Leiturteil des BGH zum Erfüllungsort für die Nacherfüllung
In einer Entscheidung v. 13.04.2011 (VIII ZR 220/10) hat der BGH die klausurrelevante Frage des Erfüllungsortes bei der Nacherfüllung entschieden. Aufbauend auf der Pressemitteilung des BGH hatten wir bereits in einem Artikel vom 14.04.2011 über dieses Urteil berichtet (s. hier).
Wir freuen uns, heute einen Gastbeitrag von Dorothea Faust und Robert Budde veröffentlichen zu können, der sich nun noch einmal ausführlich mit dieser wichtigen Entscheidung beschäftigt und sich dabei auch auf die Veröffentlichung des Urteils im Volltext stützen kann. Die Autoren sind Rechtsanwälte der Kanzlei CMS Hasche Sigle und zudem als Autor für den “Blog CMS” tätig. Bei dem hier veröffentlichten Gastbeitrag handelt es sich um eine leicht modifizierte Version eines Beitrags aus dem CMS-Blog.
Wer reklamieren will, muss reisen…
…und zwar zum Verkäufer. In einer Entscheidung aus dem letzten Jahr (Urteil v. 23.06.2010 Az. VIII ZR 135/08), hatte sich der BGH zur Feststellung des zuständigen Gerichts nach der EuGVVO mit dem Erfüllungsort der Leistung bei einem (internationalen) Versendungskauf auseinandergesetzt und diesen beim Käufer ausgemacht. Das führte dazu, dass bei Fehlen einer Gerichtsstandvereinbarung der Verkäufer den Käufer an dessen Sitz verklagen muss. Nun beschäftigt er sich erstmals prinzipiell mit dem Erfüllungsort der Nacherfüllung im Kaufrecht und sieht diesen im Zweifel beim Verkäufer (Urteil vom 13. April 2011 – Az. VIII ZR 220/10) . Verlangt der Käufer also wegen eines Mangels der Kaufsache Mangelbeseitigung oder Lieferung einer mangelfreien Sache, muss er dem Verkäufer die Sache im Zweifel an seinem Sitz zur Verfügung stellen.
Sachverhalt
Diesmal sorgten Campingfreunde für die Grundsatzentscheidung: Der in Frankreich ansässige Käufer hatte einen Camping-Faltanhänger bei einem Verkäufer in Deutschland erworben. Nachdem Mängel reklamiert worden waren, forderten die Käufer den Verkäufer auf, den Anhänger zur Mängelbeseitigung in Frankreich abzuholen. Das verweigerte der Verkäufer. Die Käufer traten vom Kaufvertrag zurück, scheiterten dann aber mit ihrer Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises, weil sie dem Verkäufer nicht in „gehöriger Weise“ Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben hatten. Sie hätten ihm den Anhänger an seinem Sitz zur Verfügung stellen müssen.
Umstrittene Thematik
Seit der Schuldrechtsmodernisierung werden zum richtigen Ort der Nacherfüllung viele Meinungen vertreten. Diese reichen vom aktuellen Belegenheitsort der Sache, über den ursprünglichen Erfüllungsort der Primärleistungspflicht, bis hin zur Einzelfallbetrachtung mit Rücksicht auf die Transportfähigkeit der Sache. Höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu gab es dazu bisher nicht.
Lösung des BGH über §269 BGB
Jetzt hat der BGH im vorliegenden Urteil entschieden, dass der Erfüllungsort für die Nacherfüllung nach der allgemeinen Vorschrift des § 269 BGB zu bestimmen ist. Danach ist eine vorhandene Parteivereinbarung vorrangig. Ansonsten wird auf die Umstände, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses, abgestellt. Hilft auch dies nicht weiter, so gilt der Wohnsitz des Schuldners zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Nacherfüllungsort. Im Kaufrecht – so stellt der BGH klar – gibt es keine spezielle Regelung. Der in diesem Zusammenhang zumeist angeführte § 439 Abs. 2 BGB ist eine reine Kostentragungsregel und auch § 439 Abs. 1 BGB enthält keine grundsätzliche Aussage über den Ort der Nacherfüllung.
Was bedeutet dies nun für den Käufer, wenn er Mängelbeseitigung verlangt? Ohne vorher getroffene Vereinbarung und wenn sich aus den Umständen nichts anderes ergibt, muss er die Sache wohl „einpacken“ und dem Verkäufer schicken oder sie selbst hinbringen. Die Kosten dafür kann er natürlich über § 439 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen. Aber kann es im Sinne der Verbrauchsgüterkaufrichtline (Richtline 1999/44/EG) – die ja Anlass der Schuldrechtsmodernisierung war – sein, dem Käufer den zusätzlichen (zeitlichen) Aufwand des Transports aufzubürden? Der BGH meint: ja! Die Richtlinie räumt dem Verbraucher einen Anspruch auf unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes ein. Diese muss in einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten geschehen. Diese Vorgabe eröffnet – so der BGH – gewisse Wertungsspielräume, die auch bei der Bestimmung des Erfüllungsortes zu beachten sind.
Aber sind der Transport zum Verkäufer und die dafür vorzustreckenden Kosten nicht erhebliche Unannehmlichkeiten? Der BGH meint: nein! Der Käufer kann schließlich vom Verkäufer einen Vorschuss der Transportkosten verlangen und sich so absichern. Der Käufer soll nicht vor sämtlichen Unannehmlichkeiten geschützt werden. Maßgeblich ist also, ob die mit der Nacherfüllung geschuldeten Unannehmlichkeiten „erheblich“ sind. Bei einem Camping-Faltanhänger mögen sich die Unannehmlichkeiten wegen der grundsätzlichen Transportfähigkeit in Grenzen halten. Immerhin war aber eine Verbringung ins Ausland erforderlich. Die Frage, ob Unannehmlichkeiten unter- oder oberhalb der Erheblichkeitsschwelle liegen, wird aber nicht immer so einfach sein.
Fazit und Ausblick
Die vom BGH nun vorgegebene Anwendung des § 269 BGB führt zu einer Einzelfallbetrachtung, bei der insbesondere auf die Transportfähigkeit der Sache abzustellen sein wird. Den Parteien ist daher grundsätzlich zu raten, den Erfüllungsort der Nacherfüllung vorher vertraglich zu regeln. Ob eine solche Regelung in AGB, auch für den Fall „erheblicher“ Unannehmlichkeit des Transports, der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält, wird dann vielleicht die nächste Frage sein, mit der sich der BGH wird befassen müssen.