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Schlagwortarchiv für: Versuch

Redaktion

Gedächtnisprotokoll Strafrecht Mai 2024 NRW

Aktuelles, Examensreport, Nordrhein-Westfalen, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT, Verschiedenes

Wir freuen uns sehr, ein Gedächtnisprotokoll zur Strafrechtsklausur des Mai-Durchgangs 2024 in Nordrhein-Westfalen veröffentlichen zu können und danken Laura erneut ganz herzlich für die Zusendung. Selbstverständlich kann juraexamen.info keine Gewähr dafür geben, dass die in Gedächtnisprotokollen wiedergegebene Aufgabenstellung auch der tatsächlichen entspricht. Dennoch sollen Euch die Protokolle als Anhaltspunkt dienen, was euch im Examen erwartet.

Sachverhalt

A ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten und beschließt sich auf unredliche Weise Geld zu beschaffen. Dabei erinnert er sich an ein Gespräch mit seiner Freundin F, die ihm beiläufig und ohne Gedanken, erzählte dass ihre 90-jährige Bekannte B in einem kleinem Häusschen am Stadtrand lebt, aber eigentlich eine teure Villa besitzt, in der sich ihre Habseligkeiten befinden. A beschließt, dass B das perfekte Ziel sei. Er schafft es auch tatsächlich, dass die B ihn im Februar zum Kaffee einlädt. Schon kurz nach seiner Ankunft drückt er die B kraftvoll in den Sessel und fesselt sie mit einem mitgebrachten Kabel. Die nächsten 15 Minuten isst der A seinen mitgebrachten Kuchen. Anschließend streicht er sich mit der Gabel über den Arm und suggeriert ihr, dass sie ihm sagen solle wo sich der Schlüssel zur Villa befindet, da er ihr sonst weh tun würde. B ist ihr körperliches Wohlbefinden wichtiger als ihre Besitztümer und sie gibt ihm preis, dass sich der Schlüssel in einer Dose befindet. Alleine hätte A diesen Schlüssel niemals gefunden.

Er lässt die B gefesselt zurück und begibt sich zur Villa. Er betritt diese und findet auch relativ schnell die Schmuckschatullen der B, seine anvisierte Beute, aber ihn packt das schlechte Gewissen der ihm doch sympathischen B gegenüber und er verlässt die Villa wieder ohne etwas einzustecken. Er kommt zeitgleich mit F zum Haus zurück, dessen Tür er nur angelehnt hatte, wo F ihn direkt anherrscht mit „mach sie sofort los!“. A zerschneidet das Kabel und verschwindet. Die B bleibt unverletzt.

Im März, der A hat noch immer kein Geld und ist seines Lebens müde, beschließt er sich das Leben zu nehmen und „seine geliebte F mitzunehmen“.

Dazu lädt er F in sein Wohnmobil ein, die in der Annahme ist, dass die beiden einen romantischen Tag verbringen werden. Blitzschnell und ohne dass F reagieren könnte, gießt der A Benzin über die Sitzecke und die Küche und entzündet es. Das Feuer breitet sich rasch auf den Boden und die Wände aus und durch das Feuer ist der F auch der Weg zur Eingangstüre versperrt. Die F könnte sich alleine nicht mehr befreien. Entgegen seines ursprünglichen Plans entschließt A nun zuerst die F zu retten und dann sich selbst. Er schafft es im hinteren Teil ein Fenster aufzuklappen und hilft erst der F hinauszuklettern und dann sich selbst – das passiert im letzten Moment. Das Wohnmobil ist bereits kurz darauf vollständig ausgebrannt. Der A trägt keine Verletzungen davon, die F lediglich leichte Verbrennungen an den Armen die schnell und ohne Probleme verheilen.

Frage 1: (Wie) Hat sich A bezüglich der Geschehnisse im Februar strafbar gemacht?

Frage 2: (Wie) Hat sich der A bezüglich der Geschehnisse im März strafbar gemacht?

Bearbeitervermerk: die Tatbestände des Abschnitts 17 sind nicht zu prüfen. Die §§ 211, 239, 240, 303 sind nicht zu prüfen!

Fallfortsetzung

A, noch immer mit Geldsorgen, beschließt das hochwertige Lastenrad der F, welches sie ihm zur alleinigen Nutzung überlassen hat, an den gutgläubigen K zu veräußern. Sein Plan ist es anschließend der F darzustellen, dass das Rad gestohlen wurde, damit sie dies ihrer Versicherung (G) melden kann, da er weiß, dass das Rad durch die F versichert wurde. Dabei geht er – zu Unrecht – davon aus, dass das Rad auch gegen Diebstahl versichert ist.

Frage 3: Hat sich der A wegen versuchten Versicherungsbetrugs gem. § 265 StGB strafbar gemacht?

03.06.2024/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2024-06-03 12:54:412024-06-03 12:55:25Gedächtnisprotokoll Strafrecht Mai 2024 NRW
Redaktion

Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB)

Karteikarten, Strafrecht, Uncategorized

Rechtsnatur: persönlicher Strafaufhebungsgrund (ganz h.M.)

I. Kein fehlgeschlagener Versuch

Fehlschlag: Aus Sicht des Täters tatsächlich unmöglich bzw. sinnlos ist im unmittelbaren Fortgang des Geschehens die Tatbestandsverwirklichung noch herbeizuführen

II. Objektive Rücktrittsanforderungen gem. § 24 I (Einzeltäter) oder gem. § 24 II 1 (Tatbeteiligung mehrerer)

III. Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch: § 24 I 1 StGB

Beendet ist ein Versuch, wenn der Täter nach seiner Vorstellung alles Erforderliche zur Tatbestandsverwirklichung getan hat

1. Rücktritt vom unbeendeten Versuch gem. § 24 I Alt. 1 StGB

a) Aufgabe der weiteren Tat: Absehen von weiteren Maßnahmen zur Tatbestandsverwirklichung

b) Freiwilligkeit: Rücktritt erfolgt aus selbstbestimmten, selbstgesetzten Gründen

oder         

2. Rücktritt vom beendeten Versuch gem. § 24 I Alt. 2 StGB

a) Verhinderung der Vollendung: (P): Über die Kausalität hinausgehenden Anforderungen an die Verhinderungshandlung?

b)   Freiwilligkeit

wenn kein kausales Verhindern:

3. Rücktritt vom beendeten Versuch durch Sichbemühen gem. § 24 I 2 StGB

a) Nichtvollendung ohne Zutun

b) Ernsthaftes Bemühen

Täter nimmt eine Handlung vor, die gemessen an der von ihm verwirklichten Gefahr zumindest aus seiner Sicht geeignet ist, die Tatbestandsverwirklichung mit hinreichender Sicherheit zu verhindern

c) Freiwilligkeit

17.10.2022/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2022-10-17 15:00:292023-10-04 14:40:59Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB)
Redaktion

Versuch (§§ 22, 23 I StGB)

Karteikarten, Strafrecht, Uncategorized

I. Vorprüfung

1. Fehlende Deliktsvollendung
2. Versuchsstrafbarkeit (§ 23 I StGB i.V.m. § 12 I, II StGB)

II. Tatbestandsmäßigkeit

1. Tatentschluss
a) Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale
b) Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale

2. Unmittelbares Ansetzen zur Tat
Subjektive Überschreitung der Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ und objektive Vornahme einer Handlung, die keine zusätzlichen wesentlichen Zwischenschritte mehr zur Vollziehung der Tatbestandshandlung erfordert

VI. Rechtswidrigkeit

V. Schuld

VI. Rücktritt
Insb. Rücktritt gem. § 24 StGB

17.10.2022/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2022-10-17 14:15:582023-10-04 14:42:10Versuch (§§ 22, 23 I StGB)
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel in Abgrenzung zur „Mehrfachtötung“

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT

Mit aktuellem Beschluss vom 14.04.2020 hat der BGH (Az.: 5 StR 93/20) die Anforderungen an das Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel gem. § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 4 StGB speziell für den Fall naturgemäß gemeingefährlicher Mittel – wie der Brandstiftung – abermals konturiert. Eine sichere Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals gehört zu den absoluten Basics, die von jedem Examenskandidaten beherrscht werden sollten. Das Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel hat zudem insbesondere infolge der Raserfälle in jüngerer Vergangenheit erhöhte Aufmerksamkeit erfahren (s. hierzu LG Berlin v. 27.02.2017 − (535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16); offen gelassen in der Revisionsinstanz: BGH v. 16.01.2019 – 4 StR 345/18), sodass von einer gesteigerten Prüfungsrelevanz auszugehen ist. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, sich – unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Abgrenzung von der „schlichten Mehrfachtötung“ – eingehender mit dem Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel auseinanderzusetzen.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der Täter T zündete in dem von ihm bewohnten Zimmer im ersten Obergeschoss eines Wohnkomplexes aus Unzufriedenheit mit seiner Wohnsituation eine auf seinem Bett liegende Wolldecke an, schloss die Zimmertür und verließ anschließend das Haus. Dabei war dem T bewusst, dass sich im ersten Obergeschoss zwei weitere Bewohner aufhielten. Zudem rechnete er damit, dass sich im Dachgeschoss mindestens eine weitere Person befand. Ihm war das hohe Gefahrenpotential eines Feuers in einem Wohnhaus bewusst und er erkannte die naheliegende Möglichkeit einer körperlichen Verletzung oder des Todes der im Wohnhaus anwesenden Personen durch das Feuer oder entstehende Rauchgase und fand sich mit dem möglichen Eintritt dieser Folgen ab. Das Feuer entwickelte sich zunächst unbemerkt. Als ein im selben Geschoss wohnender Bewohner den Brand entdeckte, stand bereits das ganze Bett des T in Flammen. Er machte einen weiteren im ersten Obergeschoss wohnenden Zeugen auf den Brand aufmerksam, beide alarmierten einen im Dachgeschoss wohnenden Bewohner; sie flüchteten gemeinsam ins Freie und alarmierten die Feuerwehr. Zwei der drei Bewohner erlitten leichte bis mittelschwere Rauchgasvergiftungen. Als die Feuerwehr eintraf, konnte sie ohne Atemschutz nur bis zur Hälfte der Holztreppe ins Obergeschoss vordringen. Aufgrund der Hitze, des Rauchgases und des fehlenden Sauerstoffs bestand ab dort akute Lebensgefahr. Erst zwölf Minuten später konnten mit Atemschutzgeräten und Wärmeschutzanzügen ausgestattete Feuerwehrtrupps das Gebäude betreten und in die Obergeschosswohnung vordringen. Der im Zimmer des T lodernde Vollbrand konnte gelöscht werden.
 
B) Rechtsausführungen
Der Fokus der Prüfung soll auf der Frage liegen, ob sich T wegen versuchten Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln in drei tateinheitlichen Fällen gemäß §§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Gr. 2 Var. 3, 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat.
 
Anmerkung: Das Landgericht Saarbrücken hatte den Angeklagten in erster Instanz wegen versuchten Mordes in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung, schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt. Aus didaktischen Gründen wird im Rahmen dieses Beitrags von der Prüfung der weiteren Delikte abgesehen; sie sollten in einer Klausur aber zwingend bedacht werden.
 
I. Vorprüfung
Mangels Erfolgseintritts wurde die Tat nicht vollendet. Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus dem Verbrechenscharakter des Mordes, §§ 211 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB.
 
II. Tatentschluss
T müsste mit Tatentschluss gehandelt haben. Dies setzt Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes sowie das Vorliegen etwaiger subjektiver Tatbestandsmerkmale voraus. Zweifelsohne kann nach den Feststellungen der Tötungsvorsatz bejaht werden. Fraglich ist allein, ob es sich bei der Brandstiftung um eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln i.S.v. § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 3 StGB handelt.
 
1. Präzisierung der Gemeingefährlichkeit
Ein Tötungsmittel ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH gemeingefährlich, „wenn es in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Anzahl von Menschen an Leib oder Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters.“ (S. etwa BGH, Beschl. v. 18.07.2018 – 4 StR 170/18, NStZ 2019, 607 mwN). Für die Gemeingefährlichkeit ist mithin entscheidend, inwieweit das spezifische Mittel infolge seines Einsatzes nicht mehr beherrschbar und aufgrund dessen im Allgemeinen in seiner Wirkung geeignet ist, mehrere Menschen an Leib und Leben zu verletzen. Dabei kommt es – so ausdrücklich der BGH in seiner aktuellen Entscheidung – auf den Umfang des konkreten Gefährdungsbereichs nicht an:

„Seine Beschränkung auf eine Räumlichkeit schließt die Eigenschaft als gemeingefährliches Mittel nicht aus, denn jede auch noch so allgemeine Gefahr hat der Natur der Sache nach irgendeine örtliche Grenze.“ (Rn. 8)

Mit anderen Worten: Dass der T den Brand in seinem Zimmer gelegt hat, schließt die Gemeingefährlichkeit des Mittels nicht grundsätzlich aus. Im Gegenteil wohnt bestimmten Handlungen, zu denen der Einsatz von Brandsetzungsmitteln oder Explosionsstoffen zählen, aufgrund ihrer naturgemäß fehlenden Beherrschbarkeit die Gemeingefährlichkeit bereits inne. Ausdrücklich formuliert der BGH:

„Es gibt nach ihrer Eigenart grundsätzlich gemeingefährliche Mittel, bei denen allenfalls im Einzelfall die Beherrschbarkeit bejaht oder bei der speziellen Art ihrer Handhabung die Gefahr für eine Vielzahl von Menschen ausnahmsweise verneint werden kann. Dazu zählen Brandsetzungsmittel und Explosionsstoffe. Bei ihnen hat der Täter die Folgen seines Tuns typischerweise nicht in der Hand (…). An der gemeingefährlichen Verwendung fehlt es bei an sich nicht beherrschbaren Mitteln nur dann, wenn der Täter im konkreten Fall davon ausgeht, es könne dadurch nur die zur Tötung ins Auge gefasste Person getroffen werden.“ (Rn. 9)

Kurzum: Es kommt also darauf an, dass der Täter gerade aufgrund der Unbeherrschbarkeit des von ihm gewählten Mittels nicht ausschließen kann, eine Mehrzahl von Personen zu töten. Wählt er ein Mittel, das – wie hier die Brandstiftung – schon seiner Art nach im Regelfall nicht beherrscht werden kann, fehlt es an der Gemeingefährlichkeit nur in Ausnahmefällen.
 
2. Eine Abgrenzung zu „Mehrfachtötungen“
Die Gemeingefährlichkeit des Mittels war aber nach bisheriger Rechtsprechung des BGH auch bei ihrer Eigenart nach unbeherrschbaren Mitteln dann abzulehnen, wenn es sich bei der konkreten Tat um eine „bloße Mehrfachtötung“ handelte (vgl. BGH, Beschl. v. 18.07.2018 – 4 StR 170/18, NStZ 2019, 607, und v. 12.11.2019 – 2 StR 415/19; MüKo-StGB/Schneider, 3. Aufl., § 211 Rn. 127 mwN). Die Abgrenzung erfolge danach, ob sich der Täter mit Tötungsvorsatz gegen eine bestimmte Anzahl individualisierter Opfer wende – dann liege eine Mehrfachtötung und keine Gemeingefährlichkeit vor – oder ob er auch die Tötung von Zufallsopfern billigend in Kauf nehme (s. hierzu auch Altvater, NStZ 2006, 86, 90). Konnte also festgestellt werden, dass sich die Tat trotz Einsatzes eines naturgemäß gemeingefährlichen Mittels gegen einen individualisierten Kreis von Personen richtet, war das Vorliegen dieses Mordmerkmals zu verneinen (s. hierzu insbesondere die lesenswerte Entscheidung des BGH v. 18.07.2018 – 4 StR 170/18, NStZ 2019, 607).
In seiner aktuellen Entscheidung äußert der BGH hingegen zu Recht begründete Zweifel an der Aufrechterhaltung dieser Rechtsprechung:

„Es erscheint wertungswidersprüchlich, den Täter, der von vornherein eine konkrete Vielzahl von Opfern durch ein in seinem Gefahrenpotential nicht beherrschbares Mittel tötet, gegenüber demjenigen zu privilegieren, der ohne diese Konkretisierung aufgrund der Gemeingefahr des Tötungsmittels auch nicht bereits individualisierte Opfer in Kauf nimmt (vgl. näher Schneider, aaO Rn. 127). Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung müsste in Fällen nicht weiterer Aufklärbarkeit der Tätervorstellung der Zweifelssatz für die Annahme sprechen, dem Täter sei es gerade auf die Tötung aller in die Gefahrenlage einbezogenen Personen angekommen. Weder die Formulierung noch der Sinn und Zweck des Mordmerkmals gebieten nach Ansicht des Senats eine solche Auslegung. Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal stellt lediglich auf die vom Vorsatz umfasste Art des Tatmittels, nicht auf die Konkretisierung des Opfers in der Vorstellung des Täters ab. Die Unbestimmbarkeit des Opferkreises folgt vielmehr aus der besonderen Art des Tötungsmittels, das nach Freisetzung der in ihm ruhenden Kräfte für den Täter nicht mehr beherrschbar ist. Entscheidend muss es deshalb darauf ankommen, ob für den Angeklagten nicht mehr berechenbar ist, wie viele Menschen durch das Tatmittel verletzt und getötet werden können, weil er den Umfang der Gefährdung nicht beherrscht (…). Hat es der Täter bewusst nicht in der Hand, wie viele Menschen in den von ihm geschaffenen Gefahrenbereich geraten und durch sein Verhalten gefährdet werden, tötet er nach Ansicht des Senats auch dann mit gemeingefährlichen Mitteln, wenn er mit dem für ihn unbeherrschbaren Mittel eigentlich nur eine bestimmte Zahl konkreter Menschen töten will (…).“ (Rn. 11 f.)

 
III. Im konkreten Fall ohnehin fehlende Individualisierung des Opferkreises
Ob die Rechtsprechung, die bei der Abgrenzung zur Mehrfachtötung auf die Individualisierung des Personenkreises beim Einsatz per se unbeherrschbarer Mittel abstellt, aufrechterhalten werden kann, konnte jedoch letztlich offenbleiben, da dem T nach den Urteilsfeststellungen jedenfalls bewusst war, dass weitere, nicht näher konkretisierte Bewohner des Hauses an Leib und Leben gefährdet werden konnten. Er hatte weder kontrolliert, welche Personen sich in dem Wohnkomplex aufhielten, noch sichergestellt, dass weitere Bewohner oder Besucher das Haus nach der Brandlegung nicht mehr betreten. Zwar bezog sich sein bedingter Tötungsvorsatz auf zwei konkrete Hausbewohner, er rechnete aber auch damit, dass mindestens eine weitere, nicht konkretisierte Person im Haus war. Zudem wurden mit den Rettungskräften der Feuerwehr auch weitere Personen gefährdet. Der Kreis der potentiell durch die Brandlegung an Leib und Leben Gefährdeten war durch die Eigenart des Brandobjekts und die Dauer des Brandes letztlich unbestimmbar. (Rn. 15) Damit ist selbst nach der einschränkenden bisherigen Rechtsprechung des BGH der Einsatz gemeingefährlicher Mittel in diesem Fall anzunehmen. Der T hatte Vorsatz in Bezug auf die Begehung eines Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln i.S.v. § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 3 StGB.
 
Achtung: Liegt die Sachverhaltskonstellation anders, ist dem T etwa versehentlich eine Zigarette auf die Decke gefallen und verlässt er daraufhin das Haus, kommt lediglich ein versuchter Mord durch Unterlassen gem. §§ 211, 212, 13 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB in Betracht (Garantenstellung durch Ingerenz). Nach zweifelhafter Ansicht des BGH (Grundlegend BGHSt 34, 13; zutr. a.A. Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 211 Rn. 61) kann die Variante der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln aber nicht durch Unterlassen verwirklicht werden. Nach diesen Maßstäben würde sich die hiesige Problematik (Gemeingefährlichkeit nur bei fehlender Individualisierung des Personenkreises) gar nicht stellen – so fragwürdig das sein mag. 
 
Anmerkung: In Betracht könnte man zudem das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe gemäß § 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB ziehen. Hierunter fällt die Tötung aus solchen Motiven, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb als besonders verwerflich anzusehen sind. Beurteilt wird dies nach der gesellschaftlich anerkannten und gelebten Sozialmoral, wobei die Umstände der Tat, ihre Vorgeschichte, die Lebensverhältnisse des Täters sowie seine Persönlichkeit in einer Gesamtschau zu bewerten sind (ausführlich MüKo-StGB/Schneider, 3. Aufl. 2017, § 211 Rn. 70 ff.). Aufgrund der restriktiven Handhabe des Merkmals wird man im vorliegenden Fall das Motiv des T – die Unzufriedenheit mit seiner Wohnsituation – aber mangels weiterer Informationen wohl nicht als in besonderem Maße verwerflich einordnen können.
 
III. Unmittelbares Ansetzen
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat aber erst dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat. Zwar ist dies nach ständiger Rechtsprechung des BGH bereits dann der Fall, wenn eine vorgelagerte Handlung „nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet (s. exemplarisch BGH, Urt. v. 16.09.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203; v. 16.01.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297 f. und v. 20.03.2014 – 3 StR 424/13, NStZ 2014, 447; Besch. v. 29.01.2014 – 1 StR 654/13, JR 2014, 299, 300 und v. 20.09.2016 – 2 StR 43/16, NStZ 2017, 86 f.).“ Jedenfalls aber ist der Eintritt ins Versuchsstadium dann erfolgt, wenn der Täter bereits mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung dergestalt begonnen hat, dass bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde. Dies ist hier der Fall: Durch das Anzünden der Decke und das anschließende Verlassen des Hauses hat der T die Tathandlung vorgenommen. Damit hat er unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
 
IV. Rechtswidrigkeit und Schuld
Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
 
V. Ergebnis
T hat sich wegen versuchten Mordes gemäß §§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Gr. 2 Var. 3, 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
C) Fazit
Zusammenfassend kommt es für die Qualifikation eines Tötungsmittels als gemeingefährlich darauf an, ob das Mittel – wegen seiner abstrakten Gefährlichkeit, aber auch wegen seiner Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters – eine unbestimmte Anzahl von Menschen an Leib oder Leben gefährden kann, gerade weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht beherrschen kann. Bestimmte Mittel wie beispielsweise der Einsatz von Sprengstoff sind dabei schon ihrer Art nach typischerweise nicht zu kontrollieren, sodass sie nur in besonderen Fällen nicht als gemeingefährlich einzuordnen sind. Nach bisheriger BGH-Rechtsprechung kommt gleichwohl eine Verneinung der Gemeingefährlichkeit dann in Betracht, wenn sich der Täter mit Tötungsvorsatz gegen eine bestimmte Anzahl individualisierter Opfer richtet. Ob diese Rechtsprechung gerade in Fällen der Brandlegung in einem Wohnhaus künftig aufrechterhalten bleibt, wird man indes abwarten müssen; in der hier besprochenen Entscheidung hat der BGH dies mit überzeugenden Argumenten in Zweifel gezogen.
 
 

29.06.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-06-29 09:00:462020-06-29 09:00:46BGH: Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel in Abgrenzung zur „Mehrfachtötung“
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft

Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens i.S.v. § 22 StGB findet die Abgrenzung zwischen – grundsätzlich straflosen – Vorbereitungshandlungen und dem Eintritt ins Versuchsstadium statt, die insbesondere im Fall der mittelbaren Täterschaft, in dem der Täter den Geschehensablauf zwar aktiv anstößt, aber die unmittelbare Ausführung einem nicht volldeliktisch handelnden Werkzeug überlässt, auf besondere Schwierigkeiten stößt. Mit Urteil vom 23.10.2019 (Az.: 2 StR 139/19) hat sich der BGH unter anderem nun wieder einmal mit dem Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft auseinandergesetzt und auf die Feinheiten seiner Rechtsprechung hingewiesen. Eine sichere Beherrschung der Versuchsvoraussetzungen ist nicht nur für Strafrecht AT-Klausuren unentbehrlich, wobei neben dem Vorliegen des Tatentschlusses oder einer Rücktrittsproblematik auch immer wieder das unmittelbare Ansetzen als beliebter Schwerpunkt einer Versuchsprüfung Einzug findet. Zur Erhöhung des Schwierigkeitsgrades eignet sich die Kombination mit der mittelbaren Täterschaft hervorragend. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, um sich mit der Problematik und den zum Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft vertretenen verschiedenen Auffassungen eingehender auseinanderzusetzen und die Thematik gutachterlich aufzuschlüsseln.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der T erwarb den gestohlenen Pkw des Halters H. Das Fahrzeug wurde auf den T zugelassen. Dabei hatte er schon von Beginn an den Eindruck, dass mit dem Kilometerstand des Fahrzeugs und – nach den landgerichtlichen Feststellungen und Wertungen – „auch darüber hinaus“ etwas „nicht stimmte“. Dennoch entschloss sich der T dazu, das Fahrzeug zeitnah zu veräußern. Nach einem erfolglosen Verkaufsangebot im Internet nahm er Kontakt zu dem gutgläubigen W auf, der einen Autohandel betrieb. T beauftragte W damit, das Fahrzeug „im Kundenauftrag“ für etwa 75.000 Euro zu verkaufen und versprach ihm dafür eine Provision von 2000 Euro. Der T legte dem Zeugen S eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vor. Dabei war ihm bewusst, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte, deren Fahrzeugidentifikationsnummer auch bei einem Fahrzeug vorhanden war, das in den USA existierte. Der W bot das Fahrzeug über eine Internet-Plattform an und nannte – unbewusst wahrheitswidrig – eine Erstzulassung im Jahre 2008 sowie einen Kilometerstand von 17.000 km. Daraufhin meldete sich der Interessent I, der aber letztlich keinen Kaufvertrag abschloss.
Strafbarkeit des T nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB?  
 
B) Rechtsausführungen
Die Vorinstanz, das LG Wiesbaden, hat eine Strafbarkeit des T unter anderem wegen versuchten Eingehungsbetrugs in mittelbarer Täterschaft nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W angenommen. Der BGH kritisierte  die Feststellungen zu der auch als versuchter Betrug gewerteten Tat als lückenhaft; diese könnten den Schuldspruch nicht tragen. Denn den Urteilsgründen sei nicht zu entnehmen, dass der Betrug bereits das Versuchsstadium i.S.v. § 22 StGB erreicht hatte. Im Folgenden ist daher die Versuchsprüfung en détail nachzuzeichnen.
 
I. Vorprüfung
Unstreitig lag mangels Erfolgseintritts keine vollendete Tat vor. Die Strafbarkeit des Betrugs ergibt sich aus § 263 Abs. 2 StGB.
 
II. Tatentschluss
Dass der T Tatentschluss, mithin Vorsatz hinsichtlich der Merkmale des objektiven Tatbestandes des § 263 Abs. 1 StGB sowie Bereicherungsabsicht als subjektives Merkmal, aufwies, war ebenfalls nicht zu bezweifeln. Die Tat sollte auch im Wege mittelbarer Täterschaft i.S.v. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W ausgeführt werden. Von mittelbarer Täterschaft wird gesprochen, wenn der Täter „die Straftat (…) durch einen anderen begeht“. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Tatmittler ein Strafbarkeitsdefizit aufweist, aufgrund dessen er nicht volldeliktisch handelt, und das der Täter planvoll lenkend für seine Zwecke ausnutzt, sodass der tatbestandliche Erfolg letztlich als sein Werk anzusehen ist (BeckOK StGB/Kudlich, 45. Ed. 2020, § 25 Rn. 20). Vorliegend sollte der W, der unbewusst wahrheitswidrige Informationen über den Pkw auf der Internetplattform veröffentlichen sollte, nach der Vorstellung des T als vorsatzlos handelnder Tatmittler agieren. Dies wollte der T für seine Zwecke ausnutzen, sodass auch Vorsatz bezüglich der Tatbegehung im Wege mittelbarer Täterschaft bestand.
 
III. Unmittelbares Ansetzen
Hinsichtlich der Strafbarkeit des T wegen versuchten Betrugs in mittelbarer Täterschaft gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist also allein problematisch, ob er bereits ins Versuchsstadium eingetreten ist. Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist zwar jedenfalls dann der Fall, wenn der Täter bereits mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung dergestalt begonnen hat, dass bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch eine „frühere, vorgelagerte Handlung […] die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Das ist der Fall, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet“ (BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203). Dies bedeutet, dass der Täter nach der Formel der herrschenden gemischt subjektiv-objektiven Theorie „subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzen [muss], sodass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht“ (vgl. bereits BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 202 f.).
 
Anmerkung: Die Bestimmung des Versuchsbeginns ist auch bezogen auf den Alleintäter mitunter noch umstritten. Eine ausführliche Darstellung verschiedener Ansätze findet sich in LK-StGB/Hillenkamp, § 22 Rn. 63 ff.
 
Fällt die Subsumtion unter diese abstrakte Formel schwer, so hat der BGH mitunter Konkretisierungen vorgenommen, indem er Kriterien, die zur Beurteilung des Versuchsbeginns herangezogen werden können, in verschiedenen Entscheidungen ausdrücklich benannt hat. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium sollen unter anderem „die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird“ (BGH, Beschl. v. 29.5.2018 – 1 StR 28/18, BeckRS 2018, 16394, Rn. 9), sein. Gelten diese Grundsätze für den Alleintäter, so kommen besondere Schwierigkeiten hinzu, wenn ein Fall mittelbarer Täterschaft vorliegt, in dem sich der Täter wie in der vorliegenden Konstellation zur Tatausführung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs bedient. Wann der mittelbare Täter ins Versuchsstadium eintritt, ist wiederum umstritten.
 
1. Einwirkungstheorie
Eine Mindermeinung in der Literatur (s. etwa Bockelmann, JZ 1954, 468, 473; Meyer, ZStW 87 (1975), 598, 609; Puppe, GA 2013, 514, 530) nimmt den Versuchsbeginn für den mittelbaren Täter bereits mit der Einwirkung auf das Werkzeug an. Der Ausgangspunkt dieser Ansicht ist eine isolierte Betrachtung von Täter und Tatmittler, die in der Konsequenz ausschließlich auf das maßgebliche eigene Tun des Täters abstellt. Argumentiert wird damit, dass der Tatbeitrag des mittelbaren Täters ja gerade in seinem Einwirken auf den Tatmittler besteht und angesichts dessen die versuchte Tatbegehung schon dann angenommen werden muss, wenn er diese Einwirkung vornimmt oder vorzunehmen versucht.
Nach diesen Maßstäben müsste ein Eintritt ins Versuchsstadium schon in dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der T den W mit der Veräußerung des Fahrzeugs beauftragt und ihm hierzu eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vorgelegt hat, obwohl ihm bewusst war, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte. Folgt man der Einwirkungstheorie, ist mithin ein unmittelbares Ansetzen zu bejahen.
Gegen die Einwirkungstheorie ist indes einzuwenden, dass sie das Versuchsstadium bedenklich weit nach vorn verlagert, sodass die Gefahr besteht, den Grundsatz der grundsätzlichen Straflosigkeit von Vorbereitungshandlungen auszuhöhlen. Dies ist unvereinbar mit dem gesetzgeberischen Willen, der sich in dem Erfordernis der Unmittelbarkeit ausdrückt. Diesem liegt der Gedanke zugrunde, dass nur derjenige wegen Versuchs strafbar sein soll, der sich vorstellt, die Tatbestandsverwirklichung stehe als Folge seines Handelns unmittelbar bevor (hierzu MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 135).
 
2. Gesamtlösung
Das andere Extrem, die Gesamtlösung, betrachtet dagegen mittelbaren Täter und Tatmittler als Einheit, die nur ganzheitlich unmittelbar ansetzen kann. Ein Versuchsbeginn ist nach dieser Ansicht auch für den mittelbaren Täter erst dann gegeben, wenn unmittelbar (durch das Werkzeug) zur eigentlichen Tatausführung angesetzt wird (hierzu Erb, NStZ 1995, 424, 426; Krack, ZStW 110 (1998), 611, 625 ff.; Kühl, JuS 1983, 180, 181 f.; Küper, JZ 1983, 361, 369). Es muss also im konkreten Fall die Frage beantwortet werden, ob der W seinerseits durch das Einstellen des Fahrzeugs auf der Verkaufsplattform  sowie die Interessenbekundung des I unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung insofern angesetzt hat, als keine wesentlichen Zwischenschritte mehr erforderlich gewesen wären. Dies ist wohl dann zu verneinen, wenn der I letztlich nur sein Interesse bekundet, der W ihm aber noch kein konkretes Angebot unterbreitet hat. Da die Feststellungen keine klare Einschätzung zulassen, ist ein unmittelbares Ansetzen durch den W und damit bei Zugrundelegung der Gesamtlösung auch ein unmittelbares Ansetzen des T zu verneinen.
Auch die Gesamtlösung stößt aber auf berechtigte Kritik: Eine einheitliche Betrachtung von mittelbarem Täter und Tatmittler erscheint insofern sachwidrig, als der mittelbare Täter oftmals bereits vorher alles seinerseits zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. Damit wird der Versuchsbeginn von Zufälligkeiten abhängig gemacht und das Versuchsstadium zu weit nach hinten verschoben.
 
3. Entlassungstheorie (h.M.)
Sachgerecht erscheint vor diesem Hintergrund die sog. Entlassungstheorie: Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Lehre geht zu Recht davon aus, dass der mittelbare Täter dann unmittelbar ansetzt, wenn er nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, sodass dieser dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist (s. etwa BeckOK StGB/Cornelius, 45. Ed. 2020, § 22 Rn. 65; MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 129 m.w.N.). „Denn wer die Tat durch einen anderen begehen will (§ 25 I StGB), setzt zur Verwirklichung des Tatbestandes der geplanten Straftat unmittelbar an (§ 22 StGB), wenn er den Tatmittler zur Tatausführung bestimmt hat und ihn aus seinem Einwirkungsbereich in der Vorstellung entläßt, daß er die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr vornehmen werde.“ (BGH, Urt. v. 26.01.1982 – 4 StR 631/81, NJW 1982, 1164). Diese Maßstäbe legt der BGH auch in der hier zu besprechenden Entscheidung an, betont aber die Wichtigkeit der zeitlichen Nähe zwischen Entlassung des Tatmittlers und Tatbestandsverwirklichung sowie der hiermit einhergehenden konkreten Gefährdung des Tatobjekts für den Versuchsbeginn:

„Bezieht der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan ein, so liegt ein Ansetzen des Täters zur Begehung der Tat (hier: eines Eingehungsbetrugs) im Allgemeinen zwar schon dann vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Jedoch fehlt es an einem unmittelbaren Ansetzen durch abgeschlossene Einwirkung auf den Tatmittler, wenn dies erst nach längerer Zeit zur Tatbegehung führen soll oder wenn ungewiss bleibt, ob und wann es die gewünschte Folge hat, also wann eine konkrete Gefährdung des angegriffenen Rechtsguts eintritt; in diesen Fällen der Verzögerung oder Ungewissheit der Tatausführung durch den Tatmittler beginnt der Versuch erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Erfüllung des Tatbestands ansetzt.“ (Rn. 22)

Der Eintritt ins Versuchsstadium erfordert also nach der h.M. als notwendige Bedingung, dass der mittelbare Täter nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, ihn also aus seinem Machtbereich entlassen hat. Als hinreichende Bedingung – und dies wird bei der Darstellung der Entlassungstheorie in der Klausur oft vergessen – muss aber hinzukommen, dass der Tatmittler dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss (also in zeitlicher Nähe) die Tat ausführen soll und das Tatobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits konkret gefährdet ist. Ist dies bei Entlassung des Tatmittlers noch nicht der Fall, beginnt der Versuch auch für den mittelbaren Täter erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt.  An dieser Stelle führte der BGH aus, den Urteilsgründen der Vorinstanz könne nicht entnommen werden, ob nach diesen Maßstäben ein Eintritt ins Versuchsstadium erfolgt sei, sodass die Revision insoweit begründet sei:

„Die Voraussetzungen des Versuchsbeginns hat das LG nicht geprüft. Es hat zum Vorstellungsbild des Angekl. vom weiteren Geschehensablauf keine Feststellungen getroffen. Auch bleibt unklar, ob mit der Bekundung des Kaufinteressenten […] als eigentliches Tatgeschehen eine konkrete Rechtsgutsgefährdung vorlag. Das Urteil teilt nicht mit, ob nur eine Sondierung der Lage durch den Kaufinteressenten stattgefunden oder ob der [W] ihm bereits ein konkretes Kaufangebot unterbreitet hatte und wie danach aus der Sicht des Angekl. ein Vertragsschluss […] hätte zustande kommen sollen.“ (Rn. 21)

 
Anmerkung: Scheitert eine Versuchsstrafbarkeit am unmittelbaren Ansetzen, ist bei Verbrechen auch stets an § 30 Abs. 2 StGB zu denken – dieser wird oft übersehen.
 
C) Fazit
Mit seiner Entscheidung folgt der BGH konsequent seiner bisherigen Rechtsprechungslinie, hebt aber die Erforderlichkeit einer präzisen Prüfung der einzelnen Voraussetzungen besonders hervor: Der Eintritt ins Versuchsstadium bei der Einschaltung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs erfolgt, wenn der Täter seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Dies gilt aber nur dann, wenn der Tatmittler der Vorstellung des Täters entsprechend auch im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist. Fehlt es hieran, beginnt auch für den mittelbaren Täter der Versuch erst in dem Zeitpunkt, in dem das Werkzeug seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. In einer Klausur bedarf es also einer genauen Betrachtung der konkreten Umstände; vorschnell den Versuchsbeginn nach abgeschlossener Einwirkung auf den Tatmittler anzunehmen, wäre verfehlt.

09.03.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-03-09 09:00:452020-03-09 09:00:45BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Konkretisierung des Versuchs der Hehlerei

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Anschlussdelikte wie die Hehlerei gemäß §§ 259-260a StGB genießen bei den Studierenden erfahrungsgemäß keine große Beliebtheit, sodass sie häufig entweder in der Klausurvorbereitung gänzlich ausgespart werden oder sich die Kenntnisse auf bestimmte Klassiker (Stichwort: Erforderlichkeit eines Absatzerfolgs) beschränken – allerdings ohne, dass eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Delikt stattfindet. Verbunden wird mit dem Verbot der Hehlerei zumeist nur die Formulierung, dass die Perpetuierung einer rechtswidrigen Besitzlage verhindert werden soll. Bei einer Klausur, die schwerpunktmäßig Vermögensdelikte behandelt, ist aber eine saubere Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale unerlässlich, um in obere Notenbereiche vorstoßen zu können. Zudem ist insbesondere, wenn der Tatbestand Gegenstand aktueller BGH-Rechtsprechung ist, von einer erhöhten Klausur- und Examensrelevanz auszugehen. So hat sich der BGH in einem neuen Urteil vom 7.11.2018 (Az.: 4 StR 395/18) mit dem Versuchsbeginn bei der Hehlerei beschäftigt. Das Urteil soll zum Anlass genommen werden, um sich mit dem Tatbestand eingehender auseinanderzusetzen.
 
A. Sachverhalt (vereinfacht und abgewandelt):
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der drogenabhängige H finanzierte seine Sucht durch den regelmäßigen Verkauf von Gegenständen, die aus gewaltsam geöffneten Kraftfahrzeugen entweder durch ihn oder andere Personen gestohlen wurden. Am Morgen des 23. Oktober 2017 bot ihm der D ein Werkzeug im Wert von 2500 Euro zum Weiterverkauf an, das er zuvor aus einem Auto entwendet hatte. H wollte das Angebot annehmen, um das Werkzeug anschließend gewinnbringend zu verkaufen. Er traute dem D allerdings hinsichtlich des Wertes nicht über den Weg. Also tätigte er, bevor er dem D zusagte, zehn Suchanfragen im Internet, um den Gerätewert zu ermitteln. Zudem suchte er bereits nach potentiellen Käufern, konnte aber noch mit keiner konkreten Person in Verhandlung treten, da noch an diesem Tag seine Festnahme erfolgte.
Strafbarkeit des H?
 
B. Lösung
In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei gemäß §§ 259 Abs. 1, Abs. 3, 260 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB, indem der H das Angebot des D zum Weiterverkauf des gestohlenen Werkzeugs angenommen und nach potentiellen Käufern gesucht hat.
 
I. Vorprüfung
Mangels Erfolgseintritt wurde die Tat nicht vollendet. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus §§ 259 Abs. 3, 260 Abs. 2, 23 Abs. 1 StGB.
 
II. Tatentschluss
Der H müsste mit Tatentschluss gehandelt haben. Dies setzt Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes sowie das Vorliegen etwaiger subjektiver Tatbestandsmerkmale voraus.
 
Anmerkung: Das Urteil dient nur als „Aufhänger“, um sich auch mit den Tatbestandsmerkmalen eingehend auseinanderzusetzen. Die nachfolgenden Darlegungen sind daher viel ausführlicher, als es in einer Klausur erforderlich wäre; im Gegenteil müssen in einer Klausur selbstverständlich Problemschwerpunkte gesetzt werden.
 
1.Vorsatz hinsichtlich der Begehung einer Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB
a) Taugliches Tatobjekt
Zunächst müsste es sich bei dem Werkzeug um ein taugliches Tatobjekt handeln. Hierunter fällt jede Sache, die ein anderer aus einer rechtswidrigen, gegen fremdes Vermögen gerichteten Vortat erlangt hat.
 
aa) Rechtswidrige, gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat eines anderen
Der Vorsatz des H muss sich darüber hinaus darauf beziehen, dass diese Sache durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat i.S.v. § 11 I Nr. 5 StGB erlangt wurde. In Betracht kommen hierbei alle Vermögensdelikte im weiteren Sinne – so beispielsweise ein Diebstahl gemäß § 242 StGB. Dabei muss die Vortat rechtswidrig, aber nicht notwendig schuldhaft begangen sein. Wichtig ist aber, dass es sich um die Vortat eines anderen handelt. Das heißt, dass derjenige, der täterschaftlich an der Vortat mitgewirkt hat, nicht zugleich Täter der Hehlerei sein kann. Vorliegend hat der D das Werkzeug aus einem fremden Auto gestohlen, also einen Diebstahl gemäß § 242 I StGB begangen, sodass eine rechtswidrige, gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat eines anderen gegeben ist.
 

Umstritten ist, ob der Teilnehmer der Vortat als Täter einer Hehlerei in Betracht kommt. Das wird von der wohl h.M. mit dem Argument bejaht, dass der Teilnehmer die rechtswidrige Besitzlage nicht selbst geschaffen, sondern lediglich gefördert habe. Nach anderer Ansicht gehe das Unrecht der Perpetuierung der rechtswidrigen Besitzlage bereits in der Teilnahme an der Vortat auf, sodass es sich beim Teilnehmer nicht um einen „anderen“ handeln könne. Ausführlich zum Streit s. MüKoStGB/Maier, 3. Aufl. 2017, § 259 Rn. 61 ff. 

 
bb) Eine durch die Vortat erlangte Sache
Weiterhin müsste das Werkzeug eine Sache darstellen, die durch die Vortat erlangt wurde. Eine Sache ist jeder körperliche Gegenstand, § 90 BGB. Irrelevant sind dabei die Eigentumsverhältnisse; auch eine herrenlose Sache kann taugliches Tatobjekt sein. Bei dem Werkzeug handelt es sich zweifelsohne um einen körperlichen Gegenstand, mithin eine Sache i.S.v. § 90 BGB. Die Sache muss unmittelbar durch die Vortat erlangt worden sein, d.h. dieselbe Sache, die der Vortäter erlangt hat, muss Tatobjekt der Hehlerei sein. Nicht tatbestandsmäßig sind Surrogate – das wird vielen unter dem Stichwort straflose Ersatzhehlerei bekannt sein. Im vorliegenden Fall stellt das Werkzeug gerade die Sache dar, die der D gestohlen hat, sodass es unmittelbar aus der Vortat erlangt wurde.
 
b) Tathandlung
Ferner müsste der H Tatentschluss gehabt haben, im einvernehmlichen Zusammenwirken mit dem Vortäter die Sache anzukaufen oder sonst sich oder einem Dritten zu verschaffen, sie abzusetzen oder Absatzhilfe zu leisten. Bei den ersten beiden Varianten agiert der Hehler als Käufer: Sich Verschaffen bezeichnet die bewusste und gewollte Übernahme der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Sache durch den Täter zu eigenen Zwecken im Wege des abgeleiteten Erwerbs. Bei der Drittverschaffung kommt es darauf an, dass der Hehler durch Weisung die Verfügungsgewalt für einen Dritten herstellt. Das Ankaufen stellt einen Unterfall des Sich Verschaffens dar. Es müssen hierfür alle Merkmale des Sich Verschaffens gegeben sein; insbesondere genügt ein bloßer Vertragsschluss nicht. Unter Absetzen versteht man die wirtschaftliche Verwertung der Sache im Interesse des Vortäters durch selbstständiges Handeln des Täters im Rahmen einer entgeltlichen rechtsgeschäftlichen Weitergabe an einen gut- oder bösgläubigen Dritten. Hierbei agiert der Hehler als „Verkaufskommissionär“. Dagegen zeichnet sich die Absatzhilfe durch die unselbständige Unterstützung des Vortäters bei der wirtschaftlichen Verwertung der Sache aus.
 

Umstritten war jahrelang, ob vollendetes Absetzen und Absatzhilfe einen Absatzerfolg, also die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf den Dritten bedingt (so die h.M. im Schrifttum) oder ob jegliche Unterstützungshandlungen unabhängig vom Vorliegen eines Absatzerfolgs tatbestandsmäßig sind (so die frühere Ansicht des BGH). Dieser Streit hat sich nun erledigt, da der BGH mit Beschluss vom 22.10.2013 (Az.: 3 StR 69/13) seine frühere Linie aufgegeben hat und nunmehr ebenfalls einen Absatzerfolg verlangt.  

 
Vorliegend wollte der H das Werkzeug gewinnbringend verkaufen. Er hatte also Tatentschluss, die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache zu eigenen Zwecken zu erlangen, sie mithin anzukaufen.
 
c) Bereicherungsabsicht
Weiterhin hatte der H auch den finalen Willen, einen Vermögensvorteil anzustreben, also Bereicherungsabsicht.    
 
d) Zwischenergebnis
H handelte mit Tatentschluss in Bezug auf die Begehung einer Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB.
 
Anmerkung: Ein ausführliches Schema zum Tatbestand der Hehlerei findet ihr noch einmal hier. 
 
2.Vorsatz hinsichtlich der Begehung einer gewerbsmäßigen Hehlerei gemäß § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB
Weiterhin könnte H mit dem Tatentschluss gehandelt haben, die Tat gewerbsmäßig zu begehen. Gewerbsmäßig handelt, wer in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (s. hierzu BGH, Beschl. v. 27.2.2014 – 1 StR 15/14, NStZ 2014, 271). Laut Sachverhalt finanzierte der H seine Drogensucht durch den regelmäßigen Verkauf von Gegenständen, sodass davon auszugehen ist, dass sein Vorsatz auch auf die Begehung einer gewerbsmäßigen Hehlerei gerichtet war.
 
III. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB
Ferner müsste der H auch unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt haben. Das setzt nach der gemischt subjektiv-objektiven Theorie voraus, dass der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten hat und objektiv nach seiner Vorstellung von der Tat zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt hat, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht. Den Versuchsbeginn hat der BGH aber im vorliegenden Fall mit folgender Begründung verneint:
 

„Sowohl das Sichverschaffen im Sinne von § 259 Abs. 1 StGB als auch das Ankaufen – als Unterfall des Sicherverschaffens – setzen die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch den Hehler voraus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Juni 2005 – 4 StR 64/05, NStZ-RR 2005, 236; vom 29. März 1977 – 1 StR 646/76, BGHSt 27, 160, 163; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 259 Rn. 10 f.; MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 259 Rn. 78 und 100). Dementsprechend setzt der Versuch sowohl des Sichverschaffens als auch des Ankaufens ein unmittelbares Ansetzen zur Übernahme eigener Verfügungsgewalt voraus; die bloße Vereinbarung mit dem Vortäter, die Sache abnehmen zu wollen, reicht für den Versuchsbeginn nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 – 2 StR 287/90, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Sichverschaffen 4; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, Stand: 1. August 2018, § 259 Rn. 51; MüKo-StGB/Maier, aaO, § 259 Rn. 165 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. November 2007 – 5 StR 371/07, NStZ 2008, 409 zu § 374 AO). Die Feststellungen belegen auch keine andere Tatbestandsvariante des § 259 Abs. 1 StGB. Insbesondere ergibt sich aus der bloßen Suche des Angeklagten nach potentiellen Käufern kein versuchtes Absetzen; es fehlt hierfür an einem unmittelbaren Ansetzen zur Übertragung der Verfügungsgewalt auf einen Erwerber – etwa durch konkrete Verkaufsverhandlungen (vgl. MüKoStGB/Maier, aaO, § 259 Rn. 170; Stree/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 259 Rn. 47).“

 
Ein Versuchsbeginn könne daher nicht schon angenommen werden, wenn der Täter nur nach potentiellen Käufern sucht, ohne mit einer konkreten Person in Kontakt zu treten. Denn dann seien noch Zwischenschritte erforderlich, um zur Übernahme der Verfügungsgewalt anzusetzen. Der H hat folglich nicht unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
 
Anmerkung: Der BGH hat sich im letzten Jahr des Öfteren mit der Konkretisierung des Versuchsbeginns auseinandergesetzt. Ausführlich aufbereitet findet ihr relevante Entscheidungen hier und hier.
 
IV. Ergebnis
H hat sich nicht wegen versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei gemäß §§ 259 Abs. 1, Abs. 3, 260 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
C. Fazit
Die Entscheidung des BGH ist überzeugend. Würde man ein unmittelbares Ansetzen zur Hehlerei bereits bejahen, wenn lediglich Suchanfragen getätigt werden, ohne dass sich bereits ein konkretes Verkaufsgespräch ergeben hat, würde die Strafbarkeit zu weit nach vorn verlagert werden. Zudem – und das ist schlichte Subsumtion – erfordert das unmittelbare Ansetzen zur konkreten Tatvariante das unmittelbare Ansetzen zur Übernahme der tatsächlichen Verfügungsgewalt – und dass dies noch nicht angenommen werden kann, wenn noch gar keine Zusage gegenüber dem Vortäter erfolgt ist, dürfte offensichtlich sein. Festzustellen bleibt aber: Um beurteilen zu können, ob unmittelbar angesetzt wurde, muss Kenntnis über die exakte Definition der Tathandlung bestehen; eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Tatbestand der Hehlerei ist daher in Fallkonstellationen wie der vorliegenden unerlässlich.
 

07.02.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-02-07 09:00:292019-02-07 09:00:29BGH: Konkretisierung des Versuchs der Hehlerei
Dr. Yannik Beden, M.A.

Karteikarte Rücktritt vom Versuch; § 24 I StGB

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05.02.2019/0 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
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Dr. Melanie Jänsch

BGH: Konkretisierung des Versuchsbeginns

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Im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens i.S.v. § 22 StGB findet die Abgrenzung zwischen – grundsätzlich straflosen – Vorbereitungshandlungen und dem Eintritt ins Versuchsstadium statt, die insbesondere in Fällen, in denen sich das Handeln des Täters im Vorfeld der eigentlichen Tatausführung bewegt, Schwierigkeiten bereitet. Mit Beschluss v. 29.5.2018 (Az.: 1 StR 28/18) hat sich der BGH nun wieder einmal zum unmittelbaren Ansetzen geäußert und die bislang vertretene gemischt subjektiv-objektive Theorie unter Anführung konkretisierender Elemente fortgeführt.
 

Anmerkung: Schon der Beschluss des BGH v. 8.5.2018 (Az.: 5 StR 108/18) betrifft den Versuchsbeginn, s. hierzu ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung. Da sich der BGH in letzter Zeit mehrfach mit dem unmittelbaren Ansetzen auseinandersetzen musste, ist von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit auszugehen, der Abgrenzungsproblematik Vorbereitung/Versuch bald in den (Examens-)Klausuren zu begegnen.

 
A. Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt):
Zwischen A und B kam es in der Wohnung des A zum Streit, wobei der B den A mehrfach schlug, sodass dieser zu Boden ging. Der C, der ebenfalls in der Wohnung anwesend war, hielt B sodann fest und forderte ihn zum Gehen auf, woraufhin B von A abließ und in Richtung Wohnungstür ging. Der in Wut geratene A wollte sich an B rächen und fasste den Entschluss, diesen mit seiner Waffe zu erschießen. Dabei ging er davon aus, den B noch im Eingangsbereich der Wohnung oder im Treppenhaus stellen zu können. B war jedoch von C, der von der Bewaffnung des A Kenntnis hatte, gewarnt worden und war bereits durch das Treppenhaus bis zur Haustür gelaufen. Auch der C verließ die Wohnung und hielt die Wohnungstür von außen zu, damit A nicht nachfolgen konnte. A bemerkte, dass die Wohnungstür von C zugehalten wurde, sodass er sich zunächst daran gehindert sah, auf B zu schießen. Dennoch schoss er – um die Blockade an der Tür aufzulösen – aus einer Entfernung von einem Meter schräg von oben nach unten durch die Wohnungstür. Die Kugel verfehlte C, dessen Verletzung A billigend in Kauf genommen hatte. Sie traf allerdings den B am linken Oberkörper, wobei das Durchdringen der Tür in schräger Bahn zu einer Geschwindigkeitsdrosselung geführt hatte, sodass die Kugel nicht in den Körper des B eindrang, sondern lediglich eine oberflächliche Verletzung verursachte. A hatte die Verletzung des B billigend in Kauf genommen, wobei er aber davon ausging, aufgrund der Geschwindigkeitsdrosselung der Kugel durch das Durchschlagen der Tür den B nicht tödlich treffen zu können. Daraufhin floh B aus dem Gebäude. Einige Sekunden nach dem Schuss konnte auch A ins Treppenhaus gelangen; er dachte, den B noch vor der Haustür erreichen und ihn dort erschießen zu können, musste dann aber feststellen, dass B entkommen war.
 
B. Lösung
Hinsichtlich der Strafbarkeit des A ist zu diskutieren, ob dieser dadurch, dass er die Waffe ergriff, in Richtung der Wohnungstür lief, um dort oder im Treppenhaus auf B schießen zu können und dann zur Überwindung der Blockade einen Schuss durch die Tür abgab, zum Totschlag gemäß § 212 I StGB unmittelbar angesetzt hat, § 22 StGB. Dies hat der BGH aber – anders als die Vorinstanz – verneint:
 
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist zwar jedenfalls dann der Fall, wenn der Täter bereits mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung dergestalt begonnen hat, dass bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch eine
 
„frühere, vorgelagerte Handlung […] die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Das ist der Fall, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet (s. etwa BGH, Urteile vom 16. September 1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203; vom 16. Januar 1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297 f. und vom 20. März 2014 – 3 StR 424/13, NStZ 2014, 447; Beschlüsse vom 29. Januar 2014 – 1 StR 654/13, JR 2014, 299, 300 und vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, NStZ 2017, 86 f.).“ Dies bedeutet, dass der Täter „subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzen [muss], sodass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht“ (vgl. bereits BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 202 f.).
 

Anmerkung: Die Bestimmung des Versuchsbeginns ist mitunter noch umstritten. Eine ausführliche Darstellung verschiedener Ansätze findet sich in LK-StGB/Hillenkamp, § 22 Rn. 63 ff.

 
Fällt die Subsumtion unter diese abstrakte Formel schwer, so hat der BGH eine Konkretisierung vorgenommen, indem er zwei Kriterien, die zur Beurteilung des Versuchsbeginns herangezogen werden können, ausdrücklich nennt:
 
„Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen.“ (BGH, Beschl. v. 29.5.2018 – 1 StR 28/18, BeckRS 2018, 16394, Rn. 9)
 
Legt man diese Maßstäbe zugrunde, könne im vorliegenden Fall nicht von einem unmittelbaren Ansetzen ausgegangen werden: Der BGH führt aus, dass es zum Zeitpunkt der Abgabe des Schusses am „kognitiven Element des Tötungsvorsatzes“ fehle. Zu berücksichtigen sei, dass „auch nach der Aufhebung der Blockade, also des Eintritts des mit dem Schuss beabsichtigen Erfolgs, nach der Vorstellung des Angeklagten noch weitere Zwischenakte erforderlich waren, um zur Tatbestandsverwirklichung übergehen zu können. Denn ihm war angesichts der geschlossenen Wohnungstür bewusst, auch wenn [C] die Türklinke nicht mehr festhalten würde, er selbst diese zunächst würde öffnen müssen und spätestens dies dem [B] Gelegenheit geben könnte, auf die Straße zu flüchten. Das wird durch die festgestellte Verzögerung von einigen Sekunden zwischen Schussabgabe und dem Verlassen der Wohnung belegt. Danach konnte der Angeklagte nicht davon ausgehen, durch den der Aufhebung der Blockade dienenden Schuss im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang auf [B] schießen zu können“. Indem der A also erst die Tür selbst öffnen musste, um den B ins Schussfeld zu bekommen, konnte der „Grad der Gefährdung des Rechtsguts Leben“ noch nicht als konkret genug angesehen werden.
 
Auch wenn man an das Heraustreten aus der Wohnung anknüpft, ergibt sich nach der Auffassung des BGH nichts anderes: Dann fehle es ebenfalls an einem „unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Heraustreten aus der Wohnungstür unter Mitnahme der Tatwaffe einerseits und der Tatbestandsverwirklichung“, indem sich der B zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr im Hausflur befand und der A diesem erst hätte nachlaufen müssen, um dann zu einem erneuten Schuss anzusetzen. So war auch zu diesem Zeitpunkt aus Sicht des A „der Grad der Gefährdung des Rechtsguts Leben des [B] noch nicht konkret genug, da es auch bei ungestörtem Fortgang noch mehrere Zwischenakte bedurfte, um auf ihn schießen zu können“.
 
Mit dieser Argumentation hat der BGH den Versuchsbeginn verneint, sodass eine Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags ausscheidet.
 

Anmerkung: Scheitert eine Versuchsstrafbarkeit am unmittelbaren Ansetzen, ist bei Verbrechen auch stets an § 30 II StGB zu denken – dieser wird oft übersehen.

 
C. Fazit
Auch wenn der BGH durch die Nennung der Kriterien Dichte des Tatplans und Grad der Rechtsgutgefährdung seine abstrakte Formel des unmittelbaren Ansetzens näher bestimmt hat, so bleibt die Rechtsprechung zum Versuchsbeginn undurchsichtig. Mit Blick auf den bereits angesprochenen Beschluss v. 8.5.2018, in dem der BGH ebenfalls den Eintritt ins Versuchsstadium verneint hat, wird aktuell – entgegen früherer Rechtsprechung (so z.B. Urt. v. 16.9.2015 – 2 StR 71/15) – eine wohl eher restriktive Linie verfolgt. Im vorliegenden Falle wäre mit guten Argumenten sicherlich auch eine andere Ansicht vertretbar gewesen. In der Klausur ist stets wichtig, dass auf den konkreten Fall eingegangen wird und alle im Sachverhalt genannten relevanten Umstände ausgeschöpft werden.
 

05.11.2018/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2018-11-05 09:00:382018-11-05 09:00:38BGH: Konkretisierung des Versuchsbeginns
Gastautor

Einheitliche Tat bei mehraktigem Geschehen?

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Wir freuen uns sehr, nachfolgend einen Beitrag von Christian Küchler veröffentlichen zu können. Der Autor ist Rechtsreferendar im OLG-Bezirk Koblenz. 
Sowohl in Studium und Referendariat als auch in der Praxis bereiten Fälle des sog. mehraktigen Geschehens erhebliche Probleme. Umstritten ist dabei zwischen Lehre und Rechtsprechung naturgemäß schon die Verortung der daraus resultierenden Abgrenzungsfragen im Prüfungsaufbau. Daher stellt die Bewertung der entsprechenden Konstellationen im Einzelfall den Juristen vor Herausforderungen. Dieser Beitrag soll anhand von drei Beispielsfällen aus der Praxis das Problem aufzeigen und den Meinungsstand dazu knapp darstellen, woran anschließend eine eigene Stellungnahme folgt.
I. Der Jauchegrubenfall
Vielen Studenten und Referendaren dürfte der sog. Jauchegrubenfall (BGHSt 14, 193; NJW 1960, 1261) ein Begriff sein. Diesem liegt (verkürzt) folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Angeklagte stopfte mit bedingtem Tötungsvorsatz dem Opfer zwei Hände voll Sand in den Mund, um es am Schreien zu hindern. Das Opfer verlor daraufhin das Bewusstsein. Der Angeklagte war vom Tod des Opfers fest überzeugt und warf das vermeintlich tote Opfer in eine Jauchegrube, wo es ertrank.
Fraglich war in diesem Fall, ob hier ein einheitliches vollendetes Tötungsdelikt vorlag oder ob vielmehr eine Bestrafung wegen eines versuchten Tötungsdelikts in Tatmehrheit mit einer fahrlässigen Tötung (§ 189 StGB ist daneben je nach konkreter Fallkonstellation vorstellbar; § 168 StGB ist hingegen schon mangels Wegnahme bzw. Verübung beschimpfenden Unfugs nicht einschlägig) gegeben war. Die Beantwortung dieser Frage hängt – grob gesagt – davon ab, ob man ein einheitliches vom Vorsatz getragenes bzw. zurechenbares Geschehen annimmt oder aber zwei isoliert zu bewertende Teilakte (Tatmehrheit).
Der Bundesgerichtshof (BGH) verurteilte den Angeklagten hier wegen eines vollendeten Tötungsdelikts. Ansatzpunkt für den Problemaufriss ist für den BGH der subjektive Tatbestand, genauer gesagt die Frage, ob eine unwesentliche oder wesentliche Abweichung des tatsächlichen von dem vom Täter vorgestellten Kausalverlauf vorliegt.
Der BGH erteilt zunächst den landgerichtlichen Ausführungen zum Generalvorsatz (dolus generalis) eine Absage, wonach der einheitliche Vorsatz des Angeklagten bis zur Beseitigungshandlung fortgewirkt habe. Dies ist freilich vollkommen korrekt, da der Angeklagte das Opfer ja bereits für tot hielt.
Allerdings knüpft der BGH an den ersten Teilakt und den dort vorliegenden Vorsatz an und argumentiert, dass diese Tathandlung bis zum tatsächlichen Tode fortgewirkt habe und damit ursächlich gewesen sei. Danach sei allein maßgeblich, ob eine wesentliche Abweichung vom zu diesem Zeitpunkt vorgestellten Kausalverlauf vorliege, was er sodann verneint. Warum nun aber die Abweichung nur gering und bedeutungslos sei, erörtert der BGH nicht.
Die Lehre würde diesen Fall hingegen über die (im objektiven Tatbestand – wie schon der Wortsinn sagt – zu verortende) objektive Zurechnung lösen. Eine objektive Zurechnung setzt voraus, dass eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen wurde, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert (Valerius, JA 2006, 261 m.w.N.). Eine objektive Zurechnung wird man in diesem Fall noch bejahen können, da der Tod das Werk des Täters und kein Produkt des Zufalls ist (Valerius aaO). Jedoch soll auch der Irrtum über den Kausalverlauf im Rahmen der Zurechnung von Bedeutung sein, sodass sich auch hier dieses Problem stellt.
Das Meinungsspektrum zur Lösung des Falles ist in der Literatur vielgestaltig:
Die sog. Vollendungslösung kommt zu dem Ergebnis, dass die Abweichung unwesentlich ist, da sich der Täter unbewusst zum Werkzeug seiner eigenen Tat gemacht habe.
Andere Literaten fordern, dass der Täter den zweiten Handlungsakt in seinem Vorsatz aufgenommen haben müsste. Anderenfalls liege eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf vor. Im vorliegenden Fall dürfte daher – jedenfalls in dubio pro reo – nach dieser Ansicht eine wesentliche Abweichung und damit nur eine Versuchsstrafbarkeit vorliegen.
Eine dritte Ansicht fordert, dass die erste Teilhandlung konkret tauglich für den Tod des Opfers gewesen sein muss, d.h. wenn durch diese Handlung bereits tödliche Verletzungen eingetreten seien, und die zweite Teilhandlung nur eine Beschleunigung des Todes herbeigeführt habe. Danach hinge eine Vollendungsstrafbarkeit davon ab, ob der Sand im Mund schon zum Tod geführt hätte.
Eine letzte Ansicht differenziert danach, ob der Täter von Anfang an mit Tötungsabsicht und nicht nur bedingtem Vorsatz gehandelt hat (zu den verschiedenen Auffassungen knapp Valerius, aaO m.w.N.). Da hier nur bedingter Vorsatz festgestellt werden konnte, läge auch nach dieser Auffassung nur eine Versuchsstrafbarkeit vor.
II. Der Scheunenmordfall
Im Jahre 2016 hatte der vierte Strafsenat des BGH einen ähnlich gelagerten Fall (sog. Scheunenmordfall, BGH 4 StR 223/15), der jedoch in einem Umstand vom Jauchegrubenfall abwich, zu entscheiden. Dem Urteil lag folgender (verkürzter) Sachverhalt zugrunde:
Der Angeklagte und das Opfer fuhren gemeinsam in einem Auto und hielten an einer Scheune an, stiegen dort aus und gelangten an ein verschlossenes Tor. Dort kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den beiden, wobei es nicht zu Tätlichkeiten kam. Sodann wandte sich das Opfer dem Scheunentor zu und machte sich an diesem zu schaffen, während es kniete und dem Angeklagten den Rücken zudrehte. Der Angeklagte, der wusste, dass das Opfer mit keinem Angriff rechnete und diesen von hinten nicht rechtzeitig bemerken würde, fasste nun einen Tötungsentschluss. Mit Tötungsabsicht schlug er Angeklagte dann dem Opfer mit einer schweren Eisenstange auf den Hinterkopf. Das Opfer kippte bewusstlos zu Seite und begann im Kopfbereich und an den Ohren stark zu bluten. Der Angeklagte schlug mindestens zwei weitere Male mit der Stange auf den Kopf des Opfers. Die Verletzungen des Opfers während mit Sicherheit tödlich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war es jedoch noch nicht verstorben.
In der Annahme, das Opfer sei bereits tot oder werde in Kürze versterben, fuhr das Angeklagte mit der Eisenstange mit dem Auto weg. Im weiteren Verlauf kam dem Angeklagten dann die Idee, zurück zur Scheune zu fahren, die Polizei zu informieren und zu behaupten, er habe das Opfer auf dessen Bitte allein an der Scheune absetzen sollen und ihn dann tot dort aufgefunden, als er ihn abholen wollte.
Als der Angeklagte zurück an der Scheune angelangt war, bemerkt er, dass das Opfer noch nicht verstorben war und beschloss nun, es endgültig zu töten. Er schnitt dem Opfer mit einem Messer den Hals bis zur Wirbelsäule durch. Das Opfer konnte in seinem Zustand keine Abwehr mehr leisten. Das Opfer verstarb schließlich infolge der Schnitte.
 
Hier stellte sich nicht die Frage, ob Versuch und Fahrlässigkeit oder Vollendung. Vielmehr war fraglich, ob neben dem unstreitig an sich vorliegenden vollendeten Totschlag auch noch ein Heimtückemord zu bejahen war. Hintergrund dieser Frage ist der Umstand, dass A, als er mit der Eisenstange auf O losging, heimtückisch handelte. Später – bei den Stichen mit dem Messer – war O hingegen nicht mehr arglos, weswegen hier keine Heimtücke mehr vorlag (Jäger, JA 2016, 548, sieht dies indes anders und geht – m.E. widersprüchlich – von einem Zuendeführen der ursprünglichen Tat und gleichzeitig von einer zweiten Tat aus, vgl. hierzu unten). Auch Verdeckungsabsicht konnte nicht festgestellt werden (hierzu Jäger, aaO).
Wiederum nahm der BGH (wie schon im vergleichbaren sog. Pflegemutterfall, BGH NStZ 2001, 29), anders als das Landgericht, ein einheitliches Geschehen an und verurteilte den A wegen Mordes aus Heimtücke. Die Abweichung vom Kausalverlauf sei nicht wesentlich. Denn der tatsächliche Verlauf bewege sich nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und rechtfertige keine andere Bewertung der Tat. Er stellt maßgeblich auf die „gleiche Angriffsrichtung“ der Verschleierungshandlungen ab. Eine detaillierte Begründung für diese Behauptung lässt er indes vermissen.
Diese Entscheidung ist auf Kritik gestoßen. Eisele (JuS 2016, 368), der den Jauchegrubenfall zwar dogmatisch anders, im Ergebnis aber wie der BGH lösen möchte, sieht hier eine erhebliche Abweichung zum Jauchegrubenfall darin, dass der A erkannt habe, dass der O noch nicht tot gewesen sei und entsprechend einen neuen Tötungsvorsatz gefasst habe. Im Jauchegrubenfall habe nur Fahrlässigkeit vorgelegen, weswegen eine Zäsurwirkung durch den neuen Vorsatzentschluss ausscheide.
 
III. BGH 3 StR 402/16
Der dritte Strafsenat des BGH hatte kurz darauf ebenfalls über eine vergleichbare Konstellation (BGH 3 StR 402/16) zu befinden.
Sachverhalt war hier folgender (leicht verkürzt):
Die Ehefrau des Angeklagten, welche sich von diesem getrennt hatte, kam mit einer Bekannten zurück in die Ehewohnung, um dort die gemeinsamen Kinder zu besuchen. Zwischenzeitlich befanden sich die beiden Frauen auf dem Balkon. Durch ein dortiges Gespräch über ihn, das er vernommen hatte, wütend, lief der Angeklagte mit einem Küchenmesser in der Hand auf den Balkon. Unterwegs steckte er das Messer in den Ärmel oder Hosenbund, so dass es nicht sichtbar war. Auf dem Balkon angekommen beschimpfte und beleidigte die Ehefrau den Angeklagten weiter. Völlig unvermittelt und plötzlich stach der Angeklagte mit dem Messer, das er unbemerkt hervorgeholt hatte, gezielt und mit Wucht auf das Gesicht der Ehefrau ein, wobei ihm bewusst war, dass die Ehefrau nicht mit einem Angriff rechnete. Sodann versetzte er hier mehrere Stiche in den Oberkörper und stach auf weiter auf sie ein, als sie zu Boden ging.
Als der Angeklagte erkannte, dass das gemeinsame Kind mit entsetztem Blick das Geschehen verfolgt hatte, hielt er inne, ließ das Messer fallen und wollte die Wohnung verlassen. Nunmehr ergriff die Ehefrau das Messer und versuchte nach dem Angeklagten zu stechen. Der Angeklagte konnte das Messer jedoch verbiegen und aus der Hand der Ehefrau befördern. Wiederum stürzte die Ehefrau mit dem Messer auf den Angeklagten zu, welcher ein anderes Küchenmesser ergriff und nach der Ehefrau stach. Als diese zu Boden gegangen und ihr Messer verloren hatte, stach er weiter auf sie ein und tötete sie letztlich mit insgesamt mindestens 67 aktiven Stichen.
(Zunächst ist hier festzuhalten, dass der Angeklagte nicht aus Notwehr handelte, da kein Angriff der Ehefrau mehr vorlag.)
Interessanterweise war hier das Landgericht von einer Vollendung ausgegangen. Der dritte Strafsenat hatte dem auf die Revision des Angeklagten hin jedoch widersprochen. Er meint, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Angeklagte lediglich einen Tötungsversuch begangen habe, von dem er dann strafbefreiend zurückgetreten sei, weil er eventuell durch den Anblick seines Sohnes von der Tat zunächst abgelassen habe und nach seiner Vorstellung möglicherweise ein unbeendeter Versuch vorgelegen habe, und die Zufügung der tödlichen Stiche nach dem Gegenangriff der Ehefrau lediglich als Totschlag zu werten sei. Er geht auch ausdrücklich davon aus, dass der Angeklagte erneut einen Tötungsentschluss fasste. An dieser Beurteilung ändere sich auch nichts, wenn man von Handlungseinheit ausgehe, da dies nur konkurrenzrechtlich von Bedeutung sei.
IV. Eigene Bewertung der drei Konstellationen
Die Differenzierung Eiseles zwischen Jauchegruben- und Scheunenmordfall vermag m.E. nicht zu überzeugen. Auch im Jauchegrubenfall fasst der Täter einen neuen Vorsatz – nämlich die (vermeintliche) Leiche zu „entsorgen“. Dass dieser Entschluss als solcher (da es kein Vorsatzdelikt gibt, das dieses Verhalten unter Strafe stellt) nicht strafbar ist, darf keinen Unterschied machen. Denn dann würde man den Täter privilegieren, dessen Verhalten im zweiten Akt eine Vorsatzstrafbarkeit begründete, der also dort stärkeres Unrecht verwirklichte. Dass darüber hinaus eine strafbare Fahrlässigkeitstat vorliegt, kann freilich nichts hieran ändern, da diese den Vorsatz unberührt lässt.
Im Ergebnis zum zweiten Fall ist Eiseleaber zuzustimmen. Im zweiten Fall (ebenso im letztgenannten Fall) wie auch im Jauchegrubenfall fasst der Täter einen neuen Entschluss, welcher eine Zäsur zum vorangegangenen Geschehen begründet. Gerade dieser neue Entschluss spricht dafür, dass er diesen Geschehensablauf gerade nicht vorhergesehen hat (so für den Scheunenmordfall Jäger, aaO: Einen Zweitakt als „vorhersehbar“ zu betrachten, für dessen Verwirklichung der Täter später selbst noch einen Entschluss fassen muss, erscheint fragwürdig“ – wegen des neuen Tatentschlusses ist aber entgegen Jägergerade keine Heimtücke mehr gegeben. Will man Heimtücke annehmen, so muss man denklogisch auch von einer von vorn herein einheitlicher Tat ausgehen) und die Abweichung vom Kausalverlauf damit wesentlich ist. Alles andere wäre auch lebensfremd. Denn wieso sollte der Täter, der das Opfer tot glaubt, die Möglichkeit, dass es doch noch nicht tot sei, er es dann aber eben nun auf andere Weise töte, in seinen Vorsatz aufnehmen? Dies ist letztlich nichts anderes als die Annahme eines sog. dolus generalis, der aber mit § 16 StGB und dem Koinzidenzprinzip nicht vereinbar ist (und welchen der BGH schon in der Jauchegruben-Entscheidung als überkommen bezeichnete, BGHSt 14, 193). Zwar mag es durchaus sein, dass – hätte der Täter erkannt, dass das Opfer noch lebte – dieses gleichwohl getötet hätte bzw. hätte töten wollen. Ein vorsätzliches Begehungsdelikt ist jedoch solchen hypothetischen Betrachtungen nicht zugänglich. Zum Zeitpunkt der eigentlich kausalen Handlung lag eben gerade – aufgrund eines Irrtums – kein Vorsatz vor. Den Täter muss dies nicht privilegieren, da der Versuch nur eine fakultative Strafmilderung vorsieht, §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB, welche man hier sicherlich nicht anwenden sollte und auch nicht würde.
So geht der dritte Strafsenat richtigerweise in dem von ihm zu entscheidenden Fall davon aus, dass ein neuer selbstständig zu bewertender Tatentschluss vorliege, und setzt sich damit in gewissem Maße in Widerspruch zum vierten Strafsenat. Nicht verloren gehen soll allerdings der Umstand, dass hier eine echte Aufgabe des Tatentschlusses durch Rücktritt (wenn auch nur kurzfristig) in Betracht kam, was in den beiden anderen Fällen gerade nicht so war, weswegen die Beurteilung in diesem Fall doch eindeutiger erscheint. Denn es erscheint schwerlich begründbar, wie die ursprüngliche Tat – von der ja gerade ein Rücktritt in Betracht kam – hier fortwirken sollte.
Die Lösung dieses Problems ist aber letztlich eine Wertungsfrage (Wann ist die Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf noch unwesentlich und wann nicht mehr? – Nach der Literatur: Wann ist ein Erfolg noch zurechenbar?) und damit eine solche des Einzelfalls. Im ersten Staatsexamen sollten daher beide Ansichten vertretbar sein. Für das zweite Staatsexamen ist hingegen – wie immer – anzuraten, dem BGH zu folgenund sich mit dessen dürftiger Begründung zu begnügen. Andernfalls verlöre der Bearbeiter in der Klausursituation Zeit und liefe Gefahr, dass seine Lösung entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung vom Korrektor mindestens mit Verwunderung beäugt wird.

24.09.2018/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2018-09-24 09:00:212018-09-24 09:00:21Einheitliche Tat bei mehraktigem Geschehen?
Redaktion

Schema: Versuch, §§ 22, 23 StGB

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes

Schema: Versuchsdelikt §§ 22, 23 StGB

I. Vorprüfung

1. Nichtvollendung des Delikts

2. Strafbarkeit des Versuchs
– Ergibt sich bei Verbrechen aus §§ 12 I, 23 I StGB.
– Bei Vergehen nur strafbar, wenn ausdrücklich gesetzlich vorgesehen.
II. Tatbestandsmäßigkeit

1. Tatentschluss
– Der Täter muss unbedingten Handlungswillen haben, d.h. sich vorbehaltlos zur Tat entschlossen haben.
– Bedingungen des Tatentschlusses sind nur schädlich, wenn sie sich auf die Entscheidung zur Tat als solche beziehen. Dass der Täter die Begehung der Tat von äußeren Umständen abhängig macht, ist hingegen unproblematisch möglich.

2. Unmittelbares Ansetzen gem. § 22 StGB
Nach hM (+), wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat eine Handlung vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang des Geschehens ohne wesentliche Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt und bereits eine konkrete Rechtsgutsgefährdung auf Seiten des Opfers bedeutet.
III. Rechtswidrigkeit
IV. Schuld
V. Persönlicher Strafaufhebungsgrund: Rücktritt gem. § 24 StGB

1. Kein Fehlschlag des Versuchs

(P) Wann liegt ein Fehlschlag vor?
– Einzelaktstheorie: Fehlschlag (+), wenn eine Handlung, die nach Vorstellung des Täters dazu geeignet war, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen, fehl geht.
– Gesamtbetrachtungslehre: Fehlschlag (+), wenn aus Sicht des Täters keine Möglichkeit mehr besteht, den tatbestandlichen Erfolg im unmittelbaren Fortgang des Geschehens mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln herbeizuführen.

2. Rücktrittsvoraussetzungen

a) Unbeendeter Versuch, § 24 I Alt. 1 StGB

= Der Täter glaubt noch nicht alles seinerseits zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan zu haben.

aa) Aufgabe der weiteren Ausführung der Tat
bb) Freiwilligkeit

b) Beendeter Versuch, § 24 I Alt. 2 StGB
= Der Täter glaubt bereits alles seinerseits zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan zu haben.



aa) Verhinderung der Vollendung der Tat
bb) Freiwilligkeit

c) Vermeintlich vollendbarer Versuch, § 24 I 2 StGB

aa) Ernsthaftes Sichbemühen um die Erfolgsverhinderung
bb) Freiwilligkeit

d) Bei Beteiligung mehrerer, § 24 II StGB

aa) Grundsätzlich Verhinderung der Tatvollendung, § 24 II 1 StGB
Ausnahmsweise ernsthaftes Bemühen um die Erfolgsverhinderung, wenn die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird, § 24 II 2 StGB
bb) Freiwilligkeit

 

Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.

13.10.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-10-13 10:00:022017-10-13 10:00:02Schema: Versuch, §§ 22, 23 StGB
Gastautor

Errare humanum est – Einführung in die strafrechtliche Irrtumslehre

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Der heutige Beitrag resultiert aus einer Kooperation zwischen juraexamen.info und dem Phi Delta Phi – Michael Hoffmann-Becking Inn Frankfurt am Main. Das Michael Hoffmann-Becking Inn ist Teil der weltweiten Juristenorganisation und Honor Society Phi Delta Phi, welche die älteste noch bestehende Juristenvereinigung amerikanischen Ursprungs darstellt (siehe hierzu etwa bei Wikipedia). Künftig wird im Rahmen der Kooperation in regelmäßigen Abständen ein Artikel erscheinen, der sich inhaltlich an dem bestehenden Konzept von juraexamen.info ausrichtet.
Diesen Monat stammt der Beitrag von dem Phi Delta Phi Mitglied Manuel Köchel. Er ist externer Doktorand bei Prof. Bosch am Lehrstuhl Strafrecht I in Bayreuth und Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Wirtschaftskanzlei in Frankfurt am Main.
I. Einleitung
„Errare humanum est“: Der Irrtum gilt als Kehrseite des Wissens einer Person. Während Irrtümer im Öffentlichen Recht, wenn überhaupt, stiefmütterlich behandelt werden und im Zivilrecht abgesehen von den §§ 119 ff. BGB auch eher einen Randbereich des juristischen Curriculums ausmachen, nehmen entsprechende Fehlvorstellungen in der strafrechtlichen Falllösung einen nicht nur unwesentlichen Bestandteil ein. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet die strafrechtliche Irrtumslehre, welcher ab dem ersten Semester bis zum Ende einer jeden juristischen Ausbildung uneingeschränkte Relevanz beizumessen ist. Aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrads und der mannigfaltigen Terminologie wird diese Thematik von den Studierenden gerne aufgeschoben. Statt sich von Einzelfall zu Einzelfall zu hangeln, sollte man sich von den zahlreichen Einzelbegriffen der Lehrbuchs- und Kommentarliteratur lösen und sich zuvörderst auf die Grundstruktur der Irrtumslehre besinnen.
Vorangestellt sei in diesem Zusammenhang noch die Ausgangsüberlegung, dass sich vorsätzliche Erfolgsdelikte aus einem Erfolgsunrecht (= Eintritt eines Erfolgs, welcher im Widerspruch zur Rechtsordnung steht) und einem Handlungsunrecht (= rechtsfeindliche Gesinnung des Täters, welche in seinem Verhalten für die Außenwelt in Erscheinung tritt) zusammensetzen. Während ein abgelöster Handlungsunwert zu einer Bestrafung des Täters führen kann (bspw. im Wege der Versuchsstrafbarkeit), ist das für ein selbstständiges Erfolgsunrecht nie der Fall (der Tot eines Menschen wird erst dann für § 212 StGB relevant, wenn er auf ein Verhalten des Täters zurückgeführt werden kann).
Die Grundstruktur des Irrtumsbegriffs ist aufgrund der Ausgangsdefinition vergleichsweise simpel: „Irrtum ist jede Abweichung subjektiv Vorgestellten vom objektiv Vorhandenen„. Unterscheidet man im Hinblick auf diese Fehlvorstellung zwischen einer Komponente der Unkenntnis („Täter hat keine Kenntnis davon, dass …“) und einer Komponente der irrigen Annahme („Täter geht irrig davon aus, dass …“) und übertragt man dies auf die drei Prüfungsschritte der juristischen Falllösung – Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld – so gelangt man auf Basis dieser Struktur zu lediglich sechs Irrtumskonstellationen.

    TB

          Unkenntnis                  RW             irrige Annahme

       Schuld

 
Ergänzt werden kann dieses Grundmuster dann noch durch weitere zusätzliche Kriterien (Bezugspunkt der Fehlvorstellung im Sinne eines Irrtums über einen tatsächlichen Umstand oder eine rechtliche Wertung – dann sind 12 Konstellationen denkbar – bzw. darüber, ob sich der Irrtum zu Gunsten oder zu Ungunsten des Täters auswirkt, etc.).

          TB

         Tatsächlicher Umstand        RW            Rechtlicher Umstand

           Schuld

                                                                                                                                                                                                   

        TB

          Zugunsten des Täters                 RW            Zuungunsten des Täters

          Schuld

 
Im Folgenden soll der Übersichtlichkeit halber zunächst auf die sechs Ausgangskonstellationen betreffend die Irrtümer hinsichtlich der Unkenntnis und irrigen Annahme tatsächlicher Umstände eingegangen werden (II.) und im Anschluss auf die sechs Ausgangskonstellationen über die Irrtümer im Hinblick auf die Unkenntnis und irrige Annahme rechtlicher Bewertungen (III.). Außen vor bleiben im Folgenden Irrtümer im Zusammenhang mit der Beteiligungslehre und den Unterlassungsdelikten. Auf die Verwendung der herkömmlichen Nomenklatur der Irrtumsumschreibungen wird aufgrund des Grundlagencharakters dieses Beitrags ausdrücklich verzichtet. Sobald der Prüfling das Konzept durchdrungen hat, können die relevanten Begriffe jederorts nachgelesen werden. Entscheidend für die Klausur ist vielmehr, dass die jeweilige Irrtumsproblematik korrekt im Prüfungsaufbau verortet wird und gerade nicht, dass das entsprechende Schlagwort fällt. Selbstverständlich fällt es positiv auf, wenn der Bearbeiter zusätzlich noch den entsprechenden Fachterminus nennt. Wer lediglich den Begriff nennt, dabei aber nicht oder nur unzureichend die zutreffende rechtliche Würdigung bzw. Subsumtionsarbeit leisten kann, hat aus Prüfersicht rasch den Stempel des bloßen „Auswendiglerners“ auf der Stirn stehen.
II. Der Irrtum über tatsächliche Umstände
1. Tatbestand
Der erste Prüfungspunkt im Rahmen des dreigliedrigen Deliktsaufbaus ist regelmäßig der Tatbestand. Dieser setzt sich aus dem objektiven und dem subjektiven Tatbestand, ggf. noch aus einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit (bspw. die Rauschtat bei § 323a StGB) zusammen. Der objektive Tatbestand der Erfolgsdelikte lässt sich weiter in die Handlung des Täters, den Erfolgseintritt, die Kausalität sowie die objektive Zurechnung untergliedern. Demgegenüber setzt sich der subjektive Tatbestand im Wesentlichen aus dem Vorsatz und z. T. aus sonstigen subjektiven Merkmalen (die Zueignungsabsicht bei § 242 StGB oder die Bereicherungsabsicht bei § 263 StGB) zusammen. Der Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB stellt die Kehrseite des Wissenselementes des Vorsatzes dar. Um die Rechtsfolge des § 16 Abs. 1 StGB zu erreichen, muss diese Fehlvorstellung sich nur auf einen einzigen relevanten Tatumstand beziehen.
a. Unkenntnis
Nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB handelt derjenige ohne Vorsatz der „bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt“ (, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört). Bedeutung gewinnt hierbei die Unterscheidung zwischen normativen und deskriptiven Tatbestandsmerkmalen (klassisches Beispiel ist in diesem Zusammenhang das Entfernen der Striche auf dem Bierdeckel als Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB).

§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB „Unkenntnis“

objektiver Tatbestand (+)                    subjektiver Tatbestand (-)

 
Bsp.: B führt im Wald Schießübungen durch. Dabei erschießt er den X, ohne diesen erkannt zu haben.
Prüfungsort: subjektiver Tatbestand (Vorsatz bzgl. des konkreten Tatbestandsmerkmals; hier: Tatobjekt gem. § 212 Abs. 1 StGB „Mensch“). Ggf. Strafbarkeit aus dem (falls vorhandenen) Fahrlässigkeitstatbestand nach § 16 Abs. 1 S. 2 StGB; hier: fahrlässige Tötung nach § 222 StGB.
b. Irrige Annahme
Geht der Täter hingegen irrtümlich von einem anderen als dem tatsächlich vorliegenden Geschehen aus, liegt konstruktiv ein Versuch vor. Dies ergibt sich aus der vorangestellten Differenzierung zwischen dem Handlungs- und dem Erfolgsunrecht.

§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB „Unkenntnis“

objektiver Tatbestand (-)                    subjektiver Tatbestand (+)

 
Bsp.: B schießt auf ein Reh, weil er es für den X hält.
Prüfungsort: Subjektiver Tatbestand bzw. Tatentschluss (Vorsatz bzgl. des konkreten Tatbestandsmerkmals; hier: Tatobjekt gem. § 212 Abs. 1 StGB „Mensch“). Ggf. Strafbarkeit aus dem (falls vorhandenen) Versuch und dem Fahrlässigkeitstatbestand; hier: fahrlässige Sachbeschädigung ist nicht strafbar, vgl. § 16 Abs. 1 S. 2 StGB, aber ggf. versuchter Totschlag nach §§ 212, 22, 23 Abs. 1 StGB.
c. Sonderfälle
Lediglich hingewiesen werden soll in diesem Kontext auf die Spezialprobleme des sog. „error in persona vel in obiecto“; der „aberratio ictus“; dem Zusammentreffen von „error in persona vel in obiecto“ und „aberratio ictus“, sowie dem Irrtum über den Kausalverlauf („mittelbare Individualisierung“); § 16 Abs. 2 StGB.
2. Rechtswidrigkeit
Ein vollständiges Unrecht setzt neben der Subsumtion unter den strafrechtlichen Tatbestand auch das Fehlen eines (un-)geschriebenen Rechtfertigungsgrundes voraus. Das Verhältnis wird regelmäßig mit dem Satz umschrieben: „die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit“. Wie den Tatbestand kann man auch die Rechtfertigungsebene in einen objektiven und einen subjektiven Teil aufspalten. Während der objektive Teil das Vorliegen der objektiven Rechtfertigungselemente (diese ergeben sich bei den gesetzlich normierten Rechtfertigungsgründen aus dem Gesetz) verlangt, erfordert das subjektive Pendant, dass der Täter in Kenntnis der tatsächlichen Sachlage und aufgrund der ihm dadurch zustehenden Befugnis handelt. Kontrovers wird die Rechtsfolge bei Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements diskutiert.
a. Unkenntnis
Die Fälle der mangelnden Kenntnis tatsächlicher Umstände, die den Täter rechtfertigen, zeichnen sich durch das Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements aus.

Rechtfertigung

obj. rechtfertigende Lage (+)           subj. Rechtfertigungselement (-)

 
Bsp.: X erschießt den T, weil er ihn nicht leiden kann, ohne zu erkennen, dass T gerade dabei war auf den ahnungslosen A anzulegen und diesen zu erschießen.
Prüfungsort: Subjektives Rechtfertigungselement; zum einen strittig, ob subjektives Rechtfertigungselement generell erforderlich ist (so die h. M.). Zum anderen unterschiedliche Auffassung darüber, ob aus vollendeter oder versuchter Tat zu bestrafen ist.
b. Irrige Annahme
Hier stellt sich der Täter irrtümlich Tatsachen vor, bei deren Vorliegen er gerechtfertigt wäre. Das Merkmal des subjektiven Rechtfertigungselements kann bejaht werden, allerdings erfüllt das objektive Geschehen nicht die vom Gesetz vorgesehenen Rechtfertigungsmerkmale.

Rechtfertigung

obj. rechtfertigende Lage (-)            subj. Rechtfertigungselement (+)

 
Bsp.: B streckt den X mit einem Faustschlag nieder, da er davon ausgeht von X angegriffen zu werden.
Prüfungsort: Nach wohl hA im Rahmen der Schuld (ansonsten je nach vertretener Meinung). Nach der eingeschränkten Schuldtheorie § 16 Abs. 1 S. 1 StGB analog (zum Umgang mit dem ETBI in der Klausur). Ggf. Fahrlässigkeitsdelikt; hier: fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB.
Prüfungsort:
(1) TB
(2) RW
Hier handelt der Täter rechtswidrig, weil obj. gerade kein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
(3) Schuld
Klausurvorschlag: Vorab sollte der Bearbeiter sich überlegen, welcher Theorie im Rahmen der Falllösung gefolgt wird, weil davon der Prüfungsort abhängt. Folgt man der hM (eingeschränkten rechtsfolgenverweisenden Schuldtheorie) hat man den Diskurs in der Schuld, genauer gesagt in der Vorsatzschuld zu prüfen.
„Der Vorsatzschuldvorwurf könnte entfallen, wenn der Täter sich in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befunden hätte.“
(a) Vorliegen eines ETBI
Dazu müsste sich der Täter Umstände vorgestellt haben, bei deren Vorliegen er tatsächlich gerechtfertigt gewesen wäre (siehe oben unter 2 b.)  inzidente Prüfung des entsprechenden Rechtfertigungsgrundes aus der Sicht des Täters
(b) Auseinandersetzung mit den Theorien
Klausurtipp: in einer Strafrechtsklausur wird man je nach Umständen des Falles nicht die Zeit haben auf alle Theorien einzugehen. Es bietet sich an, neben der Meinung, der schlussendlich gefolgt wird, auf zwei weitere Ansichten einzugehen (zum Umgang mit dem ETBI in der Klausur).
3. Schuld
Neben dem Tatbestand und der (indizierten) Rechtswidrigkeit setzt die volle Strafbarkeit des Delinquenten dessen entsprechende Schuld voraus. Der Gesetzgeber hat gewisse außergewöhnliche Motivationslagen erkannt, die eine Bestrafung trotz tatbestandlichem und rechtswidrigem Geschehensablauf nicht erfordern. Das vom Täter verwirklichte Unrecht bleibt allerdings insofern bestehen, als es Anknüpfungspunkt für ein Teilnahmedelikt sein mag. Der letzte Prüfungsstein des dreigliedrigen Deliktsaufbaus kann weiter unterteilt werden in die Schuldfähigkeit nach §§ 20 f. StGB, ggf. spezieller Schuldmerkmale (bspw. Rücksichtslosigkeit bei § 315c StGB) und der persönlichen Vorwerfbarkeit, insb. den Entschuldigungsgründen, dem Unrechtsbewusstsein (vgl. § 17 StGB) sowie der Vorsatzschuld. Ähnlich wie bei den Rechtfertigungsgründen ist es auch bei den Entschuldigungsgründen angebracht, die Prüfung in einen objektiven und einen subjektiven Part zu trennen.
Unabhängig davon, ob der Täter das Unrecht der Tat aufgrund etwaigen Nichtwissens oder aufgrund einer tatsächlichen Fehlvorstellung nicht erkennen konnte, hängt die Anwendbarkeit des § 17 S. 1 StGB (Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.) von der Vermeidbarkeit des Irrtums ab.
Ein Verbotsirrtum ist vermeidbar (vgl. § 17 S. 2 StGB) wenn der Täter bei gehöriger Anspannung seines Gewissens und Anstrengung aller geistigen Kräfte das Unrecht der Tat erkennen konnte. Insgesamt legt der BGH sehr strenge Maßstäbe bei der Beurteilung an, so dass der Verbotsirrtum (auch in der Klausur) in der Regel vermeidbar sein wird. Bei Zweifeln an der rechtlichen Zulässigkeit der Tat besteht eine Erkundigungspflicht.

§ 17 StGB „Einsicht“

Vermeidbarkeit S. 2              Unvermeidbarkeit S. 1

 
I. Irrtum über tatsächliche Umstände
a. Unkenntnis
Der Täter ist nicht entschuldigt, da er ohne Kenntnis der tatsächlichen Umstände nicht aus der Motivation der entschuldbaren Zwangslage heraus handelt.

Entschuldigung

obj. entschuldigende Lage (+)             subj. Motivationslage (-)

 
Bsp.: X und Y sind schiffbrüchig und treiben zusammen auf einer morschen Holzplanke. Die Planke kann auf Dauer nur einen tragen. X erkennt dies nicht, will aber die Situation nutzen, um Y zu töten, und schubst diesen ins Wasser. Y ertrinkt.
Prüfungsort: Entschuldigungsgrund (umgekehrter Entschuldigungstatbestandsirrtum). Aufgrund der fehlenden psychischen Zwangslage ist die volle Strafbarkeit zu bejahen.
b. Irrige Annahme
Gesetzlich geregelt in § 35 Abs. 2 StGB als Entschuldigungstatbestandsirrtum: nimmt „bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden“.

Entschuldigung

obj. entschuldigende Lage (-)           sub. Motivationslage (+)

 
Bsp.: Wie soeben. X und Y sind schiffbrüchig und treiben zusammen auf einer morschen Holzplanke. Die Planke kann auf Dauer beide tragen. X geht irrtümlich davon aus, dass nur einer getragen werden kann (Entschuldigungstatbestandsirrtum) und schubst Y ins Wasser. Y ertrinkt.
Prüfungsort: Schuld. Schuld entfällt, sofern der Irrtum unvermeidbar gewesen ist. War der Irrtum vermeidbar kann Strafe nach §§ 35 Abs. 2 S. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert werden.
II. Irrtum über rechtliche Wertungen
Vergleichbar mit den Irrtümern über Tatumstände ist es auch beim Irrtum über rechtliche Umstände/Wertungen denkbar, dass der Delinquent das Verbot nicht kennt (Unkenntnis), oder aber auch, dass er auf Grund einer fehlerhaften Vorstellung sein Verhalten nicht für rechtswidrig hält (Irrige Annahme).
1. Tatbestand
a. Unkenntnis
Der Irrtum im rechtlichen Bereich auf Tatbestandsebene führt zu einem Verbotsirrtum nach § 17 S. 1 StGB.

§ 17 StGB „Einsicht“

Vermeidbarkeit S. 2             Unvermeidbarkeit S. 1

 
Bsp.: Der Täter geht nicht davon aus, dass die Verschmutzung eines Gewässers entgegen § 324 StGB nicht nur ökologisch bedenklich, sondern auch rechtlich verboten ist.
Prüfungsort: Schuld. Bei Unvermeidbarkeit entfällt die Schuld, ansonsten kann eine fakultative Strafmilderung erfolgen.
b. Irrige Annahme
Der Täter verwirklicht kein strafrechtlich relevantes Unrecht, geht aber davon aus, dass sein Handeln verboten ist. Merkformel: „Wäre der Täter auch ohne seinen Irrtum straflos, kann der Irrtum nicht zur Strafbarkeit führen“.
Bsp.: A nimmt irrigerweise an, dass Klingelstreiche bei Privatpersonen strafbar seien.
Prüfungsort: Ggf. am Ende eines anderen Straftatbestandes, aber selten prüfungsrelevant.
2. Rechtswidrigkeit
a. Unkenntnis
Der Delinquent ist gerechtfertigt, weil die Voraussetzungen des jeweiligen Rechtfertigungsgrunds vorliegen, obwohl er dessen Grenzen zu eng auslegt.

Rechtfertigung

obj. rechtfertigende Lage (+)        subj. Rechtfertigungselement (+/-)

 
Bsp.: Ehefrau F wird von ihrem Ehemann M verprügelt. Aus Furcht vor weiteren Verletzungen greift sie zum nächstliegenden Kerzenständer und schlägt lebensgefährlich zu. Sie verkennt dabei, dass auch lebensgefährliche Verteidigungshandlungen vom Notwehrrecht mit umfasst sind.
Prüfungsort: Subjektives Rechtfertigungselement. Es ist die Frage aufzuwerfen, ob der Irrtum über die Gebotenheit der Verteidigungshandlung das Notwehrrecht entfallen lässt. Dies ist aber zu verneinen, da der Täter objektiv wie subjektiv gerechtfertigt ist.
b. Irrige Annahme
Geht der Täter irrig davon aus, dass ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, der sein Verhalten legitimiert, bzw. dehnt er einen bestehenden Rechtfertigungsgrund zu weit aus, irrt er auf juristischer Bewertungsebene.

Rechtfertigung

obj. rechtfertigende Lage (-)            subj. Rechtfertigungselement (+)

 
Bsp.: Der im Rollstuhl sitzende R erschießt den davonlaufenden Kirschendieb K, weil er davon ausgeht, diesen bereits für den Diebstahl an den Kirschen zur Strecke bringen zu dürfen.
Prüfungsort: Schuld. Die Behandlung des Irrtums richtet sich erneut nach § 17 StGB.
3. Schuld
a. Unkenntnis
Verkennt der Täter bei Kenntnis der Sachlage und bei vorhandenem Rettungswillen den Entschuldigungsgrund, so ist er wegen bestehender seelischer Zwangslage entschuldigt.

Entschuldigung

obj. entschuldigende Lage (+)         subj. Motivationslage (+/-)

 
Bsp.: Ehefrau F wird von ihrem Ehemann M über längere Zeit hinweg verprügelt. Aus Furcht vor weiteren Verletzungen greift sie, während dieser schläft, zum nächstliegenden Messer und sticht lebensgefährlich zu. Sie verkennt dabei, dass auch lebensgefährliche Verteidigungshandlungen vom Notstandsrecht mit umfasst sind.
Prüfungsort: Schuld. Es ist die Frage aufzuwerfen, ob der Irrtum über die Reichweite des entschuldigenden Notstands die Straffreiheit verhindert. Dies ist nach allgemeiner Ansicht aber zu verneinen.
b. Irrige Annahme
Der Täter geht irrigerweise vom Vorliegen einer Entschuldigungsnorm aus bzw. legt die Reichweite der Entschuldigungsnorm zu weit aus.

Entschuldigung

obj. entschuldigende Lage (-)         subj. Motivationslage (+)

 
Bsp.: Ehefrau F wird von ihrem randalierendem Ehemann M regelmäßig verprügelt. Aus Furcht vor weiteren zerstörten Einrichtungsgegenständen greift sie, während dieser schläft, zum nächstliegenden Messer und sticht lebensgefährlich zu.
Prüfungsort: Schuld. Irrtum nach hA unbeachtlich (allenfalls im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 StGB zu berücksichtigen).
So unübersichtlich die Irrtumsproblematik aufgrund der unterschiedlichen Terminologie auf den ersten Blick erscheint, gelingt es doch mit wenigen Weichenstellungen diesem Irrgarten eine gewisse Systematik einzuverleiben. Aufgrund dieser Möglichkeit strukturiertes Denken abzufragen, ist die Irrtumsproblematik ein beliebter Mosaikstein in der strafrechtlichen Schein-, Zwischenprüfungs- und Examensklausur.
 

29.09.2014/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2014-09-29 08:00:052014-09-29 08:00:05Errare humanum est – Einführung in die strafrechtliche Irrtumslehre
Redaktion

Vorbereitung und Strafrecht

Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Verschiedenes


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Vorbereitung und Strafrecht” von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch

beleuchtet den Bereich der Vorbereitung einer Straftat. Wie sich u.a. aus § 22 StGB ergibt, ist die Beteiligung in diesem Stadium grds. nicht strafrechtlich relevant. Gleichwohl enthält das StGB Regelungen, die auch die Vorbereitung einer Straftat selbst sanktionieren. Der vorliegende Beitrag gibt einen kompakten Überblick über die relevanten Normen des Allgemeinen Teils, des Besonderen Teils sowie des Nebenstrafrechts.
Ihr findet den Beitrag wie immer hier.

22.07.2014/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2014-07-22 08:00:252014-07-22 08:00:25Vorbereitung und Strafrecht
Redaktion

Examensrelevantes Wissen zum Versuchsdelikt Teil II – Der Rücktritt vom Versuch

Für die ersten Semester, Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes

Wir freuen uns heute den zweiten Teil eines Gastbeitrags von Dipl. -Jur. Sebastian Rechenbach veröffentlichen zu können. Er hat an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena studiert und ist ab Mai Rechtsreferendar am LG Gera.

I. Grundlegendes zum Rücktritt

Bei einem versuchten Delikt sollte stets ein möglicher Rücktritt im Auge behalten werden. Dieser erfolgt für einen Täter nach der Regelung des § 24 StGB. Die Ratio Legis ist nach der herrschenden Strafzwecktheorie, dass bei einem freiwilligen Rücktritt auf den Täter weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen eingewirkt werden muss. Jedoch beseitigt der Rücktritt weder das Unrecht noch die Schuld, weswegen er nach der h.M. als persönlicher Strafaufhebungsgrund behandelt wird und dadurch – wie im ersten Teil aufgezeigt – nach der Schuld zu prüfen ist. Zudem ist bei einem Alleintäter nur der § 24 I StGB und bei mehreren Tatbeteiligten nur der § 24 II StGB einschlägig.

II. Kein fehlgeschlagener Versuch

Allerdings gelangt man sowohl bei einem Alleintäter als auch bei mehreren Tatbeteiligten nach der ganz h.M. nur in den Anwendungsbereich des § 24 StGB, wenn kein fehlgeschlagener Versuch vorliegt.

1. Rücktrittshorizont

Für die Beantwortung der Frage, ob ein Fehlschlag vorliegt, ist – wie beim Versuch – alleine die Vorstellung des Täters maßgeblich. Dafür stellen die frühere Rspr. und Teile der Lit. auf die Vorstellung des Täters bei Tatbeginn ab (Tatplantheorie), wohingegen die neuere Rspr. und die h.L. auf die Vorstellung des Täters nach der letzten Ausführungshandlung (Rücktrittshorizont) abstellen.
2. Fehlschlag des Versuches
Ein fehlgeschlagener Versuch liegt demnach vor, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung davon ausgeht, noch nicht alles Erforderliche zur Erfolgsherbeiführung getan zu haben und für sich im unmittelbaren Fortgang des Geschehens auch keine Möglichkeiten mehr hierzu sieht; (vgl. Jäger, Examens-Rep. StrafR AT, 5. Aufl. Rn. 313). Fehlende Möglichkeiten den Erfolg weiterhin herbeizuführen ergeben sich dabei aus:
a) Physischen Gründen; z.B.: Täter greift in leere Geldkassette (vgl. BGH NStZ 2000, 531 f.);
b) Psychischen Gründen; z.B.: Beim Täter einer versuchten Vergewaltigung ebbt aufgrund des Opferverhaltens die sexuelle Erregbarkeit ab (BGH MDR 1971, 363);
c) Rechtlichen Gründen; z.B.: Opfer einer Vergewaltigung willigt in den Geschlechtsverkehr ein; wobei eine nur vorgetäuschte Einwilligung nach BGH nicht ausreicht; (vgl. BGHSt, 39, 244 ff.; a.A. Ulsenheimer, Grundfragen des Rücktritts vom Versuch in Theorie und Praxis, S. 328 f.).
3. Fehlschlag bei iterativer (wiederholter) Tatbegehung
Höchst umstritten ist aber das Problem, wann bei iterativer Tatbegehung ein Fehlschlag vorliegt:
Beispiel (Balkonsturz; BGH NStZ 2007, 399 f.): T schubst in Tötungsabsicht O von einem Balkon fünf Meter in die Tiefe. O überlebt leicht verletzt. Daraufhin hangelt sich T zu O hinunter, um ihn endgültig zu töten. Dafür zieht T den O an den Haaren auf einen Gehweg. Dort versucht er den Kopf von O gegen die Gehwegplatten zu schlagen, was T aber aufgrund der großen Gegenwehr von O misslingt. Trotz der Möglichkeit O noch mit dem Gürtel zu erwürgen lässt T von O ab.
a) Einzelaktstheorie, nach der jeder einzelne Ausführungsakt des Täters, den er bei Tatbeginn für erfolgsgeeignet gehalten hat, gesondert erfasst und ihn im Fall des Scheiterns als selbständigen fehlgeschlagenen Versuch behandelt wird; (vgl. Jakobs, StrafR AT, 2. Aufl., Kap. 26/ 15 ff.).

  • arg.: Der vom Täter einmal aus der Hand gegebene Verlauf des Geschehens gehört zum vergangenen Handeln und die Vergangenheit kann ein Täter nicht mehr ungeschehen machen.

b) Gesamtbetrachtungslehre; nach der auf das gesamte Tatgeschehen abgestellt wird. Demnach liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor, wenn es dem Täter nach der letzten Ausführungshandlung aus seiner Sicht mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln noch möglich erscheint, den tatbestandlichen Erfolg in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zu erreichen (vgl. BGH NStZ 2007, 399 f.; Heinrich, StrafR AT, 3. Aufl. Rn. 821; Rengier, StrafR AT, 4. Aufl., Rn. 46 ff.).

  • arg.: Einheitliche Lebensvorgänge werden nicht wie bei der Einzelaktstheorie auseinandergerissen. Zudem dient es dem Opferschutz, da der Anreiz zum Rücktritt größer ist, wenn das gesamte Unrecht getilgt wird und das Opfer seine gefährliche Rolle als Belastungszeuge verliert.

III. Rücktritt des Alleintäters nach § 24 I StGB
Liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor, bewegt man sich beim Alleintäter im § 24 I StGB. Dieser beinhaltet drei mögliche Varianten. Der Alleintäter kann entweder durch das Aufgeben der Tat (§ 24 I 1 Alt. 1 StGB) oder durch das Verhindern der Vollendung (§ 24 I 1 Alt. 2 StGB) oder durch das ernsthafte Bemühen um Vollendungsverhinderung (§ 24 I 2 StGB) zurücktreten.
1. Unbeendeter und beendeter Versuch
In welchen Fällen welche der drei Varianten einschlägig ist und was der Täter für eine Rücktrittsleistung zu erbringen hat, richtet sich danach, ob ein unbeendeter oder ein beendeter Versuch gegeben ist.
a) Unbeendeter Versuch
Ein unbeendeter Versuch ist gegeben, wenn der Täter glaubt, dass er noch nicht alles Erforderliche zur Erfolgsherbeiführung getan hat. Beim Vorliegen eines unbeendeten Versuches richtet sich die Rücktrittsleistung nach § 24 I 1 Alt. 1 StGB, sodass es ausreichend ist, wenn der Täter von der weiteren Ausführung der Tat endgültig und ernsthaft Abstand nimmt. Mehr ist nicht verlangt!
b) Beendeter Versuch
Beendet ist ein Versuch, wenn der Täter davon ausgeht, dass er alles Erforderliche zur Erfolgsherbeiführung getan hat oder sich über die Folgen seines Handelns keine Vorstellungen macht; (vgl. BGHSt. 40, 304 ff.). Der Täter kann dann nach § 24 I 1 Alt. 2 StGB oder § 24 I 2 StGB zurücktreten; wobei der § 24 I 1 Alt. 2 StGB stets vor dem § 24 I 2 StGB geprüft wird.
aa) Rücktritt nach § 24 I 1 Alt. 2 StGB
Nach § 24 I 1 Alt. 2 StGB ist entscheidend, dass der Täter die Vollendung der Tat verhindert. Er muss mithin eine kausale Rücktrittsleistung erbringen. Welche Qualität diese haben muss, ist aber umstritten:
1) Nach der Chanceneröffnungstheorie, die von Teilen der Rspr. und Teilen der Lit. vertreten wird ist es ausreichend, wenn der Täter eine neue Kausalkette in Gang setzt, die für die Nichtvollendung wenigstens mit-ursächlich wird (vgl. BGH NStZ 2008, 508 [509]; Neubacher, NStZ 2003, 576 [580]).

  • arg.: Nach dem Wortlaut des § 24 I 1 Alt. 2 StGB ist lediglich ein Kausalwerden verlangt.

2) Nach der Bestleistungstheorie der älteren Rspr. und Teilen der Lit. muss der Täter objektiv oder aber zumindest aus seiner Sicht die bestmögliche Rettungsmöglichkeit ergreifen und dadurch den Erfolg verhindern (vgl. BGH NStZ 1989, 525; Ladiges/Glückert, JURA 2011, 552 [557]).

  • arg.: Derjenige, der trotz des Fortbestehens der Gefahr bloß die Möglichkeit der Rettung eröffnet, nimmt den Erfolg weiterhin billigend in Kauf und erhält eine rechtlich missbilligte Gefahr aufrecht.

3) Nach weiteren Teilen der Lit. ist nach eigen- und fremdhändiger Erfolgsverhinderung zu differenzieren: Bei eigenhändigem Handeln des Täters reicht es aus, wenn der Täter irgendwelche kausalen Maßnahmen ergreift. Demgegenüber muss der Täter beim fremdhändigem Handeln (Einschaltung Dritter) das aus seiner Sicht bestmögliche zur Erfolgsverhinderung unternehmen; (vgl. Jäger, JURA 2009, 53 [58]).

  • arg.: Entscheidend ist, dass die Rettungsaktion des Täters als eine zurechenbare täterschaftliche Verhinderungsleistung in Erscheinung tritt. Dies ist dann der Fall, wenn der Täter eigenhändig seinen Kausalbeitrag umkehrt, wobei er sich nicht auf das Einschalten beliebiger Dritter verlassen darf, sodass bei fremdhändigem Handeln Bestleistung gefordert wird.

bb) Rücktritt nach § 24 I 2 StGB
Nach § 24 I 2 StGB muss sich der Täter ernsthaft um die Vollendungsverhinderung bemühen. Unter „ernsthaften Bemühen“ ist nach der h.M. und Rspr. zu verstehen, dass der Täter alles tut, was nach seiner Vorstellung zur Rettung erforderlich ist und die ihm bekannten Möglichkeiten ausschöpft; (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 276 [277]; Fischer, 59. Aufl. § 24 Rn. 36). Dabei darf er aus seiner Sicht dem Zufall keinen Raum lassen, wo er ihn hätte vermeiden können. Der BGH geht soweit, dass sich der Täter in Fällen, in denen ein Menschenleben auf dem Spiel steht, um die bestmögliche Maßnahme bemühen muss (vgl. BGH NStZ-RR a.a.O.).
2. Korrektur des Rücktrittshorizontes
Der Rücktrittshorizont kann auch korrigiert werden. So kann ein unbeendeter Versuch in einen beendeten Versuch gewandelt werden und umgekehrt. Wichtig ist nur, dass die Korrektur der Vorstellung des Täters bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit nach der letzten Tathandlung im engsten räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser erfolgt (BGH NStZ 2010, 146 f.). Es muss also eine einheitliche Tat vorliegen, sodass eine große Zäsur während des Geschehens einer Korrektur entgegensteht. Keine Korrektur, sondern ein erstmaliger Rücktrittshorizont liegt vor, wenn der Täter z.B. beim Verlassen der Wohnung davon ausgeht, dass er seine Ehefrau getötet hat, aber beim Wiederkommen nach einer gewissen Zeit sieht, dass sie doch noch am Leben ist (BGH, 1 StR 20/11, Urt. v. 26.05.2011, HRRS 2011 Nr. 803).
3. Freiwilligkeit
Des Weiteren muss die Rücktrittsleistung bei allen Varianten des § 24 StGB freiwillig erfolgen. Dies ist nach dem psychologischen Begriff der Rspr. und h.M. der Fall, wenn der Täter aufgrund einer freiwilligen autonomen Willensentscheidung zurücktritt. Autonome Gründe können z.B. Mitleid, Gewissensbisse oder aber auch die abstrakte Gefahr, entdeckt zu werden, sein. Ist ein Motivbündel gegeben, richtet sich die Freiwilligkeit nach dem Motiv, das für den Rücktritt bestimmend ist (vgl. BGH NStZ 2007, 399 f.). Ferner kann das Motiv auch von außen kommen, solange der Täter noch „Herr seiner Entschlüsse“ bleibt (vgl. BGHSt. 7, 296 ff.). Unfreiwillig ist ein Rücktritt erst dann, wenn er ausschließlich auf heteronomen Motiven basiert; z.B. eine äußere Zwangslage wie Eintreffen der Polizei oder seelischer Druck wie Schockwirkungen.
IV. Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten nach § 24 II StGB
Handeln mehrere Beteiligte und wurde festgestellt, dass kein fehlgeschlagener Versuch gegeben ist, hält § 24 II StGB ebenfalls drei Varianten für einen mögliche Rücktritt bereit. Ist die Vollendung der Tat nicht eingetreten, ist zunächst die Verhinderung der Vollendung durch eine kausale und bewusste Rücktrittsleistung eines Beteiligten nach § 24 II 1 StGB möglich (wie bei § 24 I 1 Alt. 1 StGB). Liegt keine kausale Rücktrittsleistung vor, kann ein Beteiligter durch ernsthaftes Bemühen um die Vollendungsverhinderung nach § 24 II 2 Alt. 1 StGB (wie bei § 24 I 2 StGB) zurücktreten. Sollte die Tat unabhängig von dem früheren Tatbeitrag des Beteiligten vollendet sein, kann er durch ernsthaftes Bemühen der Vollendungsverhinderung nach § 24 II 2 Alt. 2 StGB zurücktreten; d.h. die durch die anderen vollendete Tat darf nichts mehr vom Tatbeitrag des Zurücktretenden enthalten und er muss sich zusätzlich bemühen, die Tatvollendung zu verhindern. Des Weiteren muss der Rücktritt bei allen drei Varianten freiwillig sein (s.o.). Hingegen kommt es auf eine Unterscheidung zwischen unbeendeten und beendeten Versuch beim Handeln mehrerer Beteiligter nicht an.
V. Sonderprobleme
Beim Rücktritt vom versuchten Delikt sollten i.Ü. die folgenden Probleme bekannt sein:
1. Rücktrittsmöglichkeit bei außertatbestandlicher Zielerreichung
Umstritten ist, ob ein Täter zurücktreten kann, obwohl er sein außertatbestandliches Ziel erreicht hat:
Beispiel (Denkzettelfall; BGHSt. 39, 221 ff.): Um dem O ausdrücklich klar zu machen, dass er keine Widerrede dulde, sticht T dem O in Tötungsabsicht ein Springmesser bis zum Anschlag in den Bauch. Dadurch erleidet O eine lebensbedrohliche Verletzung. Da sich T denkt, dass sich O diesen Vorfall als Warnung dienen lasse, lässt er trotz der Möglichkeit des weiteren Handelns von O ab. O überlebt schwer verletzt.
a) Nach der älteren Rspr. und Teilen der Lit. kann ein Täter bei Erreichung seines außertatbestandlichen Zieles nicht zurücktreten (vgl. BGH NStZ 1990, 77 f.; Heinrich, a.a.O. Rn. 837 ff.).

  • arg.: Der Täter hat keine honorierbare Leistung erbracht. Er zeigt weder seine Rechtstreue noch, dass er fähig ist, seine geplante Tat zu vollenden.

b) Nach der neuen Rspr. und Teilen der Lit. kann der Täter bei Erreichung seines außertatbestandlichen Zieles zurücktreten (vgl. BGHSt. 39, 221 ff.; Bock, JuS 2006, 603 [606]).

  • arg.: der Bezugspunkt des § 24 StGB ist die Tat, wobei darunter nur tatbestandliche Handlungsziele zu verstehen sind; außertatbestandliche sind ohne Bedeutung.

2. Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Versuch
Ebenso ist umstritten, ob ein Täter bei einem erfolgsqualifizierten Versuches zurücktreten kann, obwohl die schwere Folge eingetreten ist:
Beispiel (Warnschussfall; BGHSt. 42, 158 ff.): Um seinem Vorhaben Nachdruck zu verleihen, gibt Räuber R einen Warnschuss in die Luft, der an der Zimmerdecke abprallt und das Raubopfer O zufällig tödlich trifft. Daraufhin lässt R von seinem Vorhaben ab und geht ohne Beute wieder weg.
a) Nach Teilen der Lit. ist ein strafbefreiender Rücktritt nicht möglich (vgl. Streng, JZ 2007, 1089 [1093]).

  • arg.: Wenn sich die Verfolgung eines deliktischen Zieles bereits in einem den Deliktstypus prägenden tatbestandlichen Unrechtserfolg niedergeschlagen hat, kann das in dieser Zielverfolgung liegende Handlungsunrecht nicht mehr entschärft, d.h. die Tat in ihrer materiellen Vollendung verhindert werden.

b) Nach der Rspr. und Teilen der Lit. ist ein strafbefreiender Rücktritt möglich (vgl. BGHSt. 42, 158 [160]; Kühl, StrafR AT, 6. Aufl. § 17a Rn. 57).

  • arg.: Durch einen Rücktritt vom Grunddelikt fehlt der Erfolgsqualifikation der erforderliche Anknüpfungspunkt.

3. Rücktritt vom versuchten unechten Unterlassungsdelikt
Einigkeit besteht darüber, dass ein Täter von einem versuchten unechten Unterlassungsdelikt zurücktreten kann. Ob dabei aber eine Unterscheidung zwischen unbeendeten und beendeten Versuch möglich ist und wie sich dies auf einen untauglichen Versuch auswirkt, ist umstritten:
Beispiel (Kindesvernachlässigung; BGH NJW 2000; 1730 ff.): Die Mutter M vernachlässigt ihr Kind K, sodass dieses lebensgefährlich abmagert. Die Lebensgefahr für K erkennt M auch, vernachlässigt K aber weiterhin. Als sich der Gesundheitszustand von K noch weiter verschlechtert hat, ruft M den Arzt A. K verstirbt kurz darauf, weil M zu lange gewartet hat, bis sie A rief (vgl. dazu auch eine ähnliche neuere Entscheidung bei BGH NStZ 2012, 29).
a) Nach Teilen der Literatur wird auch beim versuchten unechten Unterlassungsdelikt zwischen einem unbeendeten und einem beendeten Versuch unterschieden. Ein unbeendeter Versuch liegt demnach vor, solange der Erfolgseintritt nach der Vorstellung des Täters noch durch Nachholung der ursprünglich gebotenen Handlung abzuwenden ist. Der Versuch ist hingegen beendet, sobald nach der Vorstellung des Täters die Nachholung der ursprünglich gebotenen Handlung für sich allein nicht mehr ausreicht, den tatbestandlichen Erfolg abzuwenden, sondern vielmehr andere Maßnahmen erforderlich sind (vgl. Jäger, a.a.O. Rn. 328; Wessels/Beulke, StrafR AT, 42. Aufl., Rn. 743 ff.).

  • arg.: Es kommt sonst zu einer nicht nachvollziehbaren Ungleichbehandlung von Begehungsdelikt und unechtem Unterlassungsdelikt. Mithin ist auch ein Rücktritt vom untauglichen Versuch eines unechten Unterlassungsdeliktes möglich.

b) Nach der Rspr. und Teilen der Lit. ist eine Unterscheidung zwischen unbeendeten und beendeten Versuch nicht möglich (vgl. BGH NJW 2000, 1730 ff.; Rengier a.a.O. § 49 Rn. 59 ff.).

    • arg.: Der unterlassende Garant, der sich mit dem Erfolgseintritt abgefunden und das Stadium des § 22 StGB überschritten hat, sieht sein Opfer stets in einer Gefahrensituation, in der ohne weiteres Zutun des Täters der tatbestandliche Erfolg eintreten kann. Dies entspricht aber stets der Situation des beendeten Versuches beim Begehungsdelikt. Mithin ist eine Unterscheidung in unbeendeten und beendeten Versuch nicht geboten. Dies hat jedoch zur Folge, dass der Täter bei einem untauglichen Versuch eines unechten Unterlassungsdeliktes nicht zurücktreten kann.

22.03.2013/4 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-03-22 16:00:482013-03-22 16:00:48Examensrelevantes Wissen zum Versuchsdelikt Teil II – Der Rücktritt vom Versuch
Gastautor

Examensrelevantes Wissen zum Versuchsdelikt Teil I – Der Versuch

Fallbearbeitung und Methodik, Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes

Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Sebastian Rechenbach veröffentlichen zu können. Er hat an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena studiert und ist ab Mai Rechtsreferendar im Bezirk des OLG Jena.

Examensrelevantes Wissen zum Versuchsdelikt Teil I – Der Versuch

I. Einleitung
Sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Examen stellt die Thematik des Versuchsdeliktes einen sog. „Running Gag“ dar. Deshalb müssen bei den Prüflingen die Basics sitzen! Um dieses Ziel zu erreichen, behandelt die zweiteilige Beitragsreihe in gebotener Kürze die wichtigen Basics für die Fallbearbeitung, wobei sich der erste Teil dem Versuch widmet und im zweiten Teil die Rücktrittsproblematik im Mittelpunkt stehen wird. Die weitere Gliederung des Beitrages kann zugleich als Aufbauschema für das Gutachten angesehen werden.
 
II. Vorprüfung?
1. Beim Versuchsdelikt wird zunächst eine gedankliche Vorprüfung vorgenommen, ob die Tat nicht vollendet wurde und ob der Versuch überhaupt strafbar ist. Allerdings braucht diese, entgegen der immer noch h.M., nach meinem Dafürhalten im Gutachten nicht erwähnt zu werden und  ist daher als eigener Prüfungspunkt grds. entbehrlich – aus zwei Gründen:
a) Ist streitig, ob der Täter das Delikt vollendet hat (z.B. wegen mangelnder objektiver Zurechnung), muss mit der Prüfung des möglichen vollendeten Deliktes begonnen werden, da dort dann regelmäßig ein Problem steckt, das zu thematisieren ist.
b) Dass der Versuch strafbar ist, zeigt man dem Korrektor, indem die §§ 22, 23 I, 12 (I oder II) StGB im Obersatz zitiert werden; z.B. T könnte sich zum Nachteil von O des versuchten Totschlages nach §§ 212, 22, 23 I, 12 I StGB schuldig gemacht haben, als er mit dem Butterfly-Messer dem O fünf Mal in die Brust stach.
Die Korrektoren werden sich freuen, wenn sie nicht erst seitenlange Vorprüfungen lesen müssen!
 
2. Allerdings gibt es von diesem Vorgehen eine Ausnahme: Den erfolgsqualifizierten Versuch,  dem die Konstellation – Grunddelikt versucht, qualifizierende Folge eingetreten – zugrunde liegt:

  • Beispiel (Gubener Hetzjagdfall, BGHSt. 48, 34 ff.): Skinhead H versucht den algerischen Asylbewerber A zu verprügeln. A gerät in Panik, flüchtet vor H und kann ihn auch abhängen. A fühlt sich dennoch nicht sicher vor H und geht zu einem Haus, um sich verstecken zu können. Da sich dessen Tür nicht öffnen lässt, tritt er deren untere Glasscheibe ein und zieht sich tödliche Schnittverletzungen zu.

a) Nach einem Teil der Lit. ist ein erfolgsqualifizierter Versuch nicht möglich, da die schwere Folge an der Vollendung des Grunddeliktes anknüpft und dies nicht erfüllt ist, wenn das Grunddelikt lediglich versucht wurde (vgl. Kühl, StrafR AT, 6. Aufl., § 17a, Rn. 44).
b) Nach Teilen der Rspr. und der Lit. ist ein erfolgsqualifizierter Versuch stets möglich, da sich durch die schwere Folge die in der Handlung angelegte Gefahr verwirklicht (vgl. BGHSt. 48, 34 [37 f.]; Heinrich, StrafR AT, 3. Aufl., Rn. 696).
c) Nach der h.L. und Teilen der Rspr. ist nach der Struktur des Tatbestandes zu differenzieren: Baut die jeweilige Erfolgsqualifikation auf den Erfolg des Grunddeliktes auf, soll ein erfolgsqualifizierter Versuch nicht möglich sein (z.B. § 226 I StGB; str. für § 227 StGB). Anders ist dies, wenn die Handlungsgefahr des Grunddeliktes in den Vordergrund gestellt wird, wie z.B. bei den §§ 178, 251 StGB (vgl. eingehend BGHSt. 42, 158 [159 ff.]; Wessels/Beulke, StrafR AT, 42. Aufl., Rn. 617).
 
III.  Tatbestand
Der Tatbestand besteht beim Versuchsdelikt, ebenso wie der eines vorsätzlichen vollendeten Deliktes, aus einem objektiven und einem subjektiven Tatbestand. Jedoch wird der objektive Tatbestand beim Versuch „unmittelbares Ansetzen“ und der subjektive Tatbestand „Tatentschluss“ genannt. Außerdem wird im Gegensatz zur Prüfung beim vorsätzlichen vollendeten Delikt der subjektive Tatbestand vor dem objektiven Tatbestand geprüft.
 
1. Tatentschluss (subjektiver Tatbestand)
Im Tatentschluss ist zu prüfen, ob der Täter mit einem auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale eines Deliktes gerichteten Vorsatz und ggf. mit notwendigen subjektiven Tatbestandsmerkmalen handelte. Alles entscheidend ist also nur die Vorstellung des Täters!
a) Vorsatz
Der Täter muss in der Vorstellung der tatsächlichen Umstände, die, lägen sie vor, den objektiven Tatbestand eines Deliktes erfüllten, und mit unbedingten Handlungs- und Vollendungswillen handeln. An dieser Stelle werden mithin alle objektiven Tatbestandsmerkmale eines Deliktes am Maßstab der Tätervorstellung geprüft: Gab z.B. der Täter T den Schuss mit der Pistole auf das Opfer O ab, um es als andere Person töten zu wollen? Ob T mit der Pistole O überhaupt hätte treffen können, ist für die Strafbarkeit irrelevant.
Im Rahmen des Vorsatzes sollten folgende Sonderkonstellationen bekannt sein:
aa) Untauglicher Versuch,

  • der stets strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter entgegen seiner Vorstellung unter den gegebenen Umständen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen den Tatbestand eines Deliktes nicht verwirklichen kann.
  • Beispiel: Mit Tötungsvorsatz schießt T auf den bereits toten O.

bb) Grob unverständiger Versuch,

  • der als besonderer Fall des untauglichen Versuches ebenfalls strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter völlig abwegige Vorstellungen von gemeinhin bekannten Ursachenzusammenhängen hat, die für jeden durchschnittlichen Menschen offensichtlich sind. Es kann nach § 23 III StGB von Strafe abgesehen werden, was aber in einer Klausur des ersten Examens keine Rolle spielt, sondern erst für das zweite Examen interessant wird.
  • Beispiel: T will O durch Zugabe einer Dosis Ascorbinsäure in dessen Tee töten; weiß dabei aber nicht, dass es sich um ungefährliches Vitamin C handelt.

cc) Abergläubischer Versuch,

  • der nicht strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter nach seiner Vorstellung glaubt den Tatbestand eines Deliktes mit magischen Kräften herbeiführen zu können.
  • Beispiel: Harry H will seine Freundin F totzaubern.

dd) Wahndelikt,

  • das ebenso nicht strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter den Sachverhalt genau kennt, aber denkt, dass sein Handeln strafbar ist.
  • Beispiel: Harry H glaubt, dass Zaubern in Deutschland strafbar ist.

ee) Irrtümer,
denen der Täter erliegen kann, spielen bei der Abgrenzung des untauglichen Versuches vom Wahndelikt eine Rolle:

  • Es gilt der Grundsatz, dass ein Tatsachenirrtum zum untauglichen Versuch und ein Rechtsirrtum zum Wahndelikt führen.
  • Problematisch ist nun aber die Abgrenzung bei einem Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale (z.B. fremd, zuständige Stelle), wobei die h.M. davon ausgeht, dass ein untauglicher Versuch dann vorliegt, wenn die Fehlvorstellung durch einen Sachverhaltsirrtum bedingt ist oder aber wenn das Vorstellungsbild des Täters mit Blick auf die rechtsgutsbezogene Komponente rechtliche Relevanz aufweist (vgl. Jäger, Examens-Rep. StrafR AT, 5. Aufl., Rn. 290 ff.).

ff) Tatentschluss auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage

  • ist ausreichend, da dabei nicht das Ob, sondern nur das Wie zweifelhaft ist (vgl. BGH NStZ 1991, 233 f.).

b) Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale
Die zu prüfenden sonstigen subjektiven Tatbestandsmerkmale sind solche, die aus dem Strafrecht BT bekannt sein sollten, z.B. Zueignungsabsicht bei § 242 StGB, Habgier bei § 211 StGB.
 
2. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB (objektiver Tatbestand)
Um den objektiven Tatbestand eines Versuchsdeliktes zu verwirklichen, muss ein Täter zur Tatbestandsverwirklichung nach § 22 StGB unmittelbar angesetzt haben. Wann dies gegeben ist, ist in den meisten Fällen unproblematisch, sodass oftmals ein Satz genügt, z.B: „Durch den Schuss auf O hat T unmittelbar i.S.d. § 22 StGB angesetzt.“
a) Wann liegt unmittelbares Ansetzen i.S.d. § 22 StGB vor?
Entscheidend ist die Frage, wann ein Täter i.S.d. § 22 StGB unmittelbar ansetzt, nur (!) in wirklich problematischen Konstellationen.

  • Beispiel (BGH NStZ-RR 2004, 361 f.): T ist auf dem Weg zur Wohnung von O, um diesen zu töten. Seinen Besuch kündigt er telefonisch bei O an. An der Wohnung angekommen, schlägt T mehrmals an die Wohnungstür und fordert O auf herauszukommen, da T ihn jetzt umbringen will. O öffnet nicht und begibt sich auf den Balkon. Da niemand öffnet, geht T wieder.

Die Theorienvielfalt dazu ist kaum überschaubar, lässt sich aber auf die vier folgenden Ansätze eingrenzen:
aa) Zwischenaktstheorie, nach der ein Täter unmittelbar ansetzt, wenn nach der Vorstellung des Täters zwischen seinem Verhalten und der Tatbestandsverwirklichung kein wesentlicher Zwischenakt mehr liegt.
bb) „Jetzt-geht’s-los-Formel“, nach der ein Täter die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten haben muss, um unmittelbar i.S.d. § 22 StGB anzusetzen.
cc) Sphärentheorie, nach der ein Täter unmittelbar ansetzt, wenn er in die Schutzsphäre des Opfers eingedrungen ist und nach seiner Vorstellung zwischen Handlung und erwartetem Erfolgseintritt ein enger zeitlich-räumlicher Zusammenhang besteht.
dd) Die Rspr. und h.L. vertreten hingegen einen Kombinationsansatz: Der Täter muss demnach subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt haben. Er muss also Handlungen vorgenommen haben, die nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen (vgl. BGHSt. 40, 299 [301]; Wessels/Beulke, StrafR AT, 42. Aufl., Rn. 601). – arg.: Die voranstehenden Theorien werden, einzeln betrachtet, nicht allen Fallgestaltungen gerecht.
b) Problematische Fälle zum unmittelbaren Ansetzen
aa) Versuchsbeginn beim unechten Unterlassungsdelikt,

  • entweder beim Verstreichenlassen der ersten oder der letzten Rettungsmöglichkeit; oder nach (zutreffender) h.M. wenn der Garant die Herrschaft über das Geschehen aus der Hand gibt.

bb) Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft,

  • wenn der Täter auf den Tatmittler einwirkt oder erst, wenn der Tatmittler auf das Opfer einwirkt oder aber nach (zutreffender) h.M. wenn der Täter das Geschehen aus der Hand gegeben hat.

cc) Versuchsbeginn bei Mittäterschaft,
zu dem sich zwei Lösungsansätze entwickelt haben:

  • Einzellösung, nach der der Versuch für jeden Täter erst beginnt, wenn er selbst unmittelbar i.S.d. § 22 StGB ansetzt (vgl. Puppe, StrafR AT, 2. Aufl., § 39 Rn. 13). – arg.: Tatherrschaft, die der Mittäterschaft immanent ist, kann erst dann möglich sein, wenn der Mittäter selbst tätig wird.
  • Gesamtlösung (Rspr.; h.M.), nach der alle Mittäter in das Versuchsstadium treten, sobald einer von ihnen unmittelbar i.S.d. § 22 StGB ansetzt (vgl. BGHSt. 40, 299 [301 f.]; Seher, JuS 2009, 304 [309]). – arg.: Die Täter wollen eine gemeinsame Tat begehen, weshalb nach § 25 II StGB eine umfassende Zurechnung der Tatbeiträge stattfinden soll – unabhängig davon, wann der einzelne Täter seinen Tatbeitrag erbringt.

 
IV. Rechtswidrigkeit und Schuld
Für die Rechtswidrigkeit und Schuld ergibt sich für das Versuchsdelikt nichts Besonderes.
 
V. Persönliche Strafausschließungsgründe und Persönliche Strafaufhebungsgründe
An dieser Stelle sollte auf mögliche persönliche Strafausschließungsgründe (z.B. Angehörigenprivileg nach § 258 VI StGB) und persönliche Strafaufhebungsgründe (z.B. Rücktritt nach § 24 StGB, vgl. dazu aber Teil II) geachtet werden.
 
VI. Strafzumessung (Regelbeispiele)
Wurde zuvor der Versuch bejaht und v.a. ein möglicher Rücktritt abgelehnt, gelangt man ggf. noch zur Prüfung von möglichen Regelbeispielen. Dabei ist in Konstellationen, in denen der Täter das Grunddelikt und das Regelbeispiel lediglich versucht hat, umstritten, ob es einen Versuch in einem besonders schweren Fall geben kann:

  • Beispiel (versuchter Einbruchsdiebstahl, BGHSt. 33, 370 ff.): Dieb D will in die Gaststätte des Wirtes W einbrechen, um dort wertvolle Gegenstände zu stehlen. Dazu will D ein Fenster aufbrechen und durch dieses in das Haus steigen. Als er gerade das Fenster aufbricht, trifft die durch den Nachbarn N verständigte Polizei ein und unterbindet die Fortführung der Tat.

1. Nach der Rspr. und Teilen der Lit. sind Regelbeispiele wie Tatbestandsmerkmale zu behandeln, sodass ein Versuch in einem besonders schweren Fall möglich ist (vgl. BGHSt. 33, 370 [374 f.]; Gropp, StrafR AT, 3. Aufl., § 9, Rn. 49i). – arg.: Regelbeispiele typisieren einen erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt und dieser fällt für die Begründung der Regelwirkung dann gegenüber dem Grunddelikt ins Gewicht, wenn dieses nicht vollendet wurde.
2. Nach der h.L. kann die straferhöhende Wirkung von Regelbeispielen erst eintreten, wenn sie durch den Täter verwirklicht werden (vgl. Zöller, StrafR BT I, 38 f.). Der Ansicht hat sich auch der BGH im Bereich des Sexualstrafrechts angeschlossen. In einer Entscheidung zum § 176 III Nr. 2 StGB a.F. geht der 5. Strafsenat des BGH davon aus, dass es im System des Strafgesetzbuches keinen Versuch eines besonders schweren Falles geben könne, da die gesetzlichen Regelbeispiele keine Tatbestände im engeren Sinn seien, sondern lediglich Strafzumessungsregeln enthalten (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 293; ebenso BGH NStZ 2003, 602 zum § 177 II StGB). – arg.: Der Wortlaut des § 22 StGB bezieht sich lediglich auf Tatbestände und nicht auf Strafzumessungsvorschriften, weswegen die erste Ansicht gegen Art. 103 II GG verstößt. Zudem geht die Indizwirkung eines Regelbeispieles nicht schon bei dessen Versuch von diesem aus.

05.03.2013/4 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-03-05 14:52:482013-03-05 14:52:48Examensrelevantes Wissen zum Versuchsdelikt Teil I – Der Versuch
Christian Muders

Strafrechts-Klassiker: Der Bärwurz-Fall

Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

BGH, Urteil v. 12.08.1997 – 1 StR 234/97 (= BGHSt 43, 177 ff. = NJW 1997, 3453 f.)

Ist nach der Vorstellung des Täters, der seinen Teil zur Tatbestandsverwirklichung bewirkt hat, die Mitwirkung des Opfers zwingend erforderlich aber noch ungewiß, so beginnt der Versuch, wenn sich das Opfer so in den Wirkungskreis des Tatmittels begibt, daß sein Verhalten nach dem Tatplan bei ungestörtem Fortgang unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung münden kann.

1. Der Sachverhalt
Anfang März 1994 waren Unbekannte in das Einfamilienhaus des A eingedrungen, hatten sich in der im Erdgeschoss gelegenen Küche warme Speisen zubereitet und auch dort vorhandene Flaschen mit verschiedenen Getränken ausgetrunken. Weiter waren Geräte der Unterhaltungselektronik in das Dachgeschoss des Hauses verbracht worden. Die vom A am 6. März 1994 verständigte Polizei ging deshalb davon aus, die Täter könnten an den folgenden Tagen noch einmal zurückkehren, um die zum Abtransport bereitgestellte Diebesbeute abzuholen. In der Nacht vom 8. auf den 9. März 1994 hielten sich deshalb vier Polizeibeamte in dem Haus auf, um mögliche Einbrecher ergreifen zu können. Zugleich hatte sich der A, der vom Beruf Apotheker war, schon am Nachmittag des 8. März 1994 aus Verärgerung über den vorangegangenen Einbruch dazu entschlossen, im Flur des Erdgeschosses eine handelsübliche Steingutflasche mit der Aufschrift „Echter Hiekes Bayerwaldbärwurz“ aufzustellen, die er mit einem hochgiftigen Stoff gefüllt und sodann wieder verschossen hatte. Im Wissen darum, dass bereits der Konsum geringster Mengen der genannten Mischung rasch zum Tode führen kann, nahm A es beim Aufstellen der Flasche jedenfalls in Kauf, dass möglicherweise erneut Einbrecher im Haus erscheinen, aus der Flasche trinken und tödliche Vergiftungen erleiden könnten. Später kamen dem A Bedenken, da er die observierenden Polizeibeamten nicht eingeweiht hatte und er nunmehr erkannte, dass auch ihnen von der Giftflasche Gefahr drohte. Er wies die Beamten, die die Flasche nicht angerührt hatten, auf deren giftigen Inhalt hin. Am nächsten Morgen wurde er telefonisch von einem Kriminalbeamten aufgefordert die Giftflasche zu beseitigen. Nach einigem Zureden des Beamten erklärte A sich schließlich damit einverstanden, dass jener die Flasche sicherstellte.
2. Die Kernfrage
Der A war wegen des Geschehens in seinem Haus neben der Inverkehrbringung von schädlichen Stoffen als Lebensmittel (strafbar nach § 51 Abs. 1 Ziff. 1 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz LMBG) auch wegen eines – in den Entscheidungsgründen des BGH nicht näher konkretisierten – versuchten Tötungsdelikts zu Lasten der mutmaßlichen Einbrecher angeklagt worden. Nach Auffassung der Eingangsinstanz, des LG Passau, hatte der Angeklagte die Schwelle zu einem solchen Versuch indes trotz Aufstellens der Flasche noch nicht überschritten. Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft Revision zu Lasten des A eingelegt.
3. Das sagt der BGH
Der BGH hat die Entscheidung des LG Passau bestätigt, also eine Strafbarkeit des A wegen versuchten Tötungsdelikts ebenfalls verworfen.
a) Hierzu hat das Gericht zunächst einmal – geradezu schulmäßig – den Tatbestand des Versuchs, wie er sich nach § 22 StGB darstellt, definiert:

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dazu muß der Täter Handlungen vornehmen, die nach seiner Vorstellung im Falle ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte unmittelbar in die Tatbestandserfüllung münden können. Die Begehung von Handlungen, wie sie im gesetzlichen Tatbestand umschrieben sind, ist allerdings nicht erforderlich. Es genügt, wenn die Handlung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert ist oder in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestandserfüllung steht (…).

Kann danach also auch ein Vorverhalten des Täters für den Versuchsbeginn ausreichend sein, betont der BGH im Anschluss hieran allerdings sogleich, dass (umgekehrt) auch dann, wenn der Täter nicht allein eine Vorbereitungshandlung, sondern bereits eine Tathandlung abgeschlossen hat (!), die Schwelle zur Versuchsstrafbarkeit noch nicht notwendigerweise überschritten sein muss:

Diese der Abgrenzung von Versuch und Vorbereitungshandlung dienenden Grundsätze hat die Rechtsprechung zunächst anhand von Fällen entwickelt, in denen der Täter – wie beim unbeendeten Versuch – nach seiner Vorstellung noch nicht alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat; sie gelten aber auch, wenn der Täter – wie beim beendeten Versuch – die nach seinem Tatplan erforderlichen eigenen Handlungen bereits vollständig erbracht hat. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, selbst abgeschlossenes Täterhandeln müsse nicht stets unmittelbar in die Erfüllung eines Straftatbestandes einmünden und reiche damit für sich genommen nicht aus, die Frage nach dem Versuchsbeginn zu beantworten (…).

b) Die letztzitierte Aussage konkretisiert der BGH im Anschluss hieran zunächst einmal für solche Fälle, die (unstrittig) der mittelbaren Täterschaft zuzuordnen sind, bei denen also ein klassisches „Dreiecksverhältnis“ bestehend aus Hintermann, Werkzeug und Deliktsopfer vorliegt:

Das ist für Fälle entschieden, in denen der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan einbezieht. Hier liegt zwar ein Ansetzen des Täters zur Tat schon vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, es ist also nicht erforderlich, daß der Tatmittler seinerseits durch eigene Handlungen zur Tat ansetzt. Ein unmittelbares Ansetzen ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Tatmittler in der Vorstellung entlassen wird, er werde die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr in engem Zusammenhang mit dem Abschluß der Einwirkung vornehmen (…). Demgegenüber fehlt es hieran, wenn die Einwirkung auf den Tatmittler erst nach längerer Zeit wirken soll oder wenn ungewiß bleibt, ob und wann sie einmal Wirkung entfaltet. In diesen Fällen beginnt der Versuch erst dann, wenn der Tatmittler, dessen Verhalten dem Täter über § 25 Abs. 1 StGB zugerechnet wird, seinerseits unmittelbar zur Tat ansetzt. Entscheidend für die Abgrenzung ist daher, ob nach dem Tatplan die Einzelhandlungen des Täters in ihrer Gesamtheit schon einen derartigen Angriff auf das geschützte Rechtsgut enthalten, daß es bereits gefährdet ist und der Schaden sich unmittelbar anschließen kann (…) oder ob die Begründung einer solchen Gefahr dem noch ungewissen späteren Handeln des Tatmittlers überlassen bleibt.

c) Die vorstehende Betrachtung für Dreieckskonstellationen überträgt der BGH sodann auf Fälle wie den vorliegenden Sachverhalt, bei denen Tatmittler und späteres Opfer identisch sind, das Opfer also als „Tatmittler gegen sich selbst“ eingesetzt wird. Das Gericht sieht solche „Zweierverhältnisse“ freilich nicht direkt als Fälle einer mittelbaren Täterschaft an, sondern erkennt hier nur „eine der mittelbaren Täterschaft verwandte Struktur“ an. Aufgrund dieser verwandten Struktur sei jedoch in solchen Fällen eine identische Abgrenzung bei der Frage des „unmittelbaren Ansetzens“ vorzunehmen:

Zwar setzt der Täter bereits zur Tat an, wenn er seine Falle aufstellt, doch wirkt dieser Angriff auf das geschützte Rechtsgut erst dann unmittelbar, wenn sich das Opfer in den Wirkungskreis des vorbereiteten Tatmittels begibt. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Tatplan. Steht für den Täter fest, das Opfer werde erscheinen und sein für den Taterfolg eingeplantes Verhalten bewirken, so liegt eine unmittelbare Gefährdung (nach dem Tatplan) bereits mit Abschluß der Tathandlung vor (etwa wenn der Täter eine Zeitbombe an einem belebten Platz deponiert; vgl. dazu auch RGSt 66, 141: mit Sicherheit in absehbarer Zeit zu erwartendes Betätigen eines Lichtschalters und dadurch bewirktes Ingangsetzen einer „Brandstiftungsanlage“). Hält der Täter – wie hier – ein Erscheinen des Opfers im Wirkungskreis des Tatmittels hingegen für lediglich möglich, aber noch ungewiß oder gar für wenig wahrscheinlich (etwa beim Wegwerfen einer mit Gift gefüllten Schnapsflasche im Wald), so tritt eine unmittelbare Rechtsgutsgefährdung nach dem Tatplan erst dann ein, wenn das Opfer tatsächlich erscheint, dabei Anstalten trifft, die erwartete selbstschädigende Handlung vorzunehmen und sich deshalb die Gefahr für das Opfer verdichtet (…). Dieses Stadium war im vorliegenden Fall noch nicht erreicht.

Sodann verteidigt der BGH seine Kriterien für diese differenzierte Betrachtung:

Zwar wird gegen diese Lösung der beachtliche Einwand vorgebracht, dabei müsse – entgegen § 22 StGB – nicht mehr der Täter, sondern das Opfer zur Tat ansetzen (Roxin, JuS 1979, 1, 10). Doch ist hier nicht die Frage des Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung, sondern diejenige der Unmittelbarkeit angesprochen. Mit der Aufnahme dieses Merkmals in die gesetzlichen Voraussetzungen des § 22 StGB hat sich der Gesetzgeber dazu bekannt, daß die Strafbarkeit des Versuchs nicht völlig losgelöst von einer Gefährdung des geschützten Rechtsguts einsetzt (…). Wollte man darauf verzichten, wäre die Strafbarkeit des Versuchs weit vorverlagert und müßte – wie Roxin (…) annimmt – auch Fälle erfassen, in denen der Täter seine Tathandlungen in einem frühen Stadium abschließt, ohne das angegriffene Rechtsgut damit zunächst konkret zu gefährden, und das weitere Geschehen danach ungesteuert aus der Hand gibt. Eine so weite Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit erscheint nicht sachgerecht.

Schlussendlich beschließt das Gericht seine Überlegungen mit einem Rekurs zu den (unstreitigen) Fällen der mittelbaren Täterschaft:

Zwar ist – wie die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs zeigt – eine objektive Gefährdung nicht erforderlich, doch muß danach gefragt werden, wann sich die Tathandlung nach dem Tatplan dem gefährdeten Rechtsgut ausreichend nähert, um die Strafbarkeit des Täters zu begründen. Bezieht der Täter ein selbstschädigendes Opferverhalten in seinen Tatplan ein und gibt er damit das Gelingen seines Plans teilweise aus der Hand, so spricht rechtlich nichts dagegen, auf dieses Opferverhalten für die Frage der Unmittelbarkeit des Angriffs abzustellen. Diese Zurechnung des Opferverhaltens hat ihren rechtlichen Grund vielmehr in der bereits dargelegten Nähe solcher Selbstschädigungsfälle zu Fällen mittelbarer Täterschaft und der dabei gebotenen Zurechnung des Tatmittlerverhaltens über § 25 Abs. 1 StGB.

d) Zum Abschluss subsumiert der BGH die von ihm erarbeiteten Erkenntnisse noch unter den konkreten Fall und verneint danach ein unmittelbares Ansetzen durch A:

Bei Anlegung der genannten Maßstäbe war die Schwelle von der Vorbereitungshandlung zum Versuch im vorliegenden Fall noch nicht überschritten. Zwar hatte der Angeklagte aus seiner Sicht alles getan, was er selbst zur Vergiftung eines möglichen Einbrechers tun mußte, doch stand eine Schädigung möglicher Tatopfer nach seiner Vorstellung noch nicht unmittelbar bevor. Tatsächlich sind bis zur Sicherstellung der Giftflasche keine Einbrecher mehr im Haus des Angeklagten erschienen. Wie der Angeklagte wußte, war dies wegen des damit verbundenen Entdeckungsrisikos von vorn herein auch nicht sehr wahrscheinlich. Der Verdacht, es könne dennoch geschehen, gründete sich allein auf die zum Abtransport im Dachgeschoß bereitgelegte Diebesbeute. Daß die Täter, die bei der ersten Tat durch den ersten Stock ins Haus gelangt waren, auch im Wiederholungsfall wieder Lebensmittel im Erdgeschoß verzehren würden, war schon wegen der vier im Hause versteckten Polizeibeamten kaum zu erwarten. Auch dies war dem Angeklagten bewußt. Er konnte allenfalls noch mit einem späteren, nicht mehr polizeilich überwachten Auftauchen der Einbrecher und deren Griff zur Giftflasche rechnen. Damit war auch aus seiner Sicht eine im Sinne der obenstehenden Ausführungen ausreichend konkrete, d.h. unmittelbare, Gefährdung möglicher Tatopfer noch nicht gegeben.

4. Fazit
Der „Bärwurzfall“ ist einer der Klassiker zum unmittelbaren Ansetzen beim Versuch, den jeder Student und Referendar kennen sollte.
a) Einordnung der Selbstverletzung in die Täterschaftsformen
Dabei gilt es zunächst zu erkennen, dass für die Entscheidung der Frage, wann in Fällen der Selbstverletzung des Werkzeugs ein unmittelbares Ansetzen vorliegt, nicht unbedingt relevant ist, ob diese Konstellation als Fall der mittelbaren Täterschaft (so die wohl h.L.; vgl. nur Joecks, Studienkommentar, 7. Aufl. 2007, § 25 Rn. 21; Kindhäuser, LPK, 4. Aufl. 2010, § 25 Rn. 9) oder aber als unmittelbare Täterschaft des Delinquenten konstruiert wird, auch wenn es sicherlich nicht schadet, dieser Frage – zumindest in Hausarbeiten – etwas Raum in der Fallbearbeitung zu gewähren. Denn die Feststellung zur Strafbarkeit des Täters muss eigentlich unabhängig von dieser Einordnung vorgenommen werden, was bereits daran deutlich wird, dass ähnliche Konstellationen auch für solche Fälle denkbar sind, in denen unstrittig nur eine unmittelbare Täterschaft in Betracht kommt. So bilden etwa Herzberg/Hoffmann-Holland (in: MüKo/StGB, 2. Aufl. 2011, § 22 Rn. 127) das Beispiel, dass der Täter mittags einen bissigen Hund auf sein eingezäuntes Grundstück verbringt, damit das Tier gegen 16.00 Uhr die wegeberechtigte Nachbarin am Betreten hindern kann – auch hier ist zu entscheiden, ob der Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1, 2 StGB) bereits mit dem Verbringen des Hundes auf das Grundstück oder aber erst mit dem Versuch der Nachbarin, ihr Wegerecht in Anspruch zu nehmen, beginnt; dies würde etwa in der Konstellation relevant werden, in welcher der Hund weit vor Eintreffen der Nachbarin am geplanten Tatort aufgrund einer Verletzung, die er sich auf dem Grundstück zufällig zugezogenen hat, verendet.
b) Die Lösung des BGH
Im Hinblick auf die Bestimmung des Versuchsbeginns im vorliegenden Fall erscheint die Differenzierung des BGH, der zwischen Konstellationen unterscheidet, bei denen der Täter sicher von der Mitwirkung des Opfers ausgeht und solchen, bei denen er bezüglich dieses Aktes eher unsicher ist, jedenfalls vom „Rechtsgefühl“ her durchaus einsichtig. So würde etwa kaum jemand in Frage stellen, dass der Attentäter, der am Abend eine Bombe im Auto seines Opfers deponiert, welche selbiges am Morgen beim Anfahren auslösen soll, bereits mit dem Verbringen des Sprengstoffes in den Pkw unmittelbar zur Tat ansetzt (so jedenfalls der BGH, vgl. Urteil v. 07.10.1997 – 1 StR 635/96 = NStZ 1998, 294). Demgegenüber erscheint eine Versuchsstrafbarkeit für Fälle wie den vorliegenden, in denen eine Distanz zur Tatbegehung nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf das „ob“ der Verwirklichung besteht, zumindest zweifelhaft. Die Lösung des BGH, hier nicht den (täterbezogenen) Begriff des „Ansetzens“ in Frage zu stellen, sondern das Merkmal der „Unmittelbarkeit“ für die Verneinung einer Versuchsstrafbarkeit fruchtbar zu machen, ist jedenfalls von der Warte aus zu begrüßen, dass so direkt mit einer Tatbestandsvoraussetzung des § 22 StGB operiert werden kann, und nicht (allein) auf theoretische Überlegungen, etwa zum Strafgrund des Versuchs, zurückgegriffen werden muss. Fraglich erscheint dann jedoch, inwiefern dieses Merkmal für die vom BGH vorgenommene Differenzierung, die ja maßgeblich auf die Wahrscheinlichkeitsvorstellungen des Täters abstellt, inhaltlich überhaupt nutzbar gemacht werden kann. Insofern erscheint eine Interpretation des Unmittelbarkeitskriteriums immerhin dergestalt möglich, selbiges nicht nur „naturwissenschaftlich“, d.h. als Maßstab in zeitlicher Hinsicht, zu deuten, sondern es (zusätzlich) auch normativ aufzuladen, indem gefragt wird, ob noch ein „wesentlicher Zwischenschritt“ bis zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist – ein Gedanke, der bei der Bestimmung des Versuchsbeginns in Gestalt der „Zwischenakts-Theorie“ ohnehin allgemein herangezogen wird (vgl. etwa LK-Hillenkamp, 12. Aufl. 2007, § 22 Rn. 77). Ist sich der Täter aber der Mitwirkung des Opfers sicher, könnte man selbige als nicht mehr „wesentlichen“ Zwischenschritt werten, da die Tat dann quasi automatisch nach Abschluss der Handlung des Täters abläuft. Ist hingegen die Mitwirkung des Opfers fraglich bis unwahrscheinlich, ist dessen Tun noch als wesentlicher Akt zwischen Täterhandeln und Erfolgseintritt zu werten, der somit einer „Unmittelbarkeit“ des durch den Delinquenten bereits verwirklichten Beitrags i.F. des Präparierens der Falle entgegensteht.
c) Die Lösung der h.L.
Daneben werden von der Literatur auch konkurrierende Vorschläge gemacht, um das „unmittelbare Ansetzen“ bei geplanter Selbstverletzung des Opfers qua „Fallenstellung“ zu bestimmen. So soll nach h.L. darauf abzustellen sein, ob der Täter nach dem Bereitstellen der Falle (als Schaffung des relevanten Todesrisikos) das Geschehen so aus der Hand gibt, dass er sich einer Einflussmöglichkeit auf den Tatablauf beraubt – ist dies nicht der Fall, weil der Täter etwa „vor Ort“ bleibt, soll der Versuchsbeginn demgegenüber erst dann eintreten, wenn sich das Opfer tatsächlich in den Wirkungsbereich der Falle begibt und somit konkret gefährdet wird (grundlegend dazu Roxin, JuS 1979, 1 ff.; ebenso Schönke/Schröder-Eser, 28. Aufl. 2010, § 22 Rn. 42 a.E.; Wessels/Beulke, AT, 32. Aufl. 2002, Rn. 603, jew. m.w.N.). Dieser Vorschlag ist zunächst mit dem Ausgangspunkt der Rspr. identisch, da auch hier mit der fehlenden „Unmittelbarkeit“ des Ansetzens argumentiert wird, welches inhaltlich mit der ausbleibenden Gefährdung des Opfers (nach Tätervorstellung) gleichgesetzt wird. Allein die Konkretisierung dieser Opfergefährdung (bzw. aus Täterperspektive die Unmittelbarkeit der Tathandlung) wird divergierend zum BGH bestimmt, indem selbige von der subjektiven Ebene, also den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen des Täters, auf eine objektive Ebene „heruntergeholt“ und nach den verbleibenden Einwirkungsmöglichkeiten des Delinquenten gefragt wird. Dieser Ansatz erscheint dabei auf den ersten Blick insofern konsequent, als auch in anderen Fällen, etwa bei einem Attentäter, der im Hinterhalt mit einem Gewehr auf sein Opfer lauert, darauf abgestellt wird, wann sich das Opfer dem geplanten Tatort nähert. Freilich ist in der letztgenannten Konstellation gerade noch keine eigene Tathandlung des Attentäters gegeben, da dieser noch das Gewehr anlegen und schießen muss, was sich in Fällen der beabsichtigten Selbstverletzung des Opfers durchweg anders darstellt – hier ist das Todeswerkzeug ja bereits präpariert und harrt nur noch seiner automatischen Auslösung durch das Zielobjekt. Zudem müsste man bei Anwendung dieser Lehre konsequenterweise auch bei Sprengstofffallen dann, wenn der Täter in der Nähe des Tatortes bleibt, um etwa seinen Erfolg abzuwarten, ebenfalls trotz Anbringens der Bombe davon ausgehen, dass ein Versuch erst zu dem Zeitpunkt beginnt, in dem das Opfer tatsächlich auf der Bildfläche erscheint – was sich in derjenigen Konstellation zu Gunsten des Täters auswirken würde, in welcher der Sprengsatz bereits frühzeitig, etwa von einem vorbeikommenden Passanten, zufällig entdeckt wird, so dass der Bombenattentäter im Ergebnis straflos bliebe. Schließlich kann diesem Ansatzpunkt vorgeworfen werden, dass mit Erwägungen, die auf eine Eingriffsmöglichkeit des Täters nach Abschluss der bereits vorgenommenen Tathandlung abstellen, eigentlich auf Umstände zurückgegriffen wird, die grundsätzlich allein der Frage des Rücktritts zugehörig sind: So könnte man in dem dem vorliegenden Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt, in welchem der A die Polizei vor der Flasche warnt und sich nach deren Zureden bereiterklärt, diese den Beamten zu überlassen, auch von einem Rücktritt des A vom mit dem Aufstellen der Flasche beendeten Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB sprechen.
d) Vorschläge zur Klausurbearbeitung
Insgesamt lassen einen die vorgehend angesprochenen Lösungsmöglichkeiten für die Konstellation einer zeitlich gestreckten Selbstverletzung des Opfers sämtlich etwas unbefriedigt zurück. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass das Spannungsverhältnis, welches zwischen der bereits ausgeführten eigenen Handlung des Täters einerseits und der fehlenden zeitlichen Nähe zur Opfergefährdung andererseits besteht, nicht vollständig ausgeräumt werden kann. Bei der Klausurbearbeitung bietet es sich insofern an, in Fällen, in denen das Opfer ohnehin in den Bereich der Falle tappt, mit einer „jedenfalls“-Argumentation ein unmittelbares Ansetzen unproblematisch zu bejahen, da dieser Zeitpunkt nach allen Lehren den spätestmöglichen Beginn des Versuchs markiert. Ähnliches gilt – freilich in umgekehrter Richtung – auch für Sachverhalte, die dem vorgenannten Urteil nachgebildet sind, da hier sowohl Rspr. als auch h.L. eine „Unmittelbarkeit“ des Ansetzens verneinen würden, auch wenn sie dies mit je unterschiedlichen Erwägungen tun – eine Streitentscheidung ist also auch hier nicht erforderlich. Problematisch bleiben demnach v.a. die Fälle, in denen ein in sicherer Gewissheit des Opferverhaltens handelnder Täter am Tatort verbleibt, die tödliche Falle aber zufällig vor Eintreffen des Opfers von dritter Seite entschärft wird. Hier kann man durchaus mit der Argumentation, dass jedes mögliche Eingreifen des Täters nach Bereitmachen der Falle allenfalls als Rücktritt vom beendeten Versuch zu werten wäre, was dessen vorangehendem Handeln nicht den Charakter einer bloßen Vorbereitungshandlung geben kann, dessen Strafbarkeit gut begründen. Umgekehrt kann dann, wenn der Apotheker im oben genannten Fall sicher von einer Rückkehr der Täter ausgeht, mit der dennoch fehlenden „unmittelbaren Gefährdung“ argumentiert werden, die sich daraus ergibt, dass der Apotheker hier noch jederzeit die Steinflasche mit dem vergifteten Getränk entfernen, also seine bisherige Tathandlung revozieren könnte – was wiederum dem „Rechtsgefühl“ in dieser Konstellation, nämlich einer Straflosigkeit des Täters, am ehesten entsprechen dürfte. Ergänzend kann zur Lösung beider Fälle schließlich noch auf den Sphärengedanken zurückgegriffen werden, der ebenfalls allgemein bei der Frage des unmittelbaren Ansetzens häufig zur Konkretisierung herangezogen wird (vgl. nur Kindhäuser, LPK, 4. Aufl. 2010, § 22 Rn. 22; S/S/W-Kudlich/Schuhr, 1. Aufl. 2009, § 22 Rn. 39): Denn im Fall der Autobombe wirkt der Täter bereits mit Anbringen des Sprengstoffes an dem Pkw jedenfalls insoweit auf die Sphäre des Opfers ein, als das Auto letzterem (als Eigentümer bzw. Gewahrsamsinhaber) unstrittig zugeordnet ist. Anderes gilt demgegenüber für den „Bärwurzfall“, da hier die Falle genau genommen nicht in der Sphäre des Opfers, sondern des Täters deponiert wird, welcher die Steingutflasche ja in seinem eigenen Haus aufstellt.

27.10.2012/1 Kommentar/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-10-27 10:00:322012-10-27 10:00:32Strafrechts-Klassiker: Der Bärwurz-Fall
Dr. Stephan Pötters

Strafrecht Classics – Der Katzenkönig (BGHSt 35, 347)

Klassiker des BGHSt und RGSt, Schon gelesen?, Strafrecht

In diesem skurrilen Klassiker entschied der BGH, dass eine mittelbare Täterschaft auch dann in Frage kommen kann, wenn der Tatmittler als „menschliches Werkzeug“ volldeliktisch handelt, sich also auch strafbar gemacht hat. Konkret ging es darum, dass der Hintermann einen vermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) beim Tatmittler hervorgerufen und für seine Zwecke ausgenutzt hatte.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach den Feststellungen lebten die drei Angeklagten in einem von „Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben“ geprägten „neurotischen Beziehungsgeflecht“ zusammen. Der Angeklagten H. gelang es zusammen mit P., dem leicht beeinflußbaren Angeklagten R. zunächst die Bedrohung ihrer Person durch Zuhälter und Gangster mit Erfolg vorzugaukeln und ihn in eine Beschützerrolle zu drängen. Später brachten beide ihn durch schauspielerische Tricks, Vorspiegeln hypnotischer und hellseherischer Fähigkeiten und die Vornahme mystischer Kulthandlungen dazu, an die Existenz des „Katzenkönigs“, der seit Jahrtausenden das Böse verkörpere und die Welt bedrohe, zu glauben; R. – in seiner Kritikfähigkeit eingeschränkt, aber auch aus Liebe zu H. darum bemüht, ihr zu glauben – wähnte sich schließlich auserkoren, gemeinsam mit den beiden anderen den Kampf gegen den „Katzenkönig“ aufzunehmen. Auf Geheiß mußte er Mutproben bestehen, sich katholisch taufen lassen, ,H. ewige Treue schwören; so wurde er von ihr und P. zunächst als Werkzeug für den eigenen Spaß benutzt. Als die Angeklagte H. Mitte des Jahres 1986 von der Heirat ihres früheren Freundes erfuhr, entschloß sie sich aus Haß und Eifersucht, dessen Frau O. von R. – unter Ausnutzung seines Aberglaubens – töten zu lassen. In stillschweigendem Einverständnis mit P., der – wie sie wußte – seinen Nebenbuhler loswerden wollte, spiegelte die H. dem R. vor, wegen der vielen von ihm begangenen Fehler verlange der „Katzenkönig“ ein Menschenopfer in der Gestalt der O; falls er die Tat nicht binnen einer kurzen Frist vollende, müsse er sie verlassen, und die Menschheit oder Millionen von Menschen würden vom „Katzenkönig“ vernichtet. R., der erkannte, daß das Mord sei, suchte auch unter Berufung auf das fünfte Gebot vergeblich nach einem Ausweg. H. und P. wiesen stets darauf hin, daß das Tötungsverbot für sie nicht gelte, „da es ein göttlicher Auftrag sei und sie die Menschheit zu retten hätten“. Nachdem er H. „unter Berufung auf Jesus“ hatte schwören müssen, einen Menschen zu töten, und sie ihn darauf hingewiesen hatte, daß bei Bruch des Schwurs seine „unsterbliche Seele auf Ewigkeit verflucht“ sei, war er schließlich zur Tat entschlossen. Ihn plagten Gewissensbisse, er wog jedoch die „Gefahr für Millionen Menschen ab“, die er „durch das Opfern von O.“ retten könne. Am späten Abend des 30. Juli 1986 suchte R. die O in ihrem Blumenladen unter dem Vorwand auf, Rosen kaufen zu wollen. Entsprechend dem ihm von P. – im Einverständnis mit H. – gegebenen Rat stach R. mit einem ihm zu diesem Zweck von P. überlassenen Fahrtenmesser hinterrücks der ahnungs- und wehrlosen O. in den Hals, das Gesicht und den Körper, um sie zu töten. Als dritte Personen der sich nun verzweifelt wehrenden Frau zu Hilfe eilten, ließ R. von weiterer Tatausführung ab, um entsprechend seinem „Auftrag“ unerkannt fliehen zu können; dabei rechnete er mit dem Tod seines Opfers, der jedoch ausblieb.
Lösung des BGH:
Zur Strafbarkeit des R: Diese hatten alle Instanzen bejaht. Zwar war R wohl wirklich nicht gerade der hellste Mensch auf Erden, jedoch war er noch schuldfähig; § 20 StGB schied also aus. § 21 StGB wurde zwar bejaht, dadurch wird aber die Strafbarkeit dem Grunde nach nicht berührt.  Zwar lag ein (indirekter) Verbotsirrtum vor (R glaubte sich „gerechtfertigt“, da er das Menschenopfer zur Rettung der Menschheit vor dem Zorn des Katzenkönigs für notwenig hielt; er zog damit die Grenzen des § 34 StGB zu weit), jedoch war dieser Irrtum relativ eindeutig vermeidbar:

„Daß der Angeklagte diesen Interessenkonflikt fehlerhaft abgewogen hat, führt als Bewertungsirrtum auch nicht zum Vorsatzausschluß, sondern zu einem – nach den Feststellungen vermeidbaren – Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 34 Rn. 51; Dreher/Tröndle a.a.O. § 34 Rn. 18). Danach hätte er als Polizeibeamter unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten und auch seiner Wahnideen bei gebührender Gewissensanspannung und der ihm zumutbaren Befragung einer Vertrauensperson, zum Beispiel eines Geistlichen, die rechtliche Unzulässigkeit einer quantitativen Abschätzung menschlichen Lebens als des absoluten Höchstwertes erkennen können.“

Somit war R strafbar wegen versuchten Heimtückemordes, §§ 212 I, 211, 22, 23 I StGB. Ein Rücktritt lag nicht vor, denn der Versuch war fehlgeschlagen und R ergriff die Flucht.
Problematisch war die Strafbarkeit von H. und P.:

„Zu Recht hat das Landgericht auch den Angeklagten P. als Täter verurteilt. Dieser hat gemeinschaftlich mit der Angeklagten H., die den Schuldspruch nicht angegriffen hat, die Tat „durch einen anderen“ im Sinne des § 25 Abs. 1 StGB begangen. Sie handelten aus niedrigen Beweggründen. Beide sind nicht etwa deswegen nur Anstifter, weil auch der Mitangeklagte R. als Täter einzustufen war.[…] Der Bundesgerichtshof hat zwar in BGHSt 2, 169 [170]; 30, 363 [364] ausgeführt, daß der mittelbare Täter die Tat durch einen anderen ausführe, der nicht selbst Täter sei. Diese Definition, die für den Regelfall der mittelbaren Täterschaft zutrifft, ist in den genannten Entscheidungen aber nicht tragend. Im vorliegenden Fall kommt es auf die Beantwortung der Frage an, weil den Angeklagten H. und P. – jedenfalls nach Überzeugung des Landgerichts – die für eine Verurteilung wegen Anstiftung zum versuchten Mord erforderliche Kenntnis des tatbezogenen Merkmals der Heimtücke nicht nachzuweisen war. […] Daß mit Hilfe des Verantwortungsprinzips allein nicht stets eine scharfe Grenzziehung möglich ist, wird von Vertretern dieser Lehre selbst eingeräumt, indem sie für die Fälle des durch einen Machtapparat organisierten Verbrechens ohne Rücksicht auf die volle rechtliche Verantwortbarkeit des Handelnden eine „Täterschaft hinter dem Täter“ anerkennen. Ein wertender Vergleich der Fälle des unvermeidbaren Verbotsirrtums – hier ist unbestritten mittelbare Täterschaft möglich – mit denen des vermeidbaren Verbotsirrtums zeigt, daß allein die Vermeidbarkeit des Irrtums kein taugliches Abgrenzungskriterium ist. Auch dem in einem solchen Irrtum handelnden Täter fehlt zur Tatzeit die Unrechtseinsicht. Daß er Kenntnisse hätte haben können, die er im konkreten Fall nicht hatte, braucht an der Tatherrschaft des die Erlaubtheit vorspiegelnden Hintermannes nichts zu ändern; ebensowenig wird dadurch notwendigerweise dem Vordermann die Eigenschaft eines Werkzeuges genommen. In Fällen des vermeidbaren Verbotsirrtums des Vordermannes als dem unmittelbar Handelnden ist deshalb bei der Prüfung, ob der Hintermann mittelbarer Täter ist, auf das Kriterium der vom Täterwillen getragenen objektiven Tatherrschaft abzustellen. Ob sie vor liegt, richtet sich nicht nach starren Regeln, sondern kann nur je nach der konkreten Fallgestaltung im Einzelfall wertend ermittelt werden. Eine solche Abgrenzung entspricht den Grundsätzen, die auch für die Beurteilung zwischen unmittelbarer Täterschaft und Teilnahme maßgeblich sind. Die Abgrenzung hängt im Einzelfall von Art und Tragweite des Irrtums und der Intensität der Einwirkung des Hintermannes ab. Mittelbarer Täter eines Tötungs- oder versuchten Tötungsdelikts ist jedenfalls derjenige, der mit Hilfe des von ihm bewußt hervorgerufenen Irrtums das Geschehen gewollt auslöst und steuert, so daß der Irrende bei wertender Betrachtung als ein – wenn auch (noch) schuldhaft handelndes – Werkzeug anzusehen ist. So liegt es nach den Feststellungen hier. Einerseits haben die Angeklagten H. und P. beim Angeklagten R. die Wahnideen hervorgerufen und diese später bewußt ausgenutzt, um seine rechtlichen Bedenken wie seine Gewissensbisse auszuschalten und ihn zu veranlassen, die von ihnen beabsichtigte Tat ihren Plänen und Vorstellungen entsprechend auszuführen. Auf diese psychologische Weise steuerten sie die Tatplanung. Darüber hinaus bestimmten sie wesentliche Teile der Tatausführung.“

Damit bejahte der BGH für beide „Hintermänner“ eine Strafbarkeit wegen versuchten Mordes.
Kritik: Nach einer in der Literatur verbreiteten Lösung muss im Katzenkönig-Fall eine mittelbare Täterschaft ausscheiden, denn diese sei generell nicht denkbar, wenn der Tatmittler strafrechtlich voll verantwortlich ist für seine Tat (sog. Lehre vom Verantwortungsprinzip). Diese Ansicht lehnt konsequenterweise auch andere Fallgruppen der mittelbaren Täterschaft ab, bei denen der Tatmittler keinen „Defekt“ aufweist, insbesondere also die auf Roxin zurückgehende Fallgruppe der mittelbaren Täterschaft kraft organisierter Machtapparate (z.B. DDR-Mauerschützen-Fälle). In Betracht kommt nach dieser Ansicht dann „nur“ eine Anstiftung. Mit dieser schon vor dem Katzenkönig-Fall bestehenden Ansicht hatte sich der BGH auseinandergesetzt (s. o.) und sie meines Erachtens mit überzeugenden Argumenten abgelehnt.

01.05.2009/2 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-05-01 12:55:212009-05-01 12:55:21Strafrecht Classics – Der Katzenkönig (BGHSt 35, 347)

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