VG Frankfurt: Neues zum baurechtlichen Drittschutz: Landschaftsschutzverordnung schützt nicht Anwohnerrechte
Fragen des Drittschutzes sind im Baurecht von erheblicher Bedeutung. Hier sollte zwingend die Rechtsprechung im Auge behalten werden. Einen sehr relevanten Fall hatte das VG Frankfurt am 4.5.2016 im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden (Az. 8 L 1334/16.F).
I. Sachverhalt
Hier ging es Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Errichtung einer mobilen Flüchtlingsunterkunft in Holzrahmenbauweise als Anlage für soziale Zwecke – Unterbringung von maximal 672 Asylsuchenden, sowie Herstellen von drei Stellplätzen für einen Zeitraum von April 2016 bis 31.12.2018 am „Alten Flugplatz Bonames“ in Frankfurt.
Mehrere Anwohner hatten gegen die hierfür erteilte Baugenehmigung Widerspruch eingelegt und begehren nun die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO. (Hinweis: In Bundesländern ohne Vorverfahren (bspw. NRW – § 110 JustG NRW) würde es insofern um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gehen.
II. Lösungsüberblick
An dieser Stelle soll nicht auf die zahlreichen denkbaren Probleme des einstweiligen Rechtsschutzes eingegangen werden, sondern allein die Problematik der Antragsbefugnis erörtert werden. Zu speziellen Fragen des § 80 Abs. 5 VwGO und zur Wiederholung empfehlen wir unseren Beitrag.
Fraglich war hier, ob sich die Antragssteller auf die Verletzung eigener Rechte stützen können (§ 42 Abs. 2 VwGO). Der Antrag ist nur zulässig, wenn die Erteilung der Baugenehmigung gegen den Schutz des Nachbarn bezweckende Baurechtsnormen verstößt. Im Baurecht ist dies häufig sehr problematisch (siehe unsere umfangreiche Darstellung).
Zur Begründung ihres Begehrens stützten sich die Antragsteller im Wesentlichen auf naturschutzrechtliche Gesichtspunkte, insbesondere die Beeinträchtigung geschützter Arten und den Gewässerschutz. Außerdem sehen sie das auch im Außenbereich Geltung beanspruchende nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt.
Das VG lehnte teilweise eine Antragsbefugnis bereits deshalb ab, weil die Antragssteller bereits personell nicht in den Schutzbereich nachbarschützender Vorschriften fielen:
Die Unzulässigkeit für zwei Antragsteller folge bereits daraus, dass sie nicht Eigentümer eines in der Nähe des Vorhabens liegenden Grundstücks sind.
Aber auch im Übrigen fehlt es aus Sicht des VG an der Antragsbefugnis.
Bezüglich der übrigen Antragsteller folge die Unzulässigkeit des Eilrechtsschutzbegehrens daraus, dass sie in ihrer eigenen Wohnnutzung durch das Vorhaben nicht eingeschränkt werden. Zudem dienen Vorschriften der Landschaftsschutzverordnung nicht dem Schutz der individuellen Rechte der Anwohner.
Entscheidend war hier insbesondere, ob die Regelungen der Landschaftsschutzverordnung drittschützend sind. Dies war abzulehnen. Auch die Rechtsprechung in anderen Fällen bestätigt das. So hat das VG Sigmaringen bereits 2004 entsprechend geurteilt (4 K 1715/04):
Die Bestimmungen einer Landschaftsschutzverordnung nach § 22 NatSchG BW dienen grundsätzlich ausschließlich den in § 22 NatSchG BW genannten öffentlichen Interessen. Sie dienen insbesondere nicht den privaten Interessen der Grundstückseigentümer im Landschaftsschutzgebiet.
Nach § 22 NatSchG BW dienen Landschaftsschutzgebiete dem besonderen Schutz der Natur und der Landschaft. Sie werden mit dem Ziel eingerichtet, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts zu erhalten, die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter zu erhalten oder zu verbessern, die Vielfalt, Eigenart oder Schönheit der Natur und Landschaft zu erhalten oder um den besonderen Erholungswert von Natur und Landschaft für die Allgemeinheit zu erhalten, zu steigern oder wiederherzustellen.
Diese, der streitgegenständlichen Entscheidung zugrunde liegenden Bestimmungen dienen nach ihrem Wortlaut und Zweck ersichtlich ausschließlich dem öffentlichen Interesse am Erhalt einer intakten Natur und Landschaft. Sie sind daneben nicht auch zum Schutz des Antragstellers bestimmt. Eine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts des Antragstellers ist daher ausgeschlossen, so dass es an einer Antragsbefugnis fehlt.
Insofern fehlt es an der Antragsbefugnis. Weder aus dem Gebot der Rücksichtnahme ergibt sich eine solche noch aus der Landschaftsschutzverordnung. Der Antrag war daher abzulehnen.
III. Bewertung und Examensrelevanz
Der Fall ist perfekt für eine mündliche Prüfung geeignet, bei der eine eigenständige Argumentation abverlangt wird. Kenntnisse der Grundlagen des Drittschutzes sind hier unentbehrlich. Aber auch in einer Klausur könnte dieser Teil der Prüfung sehr relevant werden. Der Fall sollte daher auf jeden Fall durchdacht werden.
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