Pünktlich zum neuen Jahr treten mit dem „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren“ (BGBl. I 2017, 969) einige äußerst prüfungsrelevante Neuregelungen im Bereich des Sachmangelgewährleistungsrechts in Kraft. Im Fokus steht vor allem die Bestimmung zur Kostentragungspflicht bei den sog. Ein- und Ausbaufällen in § 439 Abs. 3 BGB n.F. Die gewährleistungsrechtliche Einordnung erfolgte hier bislang vordergründig durch die Rechtsprechung des BGH – man denke an die Entscheidungen zum Verbau von Parkettstäben und Fliesen. Vertiefte Kenntnisse zur kaufrechtlichen Mängelhaftung werden von jedem Examenskandidaten erwartet. Der nachfolgende Beitrag bietet daher einen Überblick zu den klausurrelevantesten Neuregelungen:
I. Ausgangspunkt
Das Gesetz sieht im Schwerpunkt Novellierungen des Bauvertragsrechts vor. In Anbetracht der durch die stetige Weiterentwicklung der Bautechnik steigenden Komplexität dieser Spezialmaterie und der umfangreichen Rechtsprechung soll mit den gesetzlichen Neuerungen den bisherigen Rechtsanwendungsproblemen ein Stück weit abgeholfen werden. Hiermit einher ging auch eine Überarbeitung der Mängelhaftung im Kaufrecht: Der Gesetzgeber hat insbesondere die Kostentragung bei den sog. Ein- und Ausbaufällen ausdrücklich in § 439 Abs. 3 BGB geregelt. In diesem Zusammenhang finden sich auch diverse Novellierungen zum Verbrauchsgüterkauf, zur Regressregelung bei Lieferketten sowie Neubestimmungen im Recht der AGB.
II. Aufwendungsersatzanspruch bei Ein- und Ausbau
Die wohl prüfungsrelevanteste Änderung stellt die ausdrückliche Anordnung einer Kostentragungspflicht des Verkäufers hinsichtlich des Ausbaus der mangelhaften sowie Einbaus der mangelfreien Sache nach § 439 Abs. 3 S. 1 BGB dar:
„Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.“
Bereits die systematische Verortung macht deutlich, dass der Anwendungsbereich des Anspruchs auf Aufwendungsersatz nicht auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt ist, sondern vielmehr für alle Kaufverträge gleichermaßen gilt. Der bisherige Streit um eine „gespaltene Auslegung“ des § 439 BGB ist daher obsolet geworden. Entgegen der ursprünglichen Entwurfsfassung (BT-Drucks. 18/8486, S. 39) hat der Verkäufer nach der neuen Regelung kein Wahlrecht, den Ein- und Ausbau entweder selbst vorzunehmen oder sich zum Ersatz der hierfür angemessenen Aufwendungen zu verpflichten. Der Gesetzgeber hat sich für eine ausschließliche Kostentragungspflicht des Verkäufers entschieden. Ausweislich der Gesetzesbegründung wurde von einem Recht zur Selbstvornahme des Verkäufers aufgrund von etwaigen Konkurrenzen zwischen Hauptleistungspflichten aus einem Werkvertrag einerseits und Gewährleistungsrechten aus dem Kaufvertrag andererseits bewusst abgesehen (BT-Drucks. 18/11437, S. 2).
Der Verzicht auf ein Wahlrecht des Verkäufers ist sowohl unter rechtlichen als auch ökonomischen Gesichtspunkten durchaus zweifelhaft. Dass der Verkäufer von vornherein auf eine Kostentragungspflicht verwiesen wird, ist in Anbetracht seines Rechts zur zweiten Andienung systematisch wenig überzeugend. Zwar betrifft der Aufwendungsersatzanspruch nicht den Kaufgegenstand selbst, sondern nur die durch den Ein- und Ausbau entstehenden Zusatzbelastungen. Diese stehen jedoch in unmittelbaren Zusammenhang zur Mangelhaftigkeit der Sache. Auch der BGH hat bislang den Ein- und Ausbau unter die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers gefasst. In volkswirtschaftlicher Hinsicht wird der Anspruch auf Aufwendungsersatz regelmäßig zu (eigentlich vermeidbaren) Mehrkosten des Verkäufers führen: Welche Aufwendungen „erforderlich“ sind, soll nach der Intention des Gesetzgebers in Anlehnung an die Judikatur zu § 637 BGB bestimmt werden (BT-Drucks. 18/11437, S. 40). Beauftragt der Käufer einen Dritten mit dem Ein- und Ausbau der Sachen, werden die daraus resultierenden Kosten in den meisten Fällen höher ausfallen als diejenigen, die der Verkäufer bei eigener Durchführung der Arbeiten zu tragen hätte. Dieser kann einen sach- und fachgerechten Aus- und Einbau seines Produktes üblicherweise am kostengünstigsten durchführen.
Aufgrund der Neuregelung in § 439 Abs. 3 S. 2 BGB kann der Käufer den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nur verlangen, wenn er im Zeitpunkt des Einbaus bzw. Anbringens der mangelhaften Sache im guten Glauben bzgl. der Mangelfreiheit war. Anderes gilt wohl unter Berücksichtigung des Verweises auf § 442 Abs. 1 BGB nur dann, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Beschaffenheitsgarantie übernommen hat.
III. Anwendbare Vorschriften beim Verbrauchsgüterkauf und Vorschusspflicht
§ 475 Abs. 4 S. 2 BGB verschafft dem Verkäufer ein als Einrede ausgestaltetes, beschränktes Leistungsverweigerungsrecht im Verbrauchsgüterkauf (vgl. BT-Drucks. 18/8486, S. 43). Führt die einzig mögliche Art der Nacherfüllung aufgrund von Ein- und Ausbaukosten zu unverhältnismäßigen Kosten, kann der Unternehmer den Aufwendungsersatz auf einen angemessenen Betrag beschränken. In der Klausur muss hier genau zwischen den einzelnen Kostenposten differenziert werden, da eine Kostenbeteiligung des Käufers über die Ein- und Ausbaukosten hinaus ausdrücklich nicht angeordnet wird. Insbesondere sind also die durch die Mangelhaftigkeit der Sache entstehenden Kosten der Nachbesserung bzw. Nacherfüllung nicht zu berücksichtigen. § 475 Abs. 4 S. 3 BGB beinhaltet die rechtstatsächlich wenig hilfreiche Bestimmung, dass bei der Bemessung des „angemessenen“ Betrags insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen sind. Der bewusst weit gefasste Wortlaut wird demzufolge von der Rechtsprechung (erneut) zu konkretisieren sein.
§ 475 Abs. 6 BGB räumt dem Verbraucher für Aufwendungen, die im Rahmen des Aus- und Einbaus entstehen und vom Unternehmer zu tragen sind, einen Anspruch auf Vorschuss gegen den Verkäufer ein. Der Anwendungsbereich der Norm ist allerdings nicht auf die Aus- und Einbaukosten beschränkt, sondern umfasst den gesamten Nacherfüllungsanspruch nach § 439 Abs. 2, 3 BGB.
IV. Regress bei Lieferketten
Da die Neuregelung zur Kostentragungspflicht nunmehr für sämtliche Kaufverträge und unabhängig vom Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs gilt, wurden auch die Bestimmungen zu Regressansprüchen bei Lieferketten im allgemeinen Kaufrecht implementiert. Je nachdem, in welchem Zeitpunkt der Mangel bereits besteht, können die Nacherfüllungskosten sowie die durch den Aufwendungsersatzanspruch nach § 439 Abs. 3 S. 1 BGB entstandenen Kosten gem. § 445a Abs. 1 BGB in der Lieferkette „durchgereicht“ werden:
„Der Verkäufer kann beim Verkauf einer neu hergestellten Sache von dem Verkäufer, der ihm die Sache verkauft hatte (Lieferant), Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Käufer nach § 439 Absatz 2 und 3 sowie § 475 Absatz 4 und 6 zu tragen hatte, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war.“
§ 445a Abs. 3 BGB ordnet eine entsprechende Anwendung des ersten Absatzes auf die Ansprüche des Lieferanten sowie der übrigen Käufer in der Lieferkette an, sodass der Aufwendungsersatzanspruch ggf. auch gegenüber dem Hersteller der Kaufsache geltend gemacht werden kann. Nachteile aus der Mangelhaftigkeit sollen also zu dem Unternehmer weitergegeben werden, in dessen Bereich der Mangel entstanden ist (BT-Drucks. 18/8486, S. 42). In der Klausur muss beachtet werden, dass etwaige Fristsetzungen als Voraussetzungen für Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz innerhalb der Lieferkette entbehrlich sind, wenn der jeweilige Gläubiger die Sache von seinem Abnehmer zurücknehmen musste. Die Bestimmungen zur Verjährung von Rückgriffsansprüchen in § 445b BGB entsprechen im Wesentlichen den bisherigen Regelungen des § 479 Abs. 1 BGB im Verbrauchsgüterkauf.
V. Bestimmungen zur Kostentragung bei Ein- und Ausbaufällen in AGB
Nach der neuen Regelung in § 309 Nr. 8 lit. b, cc BGB sind bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen Bestimmungen unwirksam, denen zufolge
„die Verpflichtung des Verwenders ausgeschlossen oder beschränkt wird, die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen nach § 439 Absatz 2 und 3 oder § 635 Absatz 2 zu tragen oder zu ersetzen“.
Die Bestimmung soll verhindern, dass der Käufer in Ermangelung eines Selbstvornahmerechts des Verkäufers weder von diesem den Ein- und Ausbau kostenfrei erhält, noch die durch eigene Vornahme des Ein- und Ausbaus entstehenden Kosten vom Verkäufer ersetzt bekommt. Im Rahmen der Gesetzesfindung wurde sogar diskutiert, ob der Anwendungsbereich des Klauselverbots ausdrücklich auf den unternehmerischen Bereich erstreckt werden soll, wovon jedoch in Anbetracht der Rechtsprechung des BGH zur Indizwirkung der Klauselverbote letztlich abgesehen wurde (BT-Drucks. 18/11437, S. 39). Der das Verbot prägende Schutzzweck – Vermeidung einer Kostenabwälzung auf den Käufer – ist jedoch nicht konterkariert, wenn sich der Verkäufer zum kostenfreien Ein- und Ausbau vertraglich verpflichtet. Ob die Rechtsprechung ein Abbedingen der Kostenübernahmeregelung aus § 439 Abs. 3 BGB – und damit letztlich ein vertragliches Selbstvornahmerecht des Verkäufers – in diesen Fällen akzeptieren wird, bleibt abzuwarten. Unter Berücksichtigung der klaren Absage des Gesetzgebers gegenüber einem Wahlrecht des Verkäufers wird man hiervon nicht ausgehen können.
VI. Ausblick
Mit der Reform der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung hat sich der Gesetzgeber der bereits seit einigen Jahren bestehenden Problematiken der Ein- und Ausbaufälle endlich angenommen. Ob der Weg über einen Aufwendungsersatzanspruch des Käufers ohne Möglichkeit des Verkäufers zur Selbstvornahme rechtssystematisch und ökonomisch überzeugt, ist äußerst fraglich. Für die Klausur müssen neben § 439 Abs. 3 BGB auch die Neuregelungen zu den Regressansprüchen sowie die Bestimmungen zur Einrede der absoluten Unverhältnismäßigkeit beim Verbrauchsgüterkauf beherrscht werden. Die Gesetzesreform bietet eine Fülle an neuem Prüfungsstoff und sollte deshalb von jedem Prüfling eingehend studiert werden.
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Schlagwortarchiv für: Ausbau
Der BGH hat sich im Urteil vom 02.04.2014 mit der Frage befasst, ob ein Handwerker gegenüber seinem Lieferanten bei Mängeln des gelieferten Materials Anspruch auf Ersatz der Ein- und Ausbaukosten haben kann, die ihm dadurch entstehen, dass er gegenüber seinem Auftraggeber zur Nacherfüllung verpflichtet ist (VIII ZR 46/13). Das Vorliegen etwaiger Ansprüche wurde vom BGH verneint (s. hierzu die Pressemitteilung des BGH).
Wir berichteten bereits im Jahr 2012 über eine vergleichbare Konstellation, die ebenfalls vom BGH entschieden wurde (siehe dazu hier). Da das Thema der Erstattungsfähigkeit von Ein- und Ausbaukosten eines mangelhaften Kaufgegenstandes bereits etliche Male in Examensklausuren lief, sei die Lektüre des verlinkten Beitrags dringend empfohlen.
Wir berichteten seinerzeit im Oktober 2012 über ein äußerst examensrelevantes Urteil des BGH, wonach das Urteil des Europäischen Gerichtshofs über den Umfang der Nacherfüllung beim Verbrauchsgüterkauf im Falle einer Ersatzlieferung keine Auswirkungen auf Kaufverträge zwischen Unternehmern hat (siehe dazu unseren Beitrag hier). Konkret ging es darum, ob im Rahmen der kaufrechtlichen Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB bei solchen Sachen, die nach dem Kauf beim Käufer eingebaut werden (etwa Fliesen, Teppichboden oder Dachziegel), auch die Kosten vom Ein- bzw. Ausbau mit umfasst sind (siehe dazu umfassender auch hier und hier).
Kritik an der Rechtsprechung
Kürzlich äußerte sich Schwenker auf juris.de zu den Praxisfolgen dieses Urteils. Er führt aus, dass die Entscheidung des BGH, den Ersatz der Ein- und Ausbaukosten nur im Verbrauchsgüterkaufvertrag zuzuerkennen, für den Werkunternehmer, der sich später als mangelbehaftet herausstellendes Material erworben und eingebaut hat, eine gravierende Haftungslücke bedeute.
Denn er schuldet dem Besteller ein funktionsfähiges Werk, so dass ihn der Einbau mangelhaften Materials nicht zu entlasten vermag. Dies gilt auch dann, wenn die Mangelhaftigkeit des Materials für den Bauunternehmer nicht erkennbar war. Die Inanspruchnahme des Verkäufers durch den Werkunternehmer wird im Regelfall ausscheiden, weil diese Verschulden voraussetzt, das im Regelfall nicht vorliegt. Der Hersteller ist nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, weil sich die Pflichten des Verkäufers nicht auf die Herstellung der Sache erstrecken (OLG Frankfurt, Urt. v. 21.06.2012 – 15 U 147/11). Haftungserweiterungen des Verkäufers durch vertragliche Vereinbarungen, wie sie in der Literatur vorgeschlagen worden sind (Messerschmidt/Hürter, BauR 2009, 1796) dürften für den Bauunternehmer kaum durchsetzbar sein.
Die hier vorgetragene Haftungslücke mag für einen Werkunternehmer, der mangelhafte Ware erwirbt und später einbaut, in der Praxis tatsächlich ein erhebliches Problem darstellen. Gleichwohl führte Looschelders in JA 2013, 149 aus, dass die Überlegungen des BGH auch durch einen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums (siehe dazu hier) zur Regelung der Problematik bestätigt werden. Der Entwurf sieht nämlich die Einfügung eines neuen § 474a Abs.1 BGB vor, der den Anspruch des Käufers auf Ausbau der mangelhaften Sache und Einbau der Ersatzsache explizit auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt. Die hier besprochene Rechtsprechung des BGH und damit auch die Haftungsrisiken der Werkunternehmer würden damit vom Gesetzgeber bestätigt. Die Neuregelung soll jedoch, sofern sie vom Gesetzgeber verabschiedet wird, erst am 13.06.2014 in Kraft treten.
Examensrelevanz
Angesichts der Tatsache, dass das hier besprochene Urteil bereits Gegenstand von Examensklausuren war, dürfte es sich von selbst verstehen, dass die Problematik von Kandidaten im ersten sowie zweiten Staatsexamen beherrscht werden muss. Es gilt – sofern das Problem im Rahmen einer Klausur auftritt – zu beachten, dass die hier diskutierte Divergenz des allgemeinen Kaufrechts zum Verbrauchsgüterkaufrecht mittlerweile als „Klassiker“, also ein Standardproblem, betrachtet werden kann. Das heißt, dass es für eine überzeugende Bearbeitung nicht mehr genügt, das Problem überhaupt zu erkennen. Dies dürfte eher als Grundvoraussetzung erwartet werden, da die Rechtsprechung bereits länger zurück liegt und mittlerweile auch in neuerer Lehrbuchliteratur verarbeitet ist. Da das besprochene Urteil des BGH Wertungswidersprüche aufwirft, gilt es diese im Rahmen einer Bearbeitung herauszustellen. Weizen vom Spreu trennt sich für den Korrektor dann bei der Betrachtung der jeweiligen argumentativen Auseinandersetzung und der Anwendung der europarechtlichen Leitlinien (siehe dazu hier und hier).
Der BGH sowie der EuGH hatten sich in der letzten Zeit mit der hoch examansrelevanten Fragestellung auseinander gesetzt (siehe dazu hier und hier), ob im Rahmen einer kaufrechtlichen Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB bei solchen Sachen, die nach dem Kauf beim Käufer eingebaut werden (etwa Fliesen, Teppichboden oder Dachziegel), auch die Kosten vom Ein- bzw. Ausbau mit umfasst sind (siehe dazu umfassender auch hier und hier). Die bisher vorhandene Rechtsprechung bezog sich indes auf die Rechtslage beim Verbrauchsgüterkauf. Der BGH hat nunmehr entschieden, wie sich die Auslegung des § 439 Abs. 1 BGB bei einem Kaufvertrag zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern verhält (Urteil vom 17.10.2012 – VIII ZR 226/11).
Verbrauchsgüterkäufe
Nach Auffassung des BGH sei § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB beim Verbrauchsgüterkauf richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die dort genannte Nacherfüllungsvariante „Lieferung einer mangelfreien Sache” auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache erfasst. Die Argumentation des BGH, die im Anschluss an eine Vorlagefrage zum EuGH erfolgte, kam zu diesem Ergebnis, indem sie § 439 Abs. 1 BGB im Lichte der dem deutschen Kaufrecht zugrunde liegenden Verbrauchsgüterkaufrichtlinie betrachtete. Geboten war eine derartige Auslegung deshalb, weil der infrage stehende Kaufvertrag von einem Verbraucher mit einem Unternehmer geschlossen wurde.
Wenn also zum Beispiel mangelhafte Fliesen im Baumarkt erworben werden, diese aber mangelhaft sind, so schuldet der Verkäufer nach § 439 Abs. 1 BGB nicht bloß die Übergabe neuer mangelfreier Fliesen, sondern darüber hinaus den Ausbau und das Wegschaffen des mangelhaften Bodenbelags.
Unternehmer/Unternehmer oder Verbraucher/Verbraucher
Der BGH hat nunmehr entschieden, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs über den Umfang der Nacherfüllung beim Verbrauchsgüterkauf im Falle einer Ersatzlieferung keine Auswirkungen auf Kaufverträge zwischen Unternehmern hat. Die vorgenannte Rechtsprechung des EuGH gelte nach Auffassung des BGH nämlich nur für den zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossenen Kaufvertrag. Bei Kaufverträgen zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern werde dagegen der Ausbau der mangelhaften Sache und der Einbau der Ersatzsache von der Nacherfüllungsvariante „Lieferung einer mangelfreien Sache“ (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) nicht erfasst.
Die Argumentation des BGH leuchtet ein, da die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nur dann auf das deutsche Kaufrecht ausstrahlen kann, sofern diese auch anwendbar ist. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob das deutsche Kaufrecht einheitlich für alle Arten des Kaufs ausgelegt werden muss oder ob eine „gespaltene Auslegung“, die zwischen Verbrauchsgüterkäufen und übrigen Käufen differenziert, höchst strittig ist. Angesichts der Tatsache, dass das deutsche Kaufrecht mit der Einführung der §§ 474 ff. BGB von sich aus bereits differenziert, erscheint es m.E. nicht fernliegend, auch Rechtstermini im Rahmen der allgemeinen Kaufrechtsvorschriften der §§ 433 ff. BGB – jeweils abhängig vom systematischen Kontext – einer divergierenden Auslegung zugängig zu machen. Das Argument, das die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie auch nur bei Verbrauchsgüterkäufen anwendbar ist, rundet die Argumentation im Sinne eines „Überdies-Schlusses“ ab. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der BGH bereits in seiner damaligen Entscheidung zu den Ausbaukosten (s. dazu die Hinweise oben) davon ausging, dass die besondere Berücksichtigung der europarechtlichen Wertung nur im Kontext des Verbrauchsgüterkaufs relevant werden.
Unterschiede auch beim Leistungsverweigerungsrecht
Zu beachten ist darüber hinaus, dass der BGH seinerzeit nicht nur § 439 Abs. 1 BGB richtlinienkonform ausgelegt hat, sondern darüber hinaus auch § 439 Abs. 3 BGB im Lichte der Richtlinie teleologisch reduzierte. Der BGH führte in der älteren Entscheidung dazu aus:
Das in § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB dem Verkäufer eingeräumte Recht, die einzig mögliche Form der Abhilfe wegen (absolut) unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, ist mit Art. 3 der Richtlinie nicht vereinbar. Die hierdurch auftretende Regelungslücke ist bis zu einer gesetzlichen Neuregelung durch eine teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB für Fälle des Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu schließen. Die Vorschrift ist beim Verbrauchsgüterkauf einschränkend dahingehend anzuwenden, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers nicht besteht, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Nacherfüllung zu Recht verweigert.
In diesen Fällen beschränkt sich das Recht des Verkäufers, die Nacherfüllung in Gestalt der Ersatzlieferung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, auf das Recht, den Käufer bezüglich des Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Kaufsache auf die Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrags zu verweisen. Bei der Bemessung dieses Betrags sind der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. Zugleich ist zu gewährleisten, dass durch die Beschränkung auf eine Kostenbeteiligung des Verkäufers das Recht des Käufers auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten nicht ausgehöhlt wird.
Die vorgenannten Ausführungen, die ein Berufen auf die absolute Unverhältnismäßigkeit i.S.v. § 439 Abs. 3 BGB im Kontext des Verbrauchsgüterkaufs nicht gestatten, sind insoweit, sofern man die o.g. Wertungen des BGH übernimmt, ebenso nicht beim Kaufvertrag, der von Unternehmern oder nur von Verbrauchern geschlossen wurde, anwendbar.
Examensrelevanz
Die neue Entscheidung des BGH ist an Examensrelevanz kaum zu überbieten. Die richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 BGB war bereits mehrfach Gegenstand von Examensklausuren. Die nunmehr höchstrichterlich festgeschriebene Erkenntnis, dass das europarechtlich induzierte Verständnis des BGB bei solchen Fällen, die nicht vom Anwendungsbereich einer Richtlinie erfasst sind, keine Anwendung findet, stellt dabei nur eine weitere Variante dar, in der der Ausbaufall im Examen gestellt werden könnte.
Sofern eine derartige Konstellation in Klausuren auftaucht, ist es sehr wahrscheinlich, dass zumindest auch der Text der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie mit abgedruckt sein wird. Auch wenn dies nicht der Fall sein sollte – im vom BGH entschiedenen Fall war die Richtlinie ja gar nicht einschlägig – sollte auf jeden Fall eine europarechtskonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 BGB angesprochen werden. Wer dies nicht tut und schnurstracks die deutschen Normen definiert und subsumiert, verschenkt hier wesentliche Punkte.
Von Sina Nienhaus
Die Entscheidung des EuGH vom 16.06.2011 Rs. C-65/09 und C-87/09 zur Frage des Umfang des Nacherfüllunganspruchs kam einem Erdbeben in der juristischen Landschaft Deutschlands gleich und löste einen Sturm divergierender Meinungen aus (vgl. nur Literaturnachweise bei juris). Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils und der Tatsache, dass die bisherige Rechtsprechung und das dogmatische Verständnis des BGH zu Teilen auf den Kopf gestellt wurde, sollte die Examensrelevanz nicht unterschätzt werden. Daher soll im Folgenden die Problematik, insbesondere die ursprüngliche BGH-Rechtsprechung im Vergleich zum EuGH, anhand einer gutachterlichen Falllösung veranschaulicht werden.
A Sachverhalt
Die A kaufte bei dem Baustoffhändler X am 20.01.2011 45 m² Parkettstäbe eines italienischen Herstellers zum Preis von 1300 €. Sie ließ rund 33 m² der Stäbe im Flur, Bad, in der Küche und auf dem Treppenpodest ihres Hauses verlegen. Nach kurzer Zeit zeigten sich jedoch auf der Oberfläche Schattierungen, die mit bloßem Auge zu erkennen sind. A verlangte deswegen Nacherfüllung, die X nach Rücksprache mit dem Hersteller am 30.7.2011 zurückwies. Ein von A engagierter Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den bemängelten Schattierungen um feine Mikroschleifspuren handele, die nicht beseitigt werden könnten, so dass Abhilfe nur durch einen kompletten Austausch der Parkettstäbe möglich sei. Die Kosten dafür bezifferte der Sachverständige sachgerecht auf insgesamt 4300 €. Die einzelnen Posten gestalten sich folgendermaßen:
1) 1500 € für das marktgerecht neu zu kaufende Parkett,
2) 100 € Transportkosten für die Lieferung des neuen Parketts,
3) 350 € für den Ausbau des alten Parketts,
4a) 1350 € für die Verlegung des neuen Parketts und
4b) 1000 € für die vergeblichen Kosten der Verlegung des alten Parketts.
Nach vergeblicher Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung hatte A die Nase voll länger auf einer „Baustelle“ zu leben und bestellte neues Parkett bei Y, welches auch sofort komplett eingebaut wurde. Dabei entstanden die von dem Sachverständigen genannten Kosten. A verlangt von X Zahlung der 4300 €.
Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter
Artikel 3
Rechte des Verbrauchers
(1) Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht.
(2) Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6.
(3) Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist.
Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die
– angesichts des Werts, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte,
– unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit und
– nach Erwägung der Frage, ob auf die alternative Abhilfemöglichkeit ohne erhebliche
Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zurückgegriffen werden könnte,
verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären.
Die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung muß innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen, wobei die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind.
(4) Der Begriff „unentgeltlich“ in den Absätzen 2 und 3 umfaßt die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten, insbesondere Versand-, Arbeits- und Materialkosten.
(5) Der Verbraucher kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Vertragsauflösung verlangen,
– wenn der Verbraucher weder Anspruch auf Nachbesserung noch auf Ersatzlieferung hat oder
– wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat oder
– wenn der Verkäufer nicht ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher Abhilfe geschaffen hat.
(6) Bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher keinen Anspruch auf Vertragsauflösung.
B Gutachten
I. Anspruch der A gegen X auf Zahlung von 3300 € wegen der Lieferung mangelhafter Parkettstäbe.
1. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB
a) Kaufvertrag § 433 BGB
Ein wirksamer Kaufvertrag liegt vor.
b) Mangel gem. § 434 BGB zur Zeit des Gefahrenübergangs
Daneben müsste zur Zeit des Gefahrenübergangs ein Mangel vorgelegen haben. In Betracht kommt ein Sachmangel iSd. § 434 I BGB. Danach muss die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweichen. Mangels Beschaffenheitsvereinbarung iSd. § 434 I 1 BGB und fehlender Festlegung des Verwendungszwecks nach § 434 I 2 Nr. 1 BGB, ist die abweichende Sollbeschaffenheit nur an § 434 I 2 Nr. 2 BGB zu messen. Vorliegend haben sich auf mehr als der Hälfte der verlegten Fläche sichtbare Schattierungen gebildet, welche nicht dem Standard entsprechen. Damit weist das Parkett eine Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art unüblich ist und die A auch nach der Art der Sache nicht erwarten konnte. Mithin liegt ein Sachmangel iSd. § 434 I 2 Nr. 2 BGB zum Zeitpunkt der Übergabe gemäß § 446 S. 1 BGB vor.
c) Erfolglose Nachfristsetzung
Die A hat X eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt.
d) Vertretenmüssen
X müsste den Mangel auch zu vertreten haben. X selbst hat die Mangelhaftigkeit mangels Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis nicht zu vertreten. Möglicherweise könnte jedoch das nach § 280 I 1 BGB vermutete Verschulden des Herstellers dem X nach § 278 BGB zugerechnet werden. Der Hersteller müsste Erfüllungsgehilfe von X sein. Zum Pflichtenkreis des X als Händler gehört aber nicht die Herstellung der Parkettstäbe, so dass eine Zurechnung ausscheidet. Der Hersteller ist somit nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers. Dem X wird deshalb der Exkulpationsbeweis (§ 280 I 2 BGB) gelingen.
e) Ergebnis
Der Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB ist nicht entstanden.
2. §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB (-)
Mögliche Ansprüche gegen X scheitern auch hier an dem fehlenden Verschulden.
II. Anspruch der A gegen X auf Zahlung von 3300 € wegen der Verweigerung der Nacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB
1. Wirksamer Kaufvertrag (+)
2. Mangel zur Zeit des Gefahrenübergangs (+)
3. Unberechtigte Verweigerung der Nacherfüllung
X könnte die Nacherfüllung zu Unrecht verweigert haben. Dies ist der Fall, wenn der Nacherfüllungsanspruch den Ein- und Ausbau der mangelhaften Ware umfasst. Im Folgenden ist daher der Umfang des § 439 I BGB zu prüfen.
a) Umfang der Nacherfüllung
Aufgrund der Natur des Mangels, der eine Nachbesserung ausschließt, ist das Wahlrecht des K von vornherein auf die Lieferung einer mangelfreien Sache beschränkt.
aa) Lieferung neuer Parkettstäbe und Übernahme der Transportkosten (+)
Die Lieferung neuer Parkettstäbe und Übernahme der Transportkosten sind unstrittig von der Pflicht zur Nacherfüllung umfasst. Dazu stellte der BGH (NJW 2008, 2837, 2838 f.) fest:
»[18] (1) Bei den Nacherfüllungsansprüchen aus § 439 I BGB handelt es sich um Modifikationen des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs aus § 433 I BGB (BT-Dr 14/6040, S. 221), die allerdings nur so weit gehen, wie dies durch die Mangelhaftigkeit der Kaufsache bedingt ist. […] Die Ersatzlieferung erfordert daher eine vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer nach § 433 I 1 und 2 BGB verpflichtet ist; der Verkäufer schuldet nochmals die Übergabe des Besitzes und die Verschaffung des Eigentums an einer mangelfreien Sache – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Denn mit der Nacherfüllung soll nach der gesetzgeberischen Konzeption lediglich eine nachträgliche Erfüllung der Verkäuferpflichten aus § 433 I BGB durchgesetzt werden; der Käufer soll mit der Nacherfüllung das erhalten, was er vertraglich zu beanspruchen hat (BT-Dr 14/6040, S. 221; BGHZ 162, 219 [227] = NJW 2005, 1348).«
bb) Ausbau und Abtransport des alten Parektts und Einbau der neuen Parkettstäbe
Fraglich erscheint jedoch, ob auch der Ausbau und Abtransport des mangelhaften Parketts, sowie der Einbau der neuen Stäbe von der Pflicht des § 439 BGB umfasst ist.
(1) Ausbau und Abtransport
Bisher vertrat der BGH hinsichtlich des Ausbaus und Abtransports folgende Meinung (BGH NJW 2009, 1660):
»[20] (aa) Das ergibt sich, wie auch das Berufungsgericht erkannt hat, nicht schon aus dem Gesetzeswortlaut. Nach § 439 Abs. 1 BGB kann der Käufer bei der hier betroffenen Art der Nacherfüllung die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Dies ist – entsprechend der ursprünglichen Verpflichtung des Verkäufers zur Erfüllung des Kaufvertrages aus § 433 Abs. 1 BGB – allein die Übergabe der mangelfreien Sache und die Verschaffung des Eigentums hieran. Der Ausbau der zuerst gelieferten mangelhaften Sache gehört schon deswegen nicht dazu, weil er sich auf eine andere Sache bezieht als die Lieferung. Aus § 439 Abs. 2 BGB, wonach der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat, ergibt sich nichts anderes. Zum Zwecke der Nacherfüllung sind bei ihrer hier in Rede stehenden Art dem Wortlaut nach nur die Aufwendungen für die Lieferung einer mangelfreien Sache erforderlich. Zu dieser gehört, wie ausgeführt, nicht der Ausbau der zuerst gelieferten mangelhaften Sache.«
Nach Ansicht und Verständnis des BGH ergibt die Auslegung des § 439 BGB, dass dieser sich eben gerade nur auf die Lieferung einer mangelfreien Sache erstrecke und der Ausbau und Abtransport der mangelhaften Ware somit gegenständlich schon nicht mehr von der Nacherfüllung umfasst seien.
(2) Einbau
Bezüglich des Einbaus der neuen Ware führte der BGH aus (BGH NJW 2008, 2837, 2838 f.):
»[19] Danach hatte die Bekl. dem Kl. nach dessen Aufforderung, den Parkettboden auszutauschen, lediglich Besitz und Eigentum an neuen – nunmehr mangelfreien– Parkettstäben zu verschaffen (§ 439 I BGB i.V. Mit § 433 I BGB). Die Verlegung der ersatzweise zu liefernden Parkettstäbe schuldete sie im Rahmen der vom Kl. verlangten Nacherfüllung ebenso wenig wie bei der ursprünglichen Lieferung, mit der sie erstmals den Versuch unternommen hatte, ihre Verkäuferpflichten aus § 433 I 1 und 2 BGB zu erfüllen.
[20] (2) Der dagegen von der Revision vorgebrachte Einwand, durch die Nacherfüllung solle der Zustand hergestellt werden, in dem sich die Kaufsache befände, wenn sie von Anfang an mangelfrei gewesen wäre, ist – jedenfalls für die hier zu beurteilende Ersatzlieferung – nicht stichhaltig.
[21] Mit dem Institut der Nacherfüllung soll dem Verkäufer eine „letzte“ Chance eingeräumt werden, seine Pflicht aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache – wenn auch erst im zweiten Anlauf – noch zu erfüllen, um den mit einer Rückabwicklung des Vertrages verbundenen wirtschaftlichen Nachteil abzuwenden (BT-Drs. aaO; BGHZ aaO). Vermögensschäden oder Aufwendungen, die dem Käufer dadurch entstehen, dass der Verkäufer seine Pflicht aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB, dem Käufer eine mangelfreie Sache zu verschaffen, nicht schon beim ersten Erfüllungsversuch, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt, sind nicht im Zuge der Nacherfüllung zu beseitigen oder auszugleichen, sondern nur im Rahmen eines Schadensersatz- oder Aufwendungsersatzanspruchs nach §§ 280 ff. BGB.«
Es lässt sich somit feststellen, dass der BGH erst Recht den Einbau der neuen Sache nicht vom § 439 BGB umfasst sieht. Dies leitet er dogmatisch aus dem Sinn und Zweck der Nacherfüllung her, dem Verkäufer ein zweites Recht zur Andienung einzuräumen, welches aber nicht weiter gehen darf als der ursprüngliche Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Sache.
cc) Richtlinienkonforme Auslegung des § 439 I BGB
Ein solches Verständnis des § 439 BGB könnte jedoch zumindest bei Verbrauchsgüterkäufen iSd § 474 BGB gegen Art. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie verstoßen. So stelle der EuGH fest, dass aus dem Wortlaut von Art. 3 der Richtlinie wie auch im Übrigen aus den einschlägigen Vorarbeiten der Richtlinie hervorgeht, dass der Unionsgesetzgeber die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch den Verkäufer zu einem wesentlichen Bestandteil des durch die Richtlinie gewährleisteten Verbraucherschutzes machen wollte. Diese dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, sei es durch Nachbesserung, sei es durch Austausch des vertragswidrigen Verbrauchsguts, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen (vgl. Urteil vom 17. April 2008, Rs. C-404/06, Slg. 2008, 2685, Rn. 33 und 34).
EuGH NJW 2011, 2269 ff.
»[47] Wenn aber der Verbraucher im Fall der Ersatzlieferung für ein vertragswidriges Verbrauchsgut vom Verkäufer nicht verlangen könnte, dass er den Ausbau des Verbrauchsguts aus der Sache, in die es gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts in dieselbe Sache oder die entsprechenden Kosten übernimmt, würde diese Ersatzlieferung für ihn zu zusätzlichen finanziellen Lasten führen, die er nicht hätte tragen müssen, wenn der Verkäufer den Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Wenn dieser nämlich von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte, hätte der Verbraucher die Einbaukosten nur einmal getragen und hätte keine Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts tragen müssen.
[48] Würde Art. 3 der Richtlinie dahin ausgelegt, dass er den Verkäufer nicht verpflichtet, den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts oder die entsprechenden Kosten zu übernehmen, hätte dies somit zur Folge, dass der Verbraucher, um die ihm durch den genannten Artikel verliehenen Rechte ausüben zu können, diese zusätzlichen Kosten tragen müsste, die sich aus der Lieferung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts durch den Verkäufer ergeben.
[49] In diesem Fall würde die Ersatzlieferung für das Verbrauchsgut entgegen Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie nicht unentgeltlich für den Verbraucher vorgenommen. […]
[55] Eine Auslegung von Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie in dem Sinne, dass diese Bestimmung den Verkäufer im Fall der Ersatzlieferung für ein vertragswidriges Verbrauchsgut verpflichtet, den Ausbau dieses Gutes aus der Sache, in die es der Verbraucher vor dem Auftreten des Mangels gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut hatte, und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts oder die entsprechenden Kosten zu übernehmen, entspricht überdies dem Zweck der Richtlinie, mit der, wie aus ihrem ersten Erwägungsgrund hervorgeht, ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden soll.
[56] In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass eine solche Auslegung auch nicht zu einem ungerechten Ergebnis führt. Selbst wenn nämlich die Vertragswidrigkeit des Verbrauchsguts nicht auf einem Verschulden des Verkäufers beruht, hat dieser doch aufgrund der Lieferung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts die Verpflichtung, die er im Kaufvertrag eingegangen ist, nicht ordnungsgemäß erfüllt und muss daher die Folgen der Schlechterfüllung tragen. Dagegen hat der Verbraucher seinerseits den Kaufpreis gezahlt und damit seine vertragliche Verpflichtung ordnungsgemäß erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil Quelle, Rdnr. 41). Zudem kann der Umstand, dass der Verbraucher im Vertrauen auf die Vertragsmäßigkeit des gelieferten Verbrauchsguts das mangelhafte Verbrauchsgut vor Auftreten des Mangels gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut hat, kein Verschulden darstellen, das dem betreffenden Verbraucher zur Last gelegt werden könnte.
[57] In einem Fall, in dem keine der beiden Vertragsparteien schuldhaft gehandelt hat, ist es demnach gerechtfertigt, dem Verkäufer die Kosten für den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts aufzuerlegen, da diese Zusatzkosten zum einen vermieden worden wären, wenn der Verkäufer von vornherein seine vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hätte, und zum anderen nunmehr notwendig sind, um den vertragsgemäßen Zustand des Verbrauchsguts herzustellen.«
Anders als der BGH argumentiert der EuGH somit vorallem mit dem Schutzgedanken und Zielsetzung der Richtlinie und definiert somit den Umfang des Nacherfüllungsanspruchs über die Gewährleistung eines möglichst umfassenden Verbraucherschutzes.
dd) Ergebnis zu bb)
Nach dem Vorrang des Unionsrechts sind somit sowohl die Neulieferung, als auch der Ausbau der alten, sowie der Einbau der neuen Parkettstäbe unter Beachtung einer richtlinienkonformen Auslegung vom Umfang der Nacherfüllungspflicht umfasst.
b) Recht zur Verweigerung
Dem X könnte jedoch möglichweise ein Recht zur Verweigerung zustehen.
aa) § 275 I BGB
Aufgrund der Art des Sachmangels ist eine Nachbesserung objektiv unmöglich. Dies gilt jedoch nicht für die Lieferung einer mangelfreien Sache.
bb) § 439 III BGB
Der X könnte die Nacherfüllung jedoch zu Recht verweigert haben, weil die Kosten für die Nacherfüllung unverhältnismäßig hoch sind (§ 439 III BGB). Die Kosten für eine Neulieferung würden sich insgesamt auf 3300 € belaufen. Der X ist auch auf diese Alternative beschränkt. Es könnte sich somit um einen Fall der absoluten Unverhältnismäßigkeit handeln. Wann eine solche im Einzelnen vorliegt, ist strittig. Die absolute Unverhältnismäßigkeit ist hauptsächlich durch eine Vergleichsrechnung zwischen den Nacherfüllungskosten und dem Interesse des Käufers an der Nacherfüllung unter umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen (H.P. Westermann, in: MünchKomm, BGB, 6. Aufl. 2012, § 439 Rn. 20, 21). Nach einer Faustregel des BGH (vgl. BGH NJW 2009, 1660, 1661 f.) ist von einer absoluten Unverhältnismäßigkeit auszugehen, wenn die für eine Nacherfüllung anfallenden Kosten erheblich mehr als 150 % des Werts der mangelfreien Sache oder deutlich mehr als 200 % des mangelbedingten Minderwerts der mangelhaften Sache betragen. Vorliegend ist für den Wert der mangelfreien Parkettstäbe höchstens der für den Erwerb erforderliche Kaufpreis, also 1.500 € anzusetzen. Die Kosten der Nacherfüllung belaufen sich auf insgesamt 3300 €, übersteigen den Wert der Sache damit um mehr als 100 % und betragen damit gut 200 % des Werts der mangelfreien Sache. Damit liegt ein Fall der absoluten Unverältnismäßigkeit vor. Ein solches Verweigerungsrecht im Falle der absoluten Unverhältnismäßigkeit könnte jedoch einen Widerspruch zu Art. 3 III der Richtlinie darstellen.
Dazu stellte der EuGH (NJW 2011, 2269 ff.) fest:
»[71] Folglich zeigt sich, dass der Unionsgesetzgeber dem Verkäufer das Recht zur Verweigerung der Nachbesserung des mangelhaften Verbrauchsguts oder der Ersatzlieferung nur im Fall der Unmöglichkeit oder einer relativen Unverhältnismäßigkeit gewähren wollte. Erweist sich nur eine dieser beiden Abhilfen als möglich, kann der Verkäufer die einzige Abhilfe, durch die sich der vertragsgemäße Zustand des Verbrauchsguts herstellen lässt, somit nicht verweigern.
[72] Diese vom Unionsgesetzgeber in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie getroffene Entscheidung beruht, wie die belgische und die polnische Regierung sowie die Kommission vorgetragen haben, auf dem Umstand, dass die Richtlinie im Interesse der beiden Vertragsparteien der Erfüllung des Vertrags mittels einer der beiden zunächst vorgesehenen Abhilfen den Vorzug vor einer Auflösung des Vertrags oder der Minderung des Kaufpreises gibt. Diese Entscheidung erklärt sich zudem dadurch, dass sich durch die beiden letztgenannten subsidiären Mittel nicht dasselbe Verbraucherschutzniveau gewährleisten lässt wie durch die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands.
[73] Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie schließt folglich aus, dass eine nationale gesetzliche Regelung dem Verkäufer das Recht gewährt, die einzig mögliche Art der Abhilfe wegen ihrer absoluten Unverhältnismäßigkeit zu verweigern, doch erlaubt dieser Artikel einen wirksamen Schutz der berechtigten finanziellen Interessen des Verkäufers, der, wie in Rdnr. 58 des vorliegenden Urteils festgestellt, zu dem in den Art. 4 und 5 der Richtlinie vorgesehenen hinzukommt.«
Nach dem EuGH ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Ziel der Richtline, dass dem Verkäufer kein Recht zur Verweigerung bei absoluter Unverhältnismäßigkeit zusteht. Somit kann sich der X nicht auf ein solches Verweigerungsrecht berufen.
cc) § 275 II BGB scheidet ebenfalls aus.
c) Ergebnis zu 3.
Der V hat die Nacherfüllung zu Unrecht verweigert.
4. Vertretenmüssen (+)
Gemäß § 280 I 2 BGB ist das Verschulden des X indiziert. Exkulpationsgründe sind nicht ersichtlich.
5. Schaden
Der A sind aufgrund der Mangelhaftigkeit des Parketts und der unrechtmäßigen Verweigerung des X Kosten in Höhe von insgesamt 3300 € für das neu gekaufte Parkett (1500 €), Transportkosten für die Lieferung des neuen Parketts (100 €), für den Ausbau des alten Parketts (350 €) und für die Verlegung des neuen Parketts (1350 €) entstanden.
II. Ergebnis zu B
Der A steht ein Anspruch auf Zahlung von 3300 € gegen X nach §§ 280 I, III, 281 BGB zu.
C Anspruch auf Ersatz der 1000 € für die Verlegung des alten Parketts nach §§ 437 Nr. 3, 284 BGB
Der A steht mangels eines Verschuldens des X kein Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 284 BGB zu. (Vgl. unter I. 1. d.)
Dazu der BGH (NJW 2008, 2837, 2840):
»[32] b) Um Aufwendungen im Sinne des § 284 BGB handelt es sich allerdings bei den dem Kläger entstandenen Kosten für die Verlegung der mangelhaften Parkettstäbe. Diese Aufwendungen hat der Kläger im Vertrauen auf die Mangelfreiheit der von der Beklagten gekauften Parkettstäbe gemacht; sie sind infolge der Mangelhaftigkeit der Parkettstäbe nutzlos geworden. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 23. November 2006 auch diese Kosten beziffert und geltend gemacht hat, sind jedoch die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB nicht erfüllt. Da der Käufer Aufwendungsersatz nach § 284 BGB nur anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung verlangen kann, müssen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 280, 281 BGB vorliegen (BT-Drs. aaO, S. 144, 225). Daran fehlt es, wie unter 2 ausgeführt.
[33] c) Eine analoge Anwendung des § 284 BGB auf den Fall, dass die Voraussetzungen der §§ 281 bis 283 BGB nicht erfüllt sind, kommt entgegen der Auffassung der Revision nicht in Betracht, weil insoweit keine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt. Im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung wurde der Ersatz vergeblicher Aufwendungen nach § 284 BGB bewusst von den Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach §§ 280, 281 BGB abhängig gemacht (BT-Drs. 14/6040, aaO).«
Die Gastautorin Sina Nienhaus studiert Jura im 7. Semester an der Universität Hamburg.
Der BGH hat am heutigen Tag (21.12.2011) ein Urteil (VIII ZR 70/08) mit sehr hoher Examensrelevanz gesprochen. Es geht hierbei darum, wie weit der Nacherfüllungsanspruch bei Lieferung einer mangelhaften Sache reicht, das heißt insbesondere darum, ob Aus- und Einbaukosten hiervon erfasst sind.
Das Urteil folgt auf eine Vorlage des BGH an den EuGH und dem entsprechenden wegweisenden Urteil des EuGH v. 16.06.2011 (C-65/09 und C-87/09). Siehe hierzu bereits den ausführlichen Artikel von Nicolas. Inhaltlich bietet das Urteil aus diesem Grund dann auch wenig Neues, sondern widerholt nur das Ergebnis des EuGH.
Im Zentrum steht folgender Abschnitt aus der Pressemitteilung:
„Nunmehr hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB* richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass die dort genannte Nacherfüllungsvariante „Lieferung einer mangelfreien Sache“ auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache erfasst. Das dem Verkäufer in § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB* eingeräumte Recht, die Nacherfüllung wegen (absolut) unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, ist beim Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) im Wege der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung dahingehend einzuschränken, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers nicht besteht, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Nacherfüllung zu Recht verweigert. In diesen Fällen beschränkt sich das Recht des Verkäufers, die Nacherfüllung in Gestalt der Ersatzlieferung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, auf das Recht, den Käufer bezüglich des Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Kaufsache auf die Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrages zu verweisen. Bei der Bemessung dieses Betrags sind der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. Die Beschränkung auf eine Kostenbeteiligung des Verkäufers darf allerdings nicht dazu führen, dass das Recht des Käufers auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten ausgehöhlt wird.“
Dennoch ist die Rechtsprechung aus zwei Gründen bedeutsam:
Zum einen wird aufgezeigt, wie das Urteil des EuGH in das BGB einwirkt: Der BGH nimmt hier eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Var. 2 BGB vor. Zudem ist § 439 Abs. 3 S. 3 BGB richlinienkonform fortzubilden.
Zum anderen – und das ist das eigentlich Interessante an der Pressemitteilung – scheint der BGH nur über die Kosten des Ausbaus und des Abtransports, nicht aber über die Kosten des Einbaus entschieden zu haben. Gerade letzteres war das eigentlich Bedeutsame an der Entscheidung des EuGH. Zu mutmaßen, ob darüber tatsächlich nicht entschieden wurde, oder ob lediglich die Pressemitteilung fehlerhaft war, würde Kaffeesatzleserei gleichen. Hierzu muss die Veröffentlichung des Urteils abgewartet werden.
Dessen ungeachtet, kann dem Studenten in der Klausursituation nur geraten werden, der Rechtsprechung des EuGH vollumfänglich zu folgen, selbst wenn der BGH hierüber nicht entschieden haben sollte. Demnach wäre dann § 439 Abs. 1 Var. 2 BGB so weit richtlinienkonform auszulegen, dass bei der Nachlieferung sowohl die Ausbaukosten der mangelhaften Sache als auch die Einbaukosten der nachgelieferten Sache vom Verkäufer zu tragen sind. Die Rechtsprechung des EuGH war insofern eindeutig.
In einem aktuellen Urteil des EuGH (Az. C-65/09 und C-87/09) geht es um die Frage, ob im Rahmen der Nacherfüllung der Verkäufer (Unternehmer) dem Käufer (Verbraucher) sowohl den Ausbau der mangelhaften Sache, als auch den Einbau der neuen mangelfreien Sache schuldet. Die Rechtssache C-65/09 ist auf eine Vorlagefrage des BGH an den EuGH im Rahmen des bekannten Bodenfliesen-Falls (BGH VII ZR 70/08 – Beschluss vom 14.02.2009) zurückzuführen. In dem verbundenen Verfahren geht es um Ein- bzw. Ausbau einer mangelhaften Waschmaschine, auf die die unten stehenden Ausführungen übertragen werden können. Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Wendung der Streit mit der Entscheidung des EuGH genommen hat.
Hinweis: Zur Frage, an welchem Ort die Nacherfüllung stattfinden muss („Belegenheitsort der Sache“ oder Wohnsitz bzw. Niederlassung des Verkäufers) wird aus Gründen der Lesbarkeit hier nicht Stellung bezogen. Christoph hat sich bereits hier zur aktuellen Entwicklung in der Rechtsprechung ausführlich geäußert.
Ausgangslage
Bereits im Jahr 1983 hatte der BGH mit einer ähnlichen Konstellation zu tun. In der sog. Dachziegel-Entscheidung war die Frage zu klären, ob der Käufer verlangen kann, dass der Verkäufer die mangelhaften Dachziegeln nach wirksamen Rücktritt zurücknimmt, d.h. vom Dach des Käufers herunterholt. Da diese nur „lose“ verlegt waren, war die Rücknahme nicht mit Demontagekosten verbunden. Der BGH hatte – damals noch nach altem Recht – eine verschuldensunabhängige (!) Rücknahmeverpflichtung damit begründet, dass der Käufer nach erfolgtem Rücktritt ein schützenswertes Interesse daran habe, die mangelhafte Kaufsache „loszuwerden“. Zum Rücknahmerecht des Verkäufers korrespondiere eine entsprechende Rücknahmepflicht (krit. S. Lorenz NJW 2009 S.1634).
Diese Problemstellung wurde im Parkettstäbe-Fall (BGH NJW 2008, 2837) dahingehend erweitert, dass der Käufer im Zuge der Nacherfüllung nicht nur die Kosten des Einbaus der mangelhaften Parkettstäbe, sondern auch die Kosten für den Neu-Einbau der nachgelieferten Parkettstäbe ersetzt haben wollte. Der BGH hatte dies mit der Begründung abgelehnt, der Nachlieferungsanspruch könne nicht weiter gehen als der Erfüllungsanspruch. Die Kosten des Neu-Einbaus seien demnach über einen Schadensersatzanspruch neben der Nacherfüllung nach § 437 Nr. 3, 280 Abs.1 BGB zu ersetzen, nicht dagegen die Kosten des Ersteinbaus, die auch ohne Pflichtverletzung des Verkäufers (§ 249 I BGB) dem Käufer entstanden wären (z. d. Einzelheiten und Folgen eines Rücktritts s. S. Lorenz NJW 2009 S.1634).
Bei den mangelhaften Bodenfliesen ging es vornehmlich um die Kosten des Ausbaus der mangelhaften Fliesen. Auch hier enthalte die Nacherfüllung nicht denknotwendig eine Pflicht zum Ausbau der Kaufsache. Der BGH begründet das so: Dem Verkäufer geht es nicht in erster Linie darum, die Bodenfliesen „loszuwerden“, sondern um die Wiederherstellung der Integrität seiner sonstigen Rechtsgüter (Integritätsinteresse), die durch den Einbau der mangelhaften Fliesen beeinträchtigt worden sind. Dies sei aber nicht im Bereich der Nacherfüllung (Leistungsinteresse!) anzusiedeln, sondern im Sinne von § 249 I BGB ein ersetzbarer (Mangelfolge-) Schaden, der im Wege eines vom Vertretenmüssen des Verkäufers abhängigen Anspruchs nach §§ 437 Nr.3, 280 I BGB geltend gemacht werden müsse. Demnach fehle ein entsprechender Sachzusammenhang zur Nacherfüllung, die die Herstellung des Zustands der Kaufsache im Zeitpunkt der ursprünglichen Lieferung zum Gegenstand hat. Der Ersatz der Ausbaukosten ist hingegen auf die Schadloshaltung des Käufers im Hinblick auf seine sonstigen Rechtsgüter gerichtet, die von der Nacherfüllung gerade nicht umfasst sind. Mit anderen Worten: Der Ausbau ist nach dieser Auffassung schlichtweg nicht erforderlich, um eine mangelfreie Kaufsache zu erhalten.
Überdies bestand hier eine Rücknahmepflicht (wie im Dachziegel-Fall) nach Ansicht des BGH schon deswegen nicht, weil der Käufer die Fliesen bereits fest verbaut hatte und wegen der § 439 IV BGB i.V.m. § 346 II Nr.2, III Nr.3 BGB seiner Herausgabe- bzw. Wertersatzpflicht frei geworden war. Fragwürdig, wenn man bedenkt, dass das Entfallen der Wertersatzpflicht wegen Verbrauchs der Sache gerade den Käufer schützen soll.
Die Vorlage an den EuGH soll daher im Wesentlichen klären, wie weit die Nacherfüllung nach § 439 BGB reicht und wann der Verkäufer diese verweigern kann. Maßstab ist die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (VerbrGKRL), insbesondere Art. 3 VerbrGKRL bezüglich des Nacherfüllungsanspruchs des Käufers (Verbrauchers).
„Unentgeltlichkeit“ der Nacherfüllung
Unabhängig vom Inhalt des konkreten Schuldverhältnisses beschäftigt sich der EuGH mit der Frage, welcher Gedanke hinter dem Konstrukt der Nacherfüllung steht und macht dies am Merkmal der Unentgeltlichkeit nach Art. 3 der Richtlinie fest. Grenzen sind dort, wo die Erfüllung der Forderung des Verbrauchers unmöglich oder unverhältnismäßig ist. Denn
[w]ie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, geht demnach aus dem Wortlaut von Art. 3 der Richtlinie wie auch im Übrigen aus den einschlägigen Vorarbeiten der Richtlinie hervor, dass der Unionsgesetzgeber die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch den Verkäufer zu einem wesentlichen Bestandteil des durch die Richtlinie gewährleisteten Verbraucherschutzes machen wollte. Diese dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, sei es durch Nachbesserung, sei es durch Austausch des vertragswidrigen Verbrauchsguts, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen (vgl. Urteil vom 17. April 2008, Quelle, C 404/06, Slg. 2008, 2685, Randnrn. 33 und 34).
Wenn aber der Verbraucher im Fall der Ersatzlieferung für ein vertragswidriges Verbrauchsgut vom Verkäufer nicht verlangen könnte, dass er den Ausbau des Verbrauchsguts aus der Sache, in die es gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts in dieselbe Sache oder die entsprechenden Kosten übernimmt, würde diese Ersatzlieferung für ihn zu zusätzlichen finanziellen Lasten führen, die er nicht hätte tragen müssen, wenn der Verkäufer den Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Wenn dieser nämlich von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte, hätte der Verbraucher die Einbaukosten nur einmal getragen und hätte keine Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts tragen müssen.
Würde Art. 3 der Richtlinie dahin ausgelegt, dass er den Verkäufer nicht verpflichtet, den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts oder die entsprechenden Kosten zu übernehmen, hätte dies somit zur Folge, dass der Verbraucher, um die ihm durch den genannten Artikel verliehenen Rechte ausüben zu können, diese zusätzlichen Kosten tragen müsste, die sich aus der Lieferung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts durch den Verkäufer ergeben.
Im letzteren Fall würde dies nach Ansicht des Gerichts gegen Art. 3 Abs.2 und 3 der Richtlinie verstoßen.
Kein Verschulden des Verkäufers erforderlich
Der Nacherfüllungsanspruch nach § 439 I BGB ist verschuldensunabhängig. Fallen Ein- und Ausbau nicht in den Pflichtenkreis der Nacherfüllung, ist lediglich ein verschuldensabhängiger Anspruch nach dem Gewährleistungsrecht auf Ersatz der Kosten einschlägig. Der Verkäufer wird aber nicht selten den Gegenbeweis führen können, dass er den Mangel, der letztendlich zu den Kosten geführt hat, nicht zu vertreten hat. Der EuGH nimmt hingegen an, dass sich die Nacherfüllung auch auf den Ausbau der alten und den Einbau der neuen Fliesen erstreckt, sodass es auf ein Verschulden bezüglich des Mangels auch an dieser Stelle nicht ankommen kann.
In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass eine solche Auslegung auch nicht zu einem ungerechten Ergebnis führt. Selbst wenn nämlich die Vertragswidrigkeit des Verbrauchsguts nicht auf einem Verschulden des Verkäufers beruht, hat dieser doch aufgrund der Lieferung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts die Verpflichtung, die er im Kaufvertrag eingegangen ist, nicht ordnungsgemäß erfüllt und muss daher die Folgen der Schlechterfüllung tragen. Dagegen hat der Verbraucher seinerseits den Kaufpreis gezahlt und damit seine vertragliche Verpflichtung ordnungsgemäß erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil Quelle, Randnr. 41). Zudem kann der Umstand, dass der Verbraucher im Vertrauen auf die Vertragsmäßigkeit des gelieferten Verbrauchsguts das mangelhafte Verbrauchsgut vor Auftreten des Mangels gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut hat, kein Verschulden darstellen, das dem betreffenden Verbraucher zur Last gelegt werden könnte.
In einem Fall, in dem keine der beiden Vertragsparteien schuldhaft gehandelt hat, ist es demnach gerechtfertigt, dem Verkäufer die Kosten für den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts aufzuerlegen, da diese Zusatzkosten zum einen vermieden worden wären, wenn der Verkäufer von vornherein seine vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hätte, und zum anderen nunmehr notwendig sind, um den vertragsgemäßen Zustand des Verbrauchsguts herzustellen.
Im Übrigen würden die Interessen des Verkäufers aufgrund einer angemessenen Verjährungsfrist von 2 Jahren (vgl. § 438 Abs.1 Nr. 3 BGB) und durch die Möglichkeit des Unternehmers, Regress gegen den Lieferanten zu nehmen (vgl. § 478 BGB), ausreichend geschützt.
In der Klausur wären die Ein- und Ausbaukosten nach § 280 I, 281 I BGB als Schadensersatz statt der Leistung zu ersetzen, wobei das Vertretenmüssen sich allein auf die Nichterbringung der geschuldeten Leistung (Ein- und Ausbau) im Rahmen der Nacherfüllung beziehen muss.
Pflicht zum Aus- und Einbau aus den Vorschriften über den Verbraucherschutz und Art. 3 der Richtlinie
Es lässt sich argumentieren, der Nacherfüllungsanspruch könne nur solche Leistungspflichten begründen, die auch ursprünglich Gegenstand des Vertrages gewesen waren (so der BGH im Fall der Bodenfliesen). Der Ausbau der mangelhaften, bzw. der Einbau der mangelfreien Ersatzsache sei bei Fehlen ausdrücklicher Abreden gerade nicht geschuldet. Der EuGH sieht das anders, indem er den Verbraucherschutz und die Art. 3 der Richtlinie als Auslegungshilfe heranzieht und hieraus Pflichten des Verkäufers ableitet.
Diese Auslegung von Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie ist unabhängig davon, ob der Verkäufer nach dem Kaufvertrag zum Einbau des gelieferten Verbrauchsguts verpflichtet war. Zwar wird nämlich nach Art. 2 der Richtlinie durch den Kaufvertrag der vertragsgemäße Zustand des Verbrauchsguts festgelegt und damit insbesondere bestimmt, was eine Vertragswidrigkeit darstellt, doch ergeben sich im Fall einer solchen Vertragswidrigkeit die Verpflichtungen des Verkäufers, die aus der Schlechterfüllung des Vertrags folgen, nicht nur aus diesem, sondern vor allem aus den Vorschriften über den Verbraucherschutz und insbesondere aus Art. 3 der Richtlinie, die Verpflichtungen auferlegen, deren Umfang unabhängig von den Bestimmungen des genannten Vertrags ist und die gegebenenfalls über die dort vorgesehenen Verpflichtungen hinausgehen können.
Die den Verbrauchern damit in Art. 3 der Richtlinie verliehenen Rechte, die nicht bezwecken, die Verbraucher in eine Lage zu versetzen, die vorteilhafter ist als diejenige, auf die sie nach dem Kaufvertrag Anspruch erheben könnten, sondern lediglich die Situation herstellen sollen, die vorgelegen hätte, wenn der Verkäufer von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte, sind nach Art. 7 der Richtlinie für den Verkäufer unabdingbar. Zudem ergibt sich aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie, dass die Richtlinie einen Mindestschutz vorsieht und dass die Mitgliedstaaten zwar strengere Bestimmungen erlassen können, aber nicht die vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Garantien beeinträchtigen dürfen (vgl. Urteil Quelle, Randnr. 36).
Nimmt der Verkäufer den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Gutes nicht selbst vor, ist es Sache des nationalen Gerichts, die für den Ausbau und den Einbau notwendigen Kosten zu ermitteln, deren Erstattung der Verbraucher verlangen kann.
Nach alldem ist Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie dahin auszulegen, dass, wenn der vertragsgemäße Zustand eines vertragswidrigen Verbrauchsguts, das vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts notwendig sind. Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob er sich im Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte Verbrauchsgut einzubauen.
Einzige Art der Nacherfüllung kann nicht abgelehnt werden, aber Beschränkung der Kostentragungspflicht möglich
Zweifel bestanden beim BGH auch darüber, wann die Nacherfüllung durch den Verkäufer wegen Unverhältnismäßigkeit verweigert werden kann.
Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie gilt eine Abhilfe als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die angesichts des Wertes, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte, unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit und nach Erwägung der Frage, ob auf die alternative Abhilfemöglichkeit ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zurückgegriffen werden könnte, verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären.
Daher ist festzustellen, dass zwar Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie an sich so offen gefasst ist, dass er auch Fälle der absoluten Unverhältnismäßigkeit erfassen kann, dass aber Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 den Begriff „unverhältnismäßig“ ausschließlich in Beziehung zur anderen Abhilfemöglichkeit definiert und damit auf Fälle der relativen Unverhältnismäßigkeit eingrenzt. Im Übrigen geht aus dem Wortlaut und der Systematik von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie eindeutig hervor, dass sich dieser auf die beiden Arten der in erster Linie vorgesehenen Abhilfe bezieht, d. h. die Nachbesserung des vertragswidrigen Verbrauchsguts und die Ersatzlieferung.
Diese Feststellungen werden durch den elften Erwägungsgrund der Richtlinie gestützt, wonach unverhältnismäßig Abhilfen sind, die im Vergleich zu anderen unzumutbare Kosten verursachen, und bei der Beantwortung der Frage, ob es sich um unzumutbare Kosten handelt, entscheidend sein sollte, ob die Kosten der einen Abhilfe deutlich höher sind als die Kosten der anderen Abhilfe.
[…]
In diesem Zusammenhang ist im Hinblick auf die besonderen Situation, die das vorlegende Gericht prüft, in der die Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut als einzig mögliche Art der Abhilfe deswegen zu unverhältnismäßigen Kosten führen würde, weil das vertragswidrige Verbrauchsgut aus der Sache, in der es eingebaut wurde, ausgebaut und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut eingebaut werden muss, darauf hinzuweisen, dass Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie nicht ausschließt, dass der Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts, falls erforderlich, auf einen Betrag beschränkt wird, der dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit angemessen ist. Eine solche Beschränkung lässt das Recht des Verbrauchers, Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut zu verlangen, nämlich unberührt.
In diesem Rahmen ist zu unterstreichen, dass Art. 3 einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Verbrauchers und denen des Verkäufers herstellen soll, indem er dem Verbraucher als schwächerer Vertragspartei einen umfassenden und wirksamen Schutz dagegen gewährt, dass der Verkäufer seine vertraglichen Verpflichtungen schlecht erfüllt, und zugleich erlaubt, vom Verkäufer angeführte wirtschaftliche Überlegungen zu berücksichtigen.[…]
Schließlich ist dem Verbraucher im Fall einer Herabsetzung des Anspruchs auf Erstattung der genannten Kosten die Möglichkeit zu gewähren, statt einer Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut gemäß Art. 3 Abs. 5 letzter Gedankenstrich der Richtlinie eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder die Vertragsauflösung zu verlangen, da der Umstand, dass der Verbraucher die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des mangelhaften Verbrauchsguts nur erlangen kann, indem er einen Teil der Kosten selber trägt, für ihn eine erhebliche Unannehmlichkeit darstellt.
Fazit
Der EuGH hat damit die Rechte des Verbrauchers gestärkt und damit vorerst die Bodenfliesen-Fall vertretenden Rechtsauffassung für unzutreffend erklärt. Was sich in der Dachziegel-Entscheidung bereits angedeutet hat, nämlich dass der Verkäufer gehalten ist, im Rahmen der Nacherfüllung dafür zu sorgen, die mangelhafte Kaufsache wieder zurückzunehmen und auch für diese Kosten aufzukommen, wird vom EuGH umfassend, in Erweiterung auf Ausbau der mangelhaften und Einbau der mangelfreien Sache, bestätigt. Kurios daran ist, dass der BGH im Ansatz bereits 1983 diese Auffassung vertreten hat, als § 439 BGB noch lange nicht in Sicht war. Die Auslegung des Art. 3 VerbrGKRL ist insofern konsequent, als dass der Gedanke des Verbraucherschutzes deutlich in den Vordergrund gerückt wird: Der Verbraucher soll nicht an der Ausübung seiner Gewährleistungsrechte gehindert werden, nur weil er mit der Sache bestimmungsgemäß und im Vertrauen auf deren Mangelfreiheit verfahren hat und nunmehr deren Ausbau bzw. Neu-Einbau erforderlich geworden ist. Kritikwürdig daran erscheint hingegen, dass entscheidende dogmatischen Überlegungen des BGH über den Haufen geworfen werden. Aus den Überlegungen des EuGH ergibt sich, dass zwischen der Nacherfüllung und dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch keine Deckungsgleichheit („modifizierter Erfüllungsanspruch“) bestehen muss. Insbesondere wird zwischen der Herstellung des geschuldeten Zustands der Sache zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs („Nacherfüllung“) und dem Ersatz der im Zusammenhang mit der Mangelhaftigkeit der Sache entstandenen Schäden an sonstigen Rechtsgütern des Käufers nicht differenziert. Wie die Rücknahmepflicht im Dachziegel-Fall existiert folglich auch die Pflicht zum Aus- bzw. Neu-Einbau, ohne dass es auf ein Verschulden des Verkäufers oder auf vertragliche Abreden diesbezüglich ankäme. Damit ändert auch der erfolgreiche Entlastungsbeweis im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung nach § 280 I, 281 I BGB nichts an dem Umstand, dass der Verkäufer in jedem Fall die Kosten zu tragen hat. Dass der Verkäufer seit der Lieferung der Kaufsache in der Regel keinen Einfluss auf deren konkreten Art der Verwendung hat und der Zeitpunkt des Einbaus (z.B. bei Fliesen) und der Zeitpunkt der Entdeckung des Mangels ggf. vom Zufall abhängen, wird keine besondere Bedeutung zugemessen. Ihm verbleibt nur noch der Regress gegen den Lieferanten und die Einrede der Verjährung.
Für die Klausur merken:
1. Der Käufer kann im Fall der Bodenfliesen die Abholung der alten und die Lieferung der mangelfreien Fliesen verlangen. Dies umfasst auch den Aus- und Einbau. Die Nacherfüllung muss insgesamt „unentgeltlich“ im Sinne von Art. 3 VerbrGKRL erfolgen, d.h. dem Verbraucher dürfen keine zusätzlichen Kosten entstehen, um den vertragsgemäßen Zustand herbeizuführen. Anders gesagt: Der Verkäufer muss grundsätzlich alles (!) dafür tun, dem Käufer im Rahmen der Nacherfüllung zu einer „vertragsgemäßen Situation“ zu verhelfen, soweit ein Sachzusammenhang zum Mangel besteht.
2. Kommt der Verkäufer dieser Pflicht nicht nach, muss er die Ein- und Ausbaukosten dem Käufer ersetzen. Dies gilt selbst dann, wenn keine entsprechenden Abreden im Kaufvertrag getroffen wurden (effektiver Verbraucherschutz). Der Verbraucher darf nicht in der Ausübung seiner Verbraucherrechte beeinträchtigt werden.
3. Die Pflicht des Verkäufers zum Ausbau bzw. Einbau ist verschuldensunabhängig und besteht nach § 439 I BGB. Bei Verletzung dieser Pflicht kann der Käufer die entstandenen Kosten nach § 280 I, 281 I BGB (Schadensersatz statt der Leistung) verlangen. Anknüpfungspunkt für das Vetretenmüssen ist nicht der Sachmangel (wie beim Mangelfolgeschadens nach §§ 437 Nr.3, 280 I BGB), sondern die Nichterbringung des Ein- und Ausbaus im Rahmen der Nacherfüllung.
4. Der Verkäufer kann die einzige Art der Nacherfüllung nicht mit dem Hinweis darauf verweigern, sie sei unverhältnismäßig. Die Abwägung der Verhältnismäßigkeit ist nur anhand zwei möglicher Arten der Nacherfüllung zu treffen („relative Unverhältnismäßigkeit“). Gleichwohl kann die Höhe des zu ersetzenden Betrags beschränkt werden. Ist dies im Einzelfall zulässig, kann der Verbraucher immer noch den Kaufpreis mindern oder zurücktreten.
5. Der Erst-Einbau der mangelhaften Fliesen ist nicht zu ersetzen, da dem Käufer diese Kosten ohnehin entstanden wären.
In der Klausur ist Art. 3 VerbrGKRL (dann abgedruckt) auszulegen. Zusätzlich werden im Sachverhalt einige Hinweise auf die jeweilige Rechtsauffassung der Beteiligten verstreut sein, wobei fraglich ist, ob man ohne Kenntnis der Rechtsprechung auf die richtigen Argumentationswege gelangt. Auf die Folgen eines Rücktritts bzw. auf einen Schadensersatzes statt der Leistung wurde der Übersicht halber nicht eingegangen. Für eine ausführliche Darstellung, vgl. auch S.Lorenz NJW 2009, 1633 und online RUBRR „Fliesen-Fall“.