Der Poststreik oder Zugang von Willenserklärungen
Seit einiger Zeit streiken die Zusteller der Deutschen Post. Grund genug für uns, sich einmal mit absolutem Basiswissen zu befassen: dem Zugang von Willenserklärungen.
1. Die Willenserklärung
Zunächst einmal gilt es, den Begriff der Willenserklärung näher zu definieren:
Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines privaten Willens, der unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung (einer Rechtsfolge) gerichtet ist. Bestandteile: Handlungswille, Erklärungsbewusstsein (str.), Geschäftswille (- vgl. 119 BGB). Zur Bestimmung des Inhalts bedarf es der Auslegung. (Diese und weitere Definitionen des BGB findet ihr hier in unserem Grundlagenbeitrag.)
2. Ohne Willenserklärungen kein Vertragsschluss
Sodann stellt sich die Frage der Funktion von Willenserklärungen. Im Grunde gilt, dass die allermeisten Verträge zwischen zwei oder mehreren Parteien zwei übereinstimmender Willenserklärungen bedürfen, dem Angebot und der Annahme.
Beispiele:
A bietet B einen PKW im Wert von 5.000 € an. – B stimmt zu. Ein Kaufvertrag über den PKW wurde erfolgreich geschlossen.
A bietet B einen PKW im Wert von 5.000 € an. – B möchte lediglich 3.000 € zahlen. Es fehlt an der inhaltlichen Übereinstimmung der beiden Erklärungen, sodass kein Kaufvertrag zu Stande gekommen ist.
Es gibt auch Fälle, in denen auch eine Willenserklärung genügt. Es handelt sich dabei um sog. einseitige Rechtsgeschäfte. Hierbei wird zwischen den empfangsbedürftigen, also Kündigung, Rücktritt, Anfechtung und den nicht empfangsbedürftigen Rechtsgeschäften, nämlich Auslobung, Erbschaftsannahme- und Ausschlagung, Eigentumsaufgabe unterschieden. Im Übrigen gibt es auch solche Rechtsgeschäfte, die einem Amt gegenüber abzugeben sind, sog. amtsempfangsbedürftige Rechtsgeschäfte (z.B. Eigentümergrundschuld gem. § 1196 II BGB).
Beispiele:
A hat von B eine Wohnung gemietet. A möchte ausziehen und kündigt daher form- und fristgerecht per Post. Geht B der Brief mit der Kündigung zu, wird sie wirksam und das Mietverhältnis nach entsprechender Zeit gekündigt.
A lobt in Hamburg eine Belohnung von 500 € für den Finder seiner Katze aus. Mit der Bekanntmachung der Belohnung wird dieses Rechtsgeschäft wirksam. Der Finder der Katze kann nun von A die Belohnung verlangen.
3. Zugang von Willenserklärungen
Fraglich ist jetzt nur noch, wann die entsprechenden Willenserklärung ihre Wirksamkeit entfaltet, wenn der Empfänger sie nicht direkt in Empfang nimmt, also abwesend ist.
Gemäß § 130 I 1 BGB wird eine Willenserklärung unter Abwesenden dann wirksam, wenn sie dem Empfänger zugegangen ist. Zugegangen ist sie dann, wenn die Willenserklärung in verkehrsüblicher Weise derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass die Kenntnisnahme durch den Empfänger möglich ist, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem nach den Gepflogenheiten des Verkehrs die Kenntnisnahme zu erwarten ist (siehe ebenfalls hier).
Sprich, die Kündigung des oben angesprochen A wäre dann zugegangen und somit wirksam, wenn sie in den Briefkasten des B geworfen würde. Allerdings erst in dem Zeitpunkt, in dem nach den Gepflogenheiten des Verkehrs damit gerechnet werden kann, das B die Post entnimmt. Sonntags oder Nachts kann hiermit z.B. nicht gerechnet werden
5. Streikbedingte Verzögerung
Was passiert aber, wenn der Brief des A deswegen nicht rechtzeitig zugestellt werden kann, weil die Zusteller der Post streiken und der Postverkehr daher zum Stillstand gekommen ist.
Die Beweislast trifft im Falle des Zugangs von Willenserklärungen, denjenigen der sich darauf beruft (statt aller OLG Saarbrücken NJW 2004, 2908, 2909). Es genügt allerdings nicht, sich darauf zu berufen, man habe den Brief bei der Post abgegeben, um den rechtzeitigen Zugang zu begründen.
Wird also eines der Postzustellungsunternehmen bestreikt, ist daher Vorsicht geboten. Das Streikrisiko fällt in die Sphäre des Absenders. Somit sollte im Zweifel die Willenserklärung eigenhändig zugestellt werden oder auf ein anderes Unternehmen ausgewichen werden.
5. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand?
Denkbar wäre jedoch, sich über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 ZPO zu retten. Hiernach kann ein unverschuldetes Versäumen einer Notfrist oder der Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 I ZPO einzuhalten.
Diese Aufzählung ist jedoch grundsätzlich abschließend (BGH NJW 1991, 229, 230) sodass sich A bei seiner Kündigung nicht hierauf berufen kann.
Handelt es sich allerdings um eine der genannten Fristen, stellt sich sodann die Frage des Verschuldens. Abzustellen ist dabei auf das objektive Kriterium der allgemein zu erwartenden Sorgfalt einer Prozesspartei (Wendtland in: BeckOK ZPO, § 233, Rn.10, Stand: 10.01.2015).
Wenn die Prozesspartei schon bei Absendung darüber informiert ist, dass das betreffende Unternehmen bestreikt wird, sollte ihr dies auch entgegengehalten werden, da sie die Verzögerung durchaus hätte vermeiden können.
Weniger eindeutig ist jedoch der Fall, wenn die Partei bei Absendung nicht über den Streik Bescheid wusste bzw. nicht darüber Bescheid wissen konnte. Im Grundsatz gilt, dass die Partei auf die Zuverlässigkeit der Postdienste vertrauen darf (BVerfG NJW 1992, 38). Mithin wäre der Weg zur Wiedereinsetzung eröffnet. Dies gilt allerdings dann nicht mehr, wenn die Prozesspartei die Frist bis zum letzten Moment ausschöpfen will. Dann treffen sie besondere Sorgfaltspflichten (Wendtland in: BeckOK ZPO, § 233, Rn.11, Stand: 10.01.2015), die ein Verschulden und somit den Ausschlus des § 233 ZPO begründen können.
Der Artikel ist mit dem Google Chrome Browser nicht aufrufbar. Es erscheint nur eine weiße Seite.