Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll der zweiten Klausur im Strafrecht des 1. Staatsexamens in Berlin im Oktober 2014. Vielen Dank dafür an Andre. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
Der italienische Staatsbürger S ist Kapitän des Kreuzfahrtschiffes
„Concordia“, das unter italienischer Flagge in italienischen Gewässern
unterwegs ist. Um seinen Passagieren eine Freude zu machen, nähert er
sich der Insel Giglio an. Hierbei verstößt er gegen eine Vorschrift
zur Sicherheit im Schiffsverkehr, die derartige küstennahe
Vorbeifahrten verbietet, was S auch weiß. Ebenso ist ihm bekannt, dass
von nicht rechtzeitig erkennbaren und auf Seekarten nicht erfassten
Untiefen Gefahren für Schiffe ausgehen, was auch der Grund für die
Vorschrift ist. S ist jedoch sicher, dass nichts passieren wird, da in
der Vergangenheit viele – auch größere – Passagierschiffe die
fragliche Stelle unbeschadet passiert haben.
Das Schiff rammt schließlich eine unter Wasser verborgene Felsformation. Kapitän S wendet daraufhin und fährt zurück. Jedoch erhält das Schiff infolge des Wassereintritts Schlagseite. S, der nunmehr von einem unvermeidbaren Untergang der Concordia ausgeht, was auch seinen sicheren Tod zur Folge hätte, besteigt aus Angst um sein Leben ein Rettungsboot und fährt davon. Allerdings befindet sich das Schiff – für ihn nicht erkennbar – in einer stabilen Lage und kann daher nicht untergehen. 30 Passagiere, darunter sechs Deutsche, sterben im Zuge der Evakuierung; alle anderen Passagiere bleiben unverletzt. Wäre S an Bord geblieben, so hätte er dank seiner großen Erfahrung in der Leitung von Evakuierungsmaßnahmen alle Passagiere gerettet, was ihm auch bekannt ist.
Tage nach dem Unglück plündern Einheimische das Schiffswrack. Einer
von ihnen ist Wirt W, der dem deutschen Touristen T voller Stolz von
einer Weinflasche berichtet, die er aus dem Wrack geholt hat. W lädt T
auf ein Glas jenes Weines ein, das dieser genussvoll leert. T
telefoniert mit seiner daheim gebliebenen Frau F, die ihn bittet,
einen Flachbildschirm zu kaufen. T erwirbt für xxx EUR vom
Einheimischen X einen Bildschirm, den dieser zuvor aus dem Wrack
mitgenommen hat, was T und F wissen. Allerdings gefällt F der
Bildschirm nach einiger Zeit nicht mehr, sodass T ihn bei Ebay
einstellt. Der Polizeibeamte P stößt auf das Angebot und hat Zweifel
bezüglich der rechtmäßigen Eigentümerstellung des T, bietet jedoch
trotzdem auf das Gerät und erhält auch den Zuschlag. Zur geplanten
Übergabe des Geldes und des Bildschirms kommt es nicht mehr, da auf
Veranlassung des P das Gerät im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei T
sichergestellt wurde.
Strafbarkeit S, T und F nach dem StGB. §§ 315 ff. StGB sind nicht zu
prüfen.
Zusatzfrage:
Die Staatsanwaltschaft geht im Ausgangsfall von einem
Verbrechen des S aus. Sie möchte jedoch keine Anklage erheben, da die
Ermittlungen im Ausland sehr umständlich sind. Außerdem meint sie,
dass S bereits genug gelitten hat, da er seinen Job verloren hat, in
der öffentlichen Kritik steht und Schadensersatzklagen der Opfer bzw.
Angehörigen auf ihn zukommen. Welche Handlungsmöglichkeiten hat die StA?
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