Vor kurzem ereignete sich ein beinahe unvorstellbarer Sachverhalt in den Vorgärten des Hamburger Vororts Bramberg (siehe eine Aufnahme vor Ort hier oder auch hier).
Der Fall Thessa
Die fünfzehnjährige Schülerin Thessa (oder auch „Tessa“, das konnte ich leider nicht verifizieren, ich hoffe, mir sei verziehen) hatte bei Facebook ihre Geburtstagseinladung gepostet. Diese Einladung war, bedingt durch ein Versehen, als „öffentlich“ gekennzeichnet, d.h. die Einladung war für alle Facebooknutzer einsehbar. Mehr als 15.000 Partywütige aus ganz Deutschland hatten bei Facebook ihr kommen angekündigt. Als Thessa das Missgeschick bemerkte und sogar ihr Facebook-Profil löschte, hatte sich die „Party des Jahres“, wie die Schülerin sie nannte, bereits über Facebook hinaus verselbstständigt. In Blogs und auf verschiedensten Internetseiten und sozialen Netzwerken wurden die User dazu angehalten, Thessas Geburtstagsparty zu besuchen.
Es tauchten zum Zeitpunkt der angekündigten Feier tatsächlich über 1.000 Menschen auf, obwohl Thessas Party abgesagt wurde. Die Situation artete aus: Vermummte Partygäste pöbelten gegen die Polizei und stimmten Sprechchöre an. Blumenbeete wurden zertrampelt. Darüber hinaus flogen Bierflaschen durch die Luft und Feuerwerkskörper explodierten. Im Laufe des Abends wurden Mülltonnen und sogar eine Gartenlaube angezündet. Auch einige Autos wurden leicht beschädigt.
Rechtliche Implikationen
In rechtlicher Hinsicht stellt sich nun für die Nachbarn von Thessas Familie die Frage, von wem sie Ihre Schäden ersetzt verlangen können. Selbstredend bestehen deliktische Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m den Schutzgesetzen aus dem StGB gegen die unmittelbaren Störer. Da sich eine Vielzahl der Randalierer nicht mehr ausmachen lässt, stellt sich darüber hinaus die weitaus interessantere Frage, ob Ansprüche der Nachbarn auch gegen Thessa oder ihre Eltern bestehen.
I. Ansprüche gegen Thessa
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB könnte demnach einem der betroffenen Nachbarn direkt gegen die fühnzehnjährige Thessa zustehen. Hierfür müssten die Tatbestandsmerkmale des § 823 Abs. 1 BGB erfüllt sein.
1. Rechtsgutsverletzung: Eine Rechtsgutsverletzung besteht vorliegend in dem beschädigten Eigentum der Nachbarn. Zusätzlich können bestimmte Nachbarn unter erhöhtem beweisrechtlichen Aufwand Gesundheitsschäden geltend machen, sofern der Lärm zu einem außerordentlichen Schlafentzug geführt hat.
2. Handlung: Als schadensbegründende deliktische Handlung von Thessa wäre hier das Einstellen der Party auf Facebook zu diskutieren.
3. Haftungsbegründende Kausalität: Bei diesem Punkt bestehen bereits ernsthafte Bedenken. Das Einstellen der Party auf Facebook war selbsverständlich äquivalent kausal (d.h. conditio sine qua non) für den eingetretenen Schaden. Hätte Thessa die Party nicht online angekündigt, wäre es nicht zu dem Ansturm an Partygästen und damit zu den Verwüstungen gekommen.
Fraglich ist jedoch, ob ein solcher Ausgang bereits vorhersehbar – also adäquat kausal war (zur Eingrenzung durch die adäquate Kausalität siehe BGHZ 41, 125; offengelassen in BGH 57, 27 f.). Grundsätzlich gilt, dass das Dazwischentreten eines Dritten für sich gesehen noch nicht dazu ausreicht, um die adäquate Kausalität zu verneinen. In diesem Fall müsste man entsprechend der allgemeinen Verkehrsanschauung bewerten, ob ein solcher Verlauf gänzlich außergewöhnlich und nicht zu erwarten war. Dies wäre im vorliegenden Fall wohl zu verneinen, da bei einer öffentlichen, an tausende von Menschen gerichteten Einladung damit zu rechnen ist, dass davon auch einige erscheinen werden.
Schließlich kann das Erfordernis der haftungsbegründenden Kausalität auch noch nach der Lehre des Schutzzwecks der Norm zu verneinen sein. Hiernach sind nur diejenigen Rechtsgutsverletzungen zurechenbar, die vom Schutz des § 823 Abs. 1 BGB erfasst sind. Beispielsweise ist ein Nervenschock, der aufgrund einer Unfallmeldung über eine dem Geschädigten nicht nahestehende Person ergeht, dem Auslöser nicht zurechenbar. Ein solcher Schaden fällt vielmehr unter die Kategorie des allgemeinen Lebensrisikos. Im vorliegenden Fall würde eine solche Annahme aber wohl zu verneinen sein. Eine Massenparty mit über 1.000 Teilnehmern findet nicht ohne Auslöser statt und stellt damit kein allgemeines Lebensrisiko dar. Die haftungsbegründende Kausalität ist damit zu bejahen.
4. Rechtswidrigkeit: Durch die Tatbestandsmäßigkeit ist die Rechtswidrigkeit bereits indiziert.
5. Verschulden: Ein Verschulden von Thessa könnte hier in Form von Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 1 BGB) vorliegen. Dies wäre der Fall, wenn Thessa die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hätte. In diesem Kontext stellt sich somit die diskussionswürdige Frage, welche Verhaltensmaßstäbe beim Erstellen von Facebook-Einträgen zu erwarten sind.
Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass das Entstehen einer Massenparty, wie im Fall von Thessa zwar theoretisch möglich, aber dennoch eine Ausnahmeerscheinung darstellt. Deshalb kann vom Facebook-Nutzer nicht erwartet werden, mit gehöriger Sorgfalt bei Partyeinladungen zu prüfen, ob diese als öffentlich oder privat gekennzeichnet wurde. Insofern lag beim Erstellen von Thessas Einladung (ohne eine sorgfältige Prüfung dessen Inhalts ) noch kein fahrlässiges Verhalten vor.
Ein anderer Anknüpfungspunkt für eine deliktische Handlung stellt allerdings die fehlende Überwachung einer solchen Einladung dar. Sobald Thessa bemerken konnte, dass die Facebook-Einladung „öffentlich“ war und eine Vielzahl an Menschen ihr Kommen ankündigten, musste sie den Status ändern. Eine solche Pflicht ergibt sich als Verkehrssicherungspflicht, die hier durch die Schaffung einer potentiellen Schadensquelle vorliegt. Da Thessa (soweit ich den Sachverhalt richtig erfassen konnte) aber sofort reagiert hat und innerhalb kürzester Zeit ihre Anmeldung zurück zog, dürfte sie dieser Verkehrssicherungspflicht nachgekommen sein.
Aus diesem Grund fehlt es an der Fahrlässigkeit von Thessas Verhalten, so dass ein Verschulden i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB nicht vorliegt.
6. Ergebnis: Thessa haftet den Nachbarn nicht aus § 823 Abs. 1 BGB.
(7. Haftungsausschluss:) Sofern man allerdings eine Haftung von Thessa bejaht hätte, wäre ein Ausschluss der Haftung nach § 828 Abs. 3 BGB noch zu diskutieren. Hiernach ist die Haftung von über siebenjährigen Minderjährigen ausgeschlossen, wenn die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht beim Minderjährigen fehlt. In diesem Fall würde man wohl argumentieren, dass ein Minderjähriger durchaus nachvollziehen kann, dass eine Einladung an eine extrem hohe Zahl an Teilnehmern eine Party von erheblichem Ausmaß und damit auch ein erhebliches Störerpotential entfalten kann. Die Einsichtsfähigkeit wäre dann im speziellen Einzelfall von Thessa zu evaluieren, wobei man diese wohl gut vertretbar bejahen könnte.
II. Haftung der Eltern von Thessa
Eine Haftung von Thessas Eltern kommt lediglich nach § 832 BGB in Betracht. Es handelt sich hierbei um eine Haftung für vermutetes eigenes Verschulden der Eltern. Die Eltern wären allerdings sehr wahrscheinlich in der Lage, die Haftung nach § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auszuschließen, wenn sie ihrer Aufsichtspflicht genüge getan haben.
Von Eltern wird nicht erwartet, dass sie ihre Kinder rund um die Uhr überwachen. Auch in Bezug auf Internettätigkeiten der Kinder wird es als ausreichend angesehen, wenn die Eltern die Kinder grundsätzlich und generell über die Gefahrenpotentiale des Internets aufklären. Einem fünfzehnjährigen Kind die Nutzung des Internets oder Facebook zu verbieten, wäre eine unverhältnismäßige Maßnahme, die von den Aufsichtspflichten der Eltern auch nicht erfasst ist.
Eine Haftung der Eltern ist aus diesem Grund schwerlich zu begründen.
Folglich können die Nachbarn sich lediglich an die unmittelbaren Störer halten. Eine Haftung von Thessa oder ihren Eltern besteht (bei Annahme des oben geschilderten Sachverhalts) nicht.
Examensrelevanz
Da der Fall kurios, aktuell und rechtlich nicht unkompliziert ist, eignet er sich hervorragend für eine mündliche Prüfung. Auch in eine Klausur könnte der Fall in Zukunft Eingang finden. Die Probleme rund um die Kausalität und das Verschulden von Thessa können durchaus anders gelöst werden – wichtig ist lediglich, dass eine wohlbegründete Ansicht des Prüflings erkennbar ist.
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Der Dioxin-Skandal: Eine zivilrechtliche Einordnung
Die folgenden Ausführungen basieren auf einaem fiktiven Sachverhalt und geben nur eine erste Einschätzung des Autors wieder. Sie sind insofern eher Denkanstöße als eine umfassend Prüfung der Rechtslage. Verbesserungs- und Ergänzungsvorschläge sind willkommen.
Soweit es um Ansprüche wegen der Gesundheitsschädigung der Verbraucher geht, sind vor allem Fragen der kaufrechtlichen Gewährleistung sowie der Produkt- und Produzentenhaftung zu lösen, wofür jedoch Grundkenntnisse ausreichen. Juristisch interessanter sind die Ansprüche der Bauern gegen Futtermittelhersteller und Fettlieferant. Hier geht es vor allem um die § 823 Abs. 1 und 2 BGB. Leitentscheidung ist hier BGH NJW 1989, 707 (Unzulässige Verfütterun von Breitbandantibiotika). Eine öffentlich-rechtliche Einordnung folgt noch.
A. Gesundheitsschädigungen beim Verbraucher
1) Gegen den Verkäufer dioxin-belasteter Produkte (Supermarkt)
a) §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 BGB
[Ergänzung: Ein Rücktritt wäre bei dioxinbelasteten Eiern gem. § 437 Nr. 2 BGB möglich, hilft aber bei der Gesundheitsschädigung nicht weiter.] Die Dioxinbelastung von Eiern stellt in jedem Fall einen Sachmangel dar, man kann lediglich disktuieren, ob § 434 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 oder 2 BGB einschlägig sind. Ich würde dazu tendieren, bereits § 434 Abs. 1 S. 1 BGB anzunehmen, da auf dem Produkt letztlich „Lebensmittel“ oder ähnliches steht. Hier kommt es vor allem darauf an, die Varianten sauber abzugrenzen und sich für eine zu entscheiden.
Bis auf das Vertretenmüssen liegen auch die sonstigen Voraussetzungen des Schadensersatzes neben der Leistung vor. Fraglich ist somit allein, ob der Verkäufer die Pflichtverletzung „nicht zu vertreten“ hat, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Man beachte die Darlegungslast: Das hat der Verkäufer darzulegen und zu beweisen. Gelingt es ihm nicht, bleibt es bei der Grundregel des § 280 Abs. 1 S. 1 und der Haftung.
Eine Zurechnung des Verschuldens des Herstellers nach § 278 BGB scheidet regelmäßig aus, weil der Verkäufer keinen Einblick in den Produktsprozess hat und auch keine Möglichkeit, hier einzugreifen (BGH NJW 1968, 2238 f.; 1989, 1955; vgl. auch MüKo/Westermann § 437 BGB Rn. 27ff.). Im Einzelfall kann dies jedoch anders sein. Ist der Verkäufer gleichmäßig Hersteller, so haftet er aus eigenem Verschulden.
Im Hinblick auf das eigene Verschulden des Verkäufers wird man zwei Fälle unterscheiden müssen: Vor Bekanntwerden des Skandals hatte der Verkäufer wenig Anlass, eine Überprüfung der Produkte vorzunehmen. Der BGH führt aus:
„Ein Zwischenhändler ist in der Regel zur Untersuchung der von ihm angekauften und weiterverkauften Waren gegenüber seinem Abnehmer nicht verpflichtet (Senat, NJW 1968, 2238). Ausnahmen können sich zwar aus besonderen Umständen ergeben […]“ (aus NJW 1977, 1055, 1056; vgl. auch NJW 1981, 928)
Zumindest vor dem Skandal bestand somit wohl keine Untersuchungspflicht. Hier kann man – etwa mit dem Verweis darauf, dass es um Lebensmittel geht, anderer Ansicht sein (andererseits: das obige Urteil bezieht sich auf Gebrauchtwagen). Zumindest wenn Stichproben vorgenommen wurden, hat er seiner Pflicht genügt. Man könnte auch vertreten, dass man sich auf die öffentlich-rechtliche Überprüfung verlassen kann. Hier kommt es auf die Angaben im Sachverhalt an. Es bleibt stets abzuwägen zwischen dem Aufwand und dem möglichen Nutzen. Verlangt man nur Stichproben, können Kausalitätsprobleme hinzukommen – hätte der konkrete Schaden durch bl0ße Stichproben, bei denen die Sendung hätte durchgehen können, verhindert werden können?
Nach Bekanntwerden des Skandals hatte der Händler wohl Anlass, sich Gedanken über die Qualität seiner Produkte zu machen. Man wird sicherlich annehmen müssen, dass er in irgendeiner Weise tätig werden musste, um die Einwandfreiheit derselben zu sichern. Viel kommt in Betracht, eigene Untersuchungen oder die bloße Nachfrage bei dem eigenen Lieferanten oder Behörden. Man kann auch daran denken, dass er über das Risiko aufklären müsste.
Zu dem Ganzen MüKo/Westermann § 437 Rn. 27ff.
b) § 823 Abs. 1 BGB
Handlung oder Unterlassen? Würde als Handlung „Inverkehrbringen“ eines Produkts nehmen, das ist zwar eigentlich auf die Produzentenhaftung bezogen, aber auch der Händler bietet ja „aktiv“ an. Dann stellen sich die entscheidenen Fragen bei der Rechtswidrigkeit (Lehre vom Handlungsunrecht, vermittelnde Meinung) oder Verschulden (Lehre vom Erfolgsunrecht). Sollte man „Unterlassen“ wählen, stellen sie sich schon bei der Frage nach einer Handlungspflicht (Verkehrspflichten).
Hier kann man praktisch auf die obigen Ausführungen verweisen, vgl. MüKo/Wagner § 823 Rn. 606:
„Ein Handelsunternehmen ist grundsätzlich nicht gehalten, die von ihm vertriebenen Waren auf ihre Sicherheitseigenschaften zu überprüfen, sondern hat lediglich solche Fehler zu verantworten, die sich ohne Überprüfung erkennen lassen. Ein Ferrari-Vertragshändler muss sich vor der Auslieferung eines Gebrauchtwagens im Wege einer Sichtkontrolle vergewissern, dass die Reifen nicht überaltert sind. Weitergehende Untersuchungspflichten bestehen nur dann, wenn aus besonderen Gründen Anlass zu einer Überprüfung besteht.“
c) § 823 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 VO (EG) 178/2002
In Betracht kommt wegen eines Verstoßes gegen das Lebens- und Futtermittelrecht. Letzteres ist relativ kompliziert geregelt. Es existiert eine EU-Lebensmittel-Rahmenverordnung (VO (EG) 178/2002) und ein deutsches Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB), das die Rahmenrichtlinie konkretisiert. Da es unwahrscheinlich ist, dass die Kenntnis auch nur einer der beiden Normen erwartet wird, erfolgen die folgenden Ausführungen eher der Abrundung halber und eher skizzenhaft.
„Art. 14 Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit
(1) Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.“
Schutzgesetz? Gesetz (+), Art. 2 EGBGB, Schutz? Könnte man erwägen, das Verbot dem Gesundheitsschutz der Verbraucher (Art. 1 VO). Der BGH hat die deutsche Vorgängernorm als Schutzgesetz eingeordnet (BGH NJW 1989, 707, 708). Hier ohnehin irrelevant. Das Verbot ist zwar auch dann verletzt, wenn die Verletzung nicht fahrlässig erfolgt (vgl. § 58 Abs. 6 LFGB), aber § 823 Abs. 2 S. 2 BGB fordert Verschulden, das hier (s.o.) nicht vorliegt. Vgl. zu den Informations-, Untersuchungs- und Aufklärungspflichten auch Art. 19 Abs. 2-3 der VO.
2. Gegen den Zwischenhändler
§ 823 Abs. 1 und 2 BGB: s. oben.
3. Gegen den Hersteller (bei Eiern: den Bauern)
Hier ist es naheliegend § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG zuerst zu prüfen, weil es um Personenschäden geht und daher keine Selbstbeteiligung (§ 11 ProdHaftG) droht.
a) § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG
(+); Produkt=auch landwirtschaftliche Erzeugnisse? Ja, eine begrenzte Ausnahme (hätte ohnehin wohl Eier nicht erfasst) ist im Jahr 2000 weggefallen, vgl. MüKo/Wagner § 2 Rn. 11). Gesundheitsschädigung durch Fehler (§ 3 Abs. 1) eines Produkts, kein Ausschluss nach § 1 Abs. 2. Umfang: §§7, 8 ProdHaftG, M.E. kein Mitverschulden (§ 6), M.E. auch nicht nach Bekanntwerden des Skandals, weil man dennoch davon ausgehen kann, dass man im Laden angebotene Eier unproblematisch essen kann.
b) § 823 Abs. 1 BGB
Produkthaftung. Man beachte die Beweislastumkehr in Hinblick auf das Verschulden (bzw. die Verkehrspflicht im Rahmen der Rechtswidrigkeit). Kann sich der Bauer davon entlasten? Das hängt von den Angaben des Sachverhalts ab. Hätte er den Fehler des Futtermittels erkennen müssen? Angesichts der umfangreichen öffentlich-rechtlichen Überprüfungen kann man darüber streiten. Andererseits könnten solche Überprüfungen auch gerade vorgeschrieben, sein was dann auch ein Indiz für die zivilrechtlichen Pflichten wäre. Vgl. dazu Art. 19 Abs. 1 der VO
c) § 823 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 LFGB bzw. Art. 15 Abs. 1 VO (EG) 178/2002
Art. 14 Abs. 1 der VO verbietet nur das Inverkehrbringen (Art. 3 Nr. 8) nicht sicherer Lebensmittel. Die Herstellung nicht sicherer Lebensmittel (vgl. § 3 Nr. 2 LFGB) wird von der VO nicht erfasst und ist deshalb im nationalen LFGB geregelt. Auch gegen dieses Verbot wurde objektiv verstoßen, aber auch hier stellen sich die zwei Fragen: Schutzgesetz? Verschulden nach § 823 Abs. 2 S. 2 BGB.
Ebenfalls verbietet die VO (Art 15) das Verfüttern nicht sicherer Futtermittel. Gleiche Fragen.
4. Gegen den Futtermittelhersteller
a) § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG
Auch hier grds. (+), er ist nämlich ebenfalls „Hersteller“, er liefert wohl ein „Teilprodukt“, § 4 Abs. 1 S. 1 oder aber einen Grundstoff (vgl. auch MüKo/Wagner § 4 ProdHaftG Rn. 16ff.)
b) § 823 Abs. 1 BGB
Produkthaftung. Beweislastumkehr. Hier wird wohl eine Entlastung noch schwerer fallen als beim Bauern.
c) § 823 Abs. 2 i.V.m. § 17 LFGB bzw. Art. 15 Abs. 1 VO (EG) 178/2002
Das entsprechende Verbot, „gefährliche“ Futtermittel herzustellen bzw. in den Verkehr zu bringen (Art. 15 Abs. 1 VO). Auch insofern objektiver Verstoß (+), Frage nach Schutzgesetzcharakter und Verschulden.
5. Gegen den Fetthersteller
a) § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG
Siehe Futtermittellieferant.
b) § 823 Abs. 1 BGB
Produkthaftung. Hier wohl (+), er bringt zwar nicht das Endprodukt, aber sein eigenes in Verkehr und haftet für die Fehler dessen (vgl. MüKo/Wagner § 823 Rn. 605). Da er dabei – so wie es in der Presse berichtet wurde – wohl fahrlässig gehandelt hat, haftet er auch – jedenfalls kann die Verschuldensvermutung nicht widerlegt werden.
c) § 823 Abs. 2 i.V.m. § 17 LFGB bzw. Art. 15 Abs. 1 VO (EG) 178/2002
Dann auch klar (+), soweit man Schutzgesetzcharakter bejaht.
6. Ergebnis
Eierhersteller (Bauer), Futtermittel- und Fetthersteller haften für mögliche Gesundheitsschädigen beim Verbraucher nach § 5 ProdHaftG als Gesamtschuldner, zumindest der Fetthersteller auch noch aus § 823 Abs. 1 BGB.
B. Ansprüche des Bauern gegen Futtermittelhersteller und Fettlieferant
Hier wird es interessant.
I. Vertragliche Ansprüche gegen den Futtermittelhersteller: [Ergänzung: Auch ein Rücktritt wäre bei dioxinbelasteten Eiern gem. § 437 Nr. 2 BGB möglich.] §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 BGB. Wie immer ist das Problem das Verschulden. Das hängt vom Einzelfall ab. Sollte man es bejahen können, etwa indem man eine Pflicht zur Überprüfung des Futters animmt, so kommt man zu einem zweiten Problem: Dem Schaden.
– „Verseuchung“ der Eier / der Hühner durch falsches Futter: Der Schadensposten ist erfasst. Es handelt sich um die direkte Folge des fehlerhaften Futters (vgl. BGH NJW 1989, 707, 709).
– Betriebsausfallschaden wegen der Sperrung des Betriebes? Hier ist das Problem der Kausalität bzw. Zurechenbarkeit. Stichwort: Dazwischentreten Dritter. Das hindert aber die Zurechnung des Schadens wohl nicht (vgl. BGH NJW 1989, 707, 709).
II. Deliktische Ansprüche gegen Futtermittelhersteller
1. § 823 Abs. 1 BGB
Hier ist es wichtig, sauber zu subsumieren und die verschiedenen Rechtsgüter zu trennen. Eine Eigentumsverletzung kann allenfalls an den Hühner eingetreten sein. Die Eier sind nämlich, so lange sie nicht gelegt sind, nicht sonderrechtsfähig, sondern Teil der Gesamtsache „Huhn“ (§ 93 BGB). Sind die Eier einmal gelegt (§ 953 BGB), besteht keine Rechtsgutsverletzung, weil der Zustand der Eier von Anfang an im Dioxin angelegt war (obwohl das beim Menschen anders gesehen wird, BGHZ 58, 49; 86, 253). Ist das Eigentum an den Hühner durch die Fütterung mit falschem Futter verletzt? Der BGH (NJW 1989, 707, 708) bejaht dies:
„Das BerGer. geht selbst davon aus, daß der Kl. den hinsichtlich der verendeten Äschen geltend gemachten Schadensersatzanspruch auf § 823 Absatz I BGB stützen kann, da er behauptet hatte, die Fische seien aufgrund des in dem von der Bekl. gelieferten Futtermittel enthaltenen CAP eingegangen. Bezüglich der von den Verkaufsverboten betroffenen Forellen kann die Bekl. dem Kl. ebenfalls eine Eigentumsverletzung i. S. des § 823 Absatz I BGB zugefügt haben. Soweit die Forellen durch das CAP-haltige Futter mit diesem Antibiotikum kontaminiert waren, hatte sich ihre Befindlichkeit in einer Weise verändert, die ohne weiteres als Eigentumsverletzung angesehen werden kann. Aber auch die Fische, die möglicherweise mit der Nahrung kein CAP aufgenommen hatten, waren wegen der Beimengung des an sie verfütterten Futtermittels der Bekl. mit dem Makel belastet, ebenso wie die untersuchten Forellen einen CAP-Gehalt zu haben. Da sie infolgedessen vom Kl. zeitweise nicht veräußert und damit nicht bestimmungsgemäß verwertet werden durften, waren insoweit jedenfalls seine Eigentumsbefugnisse durch die Futterlieferungen verkürzt. Auch das reicht für eine Eigentumsverletzung i. S. des § BGB § 823 Absatz I BGB aus.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)
Was ist mit einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb? Dieses subsidiär gegenüber der Eigentumsverletztung (BGH NJW 1989, 707, 708) und wohl auch gegenüber § 823 Abs. 2 iV.m. Schutzgesetzen, die dem Schutz des Gewerbebetriebes dienen (Palandt/Sprau § 823 Rn. 126). Daher hier nicht einschlägig.
Rechtswidrigkeit bzw. Verschulden. Hier kann man wieder diskutieren, allerdings gilt die Beweislastumkehr der Produzentenhaftung auch im gewerblichen Verkehr (BGH NJW 1989, 707, 708) . Man beachte beim Schaden den von den kaufrechtlichen Ansprüchen abweichenden Bezugspunkt des Schadensersatzes. Der Schaden muss kausal auf der Rechtsgutsverletzung beruhen. Daher kann man hier zu anderen Ergebnissen kommen als oben. Vgl. auch insofern BGH NJW 1989, 707, 709:
„Nach § 823 Absatz I BGB hat der Kl. allerdings nur Anspruch auf Ersatz des aus der Rechtsgutverletzung entstandenen Schadens. Folgen der Eigentumsverletzung und damit ersatzfähig sind aber nur der Mehraufwand durch den Zukauf von Portionsforellen, der Gewinnverlust durch Verkaufswertminderung der übergroß gewordenen Fische, die Verminderung der Setzlingsproduktion und der zusätzliche Arbeits- und Verwaltungsaufwand, soweit er durch die vorerwähnten Schadensposten erforderlich wurde. Nicht ersatzfähig sind insoweit dagegen die Kosten, die dem Kl. aufgrund der Futtermittelbeschlagnahme entstanden sind, sowie der Wert der beschlagnahmten Futtermittel; denn diese Schäden beruhen nicht auf der Verletzung des Eigentums des Kl. an den Forellen, sondern ausschließlich auf der Fehlerhaftigkeit des gelieferten Futtermittels. Da dieses von Anfang an für den Kl. unbrauchbar war, liegt in dessen Lieferung begrifflich noch keine Eigentumsverletzung.“
2. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB
Schützen die obigen Verbotsgesetz auch das Vermögensinteresse der Bauern? Hier muss man wohl differenzieren. Die VO dient wohl nur dem Gesundheitsschutz (Art. 1), das deutsche Recht dagegen auch „vor Täuschung beim Verkehr mit Lebensmitteln, Futtermitteln, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen zu schützen“ (1 Abs. 1 Nr. 2 LFGB) und der „Unterrichtung der Wirtschaftsbeteiligten“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 LFGB). Insofern kommt auch eine Schutzrichtung für die Endverkäufer in Betracht. Insofern ist in § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB normiert. Der Vorgängernorm maß der BGH (NJW 1989, 707, 709) jedenfalls Schutzgesetzcharakter bei. Dabei ging er sehr weit:
„aa) Diese Vorschrift verbietet es, Futtermittel, die hinsichtlich ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung von der Verkehrsauffassung abweichen und dadurch in ihrem Wert, insbesondere ihrem Futterwert, oder in ihrer Brauchbarkeit nicht unerheblich gemindert sind, ohne ausreichende Kenntlichmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen. Auch hierbei handelt es sich aus den gleichen Gründen wie bei § § 3 Nr. 2 a FuttermittelG um ein Schutzgesetz i. S. des § § 823 Absatz II BGB, das – abweichend von diesem – sogar den Zweck hat, die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte deliktsrechtlich zu verstärken.
bb) In den Schutzbereich des § 3 Nr. 3 lit. b FuttermittelG sind auch Schäden einbezogen, die durch die amtliche Beschlagnahme von Futtermitteln entstehen, welche aufgrund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung nicht verkehrsfähig sind. Alle in Nr. 3 zusammengefaßten Tatbestände dienen dem Schutz des Käufers oder sonstigen Erwerbers von Futtermitteln. Es soll dadurch die berechtigte Erwartung der am Verkehr mit Futtermitteln Beteiligten geschützt werden, die diese in die normale handelsübliche Beschaffenheit oder Zusammensetzung eines Erzeugnisse setzen (vgl. BT-Dr 7/2990 v. 16. 12. 1974, S. 15).“
Erfasst sind also auch die Kosten, die durch die amtliche Beschlagnahme entstehen. Man kann erwägen, noch weiter zu gehen und auch Betriebsschließungen hierunter zu subsumieren, weil auch diese die Folgen der Unsicherheit sind, die durch das Inverkehrbringen unsicherer Futtermittel entstanden. Auf dieser Linie liegt es dann auch, sogar Bauern einzubeziehen, die NICHT selbst unsicheres Futtermittel erhielten, sondern deren Höfe von den Behörden präventiv geschlossen worden.§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB ist also von der Rechtsfolge die günstigste Norm.
Allerdings muss auch insofern die Voraussetzung des Verschuldens eingehalten werden, worüber man beim Futtermittelhersteller streiten kann.
3. § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG
(-) schon wegen § 1 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG
III. Fettlieferant
S. die deliktischen Ansprüche oben. Nur Verschulden i.Rahmen des § 823 Abs. 2 S. 2 BGB (+)
C. Ansprüche von Endverkäufer und Zwischenhändler
I. Ansprüche des Endverkäufers (Supermarkt)
Gegen den Zwischenhändler: Lieferung mangelhafter Sache, Ansprüche aus § 437 BGB. Meist aber keine Ansprüche, weil kein Schaden. Beachte § 478 BGB. § 823 Abs.1 BGB wohl auch (-). Frage: Welches Rechtsgut könnte überhaupt tangiert sein? Da Eigentum an den Eiern schon mangelhaft: Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb? Abwägungsfrage. Gibt es überhaupt einen Eingriff? Das müsste man schon konkrete Nachweise haben, dass das Geschäfts gestört wurde. Betriebsbezogenheit? M.E. ingesamt eher abzulehnen, da au
§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzen? Hier muss man wohl differenzieren. Die VO dient wohl nur dem Gesundheitsschutz (Art. 1), das deutsche Recht dagegen auch „vor Täuschung beim Verkehr mit Lebensmitteln, Futtermitteln, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen zu schützen“ (1 Abs. 1 Nr. 2 LFGB) und der „Unterrichtung der Wirtschaftsbeteiligten“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 LFGB). Insofern kommt auch eine Schutzrichtung für die Endverkäufer in Betracht. Insofern ist in § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB normiert. Der Vorgängernorm maß der BGH (NJW 1989, 707, 709) jedenfalls Schutzgesetzcharakter bei.
Gegen den Bauern: Keine vertraglichen Ansprüche. § 823 Abs. 1 BGB: Gleiche Frage wie oben, welches Rechtsgut? Eingriff in Gewerbebetrieb? Auch § 823 Abs. 2 BGB wie oben.
Gegen Futtermittelhersteller: Ebenso.
Gegen Fetthersteller: Wohl auch.
II. Ansprüche des Zwischenhändlers
Wie Endverkäufer, auch den Bauern trifft ja wohl kein Verschulden.