BGH: Zur Darlegungslast bei Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch Partylärm
In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des BGH (Urteil v. 29.02.2012 – Az. VIII ZR 155/11) geht es um die Frage, was der Mieter vor Gericht vorbringen muss, um geltend machen zu können, dass die von der Nachbarwohnung ausgehenden Störungen zu einer Mangelhaftigkeit der Mietsache im Sinne von § 536 BGB führen. Die Entscheidung ist für Referendare besonders interessant.
Sachverhalt (vereinfacht)
M wohnt schon seit längerem in einem 6-Parteien-Mietshaus des V in Berlin. Nach Auszug des Mieters X, der ebenfalls länger dort gewohnt hatte, beschließt V die Wohnung in Zukunft vollständig möbliert an Touristen zu vermieten. Zielgruppe sind insbesondere jüngere Besucher, die die Freuden der Großstadt entdecken wollen. Die maximale Mietdauer beträgt dabei im Durschnitt 5-7 Tage. Eine Rezeption für den Empfang der Gäste existiert nicht, diese wird von der Tochter des V jeweils bei Eintreffen abgewickelt.
M fühlt sich durch die jugendlichen Stadttouristen gestört. Zu Unzeiten käme es nicht nur zu lauten Geräuschen im Treppenhaus und vor dem Gebäude, sondern die angemieteten Räumlichkeiten würden von den Jugendlichen auch für laute Parties genutzt werden. Der hiermit verbundene Lärm sei unerträglich und damit die Miete mindestens um 15 % zu mindern. M habe – was zutrifft – auch Notizen über die Vorgänge im Haus gemacht. Überdies sei es schon rechtswidrig, dass V – entgegen der bisherigen Gewohnheiten – keine Langzeitvermietungen mehr mache. Das Haus sei doch kein „Hotel“.
V hält die Äußerungen des M für völlig überzogen. In einem Mietshaus mit 6 Parteien seien „Geräusche“ eben nicht zu vermeiden und lägen „in der Natur der Sache“. Selbst wenn es zu lauten Geräuschen käme, müsse M dies zumindest mittels eines Protokolls oder einer ähnlichen Aufstellung detailliert und nachvollziehbar geltend machen.
Rechtslage?
Kurzzeitige Vermietung der Nachbarwohnung keine Beeinträchtigung
Eine Frage, die man vorab aufwerfen könnte, wäre, ob der M möglicherweise eine Mietminderung damit begründen könnte, dass V die frei gewordene Wohnung ab jetzt nur noch für jeweil kurze Zeit an Touristen vermietet statt, wie gewohnt, an „normale“ Mieter über einen längeren Zeitraum. Immerhin könnte sich ein ununterbrochenes „Kommen und Gehen“ fremder Leute störend auf die übrigen Mieter auswirken. Dem tritt der BGH hier jedoch entgegen.
Denn die Überlassung an Feriengäste führt nicht zwangsläufig zu Beeinträchtigungen der übrigen Mieter, die über das Maß von Störungen hinausgehen, die bei einer Wohnnutzung typischerweise zu erwarten und in einer Wohnanlage mit vielen Parteien kaum zu vermeiden sind. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, wie die konkrete Nutzung durch Feriengäste ausgestaltet ist. Auch bei der – vergleichbaren – Frage der Vermietung an Feriengäste innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich, inwieweit durch die konkrete Art der Ausgestaltung der Vermietung an Feriengäste über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil entsteht. Im Rahmen der – ähnlich gelagerten – Frage, ob der Wohnraummieter im Einzelfall vom Vermieter die Gestattung einer teilgewerblichen Nutzung verlangen kann, stellt der Senat ebenfalls entscheidend auf die konkrete Ausgestaltung der Nutzung ab, insbesondere ob sie so organisiert ist, dass von einem etwaigen Publikumsverkehr keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzun.
Kurzzeitige Störungen durch Streitigkeiten zwischen den Bewohnern oder gelegentliche Feiern sind nach einhelliger Auffassung in einem Mehrfamilienhaus als sozialadäquat hinzunehmen und keine Sachmangel im Sinne von § 536 BGB. Im konkreten Fall übertrafen die geltend gemachten Störungen aber den sozialadäquaten Rahmen bei weitem. Für die Einzelheiten sei auf Rn. 13 der Entscheidung verwiesen.
Mieter muss Störungen nicht protokollieren
Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass das Berufungsgericht gegen den Grundsatz des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) verstoßen hat, wenn es den Mieter darauf verweist, dass er zu den Störungen im Einzelnen nicht ausreichend (substantiiert) vorgetragen hat. Die Vorinstanz hätte das Vorbringen würdigen müssen. Der BGH äußert sich diesbezüglich ganz grundsätzlich:
Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten.
Sehr instruktiv führt der BGH weiter aus:
Da die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes eintritt, genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht vorzutragen. Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm oder Schmutz ist deshalb die Vorlage eines „Protokolls“ nicht erforderlich. Vielmehr genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen (Partygeräusche, Musik, Lärm durch Putzkolonnen auf dem Flur o.ä.) es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Dies gilt erst recht, wenn die Umstände – hier insbesondere die Ausrichtung der Touristenwohnungen auf ein junges Publikum, Fehlen einer ständig besetzten Rezeption, Angebot von „Aufbettungen“ – das Auftreten derartiger Beeinträchtigungen ohnehin nahelegen.
Fazit
Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist vor allem Gegenstand von Prüfungen im zweiten Examen. Die obige Entscheidung ist ein weiterer Baustein, der abgeprüft werden könnte. Darüber hinaus ist das Konzept der privaten „Kurzzeitvermietung“ schwer im Kommen und deshalb von der Aktualität der Thematik her bereits ein guter Aufhänger.
Ich soll einen Kommentar hinterlassen … nun gut. Eigentlich fällt mir nichts ein. Ich finde das alles sehr interessant, bin mir aber nicht sicher, ob ich es verstehe. Ein faszinierendes Gebiet.
Viele liebe Grüße aus dem Sauerland
Renate
Gelten diese Grundsätze auch für Baulärm, welcher nicht vom Vermieter verursacht wird. Manche Gerichte sehen hier nämlich umfangreiche Protokollierungspflichten für erforderlich.