VG Trier zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit bei Waffengebrauch unter Alkoholeinfluss
Das VG Trier befasste sich mit Urteil vom 20.10.2022 (2 K 1675/22) mit der Frage, ob eine Person, die unter Alkoholeinfluss eine rechtmäßig von ihr besessene Schusswaffe gebrauchte, noch „zuverlässig“ im Sinne des Waffenrechts ist. Das Waffenrecht gehört nicht zum Kernbereich des examensrelevanten Verwaltungsrechts. Trotzdem weckt der Begriff der „Zuverlässigkeit“ womöglich bereits Assoziationen zum Gewerberecht (etwa § 35 Abs. 1 GewO). Der Fall spielt zwar in einem ungewohnten Rechtsgebiet, zeigt aber ein weiteres Mal, dass mit sauberer Subsumtionsarbeit auch unbekannte Fälle gelöst werden können. Daneben bietet er die Gelegenheit, sich einen Überblick über die wesentlichen Vorschriften des Waffenrechts zu verschaffen.
I. Der Sachverhalt
Im April 2021 kam es im Bereich des Wohnhauses des Klägers zu einem Polizeieinsatz. Der Kläger besitzt seit dem Jahr 1998 waffenrechtliche Erlaubnisse. Im Rahmen des Einsatzes vernahmen die Beamten zwei Knallgeräusche, wobei jedenfalls das letzte Geräusch einem Schuss zugeordnet werden konnte. Im Verlauf des Einsatzes ist der Kläger, der sich zuvor auf dem Dachboden seines Hauses befunden hat, unbewaffnet aus dem Haus herausgekommen und anschließend aufgrund der gegenüber der Polizei mitgeteilten Suizidankündigung in ein Krankenhaus gebracht worden. Ein in diesem Zusammenhang durchgeführter Atemalkoholtest hat einen Wert von 1,45 Promille ergeben. Im Rahmen der am gleichen Abend durchgeführten Durchsuchung des Hausanwesens wurden die Waffen sowie die waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse des Klägers sichergestellt. Sämtliche Waffen befanden sich in den beiden Waffenschränken, wobei ein vorgefundener Revolver gänzlich ungeladen und die Pistole „Walther P22“ unterladen war. Die Waffe war also teilweise geladen, wobei einige Patronen aus dem Magazin fehlten. Der beklagte Landkreis ging davon aus, dass der Kläger auf dem Dachboden gesessen und mit einer Waffe einen Schuss auf eine Vitrine abgegeben habe. Nach erfolgter Anhörung widerrief der Beklagte formell rechtmäßig die waffenrechtlichen Erlaubnisse, da der Kläger die waffenrechtliche Erlaubnis nicht mehr besitze.
Hiergegen legte der Kläger fristgemäß Widerspruch ein. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass er freiwillig ein fachpsychologisches Gutachten eingeholt habe aus dem hervorginge, wie gewissenhaft er und wie wichtig ihm die Klarstellung der Bewertung seiner Verhaltensweise sei. Der Sachverständige komme in dem Gutachten zu dem Ergebnis, dass er die Eignung und Zuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinne uneingeschränkt besitze. Von ihm gehe keine konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung aus. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück. Der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig, da er eine Waffe in erheblicher Weise missbräuchlich verwendet habe, indem er stark alkoholisiert (1,45 Promille) auf dem Dachboden seines Hauses mit seinem Revolver mehrere Schüsse durch eine Vitrine und eine Wand in einen im angrenzenden Raum stehenden Schrank abgegeben habe. Das vom Kläger beigebrachte Gutachten widerlege die anzustellende Prognose nicht. Das beigebrachte Gutachten sei nicht geeignet, die Prognose zu entkräften, weil darin die Bejahung der Eignung des Klägers hauptsächlich auf nicht weiter nachprüfbare Aussagen gestützt worden sei. Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich zudem heraus, Dritte Zugang zu dem Wohnhaus des Klägers hatten, als er die Schüsse abgab. Gegen den ablehnenden Bescheid erhob der Kläger eine Anfechtungsklage, die er wiederum damit begründete, dass das fachpsychologische Gutachten bestätige, dass er zuverlässig sei. Er habe keine Straftat begangen und es sei auch kein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden.
II. Die Entscheidung
Das VG Trier wies die Klage ab, der Widerspruchsbescheid sei rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Rechtsgrundlage für die Rücknahme sei § 45 Abs. 2 WaffG iVm. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG. Auch das VG Trier ging davon aus, dass der Kläger nicht zuverlässig im waffenrechtlichen Sinne sei. Denn vorsichtig und sachgemäß nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG gehe mit Schusswaffen nur derjenige um, der sie in nüchternem Zustand gebraucht und so sicher sein kann, keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu erleiden, die zu Gefährdungen Dritter führen können. Dem stehe auch das vom Kläger eingeholte Sachverständigengutachten nicht entgegen. Für die Frage, ob eine Person als waffenrechtlich zuverlässig anzusehen ist, sei die Hinzuziehung eines Sachverständigen grundsätzlich nicht erforderlich. Die zuständige Verwaltungsbehörde habe Verstöße gegen das Waffenrecht eigenständig festzustellen. Indem der Kläger unter Alkoholeinfluss stehend eine Schusswaffe gebrauchte, sei er das Risiko eingegangen, Dritte zu schädigen, zumal nach dem Einsatzbericht der Polizei weitere Personen Zugang zum Hausanwesen des Klägers hatten. Zwar handele es sich bei der Feststellung der Zuverlässigkeit um eine zukunftsbezogene Entscheidung. Es geht nicht darum, vergangenes Fehlverhalten zu sanktionieren, sondern darum, Gefährdungen in der Zukunft auszuschließen. Dabei können nach der Rechtsprechung „situative Nachlässigkeiten milderen Gewichts“ bei bloß einmaligem Auftreten noch toleriert werden. Ein solcher Fall liege aber nicht mehr vor, wenn eine Schusswaffe in einem Zustand gebraucht werde, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können.
Daneben stellte das VG Trier darauf ab, dass der Kläger die Waffe in geladenem Zustand aufbewahrte. Dies widerspricht § 13 Abs. 1, 2 Allgemeine Waffengesetz-Verordnung (AWaffV). „Ungeladen“ im Sinne der Norm bedeute, dass sich keine Patrone im Patronenlager oder im in die Waffe eingeführten Magazin befinden darf. Zwar dürfen Waffen und Munition im selben Behältnis aufbewahrt werden. Wenn die Waffe jedoch geladen sei, begründe dies jedoch einen Verstoß gegen eine elementare Pflicht im Umgang mit Waffen, was stets die Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffenrechts begründe.
Daneben stellte das VG Trier darauf ab, dass der Kläger die Waffe in geladenem Zustand aufbewahrte. Dies widerspricht § 13 Abs. 1, 2 Allgemeine Waffengesetz-Verordnung (AWaffV). „Ungeladen“ im Sinne der Norm bedeute, dass sich keine Patrone im Patronenlager oder im in die Waffe eingeführten Magazin befinden darf. Zwar dürfen Waffen und Munition im selben Behältnis aufbewahrt werden. Wenn die Waffe jedoch geladen sei, begründe dies jedoch einen Verstoß gegen eine elementare Pflicht im Umgang mit Waffen, was stets die Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffenrechts begründe.
III. Einordnung der Entscheidung
Das Ergebnis der Entscheidung ist nicht unvorhersehbar. Trotzdem lohnt sich die Lektüre der Entscheidung, um sich in einem unbekannten Rechtsgebiet zu orientieren. Das WaffG bietet Prüfungsämtern die Möglichkeit, in verwaltungsrechtlichen Klausuren und mündlichen Prüfungen bekannte Strukturen in einem unbekannten Rechtsgebiet zu prüfen. Ebenso wie im Bau- und im Gaststättenrecht stellt sich die Frage nach der Genehmigungsbedürftigkeit und –fähigkeit, sowie nach dem Widerruf einer Genehmigung. Der Widerruf ist rechtmäßig, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen, § 45 Abs. 2 WaffG. § 45 Abs. 1 WaffG ist dagegen der richtige Anknüpfungspunkt, wenn die Tatsachen, die zu der Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen nicht erst nachträglich eintreten, sondern bereits zu dem Zeitpunkt der Erlaubniserteilung vorlagen und nicht bekannt waren. Die Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung richten sich nach § 4 WaffG und werden in den folgenden Vorschriften jeweils konkretisiert. Besonders klausurrelevant ist das auslegungsbedürftige Tatbestandsmerkmal der „Zuverlässigkeit“ nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG. § 5 Abs. 1 WaffG nennt Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die betroffene Person die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, also absolute Unzuverlässigkeitsgründe. Abs. 2 nennt dagegen Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die betroffene Person die erforderliche Zuverlässigkeit „in der Regel nicht besitzt“, also relative Unzuverlässigkeitsgründe.
Im hiesigen Fall kommt es entscheidend auf den absoluten Unzulässigkeitsgrund nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG an. Für die Unzuverlässigkeit des Klägers kommen dabei zwei Anknüpfungspunkte in Betracht: Zum einen der Gebrauch einer Schusswaffe unter Alkoholeinfluss, zum anderen das Aufbewahren einer geladenen Schusswaffe. In der Fallbearbeitung bietet es sich an, am Anfang der Prüfung deutlich zu machen, dass verschiedene Anknüpfungspunkte in den Blick genommen werden, wenngleich die Zukunftsprognose eine Gesamtschau aller Umstände erforderlich macht. Soweit das VG Trier die Unzuverlässigkeit des Klägers damit begründete, dass er unter Alkoholeinfluss eine Schusswaffe gebrauchte, überzeugt dies. Zwar hielt sich der Kläger zu dem Zeitpunkt des Schusswaffeneinsatzes in seinem Wohnhaus auf. Dennoch konnte nicht ausgeschlossen werden, dass Dritte das Grundstück des Klägers betreten. Angesichts der erheblichen Gefahr, die von einer Schusswaffe in den Händen einer unter Alkoholeinfluss stehenden Person ausgeht, ist es überzeugend, für die Unzuverlässigkeit schon die Wahrscheinlichkeit ausreichen zu lassen, dass das Haus von Dritten betreten wird. Aufseiten des Klägers ließe sich argumentieren, dass dieser bereits seit 1998 waffenrechtliche Erlaubnisse besitzt, ohne dass es zu derartigen „Zwischenfällen“ gekommen war. Schließlich könnte es sich um einen Einzelfall handeln, während die Zuverlässigkeit des Waffenbesitzers zukunftsbezogen zu beurteilen ist. Dennoch darf die Schwere des Verstoßes nicht außer Acht gelassen werden, sodass auch schon der erste Verstoß dieser Art die Unzuverlässigkeit der waffenbesitzenden Person begründen kann.
Soweit daneben die Unzuverlässigkeit des Klägers damit begründet wird, dass er eine Schusswaffe in geladenem Zustand aufbewahrt hat, könnte der Einwand erhoben werden, dass es zulässig ist, Waffe und Munition in demselben Behältnis aufzubewahren. Vor diesem Hintergrund könnte es unverhältnismäßig sein, dass das bloße Einführen des Magazins in die Waffe die Unzuverlässigkeit begründet. Hiergegen spricht aber einerseits schon der klare Wortlaut von § 13 Abs. 1 AWaffV, der gerade von „geladenen“ Waffen spricht. In einem regelungsintensiven Bereich wie dem Waffenrecht kann auch von zum Waffentragen berechtigten Personen erwartet werden, dass sie die entsprechenden Vorschriften kennen und beachten. Nicht zuletzt ist die Missbrauchsgefahr im Falle des unbefugten Zugriffs auf eine geladene Waffe höher – man denke etwa an spielende Kinder, die wohl einen Schuss auslösen könnten, die Waffe aber nicht notwendig selbst laden und schussbereit machen könnten.
Dass es grundsätzlich für die Feststellung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nicht auf ein Sachverständigengutachten ankommen kann, überzeugt ebenfalls. Es handelt sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum. Über unbestimmte Rechtsbegriffe zu entscheiden ist originäre Aufgabe der Gerichte, die sich zwar Sachverständigengutachten bedienen können, keinesfalls aber hieran gebunden sind.
Der Fall spielt zwar in einem ungewohnten Rechtsgebiet, zeigt aber ein weiteres Mal, dass mit sauberer Subsumtionsarbeit auch unbekannte Fälle gelöst werden können.
„Im Rahmen eines Polizeieinsatzes im Bereich des Wohnhauses des Klägers kam es zu einem Polizeieinsatz.“
Das klingt „doppeltgemoppelt“.
Eine Frage kann eventuell noch sein, auf welcher Grundlage der Atemalkoholtest erfolgte und inwieweit das Ergebnis als Beweis zulässig ist und verwertet werden kann. Dazu fehlen nähere Angaben. Grundsätzlich könnte eine ärztliche Untersuchung zunächst unter eine ärztliche Schweigepflicht fallen und ein Untersuchungsergebnis einer zulässigen Beweisführung entzogen sein. Das lässt sich aufgrund der vorliegenden Angaben zum Sachverhalt eventuell nur bedingt abschließend beurteilen. Wenn ein Beweisführungshindernis vorliegen könnte, könnte es problematisch sein, einen Waffengebrauch unter Alkoholeinfluss genügend sicher nachzuweisen, um eine Waffenerlaubnis aufgrund von Unzuverlässigkeit entziehen zu können. Kann eventuell noch etwas unklar wirken? Wenn dieser Einwand verfehlt erscheinen sollte, wäre eventuell ein Hinweis hilfreich, warum dies verfehlt erscheinen sollte.
Ein Atemalkoholtest und seine Verwertung sollten eine wirksame Zustimmung erfordern. Daran kann es aufgrund ungenügender Einsichtsfähigkeit im alkoholisierten Zustand fehlen. Deshalb kommt in Betracht, dass die Verwertung unzulässig ist. Ohne zulässige Verwertung sollte ein genügender Nachweis von alkoholisiertem Waffengebrauch und Unzuverlässigkeit für einen Waffenbesitz noch problematisch wirken?