In dem Sachverhalt, der Gegenstand einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des OLG München (23 U 3950/12) war, verlangte die Klägerin die Herausgabe eines PKW Daimler Benz 280 SE Coupé nach Beendigung ihrer Beziehung zu dem Beklagten. Anders als in den meisten klausurrelevanten Fällen zur nicht ehelichen Lebensgemeinschaft, war Gegenstand der rechtlichen Würdigung diesmal nicht die schuldrechtliche Rückabwicklung der Gemeinschaft. Vielmehr prüfte das Gericht einen auf § 985 BGB gestützten dinglichen Herausgabeanspruch.
A. Was war geschehen?
Das Gericht hat zu Gunsten der Klägerin folgenden (im Verfahren streitigen) Sachverhalt zu Grunde gelegt: Die Klägerin und der Beklagte waren ein Paar und bewohnten mit ihren drei Kindern eine gemeinsame Wohnung. Im Jahre 2006 erwarb der Beklagte den streitgegenständlichen Mercedes, der in der Folgezeit sowohl von der Klägerin als auch von dem Beklagten genutzt wurde. Am Geburtstag der Klägerin im Jahre 2007 übergab der Beklagte dieser einen der Fahrzeugschlüssel und erklärte, ihr den Mercedes zu schenken. Das Fahrzeug wurde weiterhin von beiden genutzt und zuweilen in einer Garage des Beklagten untergestellt, zu der sowohl die Klägerin als auch Beklagte Zugang hatten. Im Februar 2011 zog die Klägerin nach der Trennung aus der gemeinsamen Wohnung aus. Der Mercedes, der in den Wintermonaten nicht genutzt wurde, verblieb in der besagten Garage. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten Herausgabe des Mercedes.
Steht der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Herausgabe des Mercedes gemäß § 985 BGB zu?
B. Rechtliche Würdigung
Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB setzt voraus, dass die Klägerin Eigentümerin des Mercedes ist und der Beklagten diesen besitzt, ohne ein Recht zum Besitz zu haben.
I. Eigentum der Klägerin
Ursprünglicher Eigentümer des Mercedes war der Beklagte (dies wird zu Gunsten der Klägerin vom Gericht unterstellt).
1) Eigentumserwerb der Klägerin nach § 929 Satz 1 BGB durch Übergabe eines Schlüssels anlässlich ihres Geburtstags
Die Übereignung nach § 929 Satz 1 BGB erfolgt durch Einigung und Übergabe.
a) Einigung
In der Übergabe des Schlüssels bei gleichzeitiger Erklärung des Beklagten, der Klägerin den Mercedes zu schenken, ist eine auf den Übergang des Eigentums gerichtet Willenserklärung zu sehen, die von der Klägerin zumindest konkludent erwidert wurde. Eine Einigung liegt damit vor.
b) Übergabe
Der Beklagte müsste den Mercedes aber auch in einer dem § 929 Satz 1 BGB genügenden Weise übergeben haben. Dies setzt voraus, dass der Eigentümer jeden bisherigen Besitz verliert und der Erwerber auf Veranlassung des Eigentümers unmittelbaren oder mittelbaren Eigenbesitz erlangt (siehe etwa Chr.Berger, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 14. Auflage 2011, § 929 Rn. 8). Nach Auffassung des OLG München fehlt es an dem für § 929 Satz 1 BGB erforderlichen vollständigen Besitzverlust des Beklagten:
Auch nach dem Vortrag der Klägerin und der Aussage des Zeugen K. (Protokoll vom 29.03.2012, S. 3, Bl. 73 d.A.) hat der Beklagte der Klägerin nicht alle, sondern nur einen Fahrzeugschlüssel übergeben, und das Fahrzeug unstreitig nach der Feier am 14.07.2007 auch noch selbst benutzt. Zudem befand sich der PKW weiterhin in einer vom Beklagten angemieteten Garage, zu der außer der Klägerin auch der Beklagte jederzeit Zugang hatte. Somit hatte der Beklagte auch nach Übergabe des Schlüssels noch Mitbesitz an dem Fahrzeug.
Die Klägerin hat folglich nicht durch Übergabe des Schlüssels an ihrem Geburtstag gemäß § 929 Satz 1 BGB das Eigentum an dem Mercedes erlangt.
2) Eigentumserwerb der Klägerin nach §§ 929, 930 BGB durch Übergabe eines Schlüssels anlässlich ihres Geburtstags
Die Übereignung nach §§ 929, 930 BGB setzt neben der Einigung voraus, dass zwischen den Parteien ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis i.S. des § 868 BGB bestand oder begründet wurde, kraft dessen der Veräußerer seinen Mitbesitz künftig für den Erwerber ausübt. Das Besitzmittlungsverhältnis kann entweder schuldrechtlich (auch durch schlüssiges Verhalten) begründet werden. Genauso kann ein bereits bestehendes gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis nach dem Willen der Parteien dieses Besitzmittlungsverhältnisses auf den Erwerbsgegenstand erstreckt werden.
a) kein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin
Die Erstreckung eines bestehenden gesetzlichen Besitzmittlungsverhältnisses auf den Erwerbsgegenstand kommt regelmäßig in zwei Fällen in Betracht: im Hinblick auf § 1353 BGB für die eheliche Lebensgemeinschaft und im Hinblick auf § 1626 Abs. 1 BGB für die sorgeberechtigten Eltern im Verhältnis zu ihrem Kind (siehe etwa BGH, NJW 1989, 2542, 2543 f. und BGH, NJW 1979, 976, 977).
Die zentrale Frage, die das OLG München nun zu beantworten hatte, war, ob die nichteheliche Lebensgemeinschaft ein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis nach dem Beispiel des § 1353 BGB begründet (hatte). Entsprechend der allgemeinen Haltung der Rechtsprechung zum Verhältnis von nicht ehelicher Lebensgemeinschaft und der Ehe, verneint das OLG München eine solche Sichtweise:
Die Parteien waren nicht verheiratet. Sie lebten mit den drei gemeinsamen Kindern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft begründet indessen kein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis i.S. des § 930 BGB. Zwar können sich nach Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft wegen wesentlicher Beiträge eines Partners, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung geschaffen wurde, unter Umständen Ausgleichsansprüche nach Gesellschaftsrecht, nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage oder aus Bereicherungsrecht wegen Zweckverfehlung ergeben. Dies kommt allerdings nur in Betracht, soweit es sich nicht um Leistungen handelte, die der Ermöglichung des täglichen Zusammenlebens dienten (ausführlich etwa BGH NJW 2011, S. 2888, 2881 f m.w.N.; BGH NJW 2010, S. 868, 869). Eine der Ehe vergleichbare, umfassende Rechtsgemeinschaft mit detailliert geregelten wechselseitigen Rechten und Pflichten auch bezüglich des Vermögens des anderen ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft aber gerade nicht (Brudermüller in: Palandt, BGB, 72. Auflage 2013, Einf v. § 1297 Rz. 32). Insbesondere findet § 1353 Abs. 1 BGB auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft keine Anwendung. Aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft in § 1353 Abs. 1 BGB ergibt sich die Pflicht der Ehegatten, sich gegenseitig die Benutzung der ehelichen Wohnung und des Hausrats zu gestatten, auch wenn ein Ehegatte Alleineigentümer dieser Sachen ist. Aus der Besitzberechtigung folgt, dass der mitbesitzende Nichteigentümer dem Eigentümer den Besitz mittelt (BGH NJW 1979, S. 976, 977). Eine vergleichbare Regelung findet sich für die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht. Auch aus etwaigen Ausgleichsansprüchen, die sich bei Scheitern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ergeben können, lässt sich nicht der Schluss ziehen, die nichtehelichen Lebensgefährten seien einander zur Gewährung von Mitbesitz an einer Wohnung oder an Hausratsgegenständen kraft Gesetzes verpflichtet (das verkennt wohl Oechsler in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, § 930 Rz. 21).
b) auch kein rechtsgeschäftlich begründetes Besitzmittlungsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin
Dass es zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu einer Vereinbarung gekommen ist, wonach der Beklagte künftig den Besitz als Fremdbesitz für die Klägerin mitteln sollte (etwa in Form einer schon im Vorfeld vereinbarten Leihe), konnte die Klägerin (nachdem der Beklagte dies bestritten hatte) nicht beweisen.
II. Ergebnis
Die Klägerin ist nicht Eigentümerin des Mercedes geworden. Ihr steht deshalb kein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB gegen den Beklagten zu.
C. Fazit
Ein überschaubarer Fall, der sachenrechtliches Grundlagenwissen (§§ 929 ff. BGB) mit dem nach wie vor aktuellen Institut der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft verknüpft. Für Examenszwecke lässt sich der Sachverhalt leicht anreichern, zum Beispiel durch den Einbau weiterer sachenrechtlicher Probleme auf der ersten Stufe (Erwerb des Mercedes durch den Beklagten).
Wird nach weiteren Ansprüchen der Klägerin gefragt, ist ein Anspruch auf Übereignung des Mercedes aus dem Schenkungsversprechen nach § 516 Abs. 1 BGB in den Blick zu nehmen. Dieser scheitert an der fehlenden notariellen Beurkundung (§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB), die auch mangels „Bewirken“ der versprochenen Leistung (zu einer Übereignung ist es ja gerade nicht gekommen) nicht gemäß § 518 Abs. 2 BGB geheilt wurde. Für § 861 Abs. 1 BGB fehlt es an einer verbotenen Eigenmacht (§ 858 BGB) des Beklagten.