Praktikum / Nebentätigkeit in einer Großkanzlei
Die Motivation
Viele Studenten haben den vagen (nicht näher erklärbaren) Traum, später mal als Big Shot in einer international agierenden Wirtschaftssozietät anzuheuern. Dies liegt vermutlich an den zahlreichen Grisham-Verfilmungen und an der äußerst intensiven Öffentlichkeitsarbeit der soeben benannten Kanzleien.
Wie die Arbeit, die Voraussetzungen und die Stimmung in solch einem Laden allerdings wirklich ist, bekommen nur die wenigsten von den zukünftigen Staranwälten mit. Dieser Artikel basiert auf meiner eigenen Einschätzung nachdem ich als Praktikant und auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter neben der Promotion bei unterschiedlichen Großkanzleien gearbeitet habe.
Voraussetzungen für die Bewerbung
Anhand der einschlägigen Werbeträger habt Ihr sicherlich schon erkannt, dass die Wirtschaftskanzleien exzellente Noten und auch sonstiges Engagement bevorzugen. Das ist allerdings nur teilweise richtig. Es kommt regelmäßig auf die konkrete Lage auf dem Arbeitsmarkt an. Angebot und Nachfrage regieren hier.
Sofern man als Praktikant eingestellt werden möchte, muss sicherlich ein ganz ordentlicher Notenschnitt vorhanden sein. Andererseits gibt es aber auch sehr viele solcher Kanzleien mit entsprechenden Praktikantenprogrammen. Bei den renommiertesten Kanzleien gibt es in dieser Sparte sicherlich mehr Bewerber als freie Praktikatenplätze. Bei Bewerbungen bei mehreren Sozietäten sollte man jedoch auch die second and third tier Kanzleien beachten, die im Hinblick auf die Tätigkeit kaum ein anderes Programm bieten und die in puncto persönlicher Betreuung mitunter sogar mehr zu bieten haben können. Dies lässt sich allerdings schwer verallgemeinern. Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass wenn man ein Praktikumsplatz haben möchte, man auch einen bekommen kann.
Bei den Plätzen als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Anwalt sieht es allerdings schon anders aus. Prädikatsexamina sind hier tatsächlicher eher Pflichtprogramm. Ausnahmen werden trotz allem – gerade bei hoher Nachfrage – immer wieder gemacht, so dass man auch mit einer drei nicht unbedingt den Kopf in den Sand stecken muss.
Tätigkeit
In der Regel wird man als Mitarbeiter in solche einer Sozietät für die Anfertigung von sog. Vermerken eingesetzt. Hierbei handelt es sich um spezifische Rechtsfragen, die ähnlich dem Gutachtenstil gelöst werden müssen. Auch bei der Arbeit an Aufsatzprojekten fällt häufig einiges für Praktikanten oder WissMits an.
Von der Verantwortung der Aufgaben lässt sich sagen, dass Ihr meist mit Aufgaben betreut werdet, die in einem längeren Zeitfenster zu erledigen sind. Sofern Ihr dann ordentlich performed und Anerkennung geerntet habt, könnt Ihr natürlich auch mit mehr Verantwortung belastet werden.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Arbeit für die WissMits und Praktikanten doch sehr wissenschaftlich abläuft. Aufwendige Literaturrecherchen oder argumentative Abstimmung von Schriftsätzen gehören zum Standardprogramm. Mit dem Wissen vom Studium und vom Examen kann man hier meist ausreichend klar kommen. Stationsreferendare oder sogar neue Associates wissen in ihrem eigenen Rechtsgebiet meist kaum mehr als ihr; wenn dann der Schwerpunkt noch in die jeweilige Fachrichtung ging, kann man mit anspruchsvollen Aufgaben nach kurzer Zeit rechnen.
Arbeitsbelastung
In der Regel kann man sagen, dass Ihr als Praktikant/WissMit schon bis minimum 18:30 oder sagen wir eher nach 19:00 bleiben müsst. Der Tag ist also gelinde gesagt gegessen. Die Anwälte arbeiten im Schnitt bis minimum 20:00 oder sagen wir doch eher 21-22:00.
Geld
Finanziell kann man sagen, lohnen sich Großkanzleien – sofern man nicht als Anwalt angestellt ist – nicht so sehr. Bei einem Praktikum bekommt man zwar immerhin in der Regel eine Praktikantenvergütung. Die Höhe des Gehalts hält sich dabei aber auch eher in Grenzen.
Als WissMit oder Stationsreferendar bekommt man zwar schon ganz ordentlich Geld. Andererseits arbeitet man dafür aber auch sehr viel. Im Schnitt kann man somit behaupten, dass man an der Uni beinahe genausoviel verdienen kann. Man sollte sich also nicht unbedingt wegen dem Geld für diese Läden interessieren, sofern man noch kein Anwalt ist – das fachliche Interesse und die Neugier sollten deshalb die einzigen Aspekte sein, die einen leiten – reich wird man hierdurch während oder nach dem Studium also nicht.
Soll man es machen?
Wie immer – es kommt darauf an. Ihr solltet nicht denken, dass die Kanzleien mit dem Angebot von Praktikantenstellen und Nebentätigkeiten keine eigennützigen Motive verfolgen. Zum ersten geht es ihnen ganz klar um die Akquise von neuer Manpower! Die Kanzleien wollen euch binden und versorgen euch deshalb u.U. mit Fingerfood-Events und sonstigen Sportaktivitäten, die allesamt sehr schick sind und viel Geld kosten.
Von diesen Nebensächlichkeiten solltet Ihr euch aber nicht blenden lassen. Entweder Ihr mögt das Arbeitsambiente oder nicht. Wenn Ihr bis 21:00 im Office abhängen müsst, Sachen tut, die euch nicht interessieren und obendrein vom überarbeitetem Associate ohne social-life angeschissen werdet, lohnt das alles nicht. Deshalb ist es ganz wichtig, beim Vorstellungsgespräch auszuchecken, ob Ihr mit den Leuten klar kommen könntet. Das ist nicht bloß so daher gesagt – wenn Ihr die Leute mies findet, sucht euch lieber eine andere Stelle. Bei mir persönlich hatte ich immer sehr viel Glück mit meinen Chefs – aber andere sind je nachdem nicht so glimpflich davon gekommen.
Fazit
Alles in allem sind die Großkanzleien auch nur normale Arbeitgeber wie jeder andere sonst. Man sollte sich jedoch von dem vielen Glitzerlicht nicht blenden lassen, sondern muss sich selbst ein Urteil bilden.
Auch Studenten, die meinen, sie wollen nicht die kapitalistische Schiene fahren und deshalb auf keinen Fall eine M&A-Bude besuchen, sollten sich informieren. Es gibt practice-groups wie Umweltrecht, Ö-Recht, Litigation, die mit dem Stereotyp des Kapitalistenanwalts nicht unbedingt vereinbar sind. Man sollte es dann evt. wirklich einfach mal ausprobieren.
Eine Anmerkung dazu: An der Uni verdient man zumindest als wissenschaftlicher Mitarbeiter (Entgeltstufe E13) pro Stunde deutlich mehr als bei einer Kanzlei: Selbst bei Entgeltstufe 1 mehr als 19 € Bruttostundenlohn.
Dass man an vielen Lehrstühlen natürlich mehr Stunden arbeitet, als bezahlt werden, ist klar; aber auch viele Kanzleien bezahlen ja nur pauschal „pro Tag“. Außerdem hat man an der Uni Anspruch auf Weihnachtsgeld, bezahlten Urlaub usw – anders als bei manchen Kanzleien,wo man als freier Mitarbeiter (d.h. Selbstständiger) angestellt wird.
Danke für den Beitrag. Muss das aber in diesem schrecklichen Stil abgefertigt werden? „Performed“? Den Ausdruck „Auschecken“ kannte ich auch bisher nur vom Flughafen.:)
Liebe Franziska,
das ist der jüngere Werkmeister. Im Jahr 2032 wird man ihm hierfür den Nobelpreis verleihen. 😉
Hoffentlich hilft Dir der Inhalt trotzdem weiter.
mich würde genauer, die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei interessieren- genauer: welche genauen Tätigkeiten fallen an bzw wie anspruchsvoll ist eine solche?
Das kann man leider nicht pauschal sagen. Das hängt sehr stark von dem jeweiligen Arbeitsumfeld ab. Derartige Fragen sollte man dann am besten im Vorstellungsgespräch äußern.
Wenn du Pech hast, musst du Dokumente in nicht enden wollenden Datenräumen sichten….der absolute Horror!
Ja und das Ganze wird dann hochtrabend als „Due Dilligence“ bezeichnet…
In der Regel werden das zunächst juristische Hilfs- und Kandarrendienste sein. Hat man sich bewährt, werden einem in der Regel verantwortungsvollere Aufgaben übertragen (Vermerke schreiben, Textbausteine für Schriftsätze anfertigen, Verfassen von wissenschaftlichen Abhandlungen.. etc.).
Es heißt: „wegen des Geldes“. Die Sprache ist das Handwerkszeug eines jeden Juristen. Zumindest den Genitiv sollte man auf der Kette haben.