EuGH: Ausbau mangelhafter und Neu-Einbau mangelfreier Fliesen von Nacherfüllung erfasst
In einem aktuellen Urteil des EuGH (Az. C-65/09 und C-87/09) geht es um die Frage, ob im Rahmen der Nacherfüllung der Verkäufer (Unternehmer) dem Käufer (Verbraucher) sowohl den Ausbau der mangelhaften Sache, als auch den Einbau der neuen mangelfreien Sache schuldet. Die Rechtssache C-65/09 ist auf eine Vorlagefrage des BGH an den EuGH im Rahmen des bekannten Bodenfliesen-Falls (BGH VII ZR 70/08 – Beschluss vom 14.02.2009) zurückzuführen. In dem verbundenen Verfahren geht es um Ein- bzw. Ausbau einer mangelhaften Waschmaschine, auf die die unten stehenden Ausführungen übertragen werden können. Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Wendung der Streit mit der Entscheidung des EuGH genommen hat.
Hinweis: Zur Frage, an welchem Ort die Nacherfüllung stattfinden muss („Belegenheitsort der Sache“ oder Wohnsitz bzw. Niederlassung des Verkäufers) wird aus Gründen der Lesbarkeit hier nicht Stellung bezogen. Christoph hat sich bereits hier zur aktuellen Entwicklung in der Rechtsprechung ausführlich geäußert.
Ausgangslage
Bereits im Jahr 1983 hatte der BGH mit einer ähnlichen Konstellation zu tun. In der sog. Dachziegel-Entscheidung war die Frage zu klären, ob der Käufer verlangen kann, dass der Verkäufer die mangelhaften Dachziegeln nach wirksamen Rücktritt zurücknimmt, d.h. vom Dach des Käufers herunterholt. Da diese nur „lose“ verlegt waren, war die Rücknahme nicht mit Demontagekosten verbunden. Der BGH hatte – damals noch nach altem Recht – eine verschuldensunabhängige (!) Rücknahmeverpflichtung damit begründet, dass der Käufer nach erfolgtem Rücktritt ein schützenswertes Interesse daran habe, die mangelhafte Kaufsache „loszuwerden“. Zum Rücknahmerecht des Verkäufers korrespondiere eine entsprechende Rücknahmepflicht (krit. S. Lorenz NJW 2009 S.1634).
Diese Problemstellung wurde im Parkettstäbe-Fall (BGH NJW 2008, 2837) dahingehend erweitert, dass der Käufer im Zuge der Nacherfüllung nicht nur die Kosten des Einbaus der mangelhaften Parkettstäbe, sondern auch die Kosten für den Neu-Einbau der nachgelieferten Parkettstäbe ersetzt haben wollte. Der BGH hatte dies mit der Begründung abgelehnt, der Nachlieferungsanspruch könne nicht weiter gehen als der Erfüllungsanspruch. Die Kosten des Neu-Einbaus seien demnach über einen Schadensersatzanspruch neben der Nacherfüllung nach § 437 Nr. 3, 280 Abs.1 BGB zu ersetzen, nicht dagegen die Kosten des Ersteinbaus, die auch ohne Pflichtverletzung des Verkäufers (§ 249 I BGB) dem Käufer entstanden wären (z. d. Einzelheiten und Folgen eines Rücktritts s. S. Lorenz NJW 2009 S.1634).
Bei den mangelhaften Bodenfliesen ging es vornehmlich um die Kosten des Ausbaus der mangelhaften Fliesen. Auch hier enthalte die Nacherfüllung nicht denknotwendig eine Pflicht zum Ausbau der Kaufsache. Der BGH begründet das so: Dem Verkäufer geht es nicht in erster Linie darum, die Bodenfliesen „loszuwerden“, sondern um die Wiederherstellung der Integrität seiner sonstigen Rechtsgüter (Integritätsinteresse), die durch den Einbau der mangelhaften Fliesen beeinträchtigt worden sind. Dies sei aber nicht im Bereich der Nacherfüllung (Leistungsinteresse!) anzusiedeln, sondern im Sinne von § 249 I BGB ein ersetzbarer (Mangelfolge-) Schaden, der im Wege eines vom Vertretenmüssen des Verkäufers abhängigen Anspruchs nach §§ 437 Nr.3, 280 I BGB geltend gemacht werden müsse. Demnach fehle ein entsprechender Sachzusammenhang zur Nacherfüllung, die die Herstellung des Zustands der Kaufsache im Zeitpunkt der ursprünglichen Lieferung zum Gegenstand hat. Der Ersatz der Ausbaukosten ist hingegen auf die Schadloshaltung des Käufers im Hinblick auf seine sonstigen Rechtsgüter gerichtet, die von der Nacherfüllung gerade nicht umfasst sind. Mit anderen Worten: Der Ausbau ist nach dieser Auffassung schlichtweg nicht erforderlich, um eine mangelfreie Kaufsache zu erhalten.
Überdies bestand hier eine Rücknahmepflicht (wie im Dachziegel-Fall) nach Ansicht des BGH schon deswegen nicht, weil der Käufer die Fliesen bereits fest verbaut hatte und wegen der § 439 IV BGB i.V.m. § 346 II Nr.2, III Nr.3 BGB seiner Herausgabe- bzw. Wertersatzpflicht frei geworden war. Fragwürdig, wenn man bedenkt, dass das Entfallen der Wertersatzpflicht wegen Verbrauchs der Sache gerade den Käufer schützen soll.
Die Vorlage an den EuGH soll daher im Wesentlichen klären, wie weit die Nacherfüllung nach § 439 BGB reicht und wann der Verkäufer diese verweigern kann. Maßstab ist die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (VerbrGKRL), insbesondere Art. 3 VerbrGKRL bezüglich des Nacherfüllungsanspruchs des Käufers (Verbrauchers).
„Unentgeltlichkeit“ der Nacherfüllung
Unabhängig vom Inhalt des konkreten Schuldverhältnisses beschäftigt sich der EuGH mit der Frage, welcher Gedanke hinter dem Konstrukt der Nacherfüllung steht und macht dies am Merkmal der Unentgeltlichkeit nach Art. 3 der Richtlinie fest. Grenzen sind dort, wo die Erfüllung der Forderung des Verbrauchers unmöglich oder unverhältnismäßig ist. Denn
[w]ie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, geht demnach aus dem Wortlaut von Art. 3 der Richtlinie wie auch im Übrigen aus den einschlägigen Vorarbeiten der Richtlinie hervor, dass der Unionsgesetzgeber die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch den Verkäufer zu einem wesentlichen Bestandteil des durch die Richtlinie gewährleisteten Verbraucherschutzes machen wollte. Diese dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, sei es durch Nachbesserung, sei es durch Austausch des vertragswidrigen Verbrauchsguts, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen (vgl. Urteil vom 17. April 2008, Quelle, C 404/06, Slg. 2008, 2685, Randnrn. 33 und 34).
Wenn aber der Verbraucher im Fall der Ersatzlieferung für ein vertragswidriges Verbrauchsgut vom Verkäufer nicht verlangen könnte, dass er den Ausbau des Verbrauchsguts aus der Sache, in die es gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts in dieselbe Sache oder die entsprechenden Kosten übernimmt, würde diese Ersatzlieferung für ihn zu zusätzlichen finanziellen Lasten führen, die er nicht hätte tragen müssen, wenn der Verkäufer den Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Wenn dieser nämlich von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte, hätte der Verbraucher die Einbaukosten nur einmal getragen und hätte keine Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts tragen müssen.
Würde Art. 3 der Richtlinie dahin ausgelegt, dass er den Verkäufer nicht verpflichtet, den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts oder die entsprechenden Kosten zu übernehmen, hätte dies somit zur Folge, dass der Verbraucher, um die ihm durch den genannten Artikel verliehenen Rechte ausüben zu können, diese zusätzlichen Kosten tragen müsste, die sich aus der Lieferung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts durch den Verkäufer ergeben.
Im letzteren Fall würde dies nach Ansicht des Gerichts gegen Art. 3 Abs.2 und 3 der Richtlinie verstoßen.
Kein Verschulden des Verkäufers erforderlich
Der Nacherfüllungsanspruch nach § 439 I BGB ist verschuldensunabhängig. Fallen Ein- und Ausbau nicht in den Pflichtenkreis der Nacherfüllung, ist lediglich ein verschuldensabhängiger Anspruch nach dem Gewährleistungsrecht auf Ersatz der Kosten einschlägig. Der Verkäufer wird aber nicht selten den Gegenbeweis führen können, dass er den Mangel, der letztendlich zu den Kosten geführt hat, nicht zu vertreten hat. Der EuGH nimmt hingegen an, dass sich die Nacherfüllung auch auf den Ausbau der alten und den Einbau der neuen Fliesen erstreckt, sodass es auf ein Verschulden bezüglich des Mangels auch an dieser Stelle nicht ankommen kann.
In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass eine solche Auslegung auch nicht zu einem ungerechten Ergebnis führt. Selbst wenn nämlich die Vertragswidrigkeit des Verbrauchsguts nicht auf einem Verschulden des Verkäufers beruht, hat dieser doch aufgrund der Lieferung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts die Verpflichtung, die er im Kaufvertrag eingegangen ist, nicht ordnungsgemäß erfüllt und muss daher die Folgen der Schlechterfüllung tragen. Dagegen hat der Verbraucher seinerseits den Kaufpreis gezahlt und damit seine vertragliche Verpflichtung ordnungsgemäß erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil Quelle, Randnr. 41). Zudem kann der Umstand, dass der Verbraucher im Vertrauen auf die Vertragsmäßigkeit des gelieferten Verbrauchsguts das mangelhafte Verbrauchsgut vor Auftreten des Mangels gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut hat, kein Verschulden darstellen, das dem betreffenden Verbraucher zur Last gelegt werden könnte.
In einem Fall, in dem keine der beiden Vertragsparteien schuldhaft gehandelt hat, ist es demnach gerechtfertigt, dem Verkäufer die Kosten für den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts aufzuerlegen, da diese Zusatzkosten zum einen vermieden worden wären, wenn der Verkäufer von vornherein seine vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hätte, und zum anderen nunmehr notwendig sind, um den vertragsgemäßen Zustand des Verbrauchsguts herzustellen.
Im Übrigen würden die Interessen des Verkäufers aufgrund einer angemessenen Verjährungsfrist von 2 Jahren (vgl. § 438 Abs.1 Nr. 3 BGB) und durch die Möglichkeit des Unternehmers, Regress gegen den Lieferanten zu nehmen (vgl. § 478 BGB), ausreichend geschützt.
In der Klausur wären die Ein- und Ausbaukosten nach § 280 I, 281 I BGB als Schadensersatz statt der Leistung zu ersetzen, wobei das Vertretenmüssen sich allein auf die Nichterbringung der geschuldeten Leistung (Ein- und Ausbau) im Rahmen der Nacherfüllung beziehen muss.
Pflicht zum Aus- und Einbau aus den Vorschriften über den Verbraucherschutz und Art. 3 der Richtlinie
Es lässt sich argumentieren, der Nacherfüllungsanspruch könne nur solche Leistungspflichten begründen, die auch ursprünglich Gegenstand des Vertrages gewesen waren (so der BGH im Fall der Bodenfliesen). Der Ausbau der mangelhaften, bzw. der Einbau der mangelfreien Ersatzsache sei bei Fehlen ausdrücklicher Abreden gerade nicht geschuldet. Der EuGH sieht das anders, indem er den Verbraucherschutz und die Art. 3 der Richtlinie als Auslegungshilfe heranzieht und hieraus Pflichten des Verkäufers ableitet.
Diese Auslegung von Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie ist unabhängig davon, ob der Verkäufer nach dem Kaufvertrag zum Einbau des gelieferten Verbrauchsguts verpflichtet war. Zwar wird nämlich nach Art. 2 der Richtlinie durch den Kaufvertrag der vertragsgemäße Zustand des Verbrauchsguts festgelegt und damit insbesondere bestimmt, was eine Vertragswidrigkeit darstellt, doch ergeben sich im Fall einer solchen Vertragswidrigkeit die Verpflichtungen des Verkäufers, die aus der Schlechterfüllung des Vertrags folgen, nicht nur aus diesem, sondern vor allem aus den Vorschriften über den Verbraucherschutz und insbesondere aus Art. 3 der Richtlinie, die Verpflichtungen auferlegen, deren Umfang unabhängig von den Bestimmungen des genannten Vertrags ist und die gegebenenfalls über die dort vorgesehenen Verpflichtungen hinausgehen können.
Die den Verbrauchern damit in Art. 3 der Richtlinie verliehenen Rechte, die nicht bezwecken, die Verbraucher in eine Lage zu versetzen, die vorteilhafter ist als diejenige, auf die sie nach dem Kaufvertrag Anspruch erheben könnten, sondern lediglich die Situation herstellen sollen, die vorgelegen hätte, wenn der Verkäufer von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte, sind nach Art. 7 der Richtlinie für den Verkäufer unabdingbar. Zudem ergibt sich aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie, dass die Richtlinie einen Mindestschutz vorsieht und dass die Mitgliedstaaten zwar strengere Bestimmungen erlassen können, aber nicht die vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Garantien beeinträchtigen dürfen (vgl. Urteil Quelle, Randnr. 36).
Nimmt der Verkäufer den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Gutes nicht selbst vor, ist es Sache des nationalen Gerichts, die für den Ausbau und den Einbau notwendigen Kosten zu ermitteln, deren Erstattung der Verbraucher verlangen kann.
Nach alldem ist Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie dahin auszulegen, dass, wenn der vertragsgemäße Zustand eines vertragswidrigen Verbrauchsguts, das vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts notwendig sind. Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob er sich im Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte Verbrauchsgut einzubauen.
Einzige Art der Nacherfüllung kann nicht abgelehnt werden, aber Beschränkung der Kostentragungspflicht möglich
Zweifel bestanden beim BGH auch darüber, wann die Nacherfüllung durch den Verkäufer wegen Unverhältnismäßigkeit verweigert werden kann.
Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie gilt eine Abhilfe als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die angesichts des Wertes, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte, unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit und nach Erwägung der Frage, ob auf die alternative Abhilfemöglichkeit ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zurückgegriffen werden könnte, verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären.
Daher ist festzustellen, dass zwar Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie an sich so offen gefasst ist, dass er auch Fälle der absoluten Unverhältnismäßigkeit erfassen kann, dass aber Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 den Begriff „unverhältnismäßig“ ausschließlich in Beziehung zur anderen Abhilfemöglichkeit definiert und damit auf Fälle der relativen Unverhältnismäßigkeit eingrenzt. Im Übrigen geht aus dem Wortlaut und der Systematik von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie eindeutig hervor, dass sich dieser auf die beiden Arten der in erster Linie vorgesehenen Abhilfe bezieht, d. h. die Nachbesserung des vertragswidrigen Verbrauchsguts und die Ersatzlieferung.
Diese Feststellungen werden durch den elften Erwägungsgrund der Richtlinie gestützt, wonach unverhältnismäßig Abhilfen sind, die im Vergleich zu anderen unzumutbare Kosten verursachen, und bei der Beantwortung der Frage, ob es sich um unzumutbare Kosten handelt, entscheidend sein sollte, ob die Kosten der einen Abhilfe deutlich höher sind als die Kosten der anderen Abhilfe.
[…]
In diesem Zusammenhang ist im Hinblick auf die besonderen Situation, die das vorlegende Gericht prüft, in der die Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut als einzig mögliche Art der Abhilfe deswegen zu unverhältnismäßigen Kosten führen würde, weil das vertragswidrige Verbrauchsgut aus der Sache, in der es eingebaut wurde, ausgebaut und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut eingebaut werden muss, darauf hinzuweisen, dass Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie nicht ausschließt, dass der Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts, falls erforderlich, auf einen Betrag beschränkt wird, der dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit angemessen ist. Eine solche Beschränkung lässt das Recht des Verbrauchers, Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut zu verlangen, nämlich unberührt.
In diesem Rahmen ist zu unterstreichen, dass Art. 3 einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Verbrauchers und denen des Verkäufers herstellen soll, indem er dem Verbraucher als schwächerer Vertragspartei einen umfassenden und wirksamen Schutz dagegen gewährt, dass der Verkäufer seine vertraglichen Verpflichtungen schlecht erfüllt, und zugleich erlaubt, vom Verkäufer angeführte wirtschaftliche Überlegungen zu berücksichtigen.[…]
Schließlich ist dem Verbraucher im Fall einer Herabsetzung des Anspruchs auf Erstattung der genannten Kosten die Möglichkeit zu gewähren, statt einer Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut gemäß Art. 3 Abs. 5 letzter Gedankenstrich der Richtlinie eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder die Vertragsauflösung zu verlangen, da der Umstand, dass der Verbraucher die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des mangelhaften Verbrauchsguts nur erlangen kann, indem er einen Teil der Kosten selber trägt, für ihn eine erhebliche Unannehmlichkeit darstellt.
Fazit
Der EuGH hat damit die Rechte des Verbrauchers gestärkt und damit vorerst die Bodenfliesen-Fall vertretenden Rechtsauffassung für unzutreffend erklärt. Was sich in der Dachziegel-Entscheidung bereits angedeutet hat, nämlich dass der Verkäufer gehalten ist, im Rahmen der Nacherfüllung dafür zu sorgen, die mangelhafte Kaufsache wieder zurückzunehmen und auch für diese Kosten aufzukommen, wird vom EuGH umfassend, in Erweiterung auf Ausbau der mangelhaften und Einbau der mangelfreien Sache, bestätigt. Kurios daran ist, dass der BGH im Ansatz bereits 1983 diese Auffassung vertreten hat, als § 439 BGB noch lange nicht in Sicht war. Die Auslegung des Art. 3 VerbrGKRL ist insofern konsequent, als dass der Gedanke des Verbraucherschutzes deutlich in den Vordergrund gerückt wird: Der Verbraucher soll nicht an der Ausübung seiner Gewährleistungsrechte gehindert werden, nur weil er mit der Sache bestimmungsgemäß und im Vertrauen auf deren Mangelfreiheit verfahren hat und nunmehr deren Ausbau bzw. Neu-Einbau erforderlich geworden ist. Kritikwürdig daran erscheint hingegen, dass entscheidende dogmatischen Überlegungen des BGH über den Haufen geworfen werden. Aus den Überlegungen des EuGH ergibt sich, dass zwischen der Nacherfüllung und dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch keine Deckungsgleichheit („modifizierter Erfüllungsanspruch“) bestehen muss. Insbesondere wird zwischen der Herstellung des geschuldeten Zustands der Sache zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs („Nacherfüllung“) und dem Ersatz der im Zusammenhang mit der Mangelhaftigkeit der Sache entstandenen Schäden an sonstigen Rechtsgütern des Käufers nicht differenziert. Wie die Rücknahmepflicht im Dachziegel-Fall existiert folglich auch die Pflicht zum Aus- bzw. Neu-Einbau, ohne dass es auf ein Verschulden des Verkäufers oder auf vertragliche Abreden diesbezüglich ankäme. Damit ändert auch der erfolgreiche Entlastungsbeweis im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung nach § 280 I, 281 I BGB nichts an dem Umstand, dass der Verkäufer in jedem Fall die Kosten zu tragen hat. Dass der Verkäufer seit der Lieferung der Kaufsache in der Regel keinen Einfluss auf deren konkreten Art der Verwendung hat und der Zeitpunkt des Einbaus (z.B. bei Fliesen) und der Zeitpunkt der Entdeckung des Mangels ggf. vom Zufall abhängen, wird keine besondere Bedeutung zugemessen. Ihm verbleibt nur noch der Regress gegen den Lieferanten und die Einrede der Verjährung.
Für die Klausur merken:
1. Der Käufer kann im Fall der Bodenfliesen die Abholung der alten und die Lieferung der mangelfreien Fliesen verlangen. Dies umfasst auch den Aus- und Einbau. Die Nacherfüllung muss insgesamt „unentgeltlich“ im Sinne von Art. 3 VerbrGKRL erfolgen, d.h. dem Verbraucher dürfen keine zusätzlichen Kosten entstehen, um den vertragsgemäßen Zustand herbeizuführen. Anders gesagt: Der Verkäufer muss grundsätzlich alles (!) dafür tun, dem Käufer im Rahmen der Nacherfüllung zu einer „vertragsgemäßen Situation“ zu verhelfen, soweit ein Sachzusammenhang zum Mangel besteht.
2. Kommt der Verkäufer dieser Pflicht nicht nach, muss er die Ein- und Ausbaukosten dem Käufer ersetzen. Dies gilt selbst dann, wenn keine entsprechenden Abreden im Kaufvertrag getroffen wurden (effektiver Verbraucherschutz). Der Verbraucher darf nicht in der Ausübung seiner Verbraucherrechte beeinträchtigt werden.
3. Die Pflicht des Verkäufers zum Ausbau bzw. Einbau ist verschuldensunabhängig und besteht nach § 439 I BGB. Bei Verletzung dieser Pflicht kann der Käufer die entstandenen Kosten nach § 280 I, 281 I BGB (Schadensersatz statt der Leistung) verlangen. Anknüpfungspunkt für das Vetretenmüssen ist nicht der Sachmangel (wie beim Mangelfolgeschadens nach §§ 437 Nr.3, 280 I BGB), sondern die Nichterbringung des Ein- und Ausbaus im Rahmen der Nacherfüllung.
4. Der Verkäufer kann die einzige Art der Nacherfüllung nicht mit dem Hinweis darauf verweigern, sie sei unverhältnismäßig. Die Abwägung der Verhältnismäßigkeit ist nur anhand zwei möglicher Arten der Nacherfüllung zu treffen („relative Unverhältnismäßigkeit“). Gleichwohl kann die Höhe des zu ersetzenden Betrags beschränkt werden. Ist dies im Einzelfall zulässig, kann der Verbraucher immer noch den Kaufpreis mindern oder zurücktreten.
5. Der Erst-Einbau der mangelhaften Fliesen ist nicht zu ersetzen, da dem Käufer diese Kosten ohnehin entstanden wären.
In der Klausur ist Art. 3 VerbrGKRL (dann abgedruckt) auszulegen. Zusätzlich werden im Sachverhalt einige Hinweise auf die jeweilige Rechtsauffassung der Beteiligten verstreut sein, wobei fraglich ist, ob man ohne Kenntnis der Rechtsprechung auf die richtigen Argumentationswege gelangt. Auf die Folgen eines Rücktritts bzw. auf einen Schadensersatzes statt der Leistung wurde der Übersicht halber nicht eingegangen. Für eine ausführliche Darstellung, vgl. auch S.Lorenz NJW 2009, 1633 und online RUBRR „Fliesen-Fall“.
Muss es im 4. Abschnitt nicht „Dem Käufer geht es in erster Linie nicht darum…“ heißen!?
Hi Nicholas, vielen Dank erstmal für deinen klasse Beitrag.
Meiner Ansicht nach kann der Verbraucher/Käufer – unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils – die Kosten für den Ausbau der Sache und für den erneuten Einbau aber nur als Schadensersatz STATT (!) der Leistung geltend machen
(§§ 280 I, III, 281 I i.V.m. § 439 I – Wobei § 439 I gerade richtlinienkonform und weit auszulegen ist)
Nein. Der Clou ist doch, dass Ein- und Ausbau gerade mit in den Pflichtenkreis der Nacherfüllung fallen. Neben der Lieferung einer mangelfreien Sache muss der Verkäufer auch für Ein- und Ausbau sorgen. Tut er das nicht und nimmt der Käufer die Maßnahmen selbst vor, kann er Schadensersatz neben der Nacherfüllung aus § 280 I BGB verlangen. Wie sonst soll er seinem Ersatzanspruch Geltung verleihen, wenn er im übrigen noch ein Interesse an den (mangelfreien) Fliesen hat?
Anders bei Rücktritt des Käufers. In dem Fall wäre wohl ein SE statt der Leistung denkbar
Sehe ich nicht so.
SE statt der Leistung gibt es dann, wenn der Schaden bei einer hypothetisch gedachten Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt vor Fristablauf nicht entstanden wäre.
Das ist hier der Fall: Hätte er gleich eingebaut: Keine Kosten, also kein Schaden.
Die (mangelfreien) Fliesen kriegt ja trotzdem, es sei denn er verlangt SE statt der GANZEN Leistung und gibt sie zurück.
Schliesse mich David und Marcel an. Hierbei handelt es sich um einen SE statt der Leistung.
Und zum Ersteinbau: Hier liegt kein Schaden vor, sondern Aufwendungen, die unter § 284 BGB fallen, jedoch oftmals mangels Verschuldens nicht zu ersetzen sind.
Nach erneuter Revision des Beitrags hat sich tatsächlich ein Fehler eingeschlichen. Es muss ein SEA statt der Leistung sein.
Die betreffenden Punkte wurden berichtigt. Gute Ergänzungen.
Und was ist mit dem Aufwendungsersatz, für den Ersteinbau, den du im Fazit unter 5.) ansprichst?
@ Kant
Der EuGH hat zu den erstmaligen Einbaukosten der Bodenfliesen keine Stellung genommen. Demnach kann hierzu auf die bisherigen Grundsätze des Parkettstäbefalls verweisen werden (vgl. BGH VIII ZR 211/07, Rn. 32, 33)
Bei den erstmaligen Einbaukosten handelt es sich nicht um Schäden, sondern freiwillige Vermögensopfer (Aufwendungen).
Gem. § 284 müssen für einen Aufwendungsersatzanspruch aber gerade auch die Voraussetzungen eines Schadensersatzes statt der Leistung gegeben sein.
Die erstmaligen Einbaukosten sind bloße „Sowieso-Kosten“, welche dem Käufer auch bei einer gehörigen Erfüllung und Nacherfüllung durch den Verkäufer entstanden wären.
Der Verkäufer schuldete ursprünglich ja nur die Lieferung der Fleisen und nicht auch deren Einbau beim Käufer – Den Einbau hat der Käufer gerade selbst vorgenommen/vornehmen lassen – somit ist das Äquivalenzinteresse nicht betroffen
@ Marcel: Der Verkäufer hat aber gem. § 433 BGB die Pflicht die Sache frei von Mängeln dem Käufer zu verschaffen. Diese Pflicht hat er verletzt, so dass grds. ein SE statt d. Leistung einschlägig wäre. Vorliegend mangelt es jedoch am Schaden. § 284 BGB spricht ja gerade vom „Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte“. Nach deiner Argumentation würde § 284 BGB ja nie einschlägig sein, da Aufwendungen, die man im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung macht immer sog. „sowieso – Kosten“ seien. Das kann nicht sein.
Da es hier jedoch am Vertretenmüssen mangelt ist § 284 jedoch nicht verwirklicht.
Ok, ich geb dir Recht, dass die Argumentation nicht ganz passt. Aber ich werd dann selber nicht mehr schlau daraus, warum die Erstverlegungskosten nicht ersatzfähig sind
Der Anspruch aus § 284 wegen der Erstverlegung wird ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen eine Schadensersatzanspruchs statt der Leistung nicht vorliegen.
Und der scheidet aus, weil der Verkäufer die Mangelhaftigkeit der Fliesen nicht zu vertreten hat, richtig?
Also ich habe auch nochmals meine Examensunterlagen durchgesehen (Hemmer) und da steht drin, dass der Verkäufer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, weil er nicht dazu verpfichtet werden kann jede einzelne Fliese auf ihre Brauchbarkeit zu prüfen.
Was auch Sinn macht, finde ich. Trotzdem ist § 284 BGB grds. auf den vorliegenden Fall anwendbar, jedoch tatbestandlich nicht erfüllt. Ich habe mir auch nochmal die BGH – Entscheidung dazu durchgelesen und er schreibt, dass § 284 BGB „aus den o.g. Gründen nicht verwirklicht ist“ In den o.g. Gründen werden jedoch das Vertretenmüssen und die fehlenden Voraussetzungen des SE statt der Leistung behandelt. Auf was sich der BGH nun bezieht ist fraglich. M.E. jedoch lediglich auf das Vertretenmüssen, da sonst der Anwendungsbereich des § 284 BGB vollkommen leer laufen würde.
.. wird dürfen gespannt sein ..
zu § 284 und dem Ersteinbau:
Die Aufwendungen wären für den Käufer immer noch frustriert, auch wenn dieser ordnungsemäß nacherfüllt hätte, also hätten sie ihren Zweck nie erreicht –> als § 284 (-).
Wir setzten hier ja nicht an der ursprünglichen mangelhaften Lieferung an (da geht nur § 280 I und da kann er sich entlasten), sondern an der Nichtvornahme der NE als Pflichtverletzung.
Und selbst wenn der Verkäufer ein- und ausbaut bleiben die Kosten für den Ersteinbau frustriert.
Ähh, ich hab Blödsinn erzählt:
Selbst wenn man auf die Nichtvornahme der NE abstellt, handelt es sich nicht um einen SE statt der Leistung, da die Kosten auch nicht durch eine NE vermieden worden wären. Also auch hier § 280 I
–> § 284 kann gar nicht funktioneren, da bei den Kosten des Ersteinbaus nie das Äquivalenzinteresse betroffen ist.
Stimmt, David hat mich überzeugt. Zwar kann man für den Schadensersatz statt der Leistung durchaus an die ursprüngliche Leistung anknüpfen, die ja mangelhaft war. Jedoch wäre der Schaden bzw. bei § 284 BGB die Aufwendungen bei einer ordnungsgemäßen Leistung im Zeitraum einer hypothetisch gesetzten Nachfrist nicht entfallen, da die Fliesen bereits verbaut waren. Somit liegt ein Schadensersatz neben der Leistung vor. Etwas anderes wäre es gewesen, wenn er bereits die notwendigen Materialien zum Einbau besorgt hätte und vor dem Einbau wäre der Fehler aufgefallen und eine Nacherfüllung wäre nicht möglich gewesen. Dies würde unter § 284 BGB fallen.
²David und Kant
Wenn ich das dann richtig verstehe: Kein § 284, sondern § 280 I 1, der aber nicht durchgreift, weil gar kein Schaden vorliegt? Denn der Ersteinbau wäre ohnehin durchgeführt worden.
Gleichwohl kann aber § 284 eingreifen. Und zwar, wenn man ihn für den Schadensersatz statt der Leistung bzgl der nichterfolgten Nacherfüllung nehmen anwenden würde (dh anstelle der Ausbau- und Neueinbaukosten, was wirtschaftlich nicht gerade schlau wäre). Oder täusche ich mich?
ich würde es in frage stellen wollen, ob anspruchsgrundlage für die kosten wirklich §§280 I, III, 281 ist.
der eugh verlangt einen verschuldensunabhängigen anspruch. den §281 dafür heranzuziehen, um dann im rahmen des verschuldens festzustellen, dass ein verschulden nicht erforderlich ist, wäre wohl systemfremd.
der anspruch könnte also nur aus richterlicher rechtsfortbildung oder eventuell §812 (nichtleistungskondiktion: befreiung von der ein-/ausbauschuld) erwachsen, wobei letzter vorschlag von mir mal so in den raum gestellt wird 😉
kritik erwünscht
Sehe ich das bei all den konstruktiven Ausführungen richtig, dass der EuGH zwar entschieden hat, damit für das nationale Recht aber immer noch nicht vorgegeben ist, wie man jetzt derartige Sachverhalte löst? Also ob man § 280 I oder § 281 BGB heranzieht. Man muss also die Entscheidung des BGH abwarten und erst dann könnte aus dem Fall ein Examensklassiker werden (weil bis dahin ja offensichtlich eine Menge Konfliktpotential herrscht)?
Möchte gerne nochmal was zum Fazit Punkt 3 loswerden: Du schreibst, dass Anknüpfungspunkt nicht der Sachmangel sei, wie beim Mangelfolgeschaden, sondern § 280 Abs. 1,3, § 281 BGB sei; der Umweg über § 437 Nr. 3 BGB ist mithin also entbehrlich.
Das sehe ich nicht so. Auch, wenn es natürlich nur ein Detail ist, so ist Anküpfungspunkt immer noch der Sachmangel, der Auslöser für den nicht erfolgten Ein- bzw. / und Ausbau ist. Wäre dieser vorgenommen worden, bedürfte es eine Schadensersatzes statt der Leistung überhaupt nicht.
Weiterhin schreibst du ja selbst bzw. zitierst den EuGH, dass dieses für den Verkäufer harte Ergebnis durch die Verjährung des § 438 BGB abgemildert werden würde. Die 2 – jährige Verjährungsfrist des § 438 BGB greift jedoch nur ein, wenn man den Umweg über § 437 Nr. 3 also mithin den Sachmangel geht. Ansonsten würden §§ 194, 195, 199 BGB gelten.
@ Frank1 und Elmar: Der EuGH sagt, dass die Ein- und Ausbaukosten gem. § 439 Abs. 1 BGB vom Verkäufer verschuldensunabhängig zu tragen sind. Weigert sich jedoch der Verkäufer diese Kosten zu tragen, weil er einer anderen Rechtsauffassung ist, so kann der Käufer diese Kosten gem. §§ 280 Abs. 1 + 3, 281 vom Verkäufer ersetzt verlangen. Einer Fristsetzung bedarf es angesichts der Verweigerungshaltung des Verkäufers nicht mehr.
Es ist somit festzuhalten, dass lediglich das Verlangen gem. § 439 Abs. 1 verschuldensunabhängig ist, dies gilt jedoch nicht für den Anspruch aus Leistungsstörung. Im Klausuraufbau ändert sich somit nicht viel, man muss lediglich weniger schreiben, weil man direkt dazu übergehen kann zu sagen, dass die Ein- und Ausbaukosten gem. § 439 Abs. 1 erfasst werden und somit bei deren Nichtvornahme ein Schadensersatz statt der Leistung vorliegt.
Und zu der Idee mit § 812 BGB. § 812 BGB kann hier angesichts der Sperrwirkung der §§ 434 ff. BGB nicht greifen. So gilt hier eine besondere Verjährung sowie das Verschuldensprinzip, so dass diese insoweit lex specialis zu § 812 darstellen.
das ist nicht ganz richtig formuliert, kant.
Problematisch wird es erst dann, wenn der Käufer infolge der Weigerung Dritte mit dem Ausbau beschäftigt. Du schreibst:
„Der EuGH sagt, dass die Ein- und Ausbaukosten gem. § 439 Abs. 1 BGB vom Verkäufer verschuldensunabhängig zu tragen sind“.
Der EuGH hat entschieden, dass der Ein- und Ausbau (nicht: die Kosten hierzu) von der Nacherfüllung §439 Abs. 1 erfasst ist. Dass der Verkäufer hierfür die Kosten zu tragen hat, ergibt sich dann als zwingende Rechtsfolge aus §439 Abs. 2. Insofern ist es also nichts neues, dass der Verkäufer die Kosten für eine Nacherfüllung zu tragen hat.
Außerdem: wie kann denn ein Verlangen „verschuldensunabhängig“ sein? Kann man schuldhaft etwas verlangen?
Deswegen ist ein SE-Anspruch eben nicht so leicht abgebügelt, wie du schreibst. Der EuGH verlangt hier eine verschuldensunabhängige Haftung, wie es der Artikel auch wiedergegeben hat. So einen Schadensersatzanspruch kennt das deutsche Recht nicht. Bei uns setzt der Anspruch immer ein Verschulden voraus. Es ist also abzuwarten, wie der BGH hierauf reagiert; ob er also tatsächlich den Anspruch aus §281 einfach mal um das Verschulden streicht.
Einen solchen Anspruch auf Ersatz der Kosten sieht nicht mal die Richtlinie selbst vor; diese verlangt nur eine unentgeltliche Wiederherstellung durch den Verkäufer, nicht, dass der Verkäufer auch die Kosten zu ersetzen hat, die dem Käufer infolge der Weigerung entstanden sind. Insofern wurde also eine erhebliche richterliche Rechtsfortbildung vorgenommen.
Für mich bleibt damit weiterhin interessant, wie der BGH diese dogmatischen Hindernisse überwindet.
So, das wars von meiner Seite zu dieser Diskussion 😉
@ frank 1: Du hast mich glaube ich falsch verstanden. Du musst differenzieren zwischen dem eigentlichen Nacherfüllungsanspruch (der verschuldensunabhängig ist) und dem Anspruch aus SE statt d. Leistung (der gem. § 280 Abs. 1 BGB verschuldensabhängig ist). Verlangt nun der Käufer Nacherfüllung, so hat der Käufer diese Kosten zu tragen, wie es § 439 Abs. 2 BGB sagt und worauf du auch richtigerweise hingewiesen hast. Nach der Richtline fallen unter die Nacherfüllung eben auch der Ein- sowie Ausbau.
Kommt der Verkäufer dieser Pflicht eben nicht nach, so kann der Verkäufer SE statt der Leistung verlangen; SE statt der Leistung aus dem Grund, da die Pflichtverletzung (Nichtvornahme der geschuldeten Leistung) entfallen wäre, hätte der Verkäufer im letzten Moment einer gedachten Frist noch geleistet.
Vom Streichen des Verschuldens ist somit überhaupt nicht die Rede.
Ich schreib ab Montag Examen und ich weiß echt nicht wie ich das schreiben sollte wenn es dran kommt. Meint ihr man sollte die Meinungen BGH (modifizierter Erfüllungsanspruch etc.) und EUGH beide darstellen und dann mit dem EUGH entscheiden oder BGH weglassen?
Ich denke man sollte beide Meinungen aufführen. Das würde zumindest schon mal zeigen, dass man das Problem kennt…
vom Streichen des Verschuldens ist jawohl die Rede.
im Fazit des Aufsatzes heißt es:
„Damit ändert auch der erfolgreiche Entlastungsbeweis im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung nach § 280 I, 281 I BGB nichts an dem Umstand, dass der Verkäufer in jedem Fall die Kosten zu tragen hat.“
Ich würde beides aufführen; zumal der BGH in beiden Entscheidungen auf die Richtlinie eingeht. Nur hat der EuGH jetzt anders entschieden. Hängt auch davon ab, ob die Richtlinie in der Aufgabenstellung mit abgedruckt wird.
@Kant: Danke !
Ja wenns dran kommt dachte der Klausurersteller bestimmt, dass der EuGH so entscheidet wie es der Generalanwalt vorgetragen hatte… Da dies jetzt bekannterweise nicht der Fall war entsteht diese blöde Situation im Falle einer Examensklausur…
Ich werde es dann als Meinungstreit hinschreiben und dann dem EuGH folgen.
Ich schreibe auch ab morgen. Glück auf!
P.S: Bin immer noch der Meinung in Abschnitt 5 (wenn man den Hinweis mitzählt) muss es heissen, „dem Käufer geht es nicht in erster Linie darum…“
Das „Verschulden“ und „Verschuldensunabhängiger Anspruch“ betrifft meiner Ansicht nach nur die Frage, ob der Verkäufer den eigentlichen Mangel an der Kaufsache verschuldet haben muss, oder nicht. Aber eine schuldhafte Pflichtverletzung müsste vom Verkäufer in jedem Fall vorliegen.
1. Meinung (T.d. Lit und wohl auch BGH):
Der Verkäufer hat im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs nach § 439 I nur eine vollständige Wiederholung der ursprünglich geschuldeten Leistung zu erbringen – Dazu zählten die Lieferung mangelfreier Fliesen – nicht mehr und nicht weniger.
Wenn der Käufer Kosten geltend macht, welche von dem Nacherfüllungsanspruch aus § 439 I nicht gedeckt sind, so ist dies nur im Wege des Schadensersatzes neben der Leistung möglich (hier §§ 437 Nr. 3, 280 I).
Die geltend gemachten Kosten für Ausbau und Neueinbau beträfen nach dieser Ansicht das Integritätsinteresse des Käufers und nicht sein Äquivalenzinteresse. Deshalb müsste der Verkäufer eine Pflicht verletzt haben und diese auch zu vertreten haben
Die Pflichtverletzung kann nach dieser ansicht aber nur darin liegen, dass der Verkäufer eine mangelhafte Sache geliefert hat – Denn Ausbau und Neueinbau wären vom Verkäufer ja von vornherein nicht geschuldet gewesen
Diesen Mangel müsste der Verkäufer auch zu vertreten haben, vgl. § 280 I 2 .
Wenn die Mängel der Kaufsache allerdings auf den Herstellungsprozess zurückzuführen sind, kann sich der Verkäufer möglicherweise exkulpieren und der Käufer bleibe unter Umständen auf diesen Kosten sitzen
2. Meinung (T.d. Lit, Nun EuGH)
Nach der EuGH-Ansicht und Teilden der Literatur beinhaltet der Nacherfüllungsanspruch aus § 439 I (zumindest bei Verbraucherkonstellationen) auch die Pflicht, die ersatzweise gelieferte Sache dort beim Käufer einzubauen, wo sie sich bestimmungsgemäß befindet. Auch muss der Verkäufer die mangelhafte Sache vorher ausbauen.
Kosten für Ausbau und Neieinbau betreffen nach dieser Ansicht das Äquivalenzinteresse des Käufers. Handelt der Verkäufer auf Verlangen des Käufers nicht, kann der Käufer die Kosten im Rahmen eines SchE-Anspruchs statt der Leistung – §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 – geltend machen.
Selbstverständlich muss der Verkäufer hierfür aeine Pflicht verletzt und dies auch zu vertreten haben.
Denkbare Pflichtverletzungen wären einerseits die Lieferung einer mangelhaften Kaufsache und weiterhin die Nicht- oder nicht vollständige Vornahme der geschuldeten Nacherfüllung (Lieferung mangelfreier Kaufsache, Ausbau und auch Neueinbau).
Hinsichtlich des Sachmangels kann sich der Verkäufer möglicherweise exkulpieren – aber nicht hinsichtlich des nicht vorgenommen Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und Neueinbaus der Ersatzsache.
Das „Verschuldensunabhängig“ bezieht sich somit nur darauf, dass der Verkäufer den Mangel an der Kaufsache nicht unbedingt zu vertreten braucht – Er schuldet jedoch trotzdem den Ausbau und Neueinbau. In jedem Fall ist jedoch ein Vertretenmüssen erforderlich.
Meines Wissens nach hat das OLG Karlsruhe schon um 2004 herum mal entschieden, der Verkäufer schulde im Fall der Nacherfüllung aufgrund der Richtlinie denjenigen Zustand, in dem sich die Sache befände, wäre sie mangelfrei gewesen („zukunftsbezogen“), wurde dafür vom BGH aber recht deutlich abgewatscht.
Die EuGH-Entscheidung wird übrigens in der aktuellen JuS 2011, 744ff. von Faust besprochen, der auch einigermaßen überrascht ist….
Hat jemand schon mal erwogen, dass eine RL-konforme auslegung von 439 II gar nicht möglich ist, weil 439 II das einfach nicht hergibt was der EUGH zur verbrgkRL sagt?
I.E. könnte das heißen, der verbraucher kann nach dt. Recht gar nichts verlangen und er kann sich auch nicht direkt auf eine RL berufen, da diese nur inter partes die unterzeichnerstaaten (mitgliedsstaaten) verpflichtet, aber keine wirkung in horizontaler ebene zwischen verbr und unternehmer entfaltet.
Verbleibt damit ein SEA gegen die BRD aus amtshaftung wegen verletzung ihrer umsetzumgspflicht?
Noch ne Anschlussfrage:
Wenn der Käufer die Sache jetzt selbst ausbaut und in den Baumarkt (oder wo auch immer) zurückbringt, hätte man doch dann streng genommen ne Selbstvornahme und der Käufer ginge nach ständiger Rechtsprechung lehr aus?
Kann das mit der EuGH Entscheidung vereinbar sein? oder hab ich nen Denkfehler drin?
muss natürlich „leer aus“ heißen (-;
Moisen zusammen,
erst einmal vielen Dank für die Besprechung.
Nach Lektüre der Entscheidung stört mich aber noch das folgende (zur Frage des Umfangs der Rechte aus Art. 3 Abs. 2 und 3 Richtlinie 1999/44/EG):
Ich glaube nicht, dass der EuGH sich angemaßt hat, nationales Recht europarechtskonform auszulegen um damit den Anspruchsumfang des § 439 Abs. 1 BGB zu bestimmen.
Er hat sich doch allein zu den Anordnungen der Richtlinie geäußert und festgestellt, dass, wenn der vertragsgemäße Zustand eines vertragswidrigen Verbrauchsguts, das vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts notwendig sind.
Da die Richtlinie keine unmittelbare Wirkung hat und damit der Umsetzung durch nationales Recht bedarf, heißt das doch, dass die Verpflichtung des Verkäufers im konkreten Fall sich allein nach diesem Richten kann. Wenn der Gesetzgeber aber mit der Regelung des § 439 Abs. 2 BGB deutlich gemacht hat, dass er dem Erfordernis der „unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands“ (Art. 3 Abs. 2 Rili) allein durch Kostenerstattung (§ 439 II BGB) Rechnung tragen wollte. Damit hat er sich für eine der beiden Varianten, die der EuGH in Rn. 62 des Urteils mit einem „oder“ getrennt anbietet, entschieden.
Überhaupt ist das Urteil doch eher als Anleitung für Gesetzgeber bzw. Richter zur Konkretisierung des Inhalts von europarechtlichen Normen anzusehen und nicht nationaler Normen.
Vielleicht habe ich aber auch einfach einen Knoten im Hirn…
Ah, jetzt wird es mir klar.
Danke an alle Poster!
Habe interessiert alle, zum Teil wirklich fundierten Beiträge gelesen.
Möchte darauf aufmerksam machen, dass diejenigen, die (so wie meiner einer) im Oktober den Stift flitzen lassen müssen, den hier zu diskutierenden Streit nicht vergessen sollten, welche Pflichtverletzung (Gutleistungspflicht o. Nacherfüllungspflicht) Anknüpfungspunkt für das Vertretenmüssen darstellt!
Da nach h.M. ein Alternativverhältnis besteht, lässt sich auch der Anpsruch SE satt der Leistung m. E. ohne besondere Probleme auf die Nichtnacherfüllung stützen.