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Schlagwortarchiv für: Arzthaftung

Dr. Maximilian Schmidt

BGH: Beweislastumkehr bei Hausnotrufvertrag

Arztrecht, Rechtsprechung, Schuldrecht, Startseite, ZPO

Eine für Klausuren und mündliche Prüfungen interessante Rechtsfrage hat der BGH mit Urteil vom 11. Mai 2017 – III ZR 92/16 entschieden – prüfungsrelevant deswegen, weil die Beweislastumkehr aus dem Arzthaftungsrecht (§ 630h BGB) auf einen anderen Vertrag, nämlich den „Hausnotrufvertrag“, übertragen wird.
Inhalt dieses Vertrags war, dass ein Hausnotrufgerät an eine ständig besetzte Zentrale angeschlossen wird. Von dieser Zentrale sollte im Fall eines Notrufs unverzüglich eine angemessene Hilfeleistung vermittelt (z.B. durch vereinbarte Schlüsseladressen, Rettungsdienst, Hausarzt, Schlüsseldienst) werden. Im entschiedenen Fall betätigte der Nutzer den Notruf. Allerdings reagierte die Zentrale trotz minutenlangem Stöhnen und Röcheln des Nutzers gar nicht, schickte dann nach einiger Zeit lediglich einen Schlüsseldienst. Dieser erkannte zwar die Gesundheitsgefahr, reagierte aber ebenfalls nur durch Hinzurufen eines weiteren Sicherheitsmitarbeiters. Erst nach einiger Zeit benachrichtigten diese dann einen Arzt. Der Patient verstarb allerdings. Offen blieb bis zuletzt, ob der Tod bei ordnungsgemäßer sofortiger Verständigung eines Notarztes hätte vermieden werden können.
An dieser Stelle setzt nun der interessante Teil der Entscheidung ein: Wer muss beweisen, dass die – zweifelsohne gegebene Pflichtverletzung im Rahmen des Dienstvertrages durch die verzögerte Benachrichtung eines Arztes – kausal für den eingetreteten Tod des Nutzers war.
Grundsätzlich trägt der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast für die Pflichtverletzung, die Schadensentstehung und auch den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Diesen Beweis hätten die Erben des verstorbenen Patienten wohl kaum führen können. Im Arzthaftungsrecht führt allerdings ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, regelmäßig zur Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden. Dies ist neu in § 630h Abs. 5 BGB geregelt – eine Vorschrift, die Prüflinge dringend einmal durchgearbeitete haben sollten.

Hinweis: Die objektive Beweislast ist hierbei die Situation eines non-liquet und ist von der subjektiven Beweislast (oder auch Beweisführungslast) und der Darlegungslast abzugrenzen.

In der Klausur müssen an dieser Stelle die Voraussetzungen einer Analogie sauber dargestellt und begründet werden. Zur planwidrigen Regelungslücke kann man bereits anführen, dass der „Hausnotrufvertrag“ ungeregelt ist und allein den allgemeinen Vorschriften des § 611 BGB unterfällt. Die Vergleichbarkeit der Interessenlage ist hingegen vertieft zu diskutieren. Zwei Argumente dürften den BGH zu Recht zur Übertragung der Grundsätze des § 630h Abs. 5 BGB geführt haben:

  • Erstens dient dieser Vertrag ähnlich wie beim Arztberuf, dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer (hier: zumeist älterer und pflegebedürftiger Teilnehmer).
  • Zweitens befindet sich der Anspruchsteller in einer typischen Situation der Beweisnot: Durch die Nachlässigkeit des Angestellten entstehen erhebliche Aufklärungserschwernisse: Konkret bedeutet dies, dass die Beklagte durch den gravierenden Verstoß gegen die ihr nach dem Hausnotrufvertrag obliegenden Kardinalpflichten eine Aufklärung erst unmöglich gemacht hat. Hätten die Angestellten früher reagiert, hätte uU noch festgestellt werden können, ob eine rechtzeitig Alarmierung des Notarztes das Leben gerettet hätte.
  • Letztlich spricht auch eine Betrachtung unter Fehlanreizgesichtspunkten für eine Beweislastumkehr: Je schwerwiegender die Pflichtverletzung der Beklagten ist, desto eher wird eine Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht beweisbar sein. Dies könnte zum nicht gewollten Anreiz führen, möglichst schwerwiegend – unter dramatischer Erhöhung der Gefahren für Leib und Leben der Nutzer – gegen Pflichten zu verstoßen, wenn hierdurch einer Haftung entgangen werden könnte.

Die Argumente lassen sich freilich auch auf andere Verträge übertragen. In der Klausur kann daher durchaus Kreativität (und Mut!) gefragt sein, eine Analogie zumindest zu diskutieren. Gerade die Fallgruppe der typischerweise eintretenden Beweisnot kann schlagend sein und sollte in keiner Argumentation fehlen.
 
 

12.05.2017/1 Kommentar/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2017-05-12 12:48:482017-05-12 12:48:48BGH: Beweislastumkehr bei Hausnotrufvertrag
Dr. Maximilian Schmidt

Mündliche Prüfung im Zivilrecht – Frau Klein und das fehlerhafte Brustimplantat

Arztrecht, Deliktsrecht, Mündliche Prüfung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes

Es geht weiter in unserer Serie „Mündliche Prüfung“ mit einem aktuellen Fall aus dem Zivilrecht. Die besonderen Vorschriften der § 6 MPG sowie die Richtlinie 93/42/EW sind ausdrückclich nicht Grundlage dieses Gespräches. Es werden allein allgemeine zivilrechtliche Wertungen abgefragt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
willkommen zur Prüfung im Zivilrecht, der ich folgenden Sachverhalt zugrunde legen möchte:
Die Klägerin Karolina Klein begab sich auf Grund eines akuten Schönheitsproblems am 1.1.2007 in Behandlung bei dem international bekannten und renommierten Operateur Dr. Tiberius Großmann. Sie äußerte den Wunsch eine Brustvergrößerung vornehmen zu lassen. Dr. Großmann empfahl ihr daraufhin ein Silikonimplantat. Bedenken der K, ob diese denn auch „besonderen physikalischen (Druck-)Kräften“ standhielten, begegnete Dr. Großmann mit dem Hinweis, dass Sie „die Dinger mit ins Grab nehme“ und „sogar ein vollbesetzter PKW drüberfahren könne“. Gemeint waren Implantate des französischen Hersteller Poly Implant Prothése (PIP). K wollte aber ohnehin auf jeden Fall eine Brustvergrößerung vornehmen lassen.
Kurze Zeit nach der Einpflanzung kam es jedoch zu Komplikationen, obwohl K nach eigener Aussage „noch keinen (PKW) hatte drüber fahren lassen“. Das Problem waren die Implantate selbst, da sie mit billigem Industriesilikon gefüllt waren, womit üblicherweise nur auf Baustellen gearbeitet wird. Der TÜV Rheinland hatte die von PIP hergestellten Implantate als Medizinprodukt zertifiziert, nachdem sie eine Grundsatzprüfung durchgeführt hatten, die zu keinerlei Mängelrügen führte. Erst später hatte PIP offenbar den Inhalt der Silikonkissen mit dem billigen Industriematerial ausgetauscht. K meint, dass sie einem „Pfuscher“ aufgesessen sei und fordert von Dr. Großmann Schadensersatz. Genauso möchte sie gegen den TÜV Rheinland vorgehen. Der französische Hersteller ist mittlerweile insolvent, weswegen K kein Interesse an einer Rechtsverfolgung diesem gegenüber hat.
Herr A, ein Fall der für viel Aufsehen gesorgt hat. Versuchen wir uns ihm juristisch zu nähern. Welche Anspruchsgrundlage kommt gegenüber dem behandelnden Arzt in Betracht?
Zunächst ist an einen vertraglichen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 i.V.m. § 611 BGB zu denken. Mittlerweise finden sich seit 2013 Sonderregelungen für den Behandlungsvertrag in den §§ 630a ff. BGB. Da der Vertragsschluss hier aber im Jahr 2007 stattgefunden hat, finden diese noch keine Anwendung. Daher liegt ein Dienstvertrag in Form des Behandlungsvertrages nach § 611 BGB vor, so dass die Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch § 280 Abs. 1 BGB ist.
 Ja, Sie springen direkt auf den Dienstvertrag, was gut vertretbar ist. Frau B, um welchen Vertragstyp könnte es ich denn noch handeln?
Es könnte sich auch um einen Werkvertrag handeln. Man grenzt beide Vertragsformen danach ab, ob bloß die Vornahme einer Handlung geschuldet ist (Dienstvertrag) oder das Herstellen eines bestimmten Erfolges (Werkvertrag). Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass auch zum Herstellen eines Erfolges eine bestimmte Handlung geschuldet sein kann, § 631 Abs. 2 BGB. In diesem Fall könnte Inhalt des Vertragsschlusses, §§ 145, 147 BGB, sein, dass der Arzt unmittelbar das Einsetzen des Implantats und somit einer Brustvergrößerung schuldet, womit ein Werkvertrag nach § 631 BGB vorläge. Typischerweise ist der Behandlungsvertrag aber ein Dienstvertrag, da beide Parteien nicht davon ausgehen, dass der therapeutische Erfolg tatsächlich erreicht wird, man denke an eine Krebsbehandlung. Im Falle einer Schönheitsoperation kann das aber schon anders aussehen (optisch soll es das ja später auch). Dennoch würde ich auch bei Schönheitsoperationen einen Dienstvertrag annehmen, da auch hier nicht für den Erfolg der „Behandlung“ eingetreten werden soll.
 In Ordnung, also bleiben wir bei einem Dienstvertrag. Worin könnte nun die Pflichtverletzung liegen?
Diese könnte in einer fehlerhaften Belehrung liegen, schließlich hat der Arzt hier vollmundig versprochen, dass die Implantate besonders haltbar sind. Eine Aufklärungspflicht über Risiken kann aber nur so weit bestehen, wie diese Risiken typischerweise auftreten. Werden nun Implantate völlig entgegen jeder Vorschriften mit Baumaterial gefüllt, ist dies nicht ein Risiko einer Einpflanzung. Die erhöhte Ruptur-Rate war ja noch nicht bekannt.
Also hat die K letztlich keinen vertraglichen Anspruch gegen Dr. Großmann. Wie siehts es mit deliktischen Ansprüchen aus?
In Betracht kommt ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Hierzu müsste aber überhaupt eine Rechtsgutsverletzung vorliegen. Hinsichtlich der Operation, die nach h.M. auch lege artis ausgeführt tatbestandlich eine Körperverletzung darstellt, liegt eine wirksame Einwilligung der K vor, so dass ein Anspruch mangels Rechtswidrigkeit ausscheidet. Die Brustimplantate selbst hat die K schon mangelhaft erworben, so dass hinsichtlich dieser keine Eigentumsverletzung vorliegt. Der bloße Vermögensschaden ist nicht deliktisch geschützt.
Schön! Nun, Frau B, wie sieht es mit Ansprüchen gegen den TÜV Rheinland aus?
Unmittelbare vertragliche Ansprüche zwischen K und dem TÜV Rheinland scheiden von vornherein aus. Hier kommt jedoch ein Anspruch aus § 280 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (VSD) in Betracht. Der TÜV schließt mit Herstellern von Medizinprodukten einen Zertifizierungsvertrag ab, vergleichbar der PKW-Prüfung. Wenn der TÜV nun aus diesem Vertragsverhältnis eine Pflicht verletzt hätte, könnte K über den VSD einen Schadensersatzanspruch gegen den TÜV haben.
Gute Idee. Was sind noch einmal die Voraussetzungen eines VSD, Herr A?
Leistungsnähe des Dritten, Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, Erkennbarkeit für den Schuldner sowie Subsidiarität.
Leistungsnähe wird man wohl annehmen müssen, da die K von der Schlechtleistung des TÜV genauso betroffen ist wie der Gläubiger PIP.
Voraussetzung ist allerdings des Weiteren, dass hinsichtlich der Zertifizierung auch ein erkennbares Einbeziehungsinteresse (Gläubigernähe) vorliegt. Ursprünglich diente zur Abgrenzung die Wohl und Wehe-Formel, teilweise wurde die Gläubigernähe aber sogar bei diametral entgegengesetzten Interessen angenommen. Ohne die besonderen Wertungen der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu kennen, muss man ein Einbeziehungsinteresse wohl verneinen. Es wäre eine Fiktion anzunehmen, dass dieser ein Interesse daran hat, alle potentiellen Käufer der Ware in den Begutachtungsvertrag mit dem TÜV einzubeziehen.
Das kann man so – oder auch anders – sehen. Haben Sie denn noch weitere Ansätze?
Einen Anspruch gegen den TÜV Rheinland könnte sich als Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ergeben.
Ja, gute Idee! Wie kommen Sie darauf?
Grundsätzlich tritt der TÜV als Beliehener auf, d.h. wird als eigene Behörde öffentlich-rechtlich Tätigkeit. Daher könnte man an einen Anspruch aus Amtshaftung denken. Voraussetzung hierfür wäre aber, dass der TÜV Rheinland hoheitlich gehandelt hat. Bei der Erteilung der Betriebserlaubnis nach § 21 StVZO tritt der TÜV bspw. hoheitlich auf (s. hierzu BGH, Urteil vom 10. 4. 2003 – III ZR 266/02 (Celle)). Ob das hier der Fall ist kann aber jedenfalls dahinstehen, wenn die weiteren Voraussetzungen eines Anspruches nicht vorliegen.
Inwiefern hegen Sie da Zweifel?
Wenn man eine aufgrund hoheitlichen Handelns entstehende Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Prüfung annimmt, müsste diese auch drittgerichtet gegenüber der K sein. Ziel der CE-Zertifizierung von Medizinprodukten ist aber in erster Linie das Inverkehr-bringen des Produktes, weniger der Schutz der später behandelten Patienten.
Hier kann man sicher auch anderer Meinung sein. Warum scheidet ein Anspruch denn auf jeden Fall aus?
Es liegt schon keine Amtspflichtverletzung vor: Dem TÜV wird man nicht die Amtspflicht zur Prüfung eines jeden Silkonimplantats aufbürden können, vielmehr muss er eine grundsätzliche Tauglichkeitsprüfung vornehmen. Dies hat er aber getan, der Hersteller hat in der Folge einfach vorsätzlich den Inhalt ausgetauscht. Mehr als eine Stichprobenprüfung kann vom TÜV nicht verlangt werden. Daher scheidet ein Anspruch jedenfalls mangels Verschulden aus.
So hat es auch das LG Karlsruhe vor kurzem entschieden. Die Prüfung ist hiermit beendet, ich bedanke mich bei Ihnen.

28.11.2014/0 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2014-11-28 14:09:482014-11-28 14:09:48Mündliche Prüfung im Zivilrecht – Frau Klein und das fehlerhafte Brustimplantat
Gastautor

Grundlagen des materiellen Arztstrafrechts

Arztrecht, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Verschiedenes

Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Anne Sophie Schulz zum materiellen Arztstrafrecht zu veröffentlichen. Die Autorin hat an der HU Berlin und am King’s College London studiert und ist aktuell Rechtsreferendarin in Berlin mit Nebentätigkeit in einer Medizinrechtskanzlei.

Das materielle Arztstrafrecht findet sowohl im ersten als auch im zweiten Staatsexamen immer wieder Einzug in die Examensklausuren.

Um die Klausuren rund um das Arztstrafrecht mit Erfolg zu meistern, ist es von erheblicher Bedeutung, sich zunächst mit der Strafbarkeit des Heileingriffes und schließlich mit den spezifischen Rechtfertigungsgründen auseinanderzusetzen. Hierbei ist ein besonderes Augenmerk auf den ärztlichen Heileingriff im Rahmen der Körperverletzung i.S.d. § 223 I StGB und die Rechtfertigungsgründe der ausdrücklichen bzw. mutmaßlichen Einwilligung zu richten. Auf diese Schwerpunkte wird im Folgenden näher eingegangen.

I. Tatbestand der Körperverletzung

Bereits seit dem Jahr 1894 wird der ärztliche Heileingriff als eine von § 223 I StGB erfasste, tatbestandliche Körperverletzung angesehen. Diese bedarf, auch bei dem lege artis durchgeführten Eingriff, einer besonderen Rechtfertigung durch die tatsächliche oder zumindest mutmaßliche Einwilligung des Patienten oder ganz allgemein durch die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes gemäß § 34 StGB. Forensisch häufig handelt es sich jedoch um einen unglücklichen Verlauf bei einem ärztlichen Eingriff, sodass allenfalls die Fahrlässigkeit mit Sicherheit feststeht, nicht jedoch der Vorsatz. Der strafrechtliche Schwerpunkt bei der Examensklausur im Arztstrafrecht wird demnach mangels Vorsatzes häufig bei § 222 StGB oder bei § 229 StGB liegen. Dies gilt sowohl für das erste als auch für das zweite Staatsexamen.

1. Der ärztliche Heileingriff als Körperverletzung

Die Frage, ob der lege artis durchgeführte ärztliche Heileingriff die tatbestandlichen Voraussetzungen der Körperverletzung erfüllt, war Grund jahrzehntelanger Auseinandersetzungen und Kontroversen. Gerade im Schrifttum wurden immer wieder Stimmen laut, der Arzt könne nicht schlechthin als „Messerstecher“ gelten. Der BGH hält jedoch beharrlich an seiner vom Reichsgericht übernommenen Rechtsprechung fest, dass jeder ärztliche Heileingriff, auch wenn er nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wird, zunächst einmal tatbestandlich eine Körperverletzung darstellt. In der Rechtsprechung wird diese Judikatur bis heute, mit unterschiedlicher Begründung, mit Nachdruck widersprochen. So wird zum Teil der Tatbestandsausschluss auf den lege artis durchgeführten und gelungenen Eingriff beschränkt. Zum Teil wird jedoch auch auf das für den Heileingriff charakteristische Fehlen einer Körperinteressenverletzung abgestellt.

Dieser weitreichende Widerspruch zwischen der Ansicht des BGH und der Auffassung der Literatur sollte in der Klausur beider Examina zumindest kurz angesprochen werden um aufzuzeigen, dass man mit dem Problem vertraut ist. Damit steht auf der Tatbestandsebene zunächst fest, dass eine Körperverletzung seitens des behandelnden Arztes vorliegt. Einer Strafbarkeit kann demnach nur noch entgegenstehen, dass der ärztliche Eingriff gerechtfertigt oder entschuldigt ist. Insbesondere spielen dabei die Rechtfertigungsgründe eine bedeutende Rolle, weshalb auf diese im Folgenden näher eingegangen werden soll.

2. Rechtfertigungsgründe

Als Rechtfertigungsgründe kommen sowohl ganz allgemein der Notstand nach § 34 StGB, als auch die ausdrückliche Einwilligung gemäß § 228 StGB oder zumindest die gewohnheitsrechtlich anerkannte mutmaßliche Einwilligung in Betracht. Die größte Bedeutung haben in den Examensarbeiten dabei die beiden letztgenannten Rechtfertigungsgründe, weshalb diese im Nachfolgenden näher beleuchtet werden sollen.

a) Die ausdrückliche Einwilligung

Wird mit der Ansicht des BGH der erfolgte Heileingriff als tatbestandliche Körperverletzung angesehen, kommt in erster Linie die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund in Frage.

Dass die Körperverletzung grundsätzlich einwilligungsfähig ist, kann mittelbar aus dem § 228 StGB entnommen werden. Die Einwilligung des Verletzten in die Körperverletzung soll gemäß § 228 StGB ihre rechtfertigende Wirkung dann nicht entfalten, wenn die Tat trotz der Einwilligung „gegen die guten Sitten“ verstößt. Es kommt insoweit auf die Sittlichkeit der Tat i.S.d. §§ 223 ff. StGB an, nicht aber auf die Sittlichkeit der Einwilligung selbst. Dieser Wortlaut stellt unmissverständlich klar, dass die Wirksamkeit der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund nach dem Willen des Gesetzes in jedem Fall von der vorausgehenden Beurteilung der Tat hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den guten Sitten abhängen soll.

Eine wirksame Einwilligung setzt dabei einen durch ärztliche Aufklärung informierten Patienten voraus. Die Einwilligung ist dabei Ausfluss der Autonomie des Patienten. Die Wurzeln dieses Selbstbestimmungsrechts führen letztlich auf das Grundgesetz, genauer auf die Artikel 1 I, 2 II des Grundgesetzes, zurück. Die wirksam erklärte Einwilligung setzt dabei neben einem inneren Konsens auch ein Sichtbarwerden des Willens nach außen voraus. Für die Artikulation des Willens seitens des Patienten gelten dabei keine Formerfordernisse. Freilich wird in der Praxis mit Aufklärungsbögen gearbeitet, welche von dem Patienten vor dem Eingriff unterschrieben werden müssen.

Aus dem Grundgedanken, dass die Einwilligung Ausfluss des Autonomieprinzips des Patienten ist, folgt, dass eine antizipierte Einwilligung nicht bindend ist. Sie ist demnach zu jedem Zeitpunkt frei widerruflich.

Aus demselben Grund muss die Einwilligung des Patienten im Zeitpunkt des Eingriffes noch aktuell sein. Gerade bei einem längeren Intervall hat der Arzt genauestens zu prüfen, ob der Patient noch an seiner erklärten Einwilligung festhält.

Die Einwilligungsfähigkeit ist gerade bei Minderjährigen problematisch. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass bei einem Heileingriff in die Körpersphäre ein höchstpersönliches Interessen eines jeden Patienten auf dem Spiel steht. Aus diesem Grunde ist die Einsichtsfähigkeit unter maximaler Wahrung des Autonomieprinzips nicht nach dem Gedanken der Rechtsgeschäftsfähigkeit auszurichten. Das hat zur unmittelbaren Folge, dass die auf Willenserklärungen zugeschnittenen Vorschriften des BGB hier nicht anwendbar sind.

Hier entsteht scheinbar ein Dilemma, weil anders lautende ausdrückliche Bestimmungen fehlen, auf die man stattdessen zurückgreifen könnte. Demgemäß ist allgemein anerkannt auf die geistige und sittliche Reife des Minderjährigen abzustellen. Diese ist dann zu bejahen, wenn der Minderjährige nach seiner persönlichen Entwicklung dazu in der Lage war, bei der zugrunde liegenden Sachlage die Bedeutung und Tragweite des Eingriffes und der insoweit erklärten Einwilligung zu erkennen. Auf eine starre Altersgrenze kommt es folgerichtig also nicht an. Dennoch kann das Alter zumindest Beurteilungshilfe sein, weshalb man das Alter in die Beurteilung mit einbeziehen sollte.

Häufig vergessen wird in den Examensarbeiten das subjektive Rechtfertigungselement. In subjektiver Hinsicht ist ein Handeln des Täters in Kenntnis und aufgrund der Einwilligung erforderlich. Anderenfalls entfaltet die dem Täter unbekannt gebliebene Einwilligung keine rechtfertigende Wirkung und eine Strafbarkeit wegen Versuchs verbleibt, während die irrige Annahme einer in Wirklichkeit fehlenden Einwilligung die analoge Anwendung des § 16 I 1 StGB eröffnet.

In der Examensarbeit kann man sich dabei an folgendem Prüfungsschema orientieren:

1. Anwendungsbereich des § 228 StGB

2. Disponibles Rechtsgut

3. Einwilligungsfähigkeit

4. Rechtzeitigkeit der Einwilligungserklärung

5. Subjektives Rechtfertigungselement

b) Die mutmaßliche Einwilligung

Vorab ist festzuhalten, dass die Grundsätze der mutmaßlichen Einwilligung nur dann von dem Examenskandidaten zu erörtern sind, wenn ein ausdrücklicher Wille des Verletzten für den behandelnden Arzt unter keinen Umständen zu erkennen war. Die mutmaßliche Einwilligung ist gesetzlich nicht ausdrücklich normiert, sondern nach der h.M. ein eigenständiger und gewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtfertigungsgrund.

Die Frage der mutmaßlichen Einwilligung stellt sich vor allem im Rahmen von Noteingriffen oder einer bestehenden Bewusstlosigkeit, also bei „Gefahr in Verzug“. Ist in ärztlichen Notfällen ein Eingriff dringend indiziert und in Hinblick auf das vorrangige, gesundheitliche Interesse nicht aufschiebbar, kann der Arzt sich auf die mutmaßliche Einwilligung als Rechtfertigungsgrund stützen. Es kommt also nur dann auf den mutmaßlichen Willen des Patienten an, wenn der Arzt keine Möglichkeit hatte, vorher die ausdrückliche Einwilligung des Patienten einzuholen. Nur durch dieses Konstrukt kann das Interesse beider Seiten gewahrt werden.

In der Examensklausur ist zunächst zu prüfen, welche persönliche Entscheidung bei objektiver Beurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände von dem Patienten individuell zu erwarten war; bloße Spekulationen genügen insoweit nicht.

Hinzukommen muss, dass es sich bei dem Eingriff um die Wahrung höherrangiger Interessen, hier der Gesundheit, handelt. Diese Frage ist wiederum anhand der medizinischen Indikation zu beurteilen. Wie beim allgemeinen Notstand geht es an dieser Stelle um die Frage der Abwägung der geschützten und beeinträchtigten Interessen.

Besondere Beachtung ist dabei der häufig vorkommenden Fallkonstellation zu schenken, dass sich der aus den Umständen ergebende Wille des Patienten als objektiv unvernünftig darstellt. Dieser ist, sei er auch noch so unvernünftig, zwingend durch den behandelnden Arzt zu beachten. Ein Eingriff wäre in diesem Fall demnach nicht von der Einwilligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig.

II. Andere Strafrechtsnormen

Die Frage der Strafbarkeit des ärztlichen Heileingriffs kann auch im Rahmen der vorsätzlichen Tötung gemäß §§ 212, 211 StGB vorkommen. Dies allerdings nur unter dem Aspekt der Sterbehilfe.

III. Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das materielle Arztstrafrecht immer wieder in beiden Examina vorkommt und sich einer großen Beliebtheit bei den Prüfern erfreut. Mit den Besonderheiten sollte man daher vertraut sein, zum einen um Zeit bei der Bearbeitung der Examensklausuren zu sparen und zum anderen um die Examensarbeit durch die gezielte Schwerpunktsetzung souverän zu meistern.

Weitere Infos zur ärztlichen Aufklärungspflicht findet ihr hier: https://red.ab7.dev/gastbeitrag-arztliche-aufklarungspflicht-bei-behandlung-mit-zitronensaft-aufbearbeitung-im-klausurschema/

22.11.2014/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2014-11-22 10:00:242014-11-22 10:00:24Grundlagen des materiellen Arztstrafrechts
Dr. Christoph Werkmeister

Der Behandlungsvertrag – erstmals kodifiziert in den §§ 630a ff. BGB

Deliktsrecht, Schon gelesen?, StPO, Tagesgeschehen

Am 26.02.2013 ist das Patientenrechtegesetz in Kraft getreten. Hierdurch wird im BGB ein in Rechtsprechung und Literatur schon lange anerkannter Vertragstypus, nämlich der „Behandlungsvertrag“ in §§ 630a ff. BGB erstmals kodifiziert. Die Regelungen enthalten zu einem Großteil das bislang ergangene Richterrecht zur Arzthaftung. Darüber hinaus finden sich allerdings auch vereinzelt Neuerungen.
Altbekanntes sowie Neuerungen
Insbesondere der neue § 630h BGB regelt beispielsweise die Beweislast in Haftungsfällen bei Behandlungs- und Aufklärungsfehlern. Außergewöhnlich ist in diesem Kontext auch die neu eingeführte Regelung des § 630c Abs. 2 S. 3 BGB, womit – von der systematischen Stellung her etwas ungewohnt – ein strafprozessuales Beweisverwertungsverbot für bestimmte Fälle festgeschrieben wird.
Die Grundzüge und die Systematik des neuen Vertragstypus im BGB lassen sich relativ zügig durch die simple Lektüre des Gesetzestextes erfassen. Wer sich für einen umfassenderen Überblick und eine kritische Würdigung der neuen Vorschriften interessiert, dem sei zudem der kürzlich erschienene Aufsatz von Katzenmeier in NJW 2013, 817 empfohlen.
Examensrelevanz
Arzthaftungsfälle gehören im ersten sowie zweiten Staatsexamen zum absoluten Standardstoff. Es stellt deshalb für jeden Examenskandidaten eine Notwendigkeit dar, sich schleunigst mit den neuen Regelungen vertraut zu machen. Dies gilt umso mehr, da die Herausgeber der gängigen Ausbildungsliteratur mit Sicherheit etwas Zeit benötigen werden, um die neuen Regelungen in das Standardprogramm aufzunehmen. Bis dahin könnte ein Fall nach §§ 630a ff. BGB jedoch bereits in einer Zivilrechtsklausur gelaufen sein. Das o.g. Beweisverwertungsverbot kann zudem in Strafrechtsklausuren abgeprüft werden.

29.03.2013/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-03-29 09:00:212013-03-29 09:00:21Der Behandlungsvertrag – erstmals kodifiziert in den §§ 630a ff. BGB
Zaid Mansour

OLG Koblenz: Keine Arzthaftung bei Verweigerung einer fachgerechten Zweitbehandlung durch anderen Arzt

Arztrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Der 5. Zivilsenat des OLG Koblenz hat entschieden, dass die Schadensersatzhaftung eines Arztes für eine Gesundheitsschädigung trotz eines groben Behandlungsfehlers entfallen kann, wenn der Patient eine fachgerechte Behandlung durch einen zweitbehandelnden Arzt verweigert (Az. 5 U 1510/11).
I. Sachverhalt
Der Kläger, ein Profifußballer, erlitt während eines Fußballspiels eine Bissverletzung, die im weiteren Verlauf zu einer Kniegelenksinfektion führte. Bei einem harten Zweikampf verursachten die Schneidezähne des Gegenspielers eine Rissverletzung am rechten Knie des Klägers. Die Erstversorgung der Wunde wurde vom beklagten Arzt übernommen. Er nähte die Verletzung und überwies den Kläger zur weiteren Untersuchung ins Krankenhaus. Der dort behandelnde Arzt empfahl dem Kläger dringend die Öffnung der Naht und die Durchführung einer antibiotischen Therapie. Der Kläger lehnte dies ab, in der Folge wurde diese (richtige) Empfehlung nicht umgesetzt. Letztlich stellte sich beim Kläger ein irreparabler Knieschaden ein, sodass er seinen Beruf als Fußballspieler künftig nicht mehr ausüben kann. Der Patient warf dem erstbehandelnden Arzt einen groben Behandlungsfehler vor und verlangte Schadensersatz (Verdienstausfall i.H.v. 1,3 Mio € und eine monatliche Rente i.H.v 200 €) sowie ein Schmerzensgeld i.H.v. 75000 €.
II. Rechtliche Würdigung
Im Rahmen einer gutachterlichen Prüfung wird man zunächst gefordert sein, den Typus des Arztvertrages rechtlich einzuordnen. Der Arztvertrag ist im Gesetz nicht speziell geregelt, sodass man bei der Einordnung des Arztvertrages auf allgemeine Grundsätze zurückgreifen muss. Da der behandelnde Arzt keinen Heilerfolg – dessen Eintritt er ohnehin nicht kontrollieren kann – als solchen, sondern lediglich eine lege artis durchgeführte medizinische Behandlung schuldet, sind Arztverträge in der Regel als freie Dienstverträge (§ 611 BGB) zu qualifizieren (Looschelders, Schuldrecht BT, 7. Auflage, Rn. 613). Etwas anderes gilt dann, wenn die Hauptleistungspflicht des Arztes tatsächlich in der Herbeiführung eines spezifischen Erfolges liegt. So werden beispielsweise kosmetische Operationen, wie Fettabsaugungen oder das Einsetzen einer Prothese, teilweise als Werkverträge qualifiziert (Fikentscher, Schuldrecht, 10. Auflage, Rn. 568).  Als Leitlinie kann bei der rechtlichen Einstufung darauf abgestellt werden, ob im konkreten Fall die Heilbehandlung oder das Herbeiführen eines bestimmten Erfolges den Schwerpunkt der vertraglichen Parteivereinbarung bildet. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln. Entscheidend ist letztendlich, gerade in mündlichen Prüfungen, weniger das Ergebnis, sondern vielmehr eine an den allgemeinen Grundsätzen und an den Umständen des Einzelfalles orientierte sowie in sich kohärente Argumentation des Prüflings.
Hinsichtlich des Zustandekommens eines Arztvertrages gelten die allgemeinen Regelungen (§§ 104 ff. BGB). Zu beachten ist dabei, dass auch Kassenpatienten Vertragsparteien eines ärztlichen Behandlungsvertrages werden, wobei sich der Vergütungsanspruch des Arztes jedoch gegen die kassenärztliche Vereinigung richtet und nicht gegen den behandelten Kassenpatienten. Hinsichtlich der Haftung des behandelnden Arztes ist dies ohne weitere Bedeutung. Dies ergibt sich aus § 76 IV SGB V.

 (4) Die Übernahme der Behandlung verpflichtet die in Absatz 1 genannten Personen oder Einrichtungen dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts.

Das vertragliche Pflichtenprogramm des Arztes umfasst neben einer kunstgerecht durchzuführenden medizinischen Behandlung auch eine Aufklärungs-, Dokumentations- und Schweigepflicht gegenüber dem Patienten (dazu MüKoBGB/Müller-Glöge, § 611 Rn. 90 ff m.w.N).
Verletzt der Arzt eine der o.g. Pflichten, so kommt zunächst eine Schadensersatzhaftung nach §§ 280 ff. BGB in Betracht. Daneben steht dem Patienten möglicherweise auch ein angemessenes Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) zu. Zusätzlich zu einem vertraglichen Schadensersatzanspruch sind im Rahmen einer rechtlichen Begutachtung auch deliktische Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.Vm. § 222 StGB  oder § 839 BGB zu prüfen. Das vertragliche Pflichtenprogramm und die deliktsrechtlichen Sorgfaltsmaßstäbe sind dabei identisch (BGH, NJW 1989, 767 (768)). Im Arzthaftungsrecht ist zudem eine prozessrechtliche Besonderheit hinsichtlich der Beweisführung zu berücksichtigen. Grundsätzlich gilt, dass derjenige die Beweislast für solche Umstände trägt, aus denen er für sich günstige Rechte herleiten will. Wurde das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers bejaht, so hilft die Rechtsprechung etwaigen Schwierigkeiten des Patienten beim Nachweis der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen  Schaden mit Hilfe einer Beweislastumkehr dergestalt ab, dass die Kausalität bei Gegebensein eines groben Behandlungsfehlers widerleglich vermutet wird (bei einfachen Behandlungsfehlern gilt lediglich eine Beweiserleichterung).
Das OLG Koblenz hat einen groben Behandlungsfehler des erstbehandelnden Arztes im vorliegenden Fall, im Gegensatz zur Vorinstanz, bejaht. Der Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und dem eingetretenen Körperschaden wurde hingegen verneint. Dazu heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts:

Allerdings sah der Senat in der medizinischen Erstbehandlung einen groben Behandlungsfehler des ersten Arztes. Eine menschliche Bissverletzung könne eine Wundinfizierung durch Bakterien auslösen, was ein Vernähen der Wunde verbiete. Allerdings scheitere die Haftung des Beklagten daran, dass der Kläger die dringende Empfehlung des zweitbehandelnden Arztes nicht befolgt habe, die Wunde zu öffnen und antibiotisch zu therapieren. Der Kläger sei im Krankenhaus nachdrücklich darauf hingewiesen worden, welche gesundheitlichen Folgen ihm drohten, sollte er diese ärztliche Empfehlung nicht annehmen. Dennoch habe sich der Kläger bewusst gegen diese Behandlung entschieden. Damit habe er selbst eine derart gravierende Ursache für seine bleibende Knieverletzung gesetzt, dass eine Haftung des Beklagten aufgrund der Erstversorgung nicht mehr angenommen werden könne.

III. Fazit
Dem vorliegenden Fall kann jedenfalls hinsichtlich anstehender mündlicher Prüfungen eine erhöhte Examensrelevanz beigemessen werden. Vertiefte Kenntnisse des Arzthaftungsrechts werden dabei allerdings nicht verlangt, sodass die Lektüre kurzer Lehrbuchabhandlungen zu diesem Thema ausreichen dürfte (Leseempfehlung: Looschelders, Schuldrecht BT, 7. Auflage, Rn. 612 ff.)
 

20.09.2012/0 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2012-09-20 08:43:212012-09-20 08:43:21OLG Koblenz: Keine Arzthaftung bei Verweigerung einer fachgerechten Zweitbehandlung durch anderen Arzt
Dr. Gerrit Forst

BGH zu Beweislastumkehr bei § 823 Abs. 1 BGB

Deliktsrecht, Rechtsprechung, Zivilrecht, Zivilrecht, ZPO

In einer aktuellen Entscheidung zum Arzthaftungsrecht äußert sich der BGH zur Beweislastumkehr im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB (Urt. v. 13.9.2011 – VI ZR 144/10). Anlass genug, die Beweislastverteilung bei Schadensersatzansprüchen kurz zu wiederholen:
1. Grundsatz
Grundsätzlich gilt, dass jede Partei die Beweislast für die ihr günstigenTatsachen trägt (§§ 138, 139, 286 ZPO). Das bedeutet für den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, dass der Anspruchsteller grundsätzlich alle objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen darlegen und beweisen muss.
2. Wichtigste Ausnahme: Vertragliche Haftung
Im vertraglichen Schuldverhältnis kehrt § 280 Abs. 1 S. 2 BGB die Beweislast hinsichtlich des Verschuldens dagegen um. Nach wohl überwiegender Ansicht ist § 280 Abs. 1 S. 2 BGB darüber hinaus auch auf die Pflichtverletzung selbst anzuwenden.
3. Geschriebene Ausnahmen im Deliktsrecht
Auch im Deliktsrecht gibt es gelegntlich eine ausdrückliche, d.h. gesetzliche Umkehr der Beweislast. Der wichtigste Fall ist wohl § 18 Abs. 1 S. 2 StVG, der das Verschulden des Fahrzeugführers vermutet. Einen weiteren Fall regelt etwa § 1 Abs. 4 S. 2 ProdHaftG. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB auferlegt dem Geschäftsherrn die Beweislast für den Exkulpationsbeweis, die §§ 832 Abs. 1 S. 2, 834 S. 2 BGB enthalten ähnliche Vorschriften.
4. Ungeschriebene Ausnahmen im Deliktsrecht
Nun kann es für den Geschädigten bei § 823 Abs. 1 BGB sehr schwierig bis unmöglich sein, den vollen Beweis für alle Tatbestandsvoraussetzungen zu führen.
Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Pflichtverletzung in der Innensphäre des Schädigers abgespielt hat, in die der Anspruchsteller keine Einsicht hat. Der BGH hat deshalb insbesondere im Bereich der allgemeinen zivilrechtlichen Produkthaftung (Abzugrenzen von der Haftung nach dem ProdHaftG!) eine Beweislastumkehr oder zumindest -erleichterung  mehrfach bejaht (z.B. BGHZ 116, 60 – Milupa; BGH NJW 1993, 528 – Mineralwasserflasche II).
Darüber hinaus erkennt der BGH, dass sich im Arzthaftungsprozess die Beweislast hinsichtlich der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und  Rechtsgutsverletzung umkehrt, wenn ein grober Behandlungsfehler feststeht. Hintergrund dieser Beweiserleichterung ist, dass ein lückenloser Kausalitätsbeweis für medizinische Entwicklungen im Körper des Geschädigten nahezu unmöglich ist, weil fast immer Reserveursachen in Betracht kommen. So verhielt es sich auch in dem aktuellen Fall. Der BGH entscheidet nun, dass ein grober Behandlungsfehler auch darin zu sehen ist, dass eine Befunderhebung unterlassen wurde, die zu einem Befund geführt hätte, der zu weiteren Behandlungsmaßnahmen Anlass gegeben hätte.
Achtung: Eine vergleichbare Umkehr der Beweislast gerade bezüglich der Kausalität verneint der BGH ausdrücklich im Bereich der allgemeinen zivilrechtlichen Produkthaftung. Hier muss der Geschädigte also die Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden beweisen (BGHZ 116, 60 – Milupa).
4. Klausurrelevanz
Fragen der Beweislast spielen grundsätzlich erst im 2. Staatsexamen eine wirklich bedeutende Rolle. Gerade § 280 Abs. 1 S. 2 BGB und die Rechtsprechung zur allgemeinen zivilrechtlichen Produkthaftung sollte man aber auch im 1. Staatsexamen beherrschen. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB erleichtert dabei den Prüfungspunkt „Verschulden“ ungemein. Die Rechtsprechung zur Produkthaftung nach § 823 Abs. 1 BGB wird ebenfalls immer mal wieder abgefragt.
 

09.10.2011/2 Kommentare/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2011-10-09 10:08:182011-10-09 10:08:18BGH zu Beweislastumkehr bei § 823 Abs. 1 BGB

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