Die Schwarzarbeit geht weiter: Neue Konstellation für das Examen
Einführung in die Thematik
„Schwarzarbeit“ ist nicht nur in der Praxis, sondern auch in Klausuren häufig Gegenstand der Diskussion. Seit dem Urteil des BGH (NJW 2013, 3167) steht fest, dass „Schwarzarbeit“ für beide Parteien ein böses Ende nehmen kann: Gewährleistungs- und Honorarforderungen sind künftig nur unter sehr schwierigen Voraussetzungen möglich, wenn nicht gar ausgeschlossen. Diese Rechtsprechung führt das OLG Stuttgart (NJW 2016, 1394) nun fort und entscheidet über die Reichweite einer „Ohne-Rechnung-Abrede“, wenn sie nachträglich getroffen wurde.
Entscheidung des Gerichts
Ein anfangs wirksam geschlossener Vertrag wurde durch einen Änderungsvertrag modifiziert. Teile des Änderungsvertrags wurden „schwarz“ bezahlt. Inwiefern wirkt sich die „Ohne-Rechnung-Abrede“ des Änderungsvertrags auf den ursprünglichen Vertrag aus?
Sie macht auch den ursprünglichen Vertrag nichtig, meint das OLG Stuttgart:
„Die Berufung des Bekl. hat aber deswegen Erfolg, weil der Architektenvertrag gem. § 134 BGB nichtig ist, so dass der Klage der Erfolg versagt bleibt.
1 II Nr. 2 SchwarzArbG enthält das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrags, wenn dieser Regelungen enthält, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich aufgrund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Das Verbot führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrags, wenn der Unternehmer vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt (BGH, NJW 2015, 2406 = NZBau 2015, 551 = NZA 2015, 941 = NZM 2015, 705 Rn. 10; BGHZ 198, 141 = NJW 2013, 3167 = NZBau 2013, 627 = NZM 2013, 689 Rn. 13). (NJW 2016, 1394, beck-online).“
Die Frage ist zwischen Literatur und Rechtsprechung umstritten. Das OLG Stuttgart sieht sich insbesondere durch die o. g. BGH Rechtsprechung gestärkt:
„Auch der Umstand, dass die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch keine „Ohne-Rechnung-Abrede“ getroffen und damit zunächst einen wirksamen Vertrag abgeschlossen hatten, führt zu keiner anderen Bewertung.
Nicht gefolgt werden kann dem erstinstanzlichen Urteil und der in der Literatur (vgl. Lorenz, NJW 2013, 3132 [3134]; Jerger, NZBau 2014, 415 [417]) vertretenen Ansicht, dass allein der Abänderungsvertrag gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen würde und nach § 134 BGB nichtig sei und damit der Vertrag in seiner ursprünglichen Form zum Zeitpunkt vor der „Ohne-Rechnung-Abrede“ wieder auflebt. Die nachträgliche Abrede, einen Teilbetrag ohne Rechnung zu zahlen, gestaltet vielmehr den ursprünglichen wirksamen Werkvertrag um mit dem Inhalt, den er durch die „Ohne-Rechnung-Abrede“ gefunden hat. Eine isolierte Betrachtung der „Ohne-Rechnung-Abrede“ berücksichtigt nicht hinreichend ihren verfolgten Zweck, den ursprünglich geschlossenen Vertrag an die neu vereinbarten Konditionen anzupassen und damit abzuändern. Der nachträglichen Schwarzgeldabrede ist vorliegend auch ein unmittelbar auf den anfänglichen Vertrag gerichteter (Teil-)Aufhebungskonsens immanent, mit welchem die Parteien den Architektenvertrag insgesamt in den Anwendungsbereich des § 134 BGB geführt haben (vgl. hierzu Popescu, ZfBR 2015, 3 [5]).
Darüber hinaus würde ein Verständnis, das die Nichtigkeit auf die nachträgliche Abrede begrenzt, der ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers, die Form der Schwarzarbeit in Gestalt von „Ohne-Rechnung-Geschäften“ wirkungsvoll zu bekämpfen, zuwiderlaufen.
Der BGH hat klargestellt, dass das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in der Fassung vom 23.7.2004 ausweislich § 1 I SchwarzArbG der Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit dient und dass die Novellierung des Vorgängergesetzes ausschließlich eine Verschärfung der gesetzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit bewirken sollte (BGHZ 198, 141 = NJW 2013, 3167 = NZBau 2013, 627 = NZM 2013, 689 Rn. 17). Schon die frühere Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit erforderte, dass Verträge, die den Ordnungswidrigkeitstatbeständen zu Grunde lagen, bei bestimmter Beteiligung beider Vertragspartner nichtig waren. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Rechtsfolge nunmehr mit dem neuen Gesetz nicht mehr eintreten sollte.
Das Gesetz will nicht nur den tatsächlichen Vorgang der Schwarzarbeit eindämmen, sondern im Interesse der wirtschaftlichen Ordnung den zu Grunde liegenden Rechtsgeschäften die rechtliche Wirkung nehmen (BGHZ 198, 141 = NJW 2013, 3167 = NZBau 2013, 627 = NZM 2013, 689 Rn. 17, MüKoBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 77). Wer das im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz enthaltene Verbot bewusst missachte, solle nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und veranlasst werden, das verbotene Geschäft nicht abzuschließen (vgl. BGHZ 201, 1 = NJW 2014, 1805 = NZBau 2014, 425 = NZA 2014, 784 = NZM 2014, 596 Rn. 27; BGHZ 118, 182 [193] = NJW 1992, 2557). Mit diesem Schutzzweck des Gesetzes wäre es gerade nicht vereinbar, die nachträgliche „Ohne-Rechnung-Abrede“, die das vertragliche Synallagma insgesamt umgestalten soll, isoliert zu betrachten und der vom Gesetzgeber missbilligten Vorgehensweise der Vertragsparteien nur deswegen Wirksamkeit zuzusprechen, weil der Abschluss des Architekten- oder Werkvertrags und die „Ohne-Rechnung-Abrede“ zeitlich auseinanderfallen, die Vertragsparteien sich also erst zu einem späteren Zeitpunkt bewusst für die Illegalität entscheiden. Eine solche einschränkende Anwendung der Nichtigkeitsfolge würde den Vertragspartnern die Möglichkeit eröffnen, erst (möglicherweise kurz) nach Vertragsschluss eine Schwarzgeldabrede zu treffen und dadurch den Werkvertrag zu „retten“.“
Auswirkungen auf das Examen
„Schwarzarbeit“ ist stets Gegenstand von zivilrechtlichen Klausuren in beiden Examina. Das verwundert wenig, da sich Ansichten und Argumente in der näheren Vergangenheit gewandelt haben. Das Urteil des OLG Stuttgart führt die neuere Rechtsprechung des BGH fort, bleibt aber nicht unbestritten. Die Einkleidung des Sachverhalts und die Auseinandersetzung mit dem Umfang der Nichtigkeit laden ein, Teil juristischer Prüfungen zu werden.
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