VG Stuttgart zum „Mannheimer Modell“ – Neuartiger Jurastudiengang verfassungsgemäß
Wir freuen uns heute eine Gastbeitrag von RA Frank Hofmann veröffentlichen zu können. Der Autor ist Rechtsanwalt und Repetitor in Freiburg i. Br. Wegen des „Mannheimer Modells“ vertritt er derzeit zwei Kläger vor dem VGH Baden-Württemberg.
Einleitung
Nach dem sog. „Mannheimer Modell“ dürfen Jurastudierende der Uni Mannheim ihre Examensklausuren über bis zu vier Semester strecken. Mit der rechtlich umstrittenen Begünstigung hatte sich nun erstmals das VG Stuttgart auseinanderzusetzen. RA Frank Hofmann analysiert die rechtliche Problematik.
Zu den besonderen Herausforderungen der juristischen Staatsprüfung gehört es, dass ein Abschichten des Prüfungsstoffes durch Leistungen während des Studiums grundsätzlich nicht möglich ist. Alle zu beherrschenden Rechtsgebiete müssen im Examen gleichzeitig beherrscht werden, wenn die Prüfungskandidaten binnen zwei Wochen meist sechs Klausuren à fünf Stunden aus allen Rechtsgebieten absolvieren müssen.
Dass die hierdurch den Kandidaten abgeforderte Gedächtnisleistung enorm ist, liegt angesichts der Stofffülle im Examen auf der Hand. Vor diesem Hintergrund haben sich Abschichtungsmodelle, die in einzelnen Bundesländern eingeführt wurden und eine Portionierung der Prüfungsleistungen und deren Verteilung über einen größeren Zeitraum erlauben, bei den Studierenden immer größter Beliebtheit erfreut.
So knüpfen etwa einige Prüfungsordnungen die Möglichkeit zur Abschichtung an die frühzeitige Meldung zum Examen: Wer sich spätestens zu einem bestimmten Studiensemester – in der Regel dem 8. Semester zum sogenannten „Freiversuch“ – zum Examen anmeldet, bekommt die Chance, die zu erbringenden Prüfungsleistungen zeitlich zu strecken (vgl. etwa § 12 Juristenausbildungsgesetz (JAG) NRW, § 4 Abs. 2 S. 2 Niedersächsisches Gesetz zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen (NJAG) Nieders.).
Abschichten nach dem „Mannheimer Modell“
Eine neue, bundesweit bisher einmalige, Option zur Abschichtung der Examensklausuren bietet nun die Universität Mannheim ihren Jurastudierenden an: Im Rahmen eines neuen Bachelorstudiengangs zum Wirtschaftsrecht bietet die Universität den Studierenden die Möglichkeit parallel die Erste juristische Staatsprüfung zu absolvieren und zwar – anders als an den übrigen Universitäten in Baden-Württemberg – mit der Möglichkeit die Examensklausuren im Zivil-, Straf- und Öffentlichen Recht über bis zu vier Semester zu verteilen (sog. „gestufter Kombinationsstudiengang“, vgl. §§ 35a ff. Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPrO) Baden-Württemberg).
Die Studierenden schreiben nach dem 6. Semester die Klausuren im Zivilrecht, nach dem 10. Semester dann die Klausuren im Straf- und Öffentlichen Recht. „Erkauft“ wird diese Erleichterung allerdings mit den wirtschaftswissenschaftlichen Zusatzleistungen, die die Examenskandidaten im Rahmen des Bachelorstudienganges zu erbringen haben. Die Teilnahme am Kombinationsstudiengang ist für Studierende der Universität Mannheim zwingend; eine Möglichkeit ohne Teilnahme an diesem Studiengang abzuschichten besteht nicht.
Schon früh begegnete diese Ausgestaltung des Mannheimer Studienganges indes rechtlichen Bedenken. So hat etwa im Rahmen der Anhörung der hierfür erforderlichen Änderung der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung Baden-Württembergs der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg auf unter Gleichheitsgesichtspunkten bestehende verfassungsrechtliche Einwände hingewiesen, da für die Jurastudierenden an anderen baden-württembergischen Universitäten keine Möglichkeit zur Abschichtung der Examensklausuren besteht (vgl. LT-Drs. 14/2962 v. 9.7.2008, S. 2). Ausdrücklich gegen das „Mannheimer Modell“ sprach sich auch der Deutsche Juristen-Fakultätentag aus (vgl. Deutscher Juristen-Fakultätentag, Protokoll 88. DJFT, S. 11).
Rechtliche Bedenken
In der Tat könnte das „Mannheimer Modell“ gegen das Recht der baden-württembergischen Prüfungskandidaten auf Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen. Zwar sieht § 5d Abs. 2 S. 3, 2. HS DRiG die Möglichkeit zur Abschichtung ausdrücklich vor. Allerdings gewährten alle bisherigen Abschichtungs-Modelle die Chance, diese Vergünstigung zu erlangen, immer ausnahmslos allen Prüflingen im jeweiligen Bundesland. Sie knüpften diese höchstens an Bedingungen, die in der Person des Prüflings lagen und die dieser beeinflussen kann, etwa die Erbringung von Studienleistungen in einer bestimmten Zeit.
Hiervon rückt das „Mannheimer Modell“ insoweit ab, als die Möglichkeit zur Abschichtung nur den Mannheimer Studierenden, nicht aber denjenigen an den anderen Baden-Württemberger Universitäten gewährt wird. Darin könnte eine Verzerrung des Leistungsmaßstabes liegen.
Zudem trifft die Mannheimer Reform wohl auch die Intention des Studienreformgesetzgebers nicht ganz: Dieser wollte den Universitäten die Ausprägung eines individuellen Leistungs- und Themenprofils vielmehr im Bereich des Schwerpunktstudiums ermöglichen. Im Bereich der Staatsteils der Prüfung wollte er dagegen die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen gewahrt wissen (vgl. auch § 5d Abs. 1 S. 2 DRiG). Erste Erfahrungen mit dem „Mannheimer Modell“ zeigen, dass die dortigen Absolventen in den Klausuren offenbar tatsächlich überdurchschnittlich gut abschneiden (vgl. FAZ v. 28.04.2012).
Entscheidung des VG Stuttgart
In einer aktuellen Entscheidung hat sich nun das Verwaltungsgericht Stuttgart erstmals zum „Mannheimer Modell“ geäußert (Urt. v. 18.09.2013, 12 K 4134/12 sowie Pressemitteilung v. 16.09.2013). Das Gericht hält die Vergünstigung für die Mannheimer Examenskandidaten für rechtmäßig. Zwischen dem Modell-Studiengang und dem klassischen Jurastudium bestünden Unterschiede von solchem Gewicht, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würden. Es spreche einiges dafür, dass der Mannheimer Weg sogar anspruchsvoller sei.
Außerdem brauche der Gesetzgeber einen erweiterten Spielraum, wenn er Reformmodelle einführe. Das „Mannheimer Modell“ sei durch eine Experimentierklausel (§ 62a Abs. 2 S. 1 JAPrO BW) zeitlich bis zum Jahr 2019 befristet. In diesem Sinn müsse es dem Normgeber möglich sein innovative Studiengänge in der Praxis auszuprobieren.
Schließlich sei zu überlegen, ob Kandidaten im Hinblick auf Bedenken hinsichtlich des „Mannheimer Modells“ nicht eine Rügeobliegenheit bereits vor Antritt der Prüfung treffe, andernfalls sie ihrer Rechte verlustig gingen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das VG Stuttgart allerdings die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen.
Fazit
Mit der Entscheidung des VG Stuttgart nimmt ein Gericht erstmals Stellung zur Rechtmäßigkeit des „Mannheimer Modells“. Es befürwortet in der Sache einen weiten Spielraum des Gesetzgebers bei der Erschaffung von Reformmodellen für das Jurastudium. Endgültige Klarheit wird hier aber wohl erst ein Judikat des Verwaltungsgerichtshofs oder des Bundesverwaltungsgerichts schaffen.
Bis dahin bleibt die Frage der Rechtmäßigkeit des „Mannheimer Modells“ eine interessante Zusatzoption auch für prüfungsrechtliche Klagen. Besonderer Beachtung bedürfen allerdings die Ausführungen des Gerichts zur Frage einer etwaigen Rügeobliegenheit.
Hätte die Klägerin sicht nicht einfach in Mannheim immatrikulieren können, wenn sie die Vorzüge des „Mannheimer Modells“ in Anspruch zu nehmen wünscht?
Einfach Einschreiben reicht für den Zugang zum Bachelor in Mannheim nicht aus.
Ohne die genauen Umstände zu kennen bestehen bei mir nach der Lektüre des Urteils große Zweifel, dass die Klägerin (bei einem Notendurchschnitt von 3,75 Punkten, im zweiten Anlauf, nach 6-7 Jahren Studium) das Examen mit einer Abschichtungsmöglichkeit nach dem „Mannheimer Modell“ bestanden hätte. Deutlich zu erkennen ist, dass dieser „Artikel“ aus der Feder des Verteidigers der Klägerin stammt. Das Urteil ist im Gegensatz dazu sehr eindeutig und für die Studenten in Mannheim wird jede weitere Entscheidung Rechtsicherheit bringen.
Meines Wissens besteht die Abschichtungsmöglichkeit in Mannheim nur , wenn die zivilrechtlichen Klausuren nach drei Jahren geschrieben werden und parallel ein Abschluss in BWL erworben wird. Mithin ist das Studium nicht mit dem reinen rechtswissenschaftlichen Studium zu vergleichen. Zumal im zweiten Anlauf die Abschichtungsmöglichkeit entfällt.
Darüber hätte ich mir in diesem Artikel ebenso Informationen gewünscht, wie einenHinweis darauf, dass gute Noten der Mannheimer Absolventen mit einem überdurchschnittlich hohen NC und aufrgund eines im Vergleich zum normalen Jurastudiums hohen Leistungsdruck im Grundstudium zusammenhängen könnten.
Als Jurist nach „altem Modell“ hatte auch ich zunächst Bedenken. Wenn man sich (ergebnisoffen) mit dem Mannheimer Studiengang beschäftigt erübrigen sich solche Bedenken aber schnell. Der Reformbedarf in der Ausbildung von Juristen ist groß, Stillstand ist schädlich. Dass sich Kollegen finden, die die Umsetzung solcher Reformen nun als Rettungsanker für gescheiterte Kandidaten umzudeuten versuchen war vorhersehbar.
Dass die Klage keinen Aussicht auf Erfolg hat, liegt doch auf der Hand. Es sind nunmal 2 verschiedene Studiengänge. Dass der Gesetzgeber da ziemlichen Bullshit verbrochen hat, liegt aber ebenso auf der Hand. Kommt der Abschluss eigentlich in der Wirtschaft an?
Angeblich sei der Mannheimer Studiengang wesentlich ungleich zum „normalen“ Modell. Dann frage ich mich, warum meine Zivilrechtsexamensklausuren mit denen der Mannheimer Unternehmensjuristen gemeinsam korrigiert werden und letztendlich doch zu einem gleichen Abschluss beitragen!?
Und wieso soll ich in Mannheim studieren, wenn ich kein BWL studieren will?
Ich rege mich einfach nur noch auf über dieses System. Genauso wie darüber, dass ich keinen Diplomjuristentitel erhalten darf, weil das keinen Unterschied auf dem Arbeitsmarkt mache, ob ich ref. iur. oder Diplomjurist heiße. Als Mitarbeiterin in einer HR-Abteilung habe ich da andere Erfahrungen gemacht…..
Semla!!!