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Schlagwortarchiv für: Halterhaftung

Monika Krizic

Die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG

Aktuelles, Deliktsrecht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Verkehrsunfälle spielen seit jeher eine bedeutende Rolle im juristischen Alltag, sodass auch die Spezialnormen im StVG für die universitäre Ausbildung und das Examen von enormer Relevanz sind. Insbesondere die Halterhaftung nach § 7 Asb. 1 StVG gehört zum Standarwissen. Der nachfolgende Beitrag soll daher die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG näher durchleuchten und berücksichtigt dabei auch Fälle der jüngsten Rechtsprechung.

Autorin des Gastbeitrags ist Monika Krizic. Sie studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn.

I. Kfz

Zunächst bedarf es eines Kraftfahrzeuges. Dies sind gem. § 1 Abs. 2 StVG Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein.

II. Anspruchsgegner: Halter

Weiterhin muss der Anspruchsgegner Halter dieses Kfz sein. Halter ist, wer das Fahrzeug nicht nur ganz vorübergehend auf eigene Rechnung hält und die Verfügungsgewalt darüber besitzt (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 2; Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 22 Rn. 8). Für die Begründung und den Bestand der Haltereigenschaft kommt es somit nicht auf ein Rechtsgeschäft, sondern vielmehr auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an, welche maßgeblich die Intensität der tatsächlichen Sachherrschaft berücksichtigt (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Strassenverkehrs, 5. Aufl. 2013, § 3 Rn. 258).

1. Minderjährigkeit

Entsprechend der Rechtsnatur der Haltereigenschaft, könnten auch beschränkt Geschäftsfähige als Halter qualifiziert werden. Eine solche undifferenzierte Perspektive würde aber den tragenden Pfeilern des zivilrechtlichen Minderjährigenschutzes entgegenstehen.

Daher werden Analogien in Betracht gezogen. Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke bei Vergleichbarkeit der Interessenlage voraus. Angesichts der Bedeutung eines umfassenden Minderjährigenschutzes, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Frage planwidrig nicht geregelt hat.

Vor dem Hintergrund des deliktischen Charakters der Gefährdungshaftung aus § 7 Abs. 1 StVG, könnte eine vergleichbare Interessenlage zu § 828 Abs. 3 BGB bejaht werden (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, § 833 Rn. 42). Das höhere Schutzniveau für den Minderjährigen bietet aber eine analoge Anwendung der §§ 104 ff. BGB, da nicht auf dessen Einsichtsfähigkeit abgestellt wird, sondern vielmehr stets ein Tätigwerden und Mitwirken der gesetzlichen Vertreter erforderlich ist (Schamberg, JURA 2021, 758, 761).

2. Leasing

Fragen zur Haltereigenschaft ergeben sich aber auch bei den immer beliebter werdenden Leasingverträgen. In diesen verpflichtet sich der Leasinggeber gegenüber dem Leasingnehmer zur Beschaffung und Übergabe eines bestimmten Gegenstandes. Im Gegenzug zahlt der Leasingnehmer die Leasingrate, wodurch sich die Kosten und Ausgaben für den Leasinggeber amortisieren. Das Eigentum verbleibt beim Leasinggeber.

Der BGH hatte die Haltereigenschaft des Leasingnehmers unter bestimmten Voraussetzungen bereits bejaht (BGH, Urt. v. 22.03.1983 – VI ZR 108/81). Begründet wurde dies mit dem Telos des § 7 Abs. 1 StVG und dem Wesen des Leasingvertrags. Haftungsgrund der Norm ist u.a. die von dem Einsatz des Kfz im Verkehr ausgehende Gefahr. Wird nun dem Leasingnehmer die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über das Fahrzeug überlassen, sodass er dieses nach Belieben zeitlich und örtlich einsetzen kann, ist er in tatsächlicher Hinsicht verantwortlich für die vom Kfz ausgehenden Gefahren, was seine Haltereigenschaft rechtfertigt. Hinzu kommt, dass der Leasingnehmer die Betriebskosten bestreitet und damit das Kfz „für eigene Rechnung“ hält (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Strassenverkehrs, 5. Aufl. 2013, § 3 Rn. 261).

3. Mietvertrag

Anders gestaltet sich die Situation bei Mietverträgen. Hier hängt die Beurteilung vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Zieht der Vermieter wirtschaftliche Vorteile und überlasst das Fahrzeug nur für wenige Stunden, einen Tag oder eine bestimmte Fahrt, so hat zwar bei tatsächlicher Betrachtung der Mieter die tatsächliche Sachherrschaft inne, jedoch wird das Fahrzeug immer noch auf Rechnung des Vermieters verwendet (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 283). Zumal ein Kfz auch dann „gebraucht“ wird, wenn man es nicht selber fährt, sondern etwa gegen einen Mietzins einer anderen Person überlässt (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Strassenverkehrs, 5. Aufl. 2013, § 3 Rn. 259).

4. Sicherungsübereignung

Durch die Sicherungsübereignung wird der Sicherungsnehmer Eigentümer des Kfz. Gleichwohl fährt der Sicherungsgeber weiterhin in eigener Verfügungsgewalt und trägt die Betriebskosten. Grundsätzlich bleibt der Sicherungsgeber also Halter. Die Haltereigenschaft des Sicherungsnehmers ergibt sich nur dann, wenn er das Kfz zu eigenen Zwecken nutzt und für die Betriebskosten einsteht (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 282).

III. Betriebsspezifische Gefahr

Der Schaden muss bei Betrieb des Kfz entstanden sein. Die Realisierung dieser typischen Betriebsgefahr entspricht insoweit dem Schutzzweck der Norm. Während nach der früheren maschinentechnischen Auffassung erforderlich war, dass der Motor läuft und sich das Kfz bewegt, genügt es nach der heute herrschenden verkehrstechnischen Auffassung, wenn sich das Kfz im öffentlichen Verkehrsraum bewegt oder in verkehrsbeeinflussender Weise darin ruht (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 51). Die Subsumtion kann an dieser Stelle durchaus schwerfallen. Im Laufe der Zeit haben sich im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmales unterschiedliche Fallgruppen herauskristallisiert, die aber stets den Umständen des Einzelfalls hinreichend Rechnung tragen müssen. Einige sollen hier zur Veranschaulichung und besserem Verständnis dargestellt werden.

1. Fahrzeuge mit Arbeitsfunktion

Erfüllt ein Kfz neben der Fortbewegung noch weitere Funktionen, so kann sich die Realisierung der betriebsspezifischen Gefahr als problematisch erweisen.

a) Aktuelle Beispiele aus der Rechtsprechung

Beispiel 1 (BGH, Urt. v. 18.07.2023 – VI ZR 16/23)

Unternehmer B ist Halter eines Traubenvollernters und wurde als solcher von K zur Weinlese beauftragt. Allerdings wies der Traubenvollernter ein Leck in der Dieselleitung auf, wodurch die gesamte Ernte verunreinigt wurde.

Beispiel 2 (OLG Celle, Urt. v. 15.11.2023 – 14 U 56/23)

A hatte bei B Heizöl bestellt. Indes zeigten die Füllstandsanzeigen an den Tanks von A nicht den tatsächlichen Füllstand auf, sodass infolge der Befüllung Öl austrat und Gebäude sowie Grundstück von A beschädigte.

Beispiel 3 (BGH, Urt. v. 08.12.2015 – VI ZR 139/15)

A hatte bei B Heizöl bestellt und wollte sich dieses anliefern lassen. Am Liefertermin stellte B den Tanklastwagen vor dem Haus von A auf der öffentlichen Straße ab und verband die Öltanks des Fahrzeugs mithilfe eines Schlauchs mit Öleinfüllstutzen am Haus des A. Jedoch konnte es zu keiner Beladung des Öltanks kommen, da ein Verbindungsschlauch undicht war. Dies hatte wiederum zur Folge, dass das Öl nach allen Seiten herausspritze und letztendlich auch Hausfassade und Küche von A sowie die öffentliche Straße verschmutzte.

In allen drei Fällen hatten die Gerichte stets auf Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 StVG verwiesen. So ist die Gefährdungshaftung der „Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Fahrzeuges erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen“ (BGH, Urt. v. 18.07.2023 – VI ZR 16/23, Rn. 10).

Hinsichtlich Beispiel 1 könnte auf den ersten Blick die Realisierung der Betriebsgefahr bejaht werden, schließlich fuhr der Traubenvollernter durch die Weinberge und verunreinigte die Trauben noch während genau dieser Fahrt. Darauf hatte sich auch das Berufungsgericht (OLG Koblenz, Urt. v. 12.12.2022 – 12 U 636/22) bezogen und betont, dass nicht nur die Maschinen zur Ernteleistung, sondern der Wagen als solcher in Bewegung war. Dem wurde aber entgegengehalten, dass das Fahren durch die Weinberge gerade der bestimmungsgemäßen Arbeitsfunktion der Maschine diente und sich folglich allein diesem Zweck unterordnete. Die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Traubenvollernters hatte damit keine eigenständige Rolle inne. Hinzu kommt auch noch, dass sich der Traubenvollernter während des schädigenden Ereignisses auf einer privaten Verkehrsfläche, fernab des öffentlichen Straßenverkehrs befand und sich folglich nicht die Gefahren realisiert haben, die von dem Traubenvollernter in seiner Eigenschaft als Verkehrsmittel hervorgehen.

Letzteres trifft vorliegend auch auf Beispiel 2 zu, das dem OLG Celle zuletzt zur Entscheidung vorlag. Gefahren für den Verkehr, für die § 7 Abs. 1 StVG schadlos halten will, verwirklichen sich auch dann nicht, wenn ein völlig anderer Gefahrenbereich betroffen ist. So resultierten die Schäden in Beispiel 2 aus den falschen Füllanzeigen des Tanks, nicht aber aus dem Tanklastwagen selber oder seinem Entladevorgang.

Anders sieht die Situation in Fallbeispiel 3 aus. Der BGH führte dabei aus, dass nicht der Einsatz des Motors für den Betrieb der Ölpumpe ausschlaggebend war, sondern vielmehr die Tatsache, dass der Tankwagen seinen Entladevorgang im öffentlichen Verkehrsraum verrichtete. Mithin war durch den auf der öffentlichen Straße stehenden Tankwagen auch der öffentliche Verkehr gefährdet und damit der Schutzzweck von § 7 Abs. 1 StVG tangiert (BGH, Urt. v. 08.12.2015 – VI ZR 139/15, Rn. 15).

b) Zwischenfazit

Die vorliegenden Beispiele zeigen, dass eine Beurteilung nach starren Kriterien wie z.B. Stehen oder Fahren ins Leere gehen. Vielmehr muss untersucht werden, ob sich Gefahren des Fahrzeugs als Verkehrsmittel oder reine Arbeitsmaschine verwirklichen (Beispiel 1), das Kfz nur rein zufällig in einen anderen Gefahrenkreis involviert ist (Beispiel 2) oder diejenigen Schutzgüter betroffen sind, nach denen die Haftungsvorschrift einen Ausgleichsanspruch gewähren soll (Beispiel 3) (Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 22 Rn. 14).

2. Stehendes Kfz

Beispiel 4 (BGH, Urt. v. 12.12.2023 – VI ZR 76/23)

K stellte sein Fahrzeug innerorts an einer Straße mit leichtem Gefälle ab. Oberhalb dessen war das Fahrzeug des B geparkt, von dem nachts brennendes Benzin auslief und die Straße herunterfloss. Infolgedessen gerieten beide Fahrzeuge in einen Brand, wodurch das Fahrzeug von K zerstört wurde.

Das OLG hatte vor dem Hintergrund der weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals einen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG bejaht. So reiche es aus, dass der Unfall in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zu einem Betriebsvorgang, hier dem Einparken, stehe. Allerdings wurde im Rahmen dessen die Beweislast von K durch das OLG verkannt. Durch das Auslaufen des Benzins bestand nur ein räumlicher Zusammenhang, die Ursache des Brandes selber blieb aber ungeklärt. Umstände, aus denen sich schließen lässt, dass der Brand auf einen Betriebsvorgang des Autos zurückzuführen ist, ergeben sich nicht.

3. Fahrzeugteile

Beispiel 5 (BGH, Urt. v. 24.01.2023 – VI ZR 1234/20)

B brachte seinen Elektroroller zur Inspektion in die Werkstatt von W. Der dort angestellte M entnahm die Batterie aus dem Elektroroller, um diese aufzuladen. Als M bemerkte, dass sich die Batterie stark erhitzte, trennte er sie vom Stromnetz und wollte sie abkühlen lassen. Gleichwohl explodierte die Batterie und setzte das Gebäude von W in Brand.

Auch einzelne Fahrzeugteile können beim Betrieb des Kfz einen Schaden verursachen, wenn sie mit einem Verkehrsvorgang zusammenhängen. So etwa das Abfallen des Auspuffs während der Fahrt (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Strassenverkehrs, 5. Aufl. 2013, § 3 Rn. 134). In Beispiel 4 führte der BGH aus, dass die Explosion nicht mehr in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des Rollers stand. Gerade weil die Batterie bereits aus dem Roller ausgebaut war, fehle es am örtlichen und zeitlichen Zusammenhang der Explosion mit einem Betriebsvorgang (BGH, Urt. v. 24.01.2023 – VI ZR 1234/20, Rn. 10).

III. Haftungsausschluss

Ausschlusstatbestände für die Halterhaftung ergeben sich aus §§ 7 Abs. 2 und 3, 8 StVG.

1. Höhere Gewalt

Zunächst ist die Halterhaftung gem. § 7 Abs. 2 StVG bei höherer Gewalt ausgeschlossen. Dabei ist höhere Gewalt zu definieren als ein „außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch nach den Umständen durch äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf reine Häufigkeit in Kauf genommen werden muss“ (BGH, Urt. v. 17.10.1985 – III ZR 99/84, Rn. 17).

§ 7 Abs. 2 StVG ist folglich nur bei Vorgängen einschlägig, die außerhalb des Kfz und dessen Betrieb beruhen. Dazu gehören neben Naturereignissen auch technische Versagen wie etwa Explosionen (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 356). Lag ein unabwendbares Ereignis vor, muss zusätzlich auch noch das Einhalten der gebotenen Sorgfalt dargelegt werden (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 358).

2. Unbefugte Benutzung

Daneben kann ein Haftungsausschluss auch im Falle der sog. Schwarzfahrt eintreten. Hierzu trifft § 7 Abs. 3 StVG differenzierte Regelungen.

Wird das Kfz von einem völlig unbekannten Dritten in Gebrauch genommen, so wird nur dieser Anspruchsgegner. Eine Haftung des Halters scheidet in diesem Fall gem. § 7 Abs. 3 S. 1 Halbs. 1 StVG aus.

Hat der Halter hingegen die Benutzung des Kfz durch den Dritten schuldhaft ermöglicht, so können Halter und Dritter als Gesamtschuldner haften, § 7 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 StVG. Für das Verschulden genügt bloße Fahrlässigkeit. Gem. § 14 Abs. 2 S. 2 StVO sind Fahrzeuge gegen unbefugte Benutzung zu sichern.

Schließlich ist noch der Fall des Exzesses des befugten Benutzers in § 7 Abs. 3 S. 2 StVG normiert. Ist der Benutzer vom Halter für den Betrieb des Kfz angestellt oder ist ihm dieser überlassen worden, so haftet der Halter weiterhin aus § 7 Abs. 1 StVG. Erfasst ist vor allen Dingen die Konstellation, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer oder Angestellten die Befugnis einräumt, das Kfz zu verwenden (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 322).

3. Ausnahmen

Ausdrücklich normierte Haftungsausschlüsse finden sich ebenfalls in § 8 StVG wieder. Nach § 8 Nr. 2 StVG ist ein Ersatzanspruch ausgeschlossen, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kfz tätig war.

Beispiel 6 (BGH, Urt. v. 12.01.2021 – VI ZR 662/20)

A ist Halter eines Fahrzeugs, das für ihn behindertengerecht umgebaut wurde. Als A nach einem Arztbesuch zu seinem geparkten Kfz gelangen möchte, muss er feststellen, dass dieses von einem anderen zugeparkt wurde, sodass A mit seinem Rollstuhl nicht mehr an die Fahrertür gelangen kann.

B möchte A helfen und bietet ihm an, sein Fahrzeug aus der Parklücke zu fahren. A willigt ein, macht B aber deutlich, dass es sich um ein umgebautes Fahrzeug handelt, dessen Gas und Bremse mit der Hand bedient werden. B schenkt den Worten des A nicht hinreichend Beachtung und verliert kurze Zeit später die Kontrolle über das Fahrzeug. Infolgedessen wird das dahinterstehende Kfz des B beschädigt.

In teleologischer Hinsicht will die Ausnahmevorschrift dem Umstand Rechnung tragen, dass derjenige, der sich bewusst den Gefahren eines Kfz aussetzt, nicht den besonderen Schutz der Gefährdungshaftung verdient (Schulz-Merkel/Meier, JuS 2015, 201, 203). Dazu gehören u.a. Personen, die sich beim Be- und Entladen, Tanken oder einer Reparatur beteiligen (Wandt/Schwart, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 22 Rn. 26). Im vorliegenden Fall war fraglich, ob § 8 Nr. 2 StVG auch dann eingreift, wenn der Kraftfahrzeugführer mit einem fremden Kfz sein eigenes Fahrzeug beschädigt.

Zum Teil wird dies mit der Begründung abgelehnt, dass das beschädigte Fahrzeug nicht freiwillig, sondern nur zufällig dem Gefahrenbereich des geführten Fahrzeugs ausgesetzt sei. Im Gegensatz zu Personenschäden könne bei einem solchen Sachschaden von einem freiwilligen Aussetzen in den Gefahrenbereich nicht die Rede sein (Hentschel/König/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 8 Rn. 4).

Dem hielt der BGH aber entgegen, dass § 8 Nr. 2 StVG sowohl seinem Wortlaut als auch seiner teleologischen Zweckrichtung nach auf Personen- sowie Sachschäden anwendbar sei, wobei im konkreten Fall stets Einzelfallumstände zu würdigen seien. In Fallbeispiel 5 hat sich B bewusst für das Ausparken entschieden, womit er auch wusste, dass er sein danebenstehendes Fahrzeug diesem Gefahrenbereich aussetzte.

4. Unabwendbares Ereignis

Blättert man weiter im StVG, so findet sich § 17 Abs. 3. Im Vergleich zu § 7 Abs. 2 StVG handelt es sich um eine einfacherer zu erreichende Enthaftung, welche aber nur im Verhältnis zu den Ansprüchen von anderen Kfz-Haltern, -Führern und -Eigentümern gilt und damit im haftungsausfüllenden Tatbestand zu thematisieren ist (Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 22 Rn. 19).

Demnach scheidet die Ersatzpflicht bei einem unabwendbaren Ereignis aus. Nach § 17 Abs. 3 S. 1 und 2 StVG gilt ein Ereignis als unabwendbar, wenn es nicht auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kfz oder einem Versagen seiner Einrichtungen beruht und der Halter sowie der Führer des Kfz jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet haben. Sinn und Zweck dieser Norm ist es, den Idealfahrer trotz der typischen Betriebsgefahr von der Haftung freizustellen (Schulz-Merkel/Meier, JuS 2015, 201, 205). Im Gegensatz zu § 276 Abs. 1 und 2 BGB muss ein Handeln an den Tag gelegt werden, dass der Umsichtigkeit und Aufmerksamkeit eines Idealfahrers entspricht, sich aber noch im Rahmen des Menschenmöglichen bewegt (Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 22 Rn. 20). So ist etwa dem Fahrer eines Kfz bei einer plötzlichen Gefahrenlage ein „Schreckzeit“ zu gewähren (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 377).

5. Konkludenter Haftungsausschluss

Schließlich kann sich eine Enthaftung auch aus einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung ergeben. Dabei besteht aber gem. § 8a S. 1 StVG bei entgeltlichen, geschäftsmäßigen Personenbeförderungen ein Verbot des Haftungsausschlusses. Umgekehrt kann bei unentgeltlicher Beförderung gem. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB eine strengere oder mildere Haftung vereinbart werden. Insbesondere bei Gefälligkeitsfahrten kann sich eine konkludierte Haftungsbeschränkung ergeben (Schulz-Merkel/Meier, JuS 2015, 201, 204).

IV. Fazit

Es zeigt sich also, dass die Halterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG in vielerlei Hinsicht für eine Klausur geeignet ist. Sowohl das Können in der teleologischen Argumentation als auch systematisches Gesetzesverständnis lassen sich daran gut abprüfen. Mit einem strukturierten Aufbau, gerade im Prüfungspunkt „Betriebsspezifische Gefahr“, lassen sich die Fälle jedoch gut meistern und wer dazu  die aktuelle Rechtsprechung, gerade vor der mündlichen Prüfung, im Blick behält, sollte gut für die Prüfung gerüstet sein.

23.04.2024/1 Kommentar/von Monika Krizic
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Monika Krizic https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Monika Krizic2024-04-23 08:00:002024-11-27 18:21:45Die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG
Christian Muders

OLG Düsseldorf: Schockschaden und Mitverschulden bei Verkehrsunfall

Deliktsrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Anm. zu OLG Düsseldorf, Urteile vom 15.11.2011 – I-1 U 255/10 und 1 U 255/10
1. Worum gehts?
Am 13.12.2006 musste die A miterleben, wie ihre 19-jährige Tochter T, als sie bei Rot einen Fußgängerüberweg überquerte, von einem Auto, gesteuert vom Beklagten B, angefahren wurde. B ist Eigentümer des Wagens und hielt zum Zeitpunkt des Unfalls die zulässige Höchstgeschwindigkeit ein; die T tauchte vor ihm unvermittelt auf der Fahrbahn auf, als sie hinter einem am Fußgängerüberweg parkenden Lkw hervorschoss. Die T verstarb noch an der Unfallstelle. A erlitt aufgrund des Todes ihrer Tochter einen Nervenzusammenbruch und bekam Depressionen. Sie nahm den B daher auf ein Schmerzensgeld in Anspruch. Das LG Düsseldorf verneinte eine Haftung des Autofahrers. Hiergegen hat die A beim OLG Düsseldorf Berufung eingelegt (Sachverhalt leicht verändert).
2. Was sagt das Gericht?
Das OLG Düsseldorf teilte die Haftungseinschätzung des Landgerichts und wies die Berufung zurück.
a) Auswahl der Anspruchsgrundlage:
Bei Schäden, die aus Verkehrsunfällen mit Pkw resultieren, kommen neben dem Deliktsrecht des BGB insbesondere die Anspruchsgrundlagen des StVG, namentlich § 7 StVG (Haftung des Halters eines Pkw) und § 18 StVG (Haftung des Fahrers eines Pkw), in Betracht, um das Schadensersatzbegehren des Anspruchstellers zu begründen. Erstere Norm formuliert einen Tatbestand der sog. „engen“ Gefährdungshaftung, letztere eine Haftung für vermutetes Verschulden. Da beide Vorschriften gegenüber den Anspruchsgrundlagen aus dem BGB, insbesondere § 823 Abs. 1 und 2 BGB, die beide den vollen Schuldbeweis des Schädigers einfordern, geringere Haftungshürden aufstellen, sind sie in der Klausur regelmäßig zuvorderst zu prüfen. Bei Anspruchsgrundlagen, die auf Schadensersatz gerichtet sind, wird dabei generell unter dem Prüfungsschritt 1 (Anspruch entstanden) zwischen dem haftungsbegründenden Tatbestand (den Anforderungen an die Haftung „dem Grunde nach“) und dem haftungsausfüllenden Tatbestand (den Anforderungen an den Umfang der Haftung) differenziert.
b) Haftungsbegründender Tatbestand:
Das OLG Düsseldorf hat zunächst den haftungsbegründenden Tatbestand des § 7 Abs. 1 StVG, also den Tatbestand der Gefährdungshaftung, bejaht.
aa) B war Halter des von ihm gefahrenen Fahrzeugs (ansonsten nur Fahrerhaftung nach § 18 StVG) und damit tauglicher Passivlegitimierter. Weiterhin muss er eine der in § 7 Abs. 1 StVG aufgeführten Rechtsgutsverletzungen verursacht haben, also kausal für den Tod eines Menschen, die Verletzung des Körpers bzw. der Gesundheit eines Menschen oder die Beschädigung einer Sache geworden sein. Die klagende A hat durch den Unfall einen sog. Schockschaden erlitten, da sie aufgrund des Erlebens des Todes ihrer Tochter T von einem Nervenzusammenbruch und depressiven Störungen gepeinigt wurde. Beides stellen gesundheitliche Schädigungen i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG dar:

Grundsätzlich kann ein Schockschaden, der durch das Miterleben oder auch durch die Nachricht vom Tode eines Angehörigen ausgelöst wird, einen Schadenersatzanspruch gegen den Unfallverursacher begründen, wenn dieser hierdurch eine Gesundheitsbeschädigung von beträchtlichem Umfang erleidet. Diese Gesundheitsbeschädigung kann dann ausgleichspflichtig sein, wenn sie über die Auswirkungen hinausgeht, die nahe Angehörige in dieser Situation des Verlustes erfahrungsgemäß erleiden müssen (vgl. grundlegend BGHZ 56, 163; zuletzt aufgegriffen in BGH VersR 2007, 803).

bb) Hinsichtlich der Feststellung der Ursächlichkeit des B für diese Beeinträchtigung wird im Zivilrecht zwischen verschiedenen Zurechnungs-„Filtern“ differenziert, die auch bei den „klassischen“ Deliktstatbeständen (also den §§ 823 ff. BGB) ihre Bedeutung haben:

  • Grundlage der Kausalitätsfeststellung ist dabei zunächst – wie im Strafrecht – das Erfordernis eines „conditio-sine-qua-non“-Zusammenhangs i.S. der Bedingungstheorie; demgemäß ist zu fragen, ob ohne den Beitrag des Schädigers die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung entfallen wäre. Ein solcher Bedingungszusammenhang liegt hier vor, da ohne den Unfall, an dem der B mindestens mitbeteiligt war, die T nicht gestorben und damit die A keine psychischen Beeinträchtigungen erlitten hätte.
  • Weiterhin bedarf es als zweiten „Filter“ einer Adäquanz zwischen der Unfallbeteiligung des B und der daraus resultierenden Folge, d.h. der Eintritt der Rechtsgutsverletzung bei A darf nicht außerhalb des nach allgemeiner Lebenserfahrung Erwartbaren liegen. Auch dies ist bei psychischen Beeinträchtigungen aufgrund des Todes einer anderen Person, was regelmäßig ein einschneidendes Ereignis darstellt, zu bejahen, insbesondere wenn dieses Ereignis (wie vorliegend) unmittelbar miterlebt wird.
  • Schließlich kann als dritter normativ aufgeladener Ursachenfilter noch die Lehre vom Schutzzweckzusammenhang angeführt werden. Entscheidend ist danach, ob die für das Schadensersatzbegehren herangezogene Anspruchsgrundlage gerade vor solchen Auswirkungen, wie sie durch die tatbestandliche Rechtsgutsverletzung beim Anspruchssteller eingetreten sind, schützen will. Dabei werden vom Schutzzweck der Norm erfasste Verletzungen von solchen Beeinträchtigungen abgegrenzt, die dem „allgemeinen Lebensrisiko“ zuzurechnen sind und damit keine Ausgleichspflicht des Schädigers begründen. Für Fälle mit sog. Schockschäden wird dabei von einer bloßen Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos insbesondere dann ausgegangen, wenn der durch den Unfall unmittelbar Getötete oder Verletzte in keiner näheren (verwandtschaftlichen) Beziehung zu der hierdurch psychisch beeinträchtigten Person stand (vgl. dazu auch unseren Artikel hier). Ist dies hingegen der Fall, wird der mittelbar Beeinträchtigte in den Kreis der durch die Norm geschützten Personen aufgenommen. Vorliegend ist diese Bedingung erfüllt: Die mittelbar durch den Unfall betroffene A war als Mutter der T eine enge Verwandte der Verstorbenen, außerdem hat sie den Tod ihrer Tochter unmittelbar miterlebt.
  • Zuletzt muss sich speziell bei den Tatbeständen der sog. „engen“ Gefährdungshaftung, zu denen § 7 StVG zu zählen ist (anders etwa § 1 ProdHaftG), gerade die erhöhte Gefährlichkeit der tatbestandsspezifischen Verhaltensweise, die Grund für die Statuierung der Gefährdungshaftung ist (hier: Betrieb eines Kfz), in der Rechtsgutsverletzung ausgewirkt haben. Dies ist bei der Halterhaftung des § 7 Abs. 1 StVG dann, wenn das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls bestimmungsgemäß als Fortbewegungsmittel genutzt wird, der Fall.

cc) Schließlich ist vorliegend auch der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 2 StVG nicht gegeben. Danach ist eine Ersatzpflicht „dem Grunde nach“ dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird. Die Rechtsprechung definiert „höhere Gewalt“ als ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist. Da sich der für die psychische Beeinträchtigung der A verantwortliche Unfall vorliegend im Verkehr mit einem anderen Verkehrsteilnehmer ereignete, kann von einem „betriebsfremden Ereignis“ nicht gesprochen werden.
b) Haftungsausfüllender Tatbestand:
Im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestands hat das Gericht allerdings eine Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens zu Lasten der A vorgenommen und diese auf 100% taxiert.
aa) Hierbei ist zunächst zu beachten, dass die hinsichtlich eines Mitverschuldens bei Unfällen mit Kfz grundsätzlich als lex specialis zu beachtende Vorschrift des § 17 Abs. 2, 3 StVG vorliegend nicht eingreift, da diese ein Zusammentreffen mehrerer Kfz beim Unfall voraussetzt. Am vorliegenden Zusammenstoß waren aber nur der Wagen des B und die T als Fußgängerin beteiligt.
bb) Demgemäß ist in unserem Fall – ebenso wie bei Unfällen mit sonstigen nicht motorisierten Verkehrseilnehmern, etwa Radfahrern – allein die Regelung des § 9 StVG einschlägig, die für die Frage des Mitverschuldens im Wesentlichen auf die vertraute Norm des § 254 BGB verweist. Wendet man letztgenannte Norm allerdings unbefangen an, ist eine Anspruchskürzung zu Lasten der A zunächst nicht ersichtlich: Denn diese selbst trägt keine Verantwortung für den Unfall, da sie lediglich auf der anderen Straßenseite gewartet hat. Allein ihre Tochter hat den Unfall dadurch (maßgeblich) mitverschuldet, dass sie bei Rot über den Fußgängerüberweg gelaufen ist, ohne auf den herannahenden Verkehr zu achten. Dieses Mitverschulden der T bei der „Verursachung des Schadens“ i.S.d. § 254 Abs. 1 BGB ist der A aber grundsätzlich nicht zuzurechnen, namentlich nicht über die Norm des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB. Diese Vorschrift verweist bekanntlich für die Zurechnung eines Mitverschuldens Dritter auf die Regelung zur Haftung des Schuldners für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). Geht man aber mit der h.M. und unter Anwendung des Gleichstellungsgedankens davon aus, dass auch für die Anwendung des § 278 BGB auf Gläubigerseite ein bereits bestehendes Schuldverhältnis mit dem Schuldner zum Zeitpunkt der Obliegenheitsverletzung durch den Dritten zu fordern ist (§ 254 Abs. 2 S. 2 BGB als Rechtsgrundverweisung), kann ein solches z.Zt. des maßgeblichen Sorgfaltsverstoßes der T, nämlich der Mitverursachung des Verkehrsunfalls, nicht bejaht werden.
cc) Dennoch kommt das OLG Düsseldorf für den vorliegenden Fall eines mittelbaren Schockschadens zu einer Zurechnung des Mitverschuldens der unmittelbar betroffenen Näheperson, also der getöteten T:

Da somit die rechtlich anerkannte psychisch vermittelte Schädigung nur auf einer besonderen persönlichen Bindung an den unmittelbar Verletzten beruht, muss sich der Angehörige das fremde Mitverschulden des unmittelbar Verletzten analog §§ 254, 242 BGB aus Billigkeitserwägungen anrechnen lassen (vgl. BGH a.a.O.). Dieses ist hinsichtlich geltend gemachter Schmerzensgeldansprüche auch deswegen zu bejahen, weil das Schmerzensgeld eine nach den Gesamtumständen billige Entschädigung sein soll. Wird aber die Gesundheitsbeschädigung und auch die Möglichkeit eines Ersatzanspruchs durch das Näheverhältnis zu dem unmittelbar Geschädigten hervorgerufen, kann dessen Mitverschulden, das bei eigenen Ansprüchen gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen ist, nicht außer Acht gelassen werden. Anderenfalls käme man zu unannehmbaren Ergebnissen.

Die vorgenannte Wertung des OLG kann dabei mit unterschiedlichen Begründungsansätzen unterfüttert werden. Neben dem vom Gericht selbst vorgenommenen, allerdings etwas farblosen Verweis auf die Vorschrift des § 242 BGB kommen auch konkretere normative Anknüpfungspunkte in Betracht. So ist an die Regelung des § 846 BGB zu denken, wonach bei gem. gesetzlicher Regelungen zu ersetzenden, mittelbaren Vermögensschäden Dritter – namentlich Beerdigungskosten der Erben, verlorenen Unterhaltsansprüchen des Ehepartners oder entgangenen Diensten, die der unmittelbar Verletzte einem Dritten zu leisten hatte (vgl. §§ 844, 845 BGB) – eine Mitverschulden desselben bei der Bemessung des Ersatzes für den Dritten ebenfalls zu berücksichtigen ist. Vorliegend geht es zwar nicht um einen kraft Gesetzes zu ersetzenden, lediglich mittelbar verursachten Vermögensschaden, da die A hier eine direkt über die deliktische Norm selbst zu regulierende Rechtsgutsverletzung geltend macht; allerdings kann der Vorschrift des § 846 BGB der Grundgedanke entnommen werden, dass bei Abhängigkeit eines geltend gemachten Schadens von einer weiteren, unmittelbaren Verletzung, die eine andere Person trifft – hier der getöteten T, deren besondere Nähebeziehung zu A erst die Zurechenbarkeit des Schockschadens an B begründet –, deren Mitverschulden ebenso wie eine eigene Obliegenheitsverletzung des Anspruchstellers bei der Bemessung der Forderungshöhe zu berücksichtigen ist.
dd) In Konsequenz des danach anzurechnenden Mitverschuldens der T hat das OLG Düsseldorf schließlich eine Kürzung der Schadensersatzforderung der A auf 100% vorgenommen. Das OLG begründet dies damit, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des B gegenüber dem gravierenden Fehlverhalten der Tochter nicht sonderlich ins Gewicht falle:

Auf Seiten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass ihre Tochter schuldhaft den Verkehrsunfall verursacht hat. Diese hat ihre Sorgfaltspflichten als Fußgängerin aus § 25 Abs. 3 S. 1 StVO missachtet. Sie ist bei Rotlicht auf die Fahrbahn gelaufen, ohne den Verkehr auf der (…) Straße und damit auch das Fahrzeug des Beklagten zu 1. zu beachten. Damit ist der Tochter der Klägerin nicht nur ein einfacher Sorgfaltsverstoß, sondern ein grob fahrlässiges Fehlverhalten vorzuwerfen. (…) Dass Fußgänger an einer durch Lichtzeichen geregelten Kreuzung die Fahrbahn nur bei Grünlicht überqueren dürfen, ist eine elementare Verhaltensregel. (…) Angesichts dieser Gesamtumstände ist es gerechtfertigt, die lediglich beim Beklagten zu 1. verbleibende Betriebsgefahr hinter dem schwerwiegenden Mitverschulden der Tochter der Klägerin vollständig zurücktreten zu lassen

Mit dieser Konstruktion im Rahmen des Mitverschuldens wird auf der Ebene des haftungsausfüllenden Tatbestandes allerdings ein Ergebnis erreicht, was auf der Ebene des haftungsbegründenden Tatbestandes, wo nur höhere Gewalt den Halter entlastet (§ 7 Abs. 2 StVG, s.o.), ausgeschlossen ist. Dies stellt sich allerdings nicht als Umgehung der vom Gesetzgeber statuierten Gefährdungshaftung dar, da für einen solchen Haftungsausschluss auf Rechtsfolgenseite immerhin ein besonders gravierendes Mitverschulden des anderen Unfallbeteiligten vonnöten ist. Für Unfälle mit mehreren Kfz normiert der Gesetzgeber sogar in § 17 Abs. 3 StVG ausdrücklich, dass bei einem „unabwendbaren Ereignis“, nämlich bei dem sich einer der Unfallbeteiligten wie ein „Idealfahrer“ verhalten hat, dessen Haftung vollständig ausgeschlossen ist, ohne dass es auf besonders gravierende Verstöße der übrigen Beteiligten ankommt. I.Ü. ist auch bei solchen Unfällen anerkannt, dass bei einem groben Sorgfaltsverstoß eines der beteiligten Pkw die Halter der anderen Wagen ggf. überhaupt nicht haften, also ihre allgemeine Betriebsgefahr ebenso unberücksichtigt bleibt.
3. Warum ist die Entscheidungen wichtig?
Das OLG bleibt, wie bereits seine Verweise auf ergangene Rspr. belegen, mit seiner Entscheidung auf vertrautem Terrain, so dass seine Urteile nichts spektakulär Neues bieten. Indes behandeln sie mit dem „Dauerbrenner“ Verkehrsunfall eine Konstellation, die im ersten wie auch zweiten Staatsexamen beständig abgeprüft wird. Der im Fall behandelte Zurechnungs-„Klassiker“, nämlich die Ersatzfähigkeit lediglich mittelbar verursachter Schockschäden, wird hierbei gepaart mit der wohl weniger bekannten Problematik einer Mitverschuldenszurechnung in dieser Konstellation. Insoweit sollte man sich in der Fallbearbeitung nicht darauf beschränken, lediglich knapp auf die „Billigkeit“ einer solchen Zurechnung, ggf. unter Hinzuziehung des § 242 BGB, zu verweisen. Vielmehr ist es empfehlenswert, zur Stütze dieses Ergebnisses auch Wertungen speziellerer gesetzlicher Regelungen, namentlich des § 846 BGB einfließen zu lassen, auch wenn dieser vorliegend nicht unmittelbar einschlägig ist. Im Originalfall des OLG Düsseldorf war übrigens – wie regelmäßig in der Praxis – auch die Kfz-Versicherung des Fahrzeughalters B verklagt. Die Anspruchsgrundlage für deren Haftung ergibt sich dann aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG (Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer), früher § 3 PflVG a.F.

09.08.2012/3 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-08-09 10:00:182012-08-09 10:00:18OLG Düsseldorf: Schockschaden und Mitverschulden bei Verkehrsunfall
Nicolas Hohn-Hein

BGH: Herausforderungsfälle – Polizeiliche Verfolgungsfahrt

BGH-Klassiker, Deliktsrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Zivilrecht, Zivilrecht

Eine kürzlich ergangene Entscheidung des BGH (Urteil vom 31.01.2012 – VI ZR 43/11) hat sich u.a. mit der Frage beschäftigt, ob der Halter eines Fahrzeugs, das von der Polizei verfolgt wird und durch Rammen durch ein Polizeifahrzeug zum Stehen gebracht wird, für den entstandenen Sachschaden an den Polizeifahrzeugen aufkommen muss. Rechtlich bewegt man sich hier im Bereich des Deliktsrechts bzw. der in diesem Zusammenhang diskutierten sog. Herausforderungsfälle.
Sachverhalt (vereinfacht)
A fährt in seinem Pkw, dessen Halter er ist, und wird von der Polizei angehalten. Da er aus verschiedenen Gründen keine Interesse an einer Kontrolle hat, gibt er unvermittelt Gas, um sich der Maßnahme zu entziehen. Dabei wird eine Beamtin leicht verletzt. Die Polizei nimmt sogleich die Verfolgung auf und es entwickelt sich eine regelrechte Verfolgungsjagd über die Autobahn mit Geschwindigkeiten zwischen 150 bis 200 km/h. Dabei versucht A durch schnelles Wechseln der Fahrstreifen und durch Befahren des Standstreifens seine Verfolger abzuhängen.
Da die Polizei keine andere Möglichkeit sieht, A zum Anhalten zu bewegen, beschließt sie, den Verkehr auf der Autobahn durch eigene Fahrzeuge einige Kilometer vor A zu verlangsamen und dann ein Straßensperre bestehend aus mehreren Polizeifahrzeugen einzurichten. Zusätzlich soll ein großer Lkw den Standstreifen befahren. A nähert sich der Straßensperre, bremst ab und entschließt sich, zwischen den beiden mittleren Polizeifahrzeugen hindurchzufahren. Im gleichen Moment rammt ihn ein Polizeiwagen von hinten und schiebt ihn zwischen den beiden Fahrzeugen hindurch, die leicht beschädigt werden. Dann kommt ein weiteres Polizeifahrzeug von der Seite und drückt A an die Leitplanke, sodass dieser letztendlich zum Stehen kommt.
Es ist ein erheblicher Sachschaden an insgesamt vier Polizeiwagen in Höhe von 17.271,84 Euro entstanden. Das Land L verlangt von A Schadensersatz. A beruft sich darauf, dass er nicht damit habe rechnen können, dass die Polizei „so hart durchgreift“ und ihre Fahrzeuge als „Rammböcke“ einsetzt. Den Ausgang der Verfolgungsjagd habe er jedenfalls nicht gewollt.
Kann das Land L von A Schadensersatz verlangen?
Die Rechtsprechung des BGH zu den Herausforderungsfällen im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB
Das Gericht umreißt zunächst lehrbuchhaft die Grundsätze für eine deliktische Haftung, wenn der Schädiger die Situation provoziert hat, die letztendlich in den Schaden mündet.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann jemand, der durch vorwerfbares Tun einen anderen zu selbstgefährdendem Verhalten herausfordert, diesem anderen dann, wenn dessen Willensentschluss auf einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation beruht, aus unerlaubter Handlung zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein, der infolge des durch die Herausforderung gesteigerten Risikos entstanden ist. Eine auf solcher Grundlage beruhende deliktische Haftung ist insbesondere in Fällen bejaht worden, in denen sich jemand pflichtwidrig der (vorläufigen) Festnahme oder der Feststellung seiner Personalien durch Polizeibeamte oder andere dazu befugte Personen durch die Flucht zu entziehen versucht und diesen Personen dadurch Anlass gegeben hat, ihn zu verfolgen, wobei sie dann infolge der durch die Verfolgung gesteigerten Gefahrenlage einen Schaden erlitten haben. […]
Voraussetzung für eine deliktische Haftung ist in solchen Fällen stets, dass der in Anspruch genommene Fliehende seinen Verfolger in vorwerfbarer Weise zu der selbstgefährdenden Reaktion herausgefordert hat. Dabei muss sich das Verschulden insbesondere auch auf die Verletzung eines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter erstrecken, d.h. der Fliehende muss sich bewusst gewesen sein oder zumindest fahrlässig nicht erkannt und bei der Einrichtung seines Verhaltens pflichtwidrig nicht berücksichtigt haben, dass sein Verfolger oder durch diesen ein unbeteiligter Dritter infolge der durch die Verfolgung gesteigerten Gefahr einen Schaden erleiden könnte.

Verwirklichung dergesteigerten Gefahrenlage durch rammende Polizeifahrzeuge
Nicht nur in einer Klausur drängt sich hinsichtlich des Verhaltens der Polizeibeamten die Frage auf, ob die rigorose Vorgehensweise der Polizeibeamten noch zugerechnet werden kann. Hier könnte man argumentieren, dass es allein in der Entscheidungsgewalt der Polizeibeamten lag, ihre Fahrzeuge zur Ergreifung des A zu beschädigen, und sie auch auf andere Weise den A hätten stoppen können. Der BGH sieht jedoch die Gefahrenlage, die der A unstreitig nach ständiger Rechtsprechung herbeigeführt hat – die Verfolgung durch Polizeibeamten ist ein klassischer Fall – auch dann als verwirklicht, wenn die Polizisten ihre Fahrzeuge auf die geschilderte Weise einsetzten. Ausgangspunkt hierfür ist eine Abwägungsentscheidung anhand der konkreten Situation.

Wesentlicher Gradmesser für eine Herausforderung zur Verfolgung mit der Überbürdung des gesteigerten Verletzungsrisikos auf den Fliehenden ist insbesondere die angemessene Mittel-Zweck-Relation, nach der die Risiken der Verfolgung und der Beendigung der Flucht nicht außer Verhältnis zu dem Ziel der Ergreifung des Fliehenden stehen dürfen, weil ansonsten die Schädigung nicht mehr in den Schutzbereich der Haftungsnorm fällt. Der Versicherungsnehmer […] hat sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts einer Verkehrskontrolle entzogen, dabei eine Polizeibeamtin verletzt und sich danach über viele Kilometer hinweg mit den ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen mit hoher Geschwindigkeit eine Verfolgungsjagd mit mehrfachem Fahrstreifenwechsel unter Mitbenutzung des Standstreifens geliefert. Da von diesem rücksichtslosen Verhalten eine erhebliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausging, stand die Entscheidung, die Flucht durch eine Kollision mit dem Fluchtfahrzeug auf die erfolgte Art zu beenden, nicht außer Verhältnis zu dem Ziel der Beendigung der Flucht und der Ergreifung des Fliehenden.
[…]Die subjektive Seite der Haftung, d.h. der Vorwurf, eine Rechtsgutsverletzung seines Verfolgers schuldhaft herbeigeführt zu haben, setzt voraus, dass der Fliehende damit rechnen musste, verfolgt zu werden, und dass er auch voraussehen konnte, seine Verfolger könnten dabei möglicherweise zu Schaden kommen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wusste der Versicherungsnehmer […], dass er verfolgt wird, und musste auch damit rechnen, dass für seine Verfolger und ihre Fahrzeuge bei seiner Fahrweise nicht nur ein gesteigertes Risiko bestand, während der Verfolgungsfahrt einen Schaden zu erleiden, sondern auch bei einer Beendigung der Flucht durch eine bewusst herbeigeführte Kollision mit dem Fluchtfahrzeug. Bei einer Verfolgungsjagd, wie sie im Streitfall stattgefunden hat, ist es nicht fernliegend, dass die Polizeibeamten erforderlichenfalls auch Schäden an den Polizeifahrzeugen in Kauf nehmen, um den Flüchtenden zu stoppen und Schlimmeres zu verhindern.

Schaden „bei dem Betrieb“ nach § 7 Abs. 1 StVG verwirklicht
Neben § 823 Abs. 1 BGB sollte der Bearbeiter stets auch an die verschuldensunabhängige Haftungsnorm des § 7 Abs. 1 StVG (Haftung des F-Halters) denken, die parallel zur Anwendung kommt. Fraglich war hier, ob der gesamt Vorgang noch unter dem Merkmal „bei dem Betrieb [eines Kfz]“ zu subsumieren ist. Immerhin ließe sich einwenden, die Verfolgungsjagd und alle weiteren Umstände seien dermaßen fernab von dem „üblichen“ Geschehen im Straßenverkehr, dass es sich nicht mehr um die Realisierung der einem Kfz innewohnenden Betriebsgefahr handelte. Der BGH ist anderer Ansicht und bejaht einen weiten Anwendungsbereich dieses Merkmal, denn

[…] die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will d-her alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraft-fahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen werten-den Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist.

So geschehen im vorligenden Fall. Überlegenswert ist dann auch, ob es sich bei der Entscheidung der Polizeibeamten, den A zu rammen, um ein „unabwendbares Ereignis“ im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG handelte.

Im Streitfall ist ein Polizeifahrzeug auf einer Bundesautobahn auf das Fluchtfahrzeug aufgefahren und hat es zwischen den davor fahrenden Polizei-fahrzeugen hindurchgeschoben, wonach ein anderes Polizeifahrzeug das Fluchtfahrzeug gegen die Leitplanke gedrängt und damit die Flucht beendet hat. Dass dies „bei dem Betrieb“ der beteiligten Kraftfahrzeuge im fließenden Verkehr auf einer Bundesautobahn erfolgte, begegnet nach den vorstehenden Grundsätzen ebenso wenig Bedenken wie bei einem „normalen“ Auffahrunfall. Die Tatsache, dass das Auffahren im Streitfall vorsätzlich erfolgte, um das Fluchtfahrzeug zu stoppen, hat lediglich Bedeutung für die Frage, ob der Unfall für einen der Unfallbeteiligten ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war.
[…]Die Frage der rechtlichen Unabwendbarkeit in Verfolgungsfällen ist unter dem Gesichtspunkt des Herausforderns vergleichbar zu beantworten wie die Frage einer Haftung nach § 823 BGB. Wer sich der polizeilichen Festnahme durch Flucht unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges entzieht, haftet für einen bei der Verfolgung eintretenden Sachschaden an den ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen, wenn dieser Schaden auf der gesteigerten Gefahrenlage beruht und die Risiken der Verfolgung nicht außer Verhältnis zu deren Zweck standen.

Fazit
Verfolgungsjagden, Straßensperren, rammende Polizeifahrzeuge in der höchstrichterlichen Rechtsprechung – das ist Stoff für Klausuren, vor allem, wenn es um aktuelle Probleme aus dem Deliktsrecht geht. Gerade Ersatzansprüche im Straßenverkehr sind ein Dauerbrenner und laufen regelmäßig in den Examensterminen. Es lohnt sich daher, die sog. Herausforderungsfälle noch einmal durchzugehen.

18.05.2012/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2012-05-18 14:28:212012-05-18 14:28:21BGH: Herausforderungsfälle – Polizeiliche Verfolgungsfahrt

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