Zivilrecht ZI – Februar 2015 – 1. Staatsexamen Rheinland-Pfalz, Thüringen
Vielen Dank für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der ersten gelaufenen Klausur im Zivilrecht des 1. Staatsexamens in Rheinland-Pfalz im Februar 2015.
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Sachverhalt
M ist Eigentümerin eines kleinen Museums, wo unter anderem eine Uhr im Wert von 50€ ausgestellt ist. B ist ihr Angestellter und beauftragt, die Ausstellungsstücke des Museums zu beaufsichtigen. 2003 nimmt B die ausgestellt Uhr mit nach Hause, obwohl er weiß, dass er dies nicht darf, denkt aber damit sein sowieso zu geringes Gehalt auszugleichen. M bemerkt nicht, dass die Uhr fehlt.
2004 verkauft B auf einem Flohmarkt die Uhr an den G, wobei er diesen informiert, dass er nicht Eigentümer der Uhr ist, sondern im Namen der M handelt. G ist redlich. M übergibt die Uhr an G mit den Worten „Sie soll nun dir gehören“.
2006 bemerkt die E die Uhr des G und möchte sie diesem Abkaufen. G behauptet wahrheitswidrig, er habe die Uhr in eine renommierten Uhrengeschäft erworben. E glaubt dies und kauft G die Uhr ab.
2015 bemerkt M den Verlust der Uhr und auch, dass es sich in Wahrheit nicht um ein nachgemachtes Stück handelt, sondern um eine Original „Ludwig“ Uhr, welche zu Preisen bis zu 5000€ gehandelt werden. Als B von dem wahren Wert der Uhr erfährt, empfindet er Reue und erzählt M von den Geschehnissen. Zusammen suchen sie nach der verbliebenen Uhr und finden sie 2015 bei E.
M verlangt von E die Uhr heraus und weist darauf hin, dass weder sie noch B davon gewusst haben, welchen Preis die Uhr in Wahrheit hatte. E lehnt dieses Verlangen ab und meint jedenfalls sei der Anspruch mittlerweile verjährt.
Frage 1: Kann M die Uhr von E heraus verlangen?
E ist von den Geschehnissen zutiefst schockiert und möchte wissen, ob sie gerichtlich gegen M vorgehen kann und möchte festgestellt haben, dass sie Eigentümerin der Uhr ist.
Frage 2: Hat die Klage der E Aussicht auf Erfolg?
A. Frage 1
Das Herausgabe der Uhr ist zu prüfen. Spannend ist zunächst 985, in welcher die sachenrechtliche Konstellation zu untersuchen ist.
I. 985, M von E
1. Besitzer E
Ist er unproblematisch.
2. Eigentümer M
a. Ursprünglich
Jedenfalls als das Teil noch um Museum war.
b. Verlust durch Wegnahme des B
Es fehlt bereits am Rechtsgeschäft zur Eigentumsübertragung.
c. Verlust durch Rechtsgeschäft B an G
aa. 929
Zwar Einigung über den Eigentumsübergang, aber keine Berechtigung des B. (Genehmigung im Sinne von 185 liegt natürlich auch vor).
bb. 929, 932
Erster Schwerpunkt der Klausur. Gezeigt werden muss, dass mit 932, 855 sicher umgegangen werden kann.
G ist redlich und sein guter Glaube grundsätzlich geschützt. Auch sonst liegen die Voraussetzungen von 932 vor. 932 II kann angesprochen werden, muss aber wohl verneint werden.
Entgegenstehen könnte aber 935 I. Dazu müsste die Sache Abhandengekommen sein. Hier ist dann zu problematisieren, ob M nicht vielleicht ihren Besitz gegenüber B freiwillig aufgegeben hat. B ist aber ohnehin nur als Angestellter der M Besitzdiener im Sinne von 855. G hat ihren Besitz also gar nicht aufgegeben.
Fraglich wäre sodann, ob die unzweifelhaft freiwillige Besitzaufgabe ihres Besitzdieners der G zuzurechnen wäre. Da es nach 855 aber nur auf den Willen des tatsächlichen Besitzers ankommt, ist das das zu verneinen.
Im Ergebnis verliert M den Besitz also nicht freiwillig, so dass die Sache abhandengekommen ist und nicht gutgläubig erworben werden kann.
d. Verlust durch Rechtsgeschäft G an E
Vorausstzungen 929, 832 liegen wieder vor. Kurz festzustellen war, dass die Lüge des E über die Herkunft der Uhr zwar eventuell eine Anfechtung begründet, dem Rechtsgeschäft aber ohne Weiteres nicht gegensteht. Insbesondere sind hier wohl keine Pflichten aus 932 II verletzt.
So dann steht dann wieder 935 I entgegen. Hier war nur wichtig zu wissen, dass 935 II auch für Zweit-, Dritt- oder sonstigen Folgeerwerb gilt.
e. 937
Schon das sehen oder kennen der Vorschrift dürfte hier hilfreich gewesen sein. In jedem Fall bedarf die Ersitzung 10 Jahre lang des Eigenbesitzes. Eigenbesitz haben wir, aber nur maximal 9 Jahre. Ein Erwerb über 937 findet nicht statt.
e. Ergebnis
E ist Eigentümerin geblieben.
3. Recht zum Besitz
Bestimmt sich nach 986 und muss gegenüber der Eigentümerin wirksam sein. Hier nicht zu erkennen.
4. Verjährung
Anspruch der M könnte aber wg. Verjährung gehemmt sein. Einrede ist unproblematisch erhoben, aber greift sie auch? Verjähren können auch dingliche Ansprüche, Ansprüche aus Eigentum aber erst nach 30 Jahren wg. 197 I Nr. 2. Anspruch also nicht verjährt.
5. Ergebnis
Anspruch aus 985 greift bereits.
II. Anspruch 1007 II
Greift hier ebenfalls unproblematisch. Muss halt kurz subsummiert werden. Die Probleme die die Norm ebenfalls gehabt hätte sind bereits in 985 abgearbeitet.
(III. Ansprüche wg. verbotener Eigenmacht
Greifen hier evident nicht.)
IV. Kondiktionsrechtliche Ansprüche
Ansprüche der E würden sich nur gegen den Ersterwerber richten, da hier 822 nicht greifen dürfte.
V. Ergebnis
Anspruch auf Herausgabe aus 985 und auf Wiedereinräumung des Besitzes aus 1007 II.
B. Zweite Frage
Die materiellrechtliche Frage ist schon geklärt, Schwerpunkt liegt daher auf der prozessrechtlichen Frage.
I. Eröffung des ordentlichen Rechtsweges
Nach 13 GVG den Zivilgericht zugeordnet.
II. Zulässigkeit
Statthafte Klageart ist hier die Feststellungsklage. Das muss hier kurz deutlich gemacht werden, obwohl das sonst im Zivilrecht kein interessanter Punkt ist, weil es doch fast immer die Leistungsklage ist ist.
So dann muss das sachlich richtige Gericht gefunden werden. Grundsätzlich das Landgericht, weil der Streitwert hier aber weniger als einschließlich (sic!) 5000 Euro ist, das Amtsgericht, 23 GVG. Örtlich wäre allgemein am Wohnsitz der M zu klagen, 13 ZPO. Es fehlen aber Angaben hierzu.
Zuletzt müsste hier das Feststellungsinteresse der ZPO erläutert werden, 256 I ZPO. Es genügt jedes tatsächliche rechtliche Interesse, jedes vermögenswerte Interesse aber nicht. Der Feststellungsantrag muss geeignet sein, eine rechtliche Unsicherheit zu beseitigen (ist er) und der Kläger muss ein Interesse daran haben, dies baldig festzustellen. Das ist hier nicht ganz unproblematisch, da zu erwarten ist, dass M hier baldig Leistungsklage erheben wird. Kann sicher in beide Richtungen argumentiert werden. In jedem Fall muss eine tatsächliche Unsicherheit zu klären sein und das hier schlichtweg nicht der Fall, jedenfalls wird das besondere Interesse an finaler Sicherheit über die Eigentumsverhältnisse am Gegenstand nicht deutlich gemacht. Es spielt für E schlichtweg keine Rolle, ob er die Leistungsklage abwartet oder mit Feststellungsklage dies früher klären lässt. Daher fehlt das Festellungsinteresse hier im Ergebnis.
(III. Begründetheit
Wer denn die Zulässigkeit bejaht kann sich bei der Begründetheit auf einen Verweis nach oben begnügen).