie auch die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 Abs. 6 FZV), die diesen mittlerweile abgelöst hat, verbriefen nicht das Eigentum an dem Fahrzeug. Ihr Sinn und Zweck besteht in dem Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten. Anhand der Eintragungen ist die Möglichkeit gegeben, bei dem eingetragenen Berechtigten die Übereignungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers nachzuprüfen (vgl. BGH v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, juris, Rn. 12; BGH v. 13.5.1996 – II ZR 222/95, Rn. 7, juris; BGH v. 01.3.2013 – V ZR 92/12, Rn. 14, juris). Aber auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefes ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Über ihm bekannte oder offen liegende Verdachtsgründe darf sich der Erwerber nicht hinwegsetzen (vgl. BGH v. 1.3.2013 – V ZR 92/12 , Rn. 13, juris, m.w.N.).“

Im Rechtsstreit 5 U 110/15 hatte der Veräußerer dem Beklagten lediglich seinen ausländischen Ausweis vorgelegt, war aber nicht als Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II genannt. Insoweit bestand folglich eine Nachforschungspflicht des Beklagten. Dass er dieser nicht nachgekommen ist, begründet grobe Fahrlässigkeit.
 
Auch in der Pressemitteilung zum Rechtsstreit 5 U 69/16, bei dem die Ehefrau des Klägers als Halterin eingetragen war, werden diese Grundsätze bestätigt:

„Wenn ein (privater) Verkäufer nicht als Halter in den Fahrzeugpapieren eingetragen ist, muss ein (privater) Käufer von sich aus prüfen, ob der Verkäufer zum Fahrzeugverkauf berechtigt ist. Die bloße Angabe des Verkäufers, er sei ein gewerblicher Zwischenhändler und auch der Umstand, dass der Verkäufer im Besitz der Fahrzeugpapiere und der Fahrzeugschlüssel ist, erübrigt die gebotene Überprüfung durch den Käufer nicht.“ (s. hier)

Das OLG ging also in beiden Fällen von grober Fahrlässigkeit aus, sodass ein gutgläubiger Eigentumserwerb scheiterte.
 
4. Ergebnis
Der Kläger hat in beiden Fällen sein Eigentum an dem Pkw nicht verloren. Da der Beklagte Besitzer ist und ihm kein Recht zum Besitz iSv § 986 BGB zusteht, hat der Kläger gegen ihn einen Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB.
 
III. Fazit
Die Examensrelevanz derartiger Konstellationen kann nicht oft genug betont werden. Besonders sei noch einmal darauf hinzuweisen, dass, gerade weil vielen Studenten das Urteil des BGH zur Abgrenzung des Handelns unter fremdem Namen vom Handeln unter falscher Namensangabe beim Gebrauchtwagenkauf geläufig ist, genau auf die Umstände des konkreten Sachverhaltes einzugehen ist. Hinsichtlich etwaiger Nachforschungspflichten ist festzuhalten, dass solche für den Erwerber beim Gebrauchtwagenkauf bestehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für begründete Zweifel vorliegen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Veräußerer nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil II als Halter genannt wird.
 
 
 

13.03.2017/8 Kommentare/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2017-03-13 11:00:102017-03-13 11:00:10OLG Hamm: Nachforschungspflicht des Käufers beim Autokauf im Internet
Dr. Jan Winzen

Notiz: BGH äußert sich zu Prozentgrenzen bei § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Der achte Zivilsenat des BGH hat sich in einem Urteil vom gestrigen Tage (VIII ZR 94/13) zu der ausgesprochen examensrelevanten Frage geäußert, wann beim Autokauf ein Mangel unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB und damit der Rücktritt ausgeschlossen ist. Die Thematik ist nicht nur in der Theorie von Bedeutung. Schließlich führt die Bejahung der Unerheblichkeit dazu, dass der Autokäufer zwar Nachbesserung (§§ 437 Nr. 1 439 BGB) verlangen oder mindern (§§ 437 Nr. 2 Alt. 2, 440 BGB), nicht aber das Auto zurückgeben kann.
Im vorliegenden Fall hatte der Käufer zum Preis von 29.953 Euro einen Neuwagen erworben. In der Folgezeit stellte sich heraus, dass die Einparkhilfe defekt war. Zu einer Nachbesserung kam es nicht, da die beklagte Verkäuferin der Ansicht war, die Einparkhilfe entspreche dem Stand der Technik. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen (§§ 346 Abs. 1, 434, 437 Nr. 2 Alt. 1, 440, 323 BGB).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war das Fahrzeug im Hinblick auf die Einparkhilfe mangelhaft im Sinne der §§ 434 ff. BGB. Den Nachbesserungsaufwand für die defekte Einparkhilfe bezifferte der Sachverständige auf 1.958,85 Euro.
Entscheidende Frage für die rechtliche Würdigung war nun, ob der Rücktritt des Klägers (als Voraussetzung des Anspruch aus § 346 Abs. 1 BGB) wegen § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen war. Danach kann der Gläubiger, wenn der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
Das Merkmal der Unerheblichkeit bedarf der Auslegung. Die Rechtsprechung und überwiegende Teile des Schrifttums nehmen zur Beurteilung der Erheblichkeit eine umfassende Interessenabwägung auf Grundlage der Umstände des Einzelfalls vor (siehe etwa BGH, NJW-RR 2010, 1289, 1291 mit zahlreichen Nachweisen). Diese Interessenabwägung fällt etwa dann zu Lasten des Verkäufers aus, wenn die Beschaffenheit des Fahrzeugs gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien verstößt (BGH, NJW-RR 2010, 1289, 1291 f: Vereinbarung der Farbe Blue Metallic und Lieferung in Schwarz).
Vertreten wird etwa auch, dass die Erheblichkeit eines Mangels in der Regel erst dann zu bejahen ist, wenn die Beseitigungskosten mindestens 10% des Kaufpreises ausmachen (Grüneberg, in: Palandt, 70. Aufl. 2011, § 323 Rn. 32; anders aber etwa Ernst, in: MüKo, 6. Auflage 2012, § 323 Rn. 243g, der in Anlehnung an § 651e BGB eine Minderung des Gesamtwerts der Leistung von ca. 20% bis 50% vorschlägt). Dieser Ansicht folgte im vorliegenden Fall auch das Berufungsgericht (das Landgericht hatte schon die Mangelhaftigkeit verneint) und verneinte wegen § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB den Rücktritt des Klägers (die Nachbesserungskosten lagen bei ca. 6.5%).
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg: Der BGH hat den Rechtsstreit nunmehr an das Berufungsgericht zurückverwiesen. In der Pressemitteilung heißt es auszugsweise:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Rahmen der auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel bereits dann erreicht ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet. Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließt, kann hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über diesen Prozentsatz hinaus ist mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren. Die Erheblichkeitsschwelle von (nur) fünf Prozent des Kaufpreises steht im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.

Die Pressemitteilung ist deshalb besonders interessant, weil eine höchstrichterliche Entscheidung zu Prozentschwellen bei der Beurteilung der Unerheblichkeit im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB bislang noch nicht vorlag. Rücktrittsklausuren gehören darüber hinaus zum Examensstandard und grade § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB lässt sich eigentlich immer leicht einbauen. Nach Veröffentlichung der Entscheidungsgründe empfiehlt sich überdies ein Blick auf die methodischen Erwägungen, die den BGH zu dieser Auslegung veranlasst haben.

29.05.2014/1 Kommentar/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2014-05-29 09:00:062014-05-29 09:00:06Notiz: BGH äußert sich zu Prozentgrenzen bei § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB
Dr. Jan Winzen

BGH: Zur Haftung des Neuwagenkäufers bei Inzahlungnahme seines Gebrauchtwagens

Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Der BGH hatte mit Urteil vom 19.12.2012 (VIII ZR 117/12) über die Haftung des Autokäufers für die Unfallfreiheit seines gleichzeitig in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagens zu entscheiden. Wir hatten hierauf bereits kurz in der Rspr. Übersicht in Zivilsachen (Dezember) hingewiesen. Jetzt liegen die Entscheidungsgründe vor.
Sachverhalt
Die Klägerin (Autohändlerin) begehrt Schadensersatz wegen verschiedener Mängel eines von dem beklagten Autokäufer angekauften (bzw. in Zahlung genommenen) gebrauchten Pkw Audi A 6.
Der Beklagte hatte den Audi selbst vor ca. einem Jahr gebraucht erworben und wenig später damit einen Unfall beim Ausparken erlitten. Der dabei entstandene Schaden an der hinteren rechten Tür und an der Seitenwand des Pkw belief sich ausweislich eines eingeholten Gutachtens auf 2.919,12 €. Der Beklagte ließ das Fahrzeug – nicht fachgerecht – für 819,89 € reparieren.
Etwa ein halbes Jahr später verkaufte die Klägerin dem Beklagten einen VW Passat und nahm den Audi zum Preis von 19.000 € „in Zahlung“. In den Ankaufsunterlagen wurde unter der vorgedruckten Rubrik „Das Fahrzeug hat keine/folgende Unfallschäden erlitten“ das Wort „keine“ eingekreist und unterstrichen.
Ein knappes weiteres Jahr später veräußerte die Klägerin den Audi für 19.500 € als „laut Vorbesitzer unfallfrei“ an einen Kunden. Der Kunde verlangte nur kurze Zeit später wegen verschiedener Mängel Rückabwicklung des Kaufvertrages. Es kam zu einem Rechtsstreit, in dem sich herausstellte, dass an dem Fahrzeug neben einem Schaden an der Seitenwand hinten rechts auch ein schwerer Heckschaden repariert worden war. Die hiesige Klägerin musste das Fahrzeug antragsgemäß gegen Zahlung von 19.421,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5.372,60 € zurücknehmen und begehrt nun von dem Beklagten Zahlung von 30.665,45 € (Erstattung des an den Kunden auf den Kaufpreis zurückgezahlten Betrages von 19.241,56 € nebst Zinsen und Prozesskosten) nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, ferner Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.099 € sowie weiterer Kosten des Vorprozesses in Höhe von 10.441,30 €, ebenfalls jeweils nebst Zinsen. Außerdem begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befände.
Rechtliche Würdigung
Anspruchsgrundlage: §§ 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 Satz 1 BGB
Richtige Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren der Autohändlerin ist im vorliegenden Fall § 437 Nr. 3 i.V.m. § 311a Abs. 2 Satz 1 BGB.
Der als unfallfrei verkaufte, tatsächlich aber vorbeschädigte, Pkw kann nicht mehr nachträglich unfallfrei werden. Insoweit ist eine Nacherfüllung im Sinne von § 439 BGB unmöglich. Bei Vorliegen eines solchen unbehebbaren Sachmangels ist die richtige Anspruchsgrundlage für einen auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatz statt der Leitung entweder §§ 437 Nr. 3 i.V.m. § 283 Satz 1 BGB (wenn die Nacherfüllung nachträglich unmöglich wird) oder §§ 437 Nr. 3 i.V.m. § 311 a Abs. 2 Satz 1 BGB (wenn die Nacherfüllung schon anfänglich unmöglich war). Der Verkauf eines Unfallwagens als unfallfrei ist dabei der Parade-Anwendungsfall für den Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. etwa Ernst, in: MüKo BGB, § 311a, Rn. 13).
Merke: Soweit noch eine Nacherfüllung (im Hinblick auf einen bereits bei Vertragsschluss vorliegenden Mangel) möglich ist, hat der Käufer dem Verkäufer nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 437 Nr. 3, 439, 281 Abs. 1 BGB) eine Nachfrist zu setzen, nach deren erfolglosem Ablauf er dann erst – Vertretenmüssen des Verkäufers vorausgesetzt – Schadensersatz nach §§ 437 Nr. 3, 439, 281 BGB verlangen kann. Anknüpfungspunkt für das Verschulden des Verkäufers ist in diesem Fall die fehlgeschlagene Nacherfüllung.
Im vorliegenden Fall geht das Gericht, wie aus folgendem Passus hervorgeht, aber von einem unbehebbaren Mangel aus:

Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, geht der in der Besitzzeit des Beklagten entstandene Streifschaden an der rechten Fahrzeugseite über einen bloßen Bagatellschaden hinaus, so dass das Fahrzeug als Unfallwagen anzusehen ist und somit ungeachtet der erfolgten Reparatur einen nicht behebbaren Sachmangel aufweist.

Kaufvertrag
Während erster Prüfungspunkt eines kaufrechtlichen Gewährleistungsanspruchs üblicherweise das Vorliegen eines Kaufvertrages ist, geht das Gericht hierauf mit keinem Wort ein. Auf den ersten Blick scheint das nicht verwunderlich. Dass die klagende Autohändlerin dem Beklagten den VW Passat auf Grundlage eines Kaufvertrages verkauft hat, daran dürfte niemand zweifeln. Hier geht es allerdings nicht um Mängel dieses VW Passats. Vielmehr steht die Mangelhaftigkeit des an Stelle des Kaufpreises in Zahlung gegebenen Audi A 6 im Zentrum. Dieser Audi A6 ist aber gar nicht die „Sache“ (Kaufsache) im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieser Umstand könnte zu der Frage führen, welche rechtliche Konstruktion einer Inzahlungnahme beim Gebrauchtwagenkauf zugrundeliegt. Hier gibt es verschiedene theoretische Ansätze, die im Ergebnis zu der Anwendbarkeit kaufrechtlicher Vorschriften führen. Eine Vertiefung soll deshalb hier nicht erfolgen (zu Einzelheiten siehe die Anm. unten).
Sachmangel
Ein Sachmangel im Sinne des § 434 BGB liegt unzweifelhaft vor. Das Gericht führt dazu aus:

Das der Klägerin verkaufte Fahrzeug war mit einem Sachmangel behaftet, weil es bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufwies (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Denn die Parteien haben im Kaufvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Unfallfreiheit des Fahrzeugs getroffen, indem sie im Ankaufsformular ausdrücklich festgehalten haben, dass das Fahrzeug keine Unfallschäden erlitten habe.

Vertretenmüssen
Das Vertretenmüssen bezieht sich beim Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 439, 311a Abs. 2 BGB auf die Unkenntnis des Leistungshindernisses beim Vertragsschluss (so ausdrücklich § 311a Abs. 2 Satz 2 BGB). Den Verkäufer trifft mit anderen Worten der Vorwurf, er habe sich trotz des ihm bekannten oder schuldhaft unbekannten Leistungshindernisses zu einer unmöglichen Leistung verpflichtet.
Angesichts des insoweit eindeutigen Sachverhalts hat das Gericht an dieser Stelle auf eine Subsumtion verzichtet.
Kein Ausschluss des Anspruchs
Die eigentlich zentrale Frage der Entscheidung ist nun, ob es (wie von der Vorinstanz – dem OLG Frankfurt – angenommen) zwischen der Autohändlerin und dem Käufer zu einem stillschweigend vereinbarten Gewährleistungsausschluss gekommen war.
Nach der in den Entscheidungsgründen paraphrasierten Ansicht des OLG Frankfurt sei ein solcher

den besonderen Umständen des zwischen den Parteien abgeschlossenen Geschäfts – des Verkaufs eines Pkw durch einen Händler unter Inzahlungnahme eines anderen Fahrzeugs – zu entnehmen. Der Kaufvertrag über den Audi A 6 wäre nicht geschlossen worden, wenn der Beklagte nicht den VW Passat von der Klägerin erworben hätte. Für beide Parteien ersichtlich habe der Kaufvertrag über den VW Passat nur bei endgültiger Veräußerung des bisherigen Fahrzeugs des Beklagten Bestand haben sollen. Vor diesem Hintergrund verstoße die Annahme, die Parteien hätten die Sachmängelgewährleistung für den Audi A 6 nicht ausschließen wollen, gegen die Interessen des Beklagten. Die Klägerin habe nicht erwarten können, dass das Fahrzeug als Gebrauchtfahrzeug im Alter von vier Jahren mit einer Laufleistung von 160.000 Kilometern in jeder Hinsicht mangelfrei sei. Vielmehr habe es nahe gelegen, dass das Fahrzeug einzelne Mängel aufweisen könne, die aber, wenn sie bekannt gewesen wären, dem Abschluss der beiden Kaufverträge nicht entgegengestanden hätten. Es sei anzunehmen, dass die Klägerin bereit gewesen sei, auf die Sachmängelgewährleistung zu verzichten, und die Parteien deshalb einen stillschweigenden Gewährleistungsausschluss vereinbart hätten. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin ohne Weiteres in der Lage gewesen wäre, das zu erwerbende Fahrzeug auf das Vorliegen von Mängeln zu untersuchen. Wenn sie davon abgesehen habe, könne sie sich redlicherweise nicht darauf berufen, dass der Beklagte für sämtliche bei Übergabe vorhandenen Mängel hafte.

Der BGH geht auf die Argumente des OLG Frankfurt freilich gar nicht weiter ein. Vielmehr misst er der zwischen den Parteien geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung über die Unfallfreiheit entscheidende Bedeutung bei. In einem Urteil vom 29.11.2006 (VIII ZR 92/06) hatte der Senat nämlich bereits entschieden, dass ein neben einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung ausdrücklich vereinbarter Gewährleistungsausschluss nur dahin ausgelegt werden könne, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für solche Mängel gelte, die darin bestünden, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eigne (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), beziehungsweise sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eigne und keine Beschaffenheit aufweise, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Dass dies gleichermaßen für einen stillschweigend vereinbarten Gewährleistungsausschluss gelten muss, ist dann nur konsequent:

Für einen stillschweigenden Gewährleistungsausschluss kann nichts anderes gelten.

Soweit die Klägerin Rückerstattung des an ihren Kunden in Höhe von 19.241,56 € zurückgezahlten Kaufpreises nebst Zinsen und Ersatz der darauf anfallenden vorgerichtlichen Kosten (859,80 €) verlangt, ergibt sich ihr Anspruch folglich aus §§ 437 Nr. 3, 439, 311a Abs. 2 BGB.
Kein Ersatz darüber hinausgehender Schäden
Anders liegt es nach Ansicht des Senats dagegen, soweit die Klägerin Ersatz der aus dem Rechtsstreit mit ihrem Kunden entstandenen Kosten verlangt. Dieser Prozess war nämlich aus Sicht der Klägerin offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg und die daraus entstandenen Schäden dem Beklagten deshalb nicht mehr zurechenbar:

Diese Schäden hat das Berufungsgericht zu Recht als nicht ersatzfähig angesehen, denn sie beruhen darauf, dass die Klägerin sich auf einen erkennbar aussichtslosen Prozess mit dem Käufer D. eingelassen hat, und können dem Beklagten deshalb nicht mehr zugerechnet werden. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass in Anbetracht der vom Käufer D. erhobenen Beanstandungen eine eingehende Untersuchung durch einen Fachmann unerlässlich war, so dass die Klägerin angesichts der bei einer solchen Untersuchung ohne Weiteres erkennbaren Unfallschäden der vom Käufer D. begehrten Rückabwicklung des Kaufvertrages unverzüglich hätte zustimmen müssen.

Kein Annahmeverzug
Entsprechendes gilt auch für den Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde.
Merke: Dieser Antrag ist aus vollstreckungsrechtlichen Gründen von Bedeutung. Nach Maßgabe des § 756 Abs. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher bei einer Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung mit der Zwangsvollstreckung u.a. nur dann beginnen, wenn der Beweis, dass der Schuldner im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird – eine solche öffentliche Urkunde ist das Urteil, dessen Tenor die Feststellung des Annahmeverzugs ausweist.
Nach Ansicht des Senats liegen die Voraussetzungen der §§ 293 ff. BGB nicht vor:

Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht einen Annahmeverzug des Beklagten mit der Begründung verneint, dass die Klägerin die Rückgabe des Fahrzeugs nur gegen eine weit überhöhte Schadensersatzforderung und deshalb nicht wie geschuldet (§ 294 BGB) angeboten hat.

Anmerkung
Das Urteil enthält eine ganze Reihe Einfallstore für examensrelevante Fragestellungen. Neben den bereits angesprochenen kaufrechtlichen Themen ist hier insbesondere die Konstruktion einer Inzahlungnahme zu nennen. Während es in der Literatur auch andere Ansätze gibt (etwa eine Kombination aus Kauf- und Tauschvertrag oder der Abschluss zweier Kaufverträge nebeneinander), funktioniert die Inzahlungnahme nach Ansicht des BGH (st. Rspr., vgl. grundlegend BGH, NJW 1967, 553) wie folgt: Die Parteien schließen – mangels entgegenstehender Anhaltspunkte – einen einheitlichen Kaufvertrag (§ 433 BGB) über das Neufahrzeug. Bestandteil dieses Kaufvertrages ist das Recht des Käufers, einen bestimmten (vertraglich festgelegten) Teil des Kaufpreises durch Hingabe des Altfahrzeugs zu tilgen (Ersetzungsbefugnis). Die Ausübung dieser Ersetzungsbefugnis stellt eine Leistung an Erfüllungs statt im Sinne des § 364 Abs. 1 BGB dar. Wichtig ist nun für die Überleitung die Kenntnis des § 365 BGB. Danach hat, wenn eine Sache an Erfüllungs statt gegeben wird, der Schuldner wegen eines Sachmangels in gleicher Weise wie ein Verkäufer Gewähr zu leisten. Dies hat dann etwa zur Folge, dass der Verkäufer des Neufahrzeugs bei Mangelhaftigkeit des in Zahlung gegebenen Altfahrzeugs die Zahlung auch desjenigen Teils des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Altfahrzeugs verlangen kann, der durch die Inzahlungnahme des Altfahrzeugs getilgt werden sollte, wenn die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für einen insoweitigen Rücktritt vorliegen (vgl. BGHZ 89, 126 und 46, 338).
 

05.02.2013/2 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-02-05 11:00:152013-02-05 11:00:15BGH: Zur Haftung des Neuwagenkäufers bei Inzahlungnahme seines Gebrauchtwagens
Zaid Mansour

Rechtsprechungsübersicht in Zivilsachen

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In der jüngsten Vergangenheit sind einige in materiellrechtlicher Hinsicht durchaus examensrelevante zivilgerichtliche Entscheidungen ergangen, über die der folgende Beitrag einen kurzen Überblick verschaffen soll. Da die Entscheidungsgründe der meisten Urteile bislang noch nicht verfügbar sind, soll ein Verweis auf die entsprechenden Pressemitteilung genügen, um das Problembewußtsein der Examenskandidaten zu sensibilisieren.
I. BGH, Urt. vom 19.12.2012 – VIII ZR 152/12 (§ 536 BGB)

Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen angenommen werden kann, dass Vermieter und Mieter stillschweigend die bei Vertragsabschluss gegebene geringe Belastung durch Verkehrslärm als vertragsgemäßen Zustand der Wohnung vereinbart haben, mit der Folge, dass die Miete bei einer Zunahme des Verkehrslärms gemindert sein kann (Pressemitteilung).

II. BGH, Urt. vom 19.12.2012 – VIII ZR 117/12 (§ 434 BGB)

In der Sache hat der BGH eine Entscheidung zur Haftung des Käufers getroffen, der beim Kauf eines Fahrzeugs von einem Händler einen Gebrauchtwagen als unfallfrei in Zahlung gibt (Pressemitteilung).

III. BGH, Urt. vom 18.12.2012 – X ZR 2/12 (§ 651j BGB, § 651e BGB)

Der BGH hat entschieden, dass ein Reisevertrag über eine Kreuzfahrt wegen höherer Gewalt gekündigt werden darf, wenn die Flugverbindungen zum Ausgangspunkt der Kreuzfahrt wegen eines behördlich angeordneten Flugverbots ausgefallen sind (Kündigung des Reisevertrags wegen Aschewolke).
Der BGH hat dabei judiziert, dass es sich bei dem Vertrag über die Teilnahme an der Kreuzfahrt um einen Reisevertrag i.S.d. § 651a BGB handelt, den der Kläger wirksam wegen höherer Gewalt gemäß § 651j BGB gekündigt hat. Maßgeblich für das Kündigungsrecht sei, dass die individuelle Reise des Reisenden infolge bei Vertragsschluss nicht vorhersehbarer höherer Gewalt nicht stattfinden kann. Hier konnte die Kreuzfahrt als solche zwar durchgeführt werden, an ihr teilzunehmen war den Reisenden jedoch offensichtlich nicht möglich, zumindest aber erheblich erschwert.
Infolge der wirksamen Kündigung durch den Kläger habe die Reiseveranstalterin gemäß § 651j Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 651e Abs. 3 Satz 1 BGB den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verloren. Die Beklagte könne deshalb vom Kläger keine Erstattung des an die Reiseveranstalterin gezahlten Betrages verlangen. Einen Anspruch auf Erstattung der Anzahlung könne der Kläger hingegen nicht gegen das beklagte Reisebüro, sondern allenfalls gegen die Reiseveranstalterin geltend machen (Pressemitteilung).

IV. OLG Hamm, Urt. vom 14.08.2012 – I-9 U 119/12 (§ 823 BGB)

Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Eigentümerin eines in Bielefeld gelegenen Hauses grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Dritte vor Dachlawinen zu schützen. Zu speziellen Sicherungsmaßnahmen sei der Grundstückseigentümer nur dann verpflichtet, wenn besondere Umstände vorlägen, wie die allgemeine Schneelage des Ortes, eine besondere Beschaffenheit und Lage des Gebäudes, allgemein ortsübliche Sicherungsvorkehrungen, die konkreten Schneeverhältnisse oder Art und Umfang des gefährdeten Verkehrs. Derartige besondere Umstände seien im Schadensfall nicht festzustellen. Vor möglichen Dachlawinen habe die Eigentümerin auch nicht warnen müssen, weil diese Gefahrenlage für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer rechtzeitig erkennbar gewesen sei (Pressemitteilung).

V. OLG Hamm, Urt. vom 02.10.2012 – I-15 W 231/12 (§ 2247 BGB)

Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Testament nur dann als eigenhändig geschriebenes Testament formgültig ist, wenn es auf einer unbeeinflussten Schreibleistung des Erblassers beruht. Eine Eigenhändigkeit im Sinne der gesetzlichen Vorschrift setzt nach Auffassung des Oberlandesgerichts zwingend voraus, dass der Erblasser die Testamentsniederschrift selbst angefertigt habe. Durch Dritte hergestellte Niederschriften seien immer unwirksam, selbst wenn sie in Anwesenheit des Erblassers nach dessen Willen und Weisungen angefertigt und von ihm unterschrieben worden seien. Die nach dem Gesetz zwingend notwendige Eigenhändigkeit sei nicht gegeben, wenn dem Erblasser die Hand geführt werde und dadurch die Schriftzüge von einem Dritten geformt würden. Der Erblasser müsse die Gestaltung der Schriftzüge selbst bestimmen. Zulässig sei eine unterstützende Schreibhilfe, solange der Erblasser die Schriftzeichen selbst forme. Für ein formgültiges eigenhändiges Testament verlange das Gesetz eine insoweit unbeeinflusste Schreibleistung des Erblassers (Pressemitteilung).

Die genannten Entscheidungen haben teilweise klassisch-zivilrechtlichen Examensstoff  zum Gegenstand, sodass Examenskandidaten die Lektüre der Urteile – gerade im Hinblick auf anstehende mündliche Prüfungen –  anheim gelegt werden kann.
 
 
 
 
 
 
 
 

21.12.2012/0 Kommentare/von Zaid Mansour
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