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Schlagwortarchiv für: Erbrecht

Alexandra Alumyan

BGH: Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben

Aktuelles, BGB AT, Erbrecht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Eine gut gemeinte Geste, die aber in einem juristischen Fiasko enden kann: Nach dem Ableben des Erblassers geht das Vermögen des Verstorbenen auf seine Erben über, welche – statt das Erbe anzunehmen – sich auch überlegen könnten, das Erbe zugunsten der nächstberufenen Erben auszuschlagen. Selbst wenn der Erbe dabei eine klare Vorstellung von der Funktionsweise der §§ 1922 ff. BGB zu haben meint, so herrscht und realisiert sich oft das Risiko, dass die Erbschaft letztlich einer ganz anderen Person anfällt, die sodann hoch erfreut ihren Erbschein abholen darf, während sich der Ausschlagende vor Ärger die Hände vors Gesicht schlägt. Dieses Szenario wirft eine entscheidende Frage auf, die seit geraumer Zeit sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur intensiv diskutiert wird: Kann in solchen Fällen die Ausschlagungserklärung des Erben aufgrund eines Irrtums über die Person des nächstberufenen Erben angefochten werden?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat erstmals in seinem Beschluss vom 22. März 2023 – IV ZB 12/22 zu dieser Frage Stellung bezogen und eine klare Absage erteilt.

A. Sachverhalt (gekürzt)

Im zugrundeliegenden Sachverhalt geht es darum, dass die Kinder des verstorbenen Erblassers ihr Erbe ausschlugen, mit dem Ziel, dass deren Mutter – die Ehefrau des Erblassers und Miterbin der Kinder – Alleinerbin wird. Zur Erbmasse gehörte ein Haus, dessen Alleineigentümerin die Mutter werden sollte. Im Zuge des Erbscheinverfahrens stellte sich aber überraschenderweise heraus, dass der Erblasser noch Halbgeschwister hatte und damit nicht die Mutter, sondern eben jene Familienmitglieder von der väterlichen Seite die nächstberufenen Erben seien. Daraufhin fochten die Kinder des Erblassers ihre Ausschlagungserklärungen wegen Rechtsfolgenirrtums gem. § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB an. Sie haben zum Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung gedacht, dass die gesamte Erbschaft an die übrigbleibende Miterbin, die Mutter, gehen würde. Ein Erbanfall bei den der Kernfamilie unbekannten Halbgeschwistern war nicht gewollt und sollte durch eine Anfechtung rückgängig gemacht werden.

B. Rechtliche Aufarbeitung

Die Streitfrage bildet einen Schnittpunkt der prüfungsrelevanten Gebiete des BGB AT und des Erbrechts. Dieser Beitrag soll ein Grundverständnis für die Ausgangspunkte des Streits und seine Lösungsansätze schaffen.

I. Erbrechtliche Grundlagen

Nach dem deutschen Erbrecht fällt der Nachlass zunächst gem. §§ 1922 Abs. 1, 1942 Abs. 1 BGB dem Erben an (Anfall) und kann sodann von diesem angenommen oder ausgeschlagen werden, gem. § 1943 Hs. 1 BGB. Zum Erbnachlass gehören alle übertragbaren Rechtspositionen des Erblassers, also etwa positive Vermögenswerte, z.B. das Eigentum an einem Grundstück, wie auch negative Vermögenswerte, z.B. Schulden. Eine Annahme bewirkt, dass der Nachlass auf den Erben übergeht und dieser infolge der Gesamtrechtsnachfolge Eigentümer der Nachlassgegenstände wird. Der Annahme steht es gleich, wenn der Erbe innnerhalb von sechs Wochen nicht ausschlägt – die Erbschaft geht dann automatisch auf ihn über. Dahingegen führt eine Ausschlagung dazu, dass der Erbe seine Erbenposition verliert und bei der Neuverteilung der Erbschaft nicht berücksichtigt wird. Er wird dann so behandelt, als hätte er nie gelebt. Die Erbfolge kann der Erblasser primär selbst, z.B. indem er ein Testament schreibt, bestimmen (gewillkürte Erbfolge). Liegt eine solche Willensbekundung des Erblassers nicht vor, dann bestimmt sich die Erbfolge nach dem Gesetz, §§ 1924 ff. BGB (gesetzliche Erbfolge). Die Annahme- sowie die Ausschlagungserklärung sind Willenserklärungen, die nach den §§ 119 ff. BGB angefochten werden können.

II. Anfechtung und Rechtsfolgenirrtum

Mithilfe der Anfechtung können Willenserklärungen „rückgängig“ gemacht werden. Ist die Anfechtung erfolgreich, so werden alle rechtlichen Wirkungen, die die Willenserklärung ausgelöst hat, ex tunc beseitigt – die Willenserklärung wird rückwirkend nichtig (ausführlich zu den Voraussetzungen der Anfechtung). Der Anfechtende hat jedoch nur dann ein Anfechtungsrecht, wenn auch ein Anfechtungsgrund vorliegt. Die für die Ausschlagung tauglichen Anfechtungsgründe werden in den §§ 119-123 BGB normiert. Im Erbrecht finden sich daneben auch spezielle Anfechtungsgründe (§§ 2078 ff., 2281 ff., 2308 BGB), die aber keine Anwendung auf die Ausschlagungserklärung finden (vgl. MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB § 1954 Rn. 3).

Im heutigen Fall steht der Rechtsfolgenirrtum im Mittelpunkt:

„Ein Rechtsfolgenirrtum im engeren Sinne, der einen Unterfall des Inhaltsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt.1 BGB darstellt, liegt dann vor, wenn die Willenserklärung nicht die vom Erklärenden gewollten, sondern andere, davon wesentlich abweichende Rechtsfolgen nach sich zieht, an die der Erklärende überhaupt nicht gedacht und nicht beabsichtigt hat“ (BGH, Beschl. v. 5.7.2006 – IV ZB 39/05, BeckRS 2006, 10938 Rn. 19 mwN).

Allerdings berechtigt nicht jeder Irrtum über eine Rechtsfolge zur Anfechtung. So ist nach ständiger Rechtsprechung der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein unbeachtlicher Motivirrtum (BGH, Urt. v. 29.6.2016 – IV ZR 387/15, NJW 2016, 2954 Rn. 11 mwN).

Diese (im Übrigen streitige!) Abgrenzung soll insbesondere dafür sorgen, dass der mit der Willenserklärung angestrebte Erfolg nicht mit etwaigen weiteren, vom Erklärenden beabsichtigten Zielen unzulässigerweise vermischt wird. Im Allgemeinen Teil des BGB sieht der Gesetzgeber einzig für den Fall des Eigenschaftsirrtums gem. § 119 Abs. 2 BGB die Anfechtung wegen Motivirrtums vor (MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 119 Rn. 108).

III. Irrtum über die Person des Nächstberufenen

Zurück zum Fall: Die Kinder haben ihre Ausschlagungserklärungen angefochten und erklärten, sie hätten sich über die Rechtsfolgen ihrer Erklärungen geirrt, da sie davon ausgingen, dass die übrig gebliebene Miterbin, also ihre Mutter, erben würde, nicht hingegen die unbekannten Halbgeschwister des Erblassers. Diese Vorgehensweise wird auch „lenkende Ausschlagung“ genannt, weil die Ausschlagenden durch ihre Erklärung versuchen, den Anfall der Erbschaft gezielt bei einer anderen Person zu bewirken, den Anfall des Erbrechts auf eine bestimmte Person mithin „lenken“.

Nach obiger Definition kann ein beachtlicher Rechtsfolgenirrtum nur angenommen werden, wenn ein Irrtum über eine unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagungserklärung besteht.

Die streitrelevanten Normen sind § 1953 Abs. 1 und 2 BGB:

(1) Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt.

(2) Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt.

Unstreitig ist, dass es sich beim Verlust des Erbrechts (Abs. 1) um eine unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung handelt. Ob auch der Anfall der Erbschaft an die nächstberufene Person eine unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung darstellt und damit die Anfechtbarkeit wegen Rechtsfolgenirrtums eröffnet ist, ist dagegen zweifelhaft. Der Meinungsstreit hat – nicht zuletzt aufgrund der Komplexität und Einzigartigkeit erbrechtlicher Fallkonstellationen – etliche Rechtsauffassungen zugelassen, die sich im Folgenden hauptsächlich in zwei Strömungen bündeln lassen:

1. Erste Auffassung: Beachtlicher Rechtsfolgenirrtum

Nach einer Auffassung kann ein Irrtum über den Nächstberufenen einen beachtlichen Rechtsfolgenirrtum darstellen: Nicht nur der Wegfall der Erbschaft beim Ausschlagenden, sondern auch der Anfall der Erbschaft beim konkreten Nächstberufenen sei eine unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagungserklärung, wenn es dem Ausschlagenden darauf ankommt, dass die Erbschaft infolge seiner Ausschlagung einer bestimmten Person unmittelbar anfällt. Ein ungewolltes Ergebnis in der Erbrechtsnachfolge könne entsprechend durch eine Anfechtung der Ausschlagungserklärung korrigiert werden.

2. Zweite Auffassung: Unbeachtlicher Motivirrtum 

Eine andere Auffassung hingegen nimmt einen unbeachtlichen Motivirrtum an. Die unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung sei lediglich der Verlust der eigenen Erbenposition, während der Anfall der Erbschaft beim konkreten Nächstberufenen eine mittelbare, zusätzliche Rechtsfolge der Ausschlagungserklärung darstelle. Damit sei ein Irrtum über die Person des Nächstberufenen unbeachtlich, soweit der Ausschlagende weiterhin den wesentlichen Inhalt seiner Erklärung („mit der Ausschlagung verliere ich meine Position als Erbe“) nicht verkennt. Eine fehlgeschlagene Lenkung sei daher nicht anfechtungsfähig.


3. Streitentscheid

Vertreter der ersten Auffassung führen (ohne sie abschließend aufzuzählen) folgende Argumente an:

Arg. 1: Kein erbenloser Nachlass

Der Wegfall der Erbschaft beim Ausschlagenden und der Anfall der Erbschaft beim Nächstberufenen stehen in einem engen sachlichen Wirkungszusammenhang: Wenn eine Person die Erbschaft ausschlägt, gibt es immer einen Nachfolger, der in die Rechtsposition des Ausschlagenden rückt. Es gibt keinen „erbenlosen Nachlass“ – Wegfall und Anfall seien daher „zwei Seiten derselben Medaille“ und können nicht in eine unmittelbare und mittelbare Rechtsfolge künstlich aufgespalten werden (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.3.2019 – I 2 Wx 166/17, BeckRS 2019, 11301 Rn. 20).

Arg. 2: Zeitgleicher Wegfall und Anfall

Das Prinzip des Vonselbsterwerbs führe außerdem dazu, dass alle Wirkungen der Ausschlagung gleichzeitig und unmittelbar eintreten, damit also auch der Wegfall und Anfall der Erbschaft (OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.2.2021 – 21 W 167/20, NJW-RR 2021, 800 Rn. 24). Wer konkret die Person des Nächstberufenen ist, stehe schon zum Zeitpunkt der Ausschlagung fest. Es sei unschädlich, dass diese Person zunächst ermittelt werden muss und dafür eine komplexe Subsumtion anderer Vorschriften oder eine anspruchsvolle Auslegung des hinterlassenen Testaments bewältigt werden müssen (Keim, ZEV 2020, 393, 400). Das Ergebnis dieser Erbenermittlung sei lediglich die nachträgliche Feststellung der Erbfolge, die aber schon zeitgleich zur Ausschlagung vorlag. Daher sei neben dem Wegfall auch der Anfall der Erbschaft eine unmittelbare Folge der Ausschlagung.

Arg. 3: Unzulässige Privilegierung des „error in negotio“-Irrenden

In der Vergangenheit hat die Rechtsprechung über Fälle entschieden, in denen der Ausschlagende über das Mittel der Ausschlagung an sich schon irrte, weil er dachte, dass die Ausschlagungserklärung ein Instrument der unmittelbaren Eigentumsübertragung sei. Die Rechtsprechung sah darin einen beachtlichen Inhaltsirrtum, error in negotio (so OLG Hamm, Beschl. v. 21.4.2022 – 15 W 51/19, BeckRS 2022, 14901, und OLG Schleswig, Beschl. v. 11.5.2005 – 3 Wx 70/04, BeckRS 2005, 30356208). Nimmt die Rechtsprechung in der besprochenen Konstellation aber keinen beachtlichen Irrtum an, so komme es zu einem ungerechten Ergebnis: Der Ausschlagende, der einem error in negotio unterliegt, habe das Institut der Ausschlagung „am gründlichsten“ verkannt, denn er irrt bereits über den Geschäftstyp der Ausschlagungserklärung an sich (vgl. Anm. Muscheler, ZEV 2020, 152, 156; Keim, ZEV 2020, 393, 400) und würde unzulässigerweise demjenigen gegenüber privilegiert, der die Ausschlagung von seinem Wesen her grundsätzlich erkannt hat, aber über eine ihrer Rechtsfolgen irrt. Die Anfechtungsmöglichkeit müsste konsequenterweise auch dem über den Nächstberufenen Irrenden eröffnet sein, der das Erbrecht jedenfalls „besser“ verstanden hat.


Der BGH positioniert sich auf Seiten der zweiten Auffassung, die eine Anfechtung wegen Irrtums über die nächstberufene Person verneint. Gegen die Anfechtbarkeit sprechen unter anderem folgende Argumente:

Arg. 1: Wortlaut und Systematik

Der BGH betrachtet zunächst den Wortlaut und die Systematik der Norm im Erbrecht. Dabei tenoriert er, dass Abs. 2 in seinem Wortlaut nicht unmittelbar regelt, wer die nächstberufene Person sein soll. Eine konkrete Bestimmung des Nächstberufenen erfolgt erst über die allgemeinen Regeln zur gesetzlichen Erbfolge (§§ 1924 ff. BGB) oder, wenn der Fall einer gewillkürten Erbfolge vorliegt, über die Testamentsauslegung (§§ 2069, 2094 BGB) (BGH, Beschl. v. 22.3.2023 – IV ZB 12/22, BeckRS 2023, 7397 Rn. 21). Die Regelungen zur Ermittlung der konkreten Person sind also systematisch von § 1953 BGB getrennt. Dem BGH zufolge sei § 1953 Abs. 2 BGB daher lediglich eine Vorgabe für die weitere Rechtsanwendung und stelle noch keine Grundlage für die Anfechtung dar (so auch KG Berlin, Beschl. v. 11.7.2019 – 19 W 50/19, BeckRS 2019, 36694, Rn. 27).

Arg. 2: Sinngehalt des Wortes „ausschlagen“

Aus der Perspektive eines juristischen Laien ließe sich das Wort „Ausschlagung“ als Mittel des Verlusts des Erbrechts verstehen, nicht aber als Mittel des Erwerbs einer anderen Person (BGH, Beschl. v. 22.3.2023 – IV ZB 12/22, BeckRS 2023, 7397 Rn. 22). Sofern sich der Ausschlagende im Klaren über die Rechtsfolge des Verlusts ist, so entspricht auch der innere Wille dem äußeren Tatbestand der Erklärung – ein Rechtsfolgenirrtum sei dann ausgeschlossen (OLG Schleswig, Beschl. v. 11.5.2005 – 3 Wx 70/04, BeckRS 2005, 30356208).

Arg. 3: Historie

Ein Blick in die Entstehungsgeschichte des BGB zeige ferner, dass die Anfechtungsmöglichkeiten tendenziell strenger bewertet werden sollen, so der BGH. Der Erbe habe die Verantwortung, im Rahmen seiner Entscheidungsfindung im Hinblick auf die Erbschaft vorher selbst die Umstände des Erbfalls rechtlich einzuschätzen und letztlich die vollständige Kenntnis über die Rechtswirkungen der Erklärung zu erlangen (vgl. §§ 2040, 2041 BGB-E Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band V S. 272). Aufgrund dieser Verantwortung soll er nicht wegen seiner eigenen Unzuverlässigkeit nachträglich doch „die Rechte derjenigen, an welche in Folge seiner Ausschlagung ein Anfall erfolgt sei“ in Frage stellen können (BGH, Beschl. v. 22.3.2023 – IV ZB 12/22, BeckRS 2023, 7397 Rn. 26).

Der historische Gesetzgeber habe außerdem absichtlich nur begrenzt Möglichkeiten für die Anfechtung aufgrund Motivirrtums zugelassen: Die Konzeption der Anfechtungsgründe war durchaus streitig und die Gesetzgeber kamen letztendlich zu dem Kompromiss, den Kreis der relevanten Irrtümer nur auf solche zu begrenzen, die den Erklärungsvorgang selbst und nicht die Willensbildung, d.h. das Motiv, betreffen (vgl. Staudinger/Singer, Neubearb. 2021, BGB § 119 Rn. 2; Lange, ZEV 2023, 270, 273).

Arg. 4: Rechtssicherheit

Auch aus Rechtssicherheitsgründen sei, laut BGH, eine engere Auslegung angebracht: Nach dem Anfall der Erbschaft beginnt der Schwebezustand, der spätestens durch die Annahmefiktion gem. § 1943 Hs. 2, 1944 Abs. 1 BGB bereits nach sechs Wochen beendet wird. Eine Anfechtung führt dazu, dass die sechswöchige Frist von neu an zu laufen beginnt und der Schwebezeitraum sich damit erheblich verlängert. Eine solche Verlängerung widerspricht aber dem Interesse an einer zeitlichen Begrenzung der unklaren Erbrechtslage. Der Rechtssicherheit missfällt daher eine Erweiterung der Anfechtungsgründe (BGH, Beschl. v. 22.3.2023 – IV ZB 12/22, BeckRS 2023, 7397 Rn. 25).

C. Einordnung der Entscheidung

Der Streit um die Einordnung des Irrtums über die Person des Nächstberufenen hat die Entstehung weiterer interessanter Ansätze provoziert, auf deren Abhandlung im vorliegenden Rahmen verzichtet wird, obgleich sie nicht weniger spannend sind, z.B. ob der Ausschlagungserklärung möglicherweise eine stillschweigend beigefügte Gegenwartsbedingung (§ 1947 BGB) anhaftet, die bei Nichteintritt des vorgestellten Erfolges die Unwirksamkeit der Ausschlagungserklärung herbeiführt, oder ob in der Konstellation nicht schon ein Irrtum über den Geschäftstyp (error in negotio), ein Unterfall des Inhaltsirrtums, vorliegt, der anerkanntermaßen zur Anfechtung berechtigt, sofern der Ausschlagende davon ausgeht, dass er durch seine Erklärung eine unmittelbare Vermögensübertragung bewirkt.

Eine ausführliche Untersuchung des Streitstandes verdeutlicht, dass der bisherigen Rechtsprechung ausreichend differenzierte Kriterien zur eindeutigen Einordnung des Irrtums als beachtlichen Rechtsfolgenirrtum fehlten und zumeist auf eine wertungsmäßige Einzelfallbetrachtung zurückgegriffen werden musste. Und während das Problem ein sehr erbrechtsspezifisches zu sein scheint, führt es uns Studierenden eine immer wiederkehrende Herausforderung der Rechtswissenschaft vor Augen: Abstrakt gesehen stehen sich in diesen Entscheidungen stets der Rechtsverkehr und die Privatautonomie gegenüber. Im Sinne eines Interessenausgleichs ist zwischen beiden Seiten die goldene Mitte zu finden – dies kann jedoch sehr schwierig sein, wenn der Mensch, der im Rechtsverkehr Erklärungen abgibt, stets unausgesprochene Hintergedanken hegt und für ihn entscheidende Motive an seine Erklärung knüpft, die für die Außenwelt unzugänglich sind und ihr daher unerkennbar bleiben. Wenn aber die Willenserklärung in den Rechtsverkehr gelangt ist und dieser auf ihre Wirksamkeit und Endgültigkeit vertraut, so stellt sich die Rechtswissenschaft zu Recht die Frage, ob es für die Willenserklärung wirklich „einen Weg zurück“ geben sollte.

03.11.2023/2 Kommentare/von Alexandra Alumyan
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Alumyan https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Alumyan2023-11-03 09:16:362023-11-03 23:00:17BGH: Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben
Dr. Lena Bleckmann

Der Entschädigungsanspruch bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seine Vererblichkeit

Deliktsrecht, Erbrecht, Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Im Juni 2017 verstarb Altkanzler Helmut Kohl. In den Jahren zuvor hatte er einen Rechtsstreit gegen einen Autor geführt, der auf Grundlage von ursprünglich für die Memoiren Kohls geführten Interviews das Buch „Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“ veröffentlichte. Kohl sah sich hierin falsch zitiert und machte insgesamt 116 Verletzungen seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gerichtlich geltend und verlangte hierfür neben Unterlassung insbesondere Geldentschädigung. Eine Entschädigung in Höhe von 1.000.000 Euro sprach das LG Köln dem Altkanzler auch zu (LG Köln. Urt. v. 27.4.2017 – 14 O 323/15, BeckRS 2017, 125934). Vor Rechtskraft des Urteils verstarb Kohl allerdings, der Rechtsstreit wurde durch seine Witwe und Alleinerbin weitergeführt. Nun hat er ein Ende gefunden – der BGH hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2021 (Az. VI ZR 258/18) mangels Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs in dieser Hinsicht abgewiesen (siehe PM Nr. 218/2021 v. 29.11.2021).
Diese topaktuelle Entscheidung sollte Anlass geben, sich mit dem Entschädigungsanspruch wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auseinanderzusetzen. Dieser ist bei Prüfern nicht unbeliebt, die Klausur- und Examensrelevanz dürfte durch die neue Entscheidung noch steigen. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Prüfung und beleuchtet insbesondere die Frage der Vererblichkeit des Anspruchs.
I. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als absolutes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB
Nach § 823 Abs. 1 BGB ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht wird hier nicht ausdrücklich als Schutzgut genannt. Die Erweiterung des Tatbestands um „sonstige Rechte“ gewährleistet allerdings einen Schutz anderer absoluter Rechte über die Aufzählung hinaus. Einschränkend ist der Begriff des „sonstigen Rechts“ so zu verstehen, dass es sich um ein mit Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum vergleichbar bedeutsames, absolutes Recht handeln muss (BeckOK BGB/Förster, § 12 Rn. 143). Dass hierzu auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zählt, ist heute einhellig anerkannt (BeckOK BGB/Förster, § 823 Rn. 177; Schulze BGB, § 823 Rn. 42).
Neben dem Ersatz materieller Schäden kann auf Grundlage des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auch eine Geldentschädigung für einen entstandenen Nichtvermögensschaden erlangt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass ein hinreichend schwerer Eingriff vorliegt und die Beeinträchtigung nicht auf andere Weise ausgeglichen werden kann (etwa BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029 (2033). Hierbei handelt es sich nicht im immateriellen Schadensersatz nach § 253 BGB. Vielmehr gründet der Entschädigungsanspruch unmittelbar auf dem Schutzauftrag des verfassungsrechtlich gewährleisteten Persönlichkeitsrechts (BeckOK BGB/Förster, § 12 Rn. 389). Dem Anspruch kommt dabei in erster Linie eine Genugtuungs- und Ausgleichsfunktion zu, wobei die Genugtuung im Vordergrund steht (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.1994 – VI ZR 56/94, NJW 1995, 861 (865)).
II. Hinweise zur Prüfung des Anspruchs nach § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG
Die Prüfungsreihenfolge der Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB gilt auch bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts – festzustellen sind mithin Rechtsgutsverletzung, Verletzungshandlung, haftungsbegründende Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden. Zur Feststellung, ob das Allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen ist, sind Kenntnisse aus dem Verfassungsrecht erforderlich, die von dort bekannten Fallgruppen gelten auch hier. Besondere Aufmerksamkeit bedarf bei der Prüfung des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit. Denn das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist, wie das ebenfalls als „sonstiges Recht“ geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein sog. Rahmenrecht. Rahmenrechte dienen als Auffangtatbestände dem Füllen von Schutzlücken (Brockmann/Künnen, JuS 2020, 910 (912)). Notwendigerweise unterliegt ihr Schutzbereich daher keiner festen Grenzziehung. Die hieraus folgende Weite führt dazu, dass nicht jedes den Schutzbereich betreffende Verhalten als rechtswidrig eingeordnet werden kann – anders als bei der Verletzung anderer von § 823 Abs. 1 BGB geschützter Rechtsgüter wird die Rechtswidrigkeit daher nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern ist positiv festzustellen (MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 7). Hierzu ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der aufseiten des Schädigers bestehende, schutzwürdige Interessen ebenso zu berücksichtigen sind, wie die Intensität des Grundrechtseingriffs aufseiten des Betroffenen. Diese ist unter Heranziehen der Sphärentheorie des BVerfG zu bestimmen (Brockmann/Künnen, JuS 2020, 910 (914)). Auch eine Wiederholung des Eingriffs kann eine besondere Schwere begründen (BeckOK BGB/Förster, § 12 Rn. 391).

Hinweis: Soweit hier Lücken bestehen, sollte der Streit zur Prüfung der Rechtswidrigkeit im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB (Stichwort Lehre vom Handlungs-/Erfolgsunrecht) wiederholt werden.

Aus dem Charakter des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht folgt weiterhin seine Subsidiarität – speziellere Persönlichkeitsrechte sind daher vorrangig zu prüfen! (Brockmann/Künnen, JuS 2020, 910 (915))
III. Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs
Besteht der Entschädigungsanspruch nun, ist der Geschädigte aber verstorben, so wie es im Fall von Helmut Kohl geschehen ist, stellt sich die Frage nach dem Anspruchsübergang auf dessen Erben. Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über.
Für eine Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs wurde diejenige des Schmerzensgeldes angeführt – seit der Abschaffung des § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. zum 1.7.1990 können Schmerzensgeldansprüche im Todesfalle auf die Erben übergehen. Bei abweichender Beurteilung im Rahmen des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG soll ein Verstoß gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen (siehe Nachweise bei BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871).
In der genannten Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2014 schloss sich der BGH indes der Gegenansicht an; ausgehend vom Zweck des Entschädigungsanspruchs wurde die Vererblichkeit verneint.
„Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung steht regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund. Da einem Verstorbenen Genugtuung für die Verletzung seiner Persönlichkeit nicht mehr verschafft werden kann, scheidet nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes aus. Erfolgt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Verletzten, stirbt dieser aber, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden ist, verliert die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Gründe, vom Fortbestehen des Geldentschädigungsanspruchs über den Tod des Verletzten hinaus auszugehen, bestehen unter diesem Gesichtspunkt im Allgemeinen mithin nicht. Der von der Revision herangezogene Gedanke der Prävention kann vorliegend zu keiner anderen Beurteilung führen. Zwar trifft es zu, dass der Geldentschädigungsanspruch auch der Prävention dient. Der Präventionsgedanke vermag die Gewährung einer Geldentschädigung – auch in dem von der Revision vorliegend für gegeben erachteten Fall der Zwangskommerzialisierung – aber nicht alleine zu tragen. Dies wirkt sich nicht nur – wie im Falle postmortaler Persönlichkeitsrechtsverletzungen – auf die Beurteilung der Frage aus, ob der Geldentschädigungsanspruch auch unabhängig von seiner Genugtuungsfunktion entstehen kann, sondern auch darauf, ob er – wie im vorliegend zu beurteilenden Fall – bei Fortfall dieser Funktion weiterbestehen kann.“ (BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871 (2872 f.), Nachweise im Zitat ausgelassen).
Aus der Streichung des § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. lasse sich auch kein anderweitiger gesetzgeberische Wille ableiten (BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871 (2872); ebenso Urt. v. 32.5.2017 – VI ZR 261/16, NJW 2017, 3004 (3005)). Weiterhin soll sich an der fehlenden Vererblichkeit auch weder durch die Anhängigkeit des Anspruchs (hierzu BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871 (2873)), noch durch dessen Rechtshängigkeit etwas ändern (hierzu BGH, Urt. v. 32.5.2017 – VI ZR 261/16, NJW 2017, 3004 (3005 f.)). Mit Eintritt der Rechtskraft allerdings kann der Anspruch vererbt werden, da sodann eine gesicherte Rechtsposition entstanden ist. Hierzu der BGH:
„Der erkennende Senat hat bereits mehrfach klargestellt, dass bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung – anders als beim Schmerzensgeld – regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund steht, während der Präventionsgedanke die Gewährung einer Geldentschädigung nicht alleine zu tragen vermag. Der Senat hat deshalb für die Frage der Vererblichkeit eines bereits anhängigen Entschädigungsanspruchs ausgeführt, dass die Anhängigkeit einer auf Geldentschädigung gerichteten Klage nichts daran ändert, dass die von der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung mit dem Tod des Verletzten an Bedeutung verliert. Aus dem Gedanken der Genugtuung folgt weiter, dass auch ein rechtshängiger Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vererblich ist. Denn ebenso wenig wie der Erblasser Genugtuung bereits mit der Einreichung der Klage erlangt, erlangt er sie mit deren Zustellung. Sie tritt erst mit der rechtskräftigen Zuerkennung eines Anspruchs auf Geldentschädigung ein. Denn mit der Rechtskraft und nicht – wie die Revision meint – mit der Zustellung der Klage, mit der allenfalls eine Aussicht auf Genugtuung entsteht, wird eine gesicherte Position erlangt. Der Senat hat in dem Urteil vom 29.4.2014 formuliert, sterbe der Erblasser, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden sei, verliere die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Daraus kann nicht abgeleitet werden, Genugtuung werde erst mit der Erfüllung erlangt. Stirbt der Erblasser nach Rechtskraft der Entscheidung, geht der rechtskräftig zuerkannte Anspruch auf seinen Erben über.“ (BGH, Urt. v. 32.5.2017 – VI ZR 261/16, NJW 2017, 3004 (3005 f.), Nachweise im Zitat ausgelassen, Hervorh. d. Verf.).
IV. Festhalten an der Rechtsprechungslinie auch im Jahr 2021
An dieser Entscheidungspraxis hält der BGH ausweislich der Pressemitteilung zum Abschluss des Verfahrens im Fall Kohl fest: Durchgreifende Gründe, die Rechtsprechung aufzugeben, habe der Senat nicht gesehen (PM Nr. 218/2021 v. 29.11.2021). Da die Entscheidung des LG Köln, die dem Altkanzler einen Entschädigungsanspruch zusprach, zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht rechtskräftig war, geht der Anspruch in Millionenhöhe nicht auf seine Witwe und Alleinerbin über.
Viel Neues folgt aus der Entscheidung also nicht – für Studenten wie Examenskandidaten ist sie gleichwohl wichtig, denn dem einen oder anderen Prüfer dürfte sie in Erinnerung rufen, wie gut sich doch eine Prüfung des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG mit erbrechtlichem Einschlag für Klausuren in Studium und Examen eignet.
 

02.12.2021/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-12-02 09:19:482021-12-02 09:19:48Der Entschädigungsanspruch bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seine Vererblichkeit
Dr. Sebastian Rombey

BGH: Erben haben Anspruch auf Zugang zum Facebook-Konto eines verstorbenen Nutzers

Erbrecht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Mit Urteil vom heutigen Tag (12.07.2018 – III ZR 183/17) hat der BGH entschieden, dass den Erben ein Anspruch auf Zugang zum Facebook-Konto eines verstorbenen Nutzers zusteht. Im zu Grunde liegenden Fall hatte die Mutter einer im Alter von 15 Jahren verstorbenen Jugendlichen (aus der Erbengemeinschaft gemeinsam mit dem Vater) den Plattformbetreiber Facebook darauf verklagt, ihr Zugang zum Benutzerkonto der verstorbenen Tochter einzuräumen. Dadurch erhoffte sie sich Hinweise auf die Todesursache ihrer Tochter, die bis heute ungeklärt ist. Facebook verweigerte ihr dies jedoch mit dem Hinweis darauf, dass das Nutzerkonto bereits in den „Gedenkzustand“ versetzt worden sei, der einen Zugang (selbst bei vorhandenen Zugangsdaten) ausschließt, ohne dass die Inhalte gelöscht werden.
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits standen zwei zentrale Fragen, von denen vor allem die erste erhöhte Examensrelevanz genießen dürfte:
– Ist der Nutzungsvertrag der Tochter über das social-media-Konto mit Facebook im Wege der Universalsukzession vererblich?
– Steht den Erben ein Anspruch auf Zugang zu den Kommunikationsinhalten gegen den Plattformbetreiber zu?
Beide Fragen hat der BGH in der heutigen Entscheidung grundsätzlich bejaht. Doch im Einzelnen:
Zunächst ist der Nutzungsvertrag der Tochter mit Facebook per Gesamtrechtsfolge auf die Erben übergegangen, § 1922 Abs. 1 BGB. Problematisch war dabei, dass die Facebook-AGB eine Vererblichkeit eigentlich ausschließen. Der BGH sah dies allerdings als unwirksam an. Zum einen seien sie nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, zum anderen halte eine solche Klausel der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1, 2 BGB nicht stand. Auch habe der Nutzungsvertrag trotz gegebener Persönlichkeitsrelevanz des Vertragsinhalts keinen höchstpersönlichen Charakter. Dazu die PM Nr. 115/2018 v. 12.07.2018:
 „Zwar mag der Abschluss eines Nutzungsvertrags mit dem Betreiber eines sozialen Netzwerks in der Erwartung erfolgen, dass die Nachrichten zwischen den Teilnehmern des Netzwerks jedenfalls grundsätzlich vertraulich bleiben und nicht durch die Beklagte dritten Personen gegenüber offengelegt werden. Die vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten ist jedoch von vornherein kontobezogen. Sie hat nicht zum Inhalt, diese an eine bestimmte Person zu übermitteln, sondern an das angegebene Benutzerkonto. Der Absender einer Nachricht kann dementsprechend zwar darauf vertrauen, dass die Beklagte sie nur für das von ihm ausgewählte Benutzerkonto zur Verfügung stellt. Es besteht aber kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und nicht Dritte von dem Kontoinhalt Kenntnis erlangen. Zu Lebzeiten muss mit einem Missbrauch des Zugangs durch Dritte oder mit der Zugangsgewährung seitens des Kontoberechtigten gerechnet werden und bei dessen Tod mit der Vererbung des Vertragsverhältnisses.“
Die Vererblichkeit höchstpersönlicher Inhalte ergebe sich ferner aus einem Vergleich mit Tagebüchern oder persönlichen Aufzeichnungen. Diese seien nach dem gesetzgeberischen Willen unstreitig vererblich (§ 2047 Abs. 2 BGB sowie § 2373 S. 2 BGB). Nichts anderes könne für digitale Inhalte gelten.
Auch stehe weder das Postmortale Persönlichkeitsrecht der verstorbenen Nutzerin noch das Fernmeldegeheimnis des § 88 TKG entgegen, da ein Erbe jedenfalls nicht als „anderer“ iSd § 88 Abs. 3 TKG gelten könne.
Weiterhin sieht der BGH in der Vereblichkeit zu Recht auch keinen Widerspruch zum neuen Datenschutzrecht, gilt doch die DS-GVO allein für lebende, nicht aber für verstorbene Personen. Überdies greife für die Datenübermittlung der Kommunikationsinhalte als Erlaubnistatbestand sowohl Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO als auch Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO. Denn: Die Datenverarbeitung ist zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Kommunikationspartnern der Erblasserin erforderlich und erfolgt darüber hinaus auch auf Grund berechtigter überwiegender Interessen der Erben. So sei auch die Überwindung der Zugangssperre (das Ausschalten des Gedenkzustandes) im Wege der Abwägung gerechtfertigt, denn zur Herstellung praktischer Konkordanz müssten die betroffenen Grundrechte hinter dem Zugangsanspruch der Erben zurücktreten (vgl. hierzu unseren Grundlagenbeitrag zum neuen Datenschutzrecht nach Maßgabe der DS-GVO, hier abrufbar).
Es bleibt mithin festzuhalten:

  • Erstens: Nutzungsverträge mit Facebook oder anderen social-media-Plattformen sind vererblich.
  • Zweitens: Den Erben kann im Einzelfall ein Zugangsanspruch in Bezug auf die Kommunikationsinhalte des verstorbenen Nutzers gegen den Plattformbetreiber zustehen.

12.07.2018/0 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2018-07-12 12:10:542018-07-12 12:10:54BGH: Erben haben Anspruch auf Zugang zum Facebook-Konto eines verstorbenen Nutzers
Redaktion

Voraussetzungen eines wirksamen Nottestaments gem. § 2250 Abs. 2 BGB

Erbrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns sehr, heute einen Gastbeitrag von Julian Götz, derzeit Rechtsreferendar am Landgericht Köln, veröffentlichen zu können. Der Beitrag befasst sich mit den Voraussetzungen der wirksamen Errichtung eines Nottestaments gem. § 2250 Abs. 2 BGB.
 
I. Einleitung
Das OLG Hamm hat mit Beschluss vom 10. Februar 2017 zum Aktenzeichen 15 W 587/15 entschieden, dass ein Nottestament vor drei Zeugen unwirksam ist, wenn entweder eine nahe Todesgefahr beim Testierenden objektiv nicht vorlag oder nicht alle Zeugen subjektiv vom Vorliegen einer nahen Todesgefahr überzeugt waren.
 
II. Sachverhalt
Die 1936 geborene Erblasserin hatte in einem im Jahre 2013 errichteten Testament ihren Sohn zum Alleinerben eingesetzt. Sie litt vor ihrem Tode an Krebs im Endstadium und wurde in einem Krankenhaus stationär behandelt. Im Februar 2014 verstarb die Erblasserin. Vier Tage vor ihrem Versterben errichtete sie im Krankenhaus in Gegenwart von drei Zeugen ein Nottestament, in welchem sie neben der Erbeinsetzung ihres Sohnes eine Testamentsvollstreckung anordnete. Nach dem Tode der Erblasserin haben ihr zum Erben bestimmter Sohn und die testamentarisch vorgesehene Testamentsvollstreckerin im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins darüber gestritten, ob die Testamentsvollstreckung durch das Nottestament wirksam angeordnet wurde.
 
III.  Voraussetzungen eines wirksamen Nottestaments gem. § 2250 Abs. 2 BGB
Dies ist der Fall, wenn das Nottestament wirksam errichtet worden wäre, denn das zeitlich später errichtete, wirksame Testament überlagert das frühere (§ 2258 Abs. 1 BGB). Zu den Voraussetzungen eines wirksamen Nottestaments nach § 2250 Abs. 2 BGB führt das OLG Hamm aus:

„Ein wirksames Drei-Zeugen-Testament hat gem. § 2250 Abs. 2 BGB zur Voraussetzung, dass der Testierende sich in so naher Todesgefahr befindet, dass voraussichtlich weder die Errichtung eines Testaments vor einem Notar noch vor einem Bürgermeister nach § 2249 BGB möglich ist. […] Die derart nahe Gefahr des Todes bzw. der Testierunfähigkeit muss dabei entweder objektiv vorliegen oder subjektiv nach Überzeugung aller drei Testamentszeugen bestehen […].“

Maßgeblicher Zeitpunkt in dem eine nahe Todesgefahr objektiv vorliegen muss, ist der Zeitpunkt der Testierung selbst. Dass die Erblasserin in diesem Fall schon einige Tage vor Errichtung ihres Nottestaments den Zeugen Bescheid gegeben hat und den ganzen Vorgang angestoßen hat, ist irrelevant. Sie hätte in dieser Zeit zwar auch einen Notar oder den Bürgermeister verständigen können, jedoch ist „der Erblasser […] befugt, mit der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung beliebig lange zuzuwarten. Er ist nicht gehalten, sich zu einer rechtzeitigen Testierung zu entschließen, um die Errichtung eines Testamentes vor einem Notar oder eines Nottestamentes vor einem Bürgermeister zu ermöglichen“, so das OLG Hamm.
Eine objektive Todesgefahr war in vorliegendem Fall am Tag der Errichtung des Nottestaments nicht festzustellen, sodass es auf die subjektive Seite, also auf die Vorstellung der Zeugen ankam. Hierzu wurde durch die Vorinstanz, das AG Essen als Nachlassgericht in einer Beweisaufnahme festgestellt, dass einer der drei Zeugen nicht davon überzeugt war, dass die Erblasserin in akuter Todesgefahr schwebe. Einer akuten Todesgefahr steht jedoch auch die Gefahr der jederzeit drohenden Testierunfähigkeit gleich. Allerdings habe der Zeuge auch hieran nicht gedacht. Tatsächlich verstarb die Erblasserin vier Tage später. Testierunfähigkeit setzte bei ihr 48 Stunden nach Errichtung des Nottestaments ein. Somit lag weder eine nahe Todesgefahr objektiv vor, noch waren alle drei Zeugen von einer solchen Gefahr überzeugt, sodass das Nottestament unwirksam war und es bei dem im Jahre 2013 errichteten Testament blieb.
 
IV. Fazit
Diese aktuelle Entscheidung des OLG Hamm sollte Grund genug sein, sich noch einmal allgemein mit den Themen Testierfähigkeit, Wirksamkeitsvoraussetzungen und Widerruf von Testamenten auseinanderzusetzen.

19.05.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-05-19 10:00:142017-05-19 10:00:14Voraussetzungen eines wirksamen Nottestaments gem. § 2250 Abs. 2 BGB
Gastautor

Europa – einfach erben

Erbrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Wir freuen uns, einen weiteren Gastbeitrag veröffentlichen zu können, der von Ass. iur. Margaretha Pirzer stammt, die nach dem Zweiten Staatsexamen im vergangenen November aktuell in einer Wirtschaftskanzlei in Tel Aviv arbeitet und sich dort mit grenzüberschreitenden Erbfällen auseinandersetzt. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über das europäische Nachlasszeugnis und dessen Kollision mit nationalen Registervorschriften.
Wir erleben heutzutage eine zunehmende Mobilität in Europa. Grenzen werden unbedeutend und oft haben wir mehr als nur ein Land, in dem wir arbeiten, leben oder unseren Besitz verteilen. Auch vor dem Erbrecht macht diese Entwicklung nicht Halt. So war es nur eine Frage der Zeit, bis sich der europäische Gesetzgeber der Probleme und Bedürfnisse eines grenzüberschreitenden Erbfalles annimmt und als Antwort die Erbrechtsverordnung, Verordnung EU Nr. 650/2012, im Folgenden „EU-ErbVO“ genannt, erließ, welche am 17.08.2015 in Kraft trat. Im Zuge der ErbVO wird ein Europäisches Nachlasszeugnis, im Folgenden „Zeugnis“, eingeführt, welches den Rechtsverkehr bei grenzüberschreitenden Erbfällen wesentlich erleichtern und Kosten merklich reduzieren soll.
A. Konkreter Fall
Um die Wirkungen des Zeugnisses auf erbrechtliche Mandate genauer beleuchten zu können und deutlich zu machen wie schnell ein ausländischer Bezug erbrechtlich relevant werden kann, sei folgender Fall eines deutschen Erben dargestellt:
Ein deutscher Staatsbürger, der seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, verstirbt am 09.09.2015. Der Sohn, eingesetzt als Alleinerbe, bekommt ohne weitere Probleme den deutschen Erbschein ausgestellt. Unser Erbe wäre damit auch zufrieden, hätte der Vater nicht schon vor langer Zeit auch eine Liegenschaft in Österreich erworben. Doch so einfach wie die Ausstellung des Erbscheins in Deutschland gelingt unserem Erben die Umschreibung im österreichischen Grundbuch nicht.
B. Das Problem
Nach der bisherigen Rechtslage war für  eine Umschreibung des  Eigentümers im österreichischen Grundbuch ein nationaler Nachweis der Erbenstellung und Berechtigung, ein sogenannter Einantwortungsbeschluss, notwendig. Die Vorlage eines anderweitigen ausländischen Dokuments reichte dafür nicht aus. Um aber an den ersehnten Einantwortungsbeschluss zu kommen, müsste unser Erbe ein selbstständiges Verlassenschaftsverfahren in Österreich durchführen. Man kann sich nur zu gut den damit verbundenen Kosten- und natürlich Zeitaufwand vorstellen.
C.  Die Lösung – Ein Zeugnis für alle
Genau an dieser Stelle kommt das Zeugnis zur Vereinfachung des komplexen Prozesses für unseren Erben ins Spiel. Denn gemäß Art. 63 EU-ErbVO dient das Zeugnis zur Verwendung durch Erben, die sich in einem anderen Mitgliedsstaat der EU auf ihre Rechtsstellung berufen oder ihre Rechte ausüben wollen. Einen praktischen Mehrwert kann das Zeugnis daher insbesondere für Nutzer darstellen, die sich nicht auf einen nationalen Erbnachweis in einem anderen Mitgliedsstaat berufen können. Das Zeugnis wird von den Gerichten oder Behörden des Staates ausgestellt, dessen Gerichte für eine konkrete Erbsache international zuständig sind, was zur Folge hat, dass in unserem konkreten Fall der Erbe ganz einfach das Zeugnis bei dem zuständigen deutschen Gericht beantragen kann. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass das Zeugnis weder eines weiteren Anerkennungsverfahrens bedarf, noch einer anderweitigen Beglaubigung, da es nach Art. 69 Abs. 1 EU-ErbVO in allen Mitgliedsstaaten unmittelbare Wirkung entfaltet.
D. Unklarheiten in der Praxis
Doch Vorsicht, ganz so einfach könnte es vielleicht nicht sein. Wirft man einen genaueren Blick auf die grundbuchamtliche Praxis und die damit verbundenen nationalen Registervorschriften, dann zeigt sich, dass das Zusammenspiel zwischen Zeugnis und nationalen Registervorschriften erst noch auf die Probe gestellt werden muss. Grundsätzlich erklärt Art. 69 Abs. 5 EU-ErbVO das Zeugnis als ein wirksames Schriftstück für Registereintragungen. Dem folgend hat der österreichische Gesetzgeber mit Art. 33 Abs. 1 lit. d Grundbuchsgesetz versucht Klarheit zu schaffen, indem er ausdrücklich das Zeugnis in Bezug auf Grundbuchänderungen erwähnt. Doch Art. 69 Abs. 5 EU-ErbVO verweist auch auf Art. 1 Abs. 2 lit. k und lit. l EU-ErbVO. Diese sehen vor, dass der numerus clausus der Sachenrechte beachtet werden muss. Das Zeugnis ersetzt nicht die Beachtung der nationalen Bestimmungen zur Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in ein nationales Register. Insbesondere sind die gesetzlichen Voraussetzungen des nationalen Rechts für Registereintragungen zu beachten. Daraus kann geschlossen werden, dass der Vollzug des Erwerbsvorganges weiterhin von der nationalen Eintragung abhängig  ist. Ferner sind die Erwägungsgründe 18 und 19  zu  beachten, die ausdrücklich den Grundsatz lex rei sitae verankern. Möglichst wenig soll also in die nationalen Vorschriften des Sachenrechts eingegriffen werden.
 

23.01.2016/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2016-01-23 09:00:012016-01-23 09:00:01Europa – einfach erben
Tom Stiebert

BGH: Rechtsprechungsänderung zum Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB)

Erbrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Rechtsprechungsänderungen des Bundesgerichtshofs sind für die Klausur immer relevant, selbst dann, wenn es sich um ein Nebengebiet wie das Erbrecht und um einen eher unbekannten Anspruch wie den Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2325 BGB handelt. Aus diesem Grund sollte das Urteil des BGH vom 23.05.2012 (IV ZR 250/11) – Pressemitteilung hier – zumindest bekannt sein.
Das Problem
Inhaltlich geht es um die Fragestellung, wann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB besteht. Im konkreten Fall lag die Problematik darin, dass die – unstrittig – Pflichtteilsberechtigten (geb. 1976 und 1978) zum Zeitpunkt der Schenkung (vor 1976), die den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB erst auslöst, noch nicht geboren waren und damit zu diesem Zeitpunkt – logischerweise – noch nicht pflichtteilsberechtigt waren. Zum Zeitpunkt des Erbfalls (2006) lag die Pflichtteilsberechtigung hingegen bereits vor.
Fraglich ist damit, welcher Zeitpunkt für § 2325 BGB maßgeblich ist.
Frühere Ansicht des BGH
Nach der bis jetzt vom BGH vertretenen Ansicht galt die Theorie der Doppelberechtigung: ein Pflichtteilsanspruch musste damit sowohl zum Zeitpunkt der Schenkung als auch zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehen (vgl. BGHZ 59, 210 sowie BGH IV ZR 233/96).
Begründet wurde dies mit einer Auslegung des § 2325 BGB. Da der Wortlaut uneindeutig ist, war auf den Sinn und Zweck zurückzugreifen. Der BGH hatte hier insbesondere den Ehegattenpflichtteil im Auge, der dann nicht ergänzt werden sollte, wenn die Ehe zum Zeitpunkt der Schenkung noch nicht bestand. Dargelegt wurde:

Pflichtteilsergänzungsansprüche können gerechterweise nur solche Schenkungen auslösen, die zu einer Zeit gemacht worden sind, als das rechtliche Verhältnis, das den Pflichtteilsanspruch begründet oder aus dem der Pflichtteilsberechtigte hervorgegangen ist, schon bestand. Danach kann der Ehegatte keine Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen wegen Schenkungen, die vor Eingehung der Ehe gemacht worden sind. Ebenso können die ehelichen Abkömmlinge Pflichtteilsergänzungsansprüche nur aus Schenkungen herleiten, die ihre Eltern nach Eingehung der Ehe gemacht haben.
Der kennzeichnende Sachverhalt für den Pflichtteilsergänzungsanspruch, nämlich die Beeinträchtigung des Bestandes durch die Schenkung, bezieht sich auf den im Zeitpunkt der Schenkung Pflichtteilsberechtigten. Seine Erberwartung, die sich auf den Bestand im Zeitpunkt der Schenkung stützen kann, läuft wegen dieser Schenkung leer. Er muß wieder eingesetzt werden in seinen Stand vor der Schenkung. Das führt zu einer Einschränkung des Schutzgedankens. Er kann nicht für denjenigen zum Zug kommen, der nicht schutzbedürftig ist. Wer erst nach der Schenkung Pflichtteilsberechtigter wird, bedarf nicht der Wiedereinsetzung.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass man zum Zeitpunkt der Schenkung schon unmittelbar pflichtteilsberechtigt gewesen sein muss. Es genügt, dass sich eine Pflichtteilsberechtigung aus dem Wegfall anderer Personen ergibt (bspw. Tod der Eltern). Notwendig war nur, dass abstrakt die Pflichtteilsvoraussetzungen bestehen.
Neue Rechtsprechung
Von dieser Rechtsprechung hat sich der BGH jetzt abgewandt und die Voraussetzungen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs erweitert. Der BGH hat entschieden:

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB setze nicht voraus, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestand. Seine dem entgegenstehende frühere Rechtsprechung, die eine Pflichtteilsberechtigung sowohl im Zeitpunkt des Erbfalls als auch der Schenkung forderte (Urteile vom 21. Juni 1972 – IV ZR 69/71, BGHZ 59, 212, und vom 25. Juni 1997 – IV ZR 233/06, ZEV 1997, 373), sog. Theorie der Doppelberechtigung, hat der Senat insoweit aufgegeben.

Es genügt damit, dass die Pflichtteilsvoraussetzungen zum Zeitpunkt des Erbfalls vorliegen.
Über die Begründung des BGH lässt sich nur spekulieren, liegt das Urteil bis dato nur als Pressemitteilung vor. Maßgeblich scheint neben Wortlaut und Entstehungsgeschichte erneut der Sinn und Zweck der Norm zu sein. Geschützt werden soll eine „Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen“. Dies ist davon abhängig zu machen, ob der Pflichtteilsberechtigte bereits geboren war oder noch nicht, erscheint willkürlich. Gleiches muss jetzt auch für den Fall der noch nicht geschlossenen Ehe gelten.
Nicht erforderlich ist, wie der BGH bereits in seinen vorherigen Urteilen dargestellt hat, eine Schädigungsabsicht des Erblassers hinsichtlich einer konkreten Person bzw. hinsichtlich aller potentiellen Pflichtteilsberechtigten. Geschützt werden soll lediglich deren Interesse an einer Teilhabe – unabhängig, ob dieses vorsätzlich oder unvorsätzlich verletzt wurde.
Besonderheit: Frist des § 2325 Abs. 3 BGB
Explizit hinzuweisen ist noch auf die besonderen Fristen des § 2325 Abs. 3 BGB. Diese sind – im konkreten Fall – nach § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB aber irrelevant, da eine Schenkung unter Ehegatten vorlag, sodass die Frist erst mit dem Ende der Ehe (also dem Tod) zu laufen beginnt. Dass zwischen Schenkung und Erbfall damit 30 Jahre liegen, ist somit irrelevant.
Examensrelevanz
Für das Examen sollte diese Problematik zumindest grob bekannt sein; eine Kenntnis der Argumentation kann hingegen kaum erwartet werden. Hier helfen allerdings die bekannten Auslegungsmethoden weiter – auch der BGH hat sich hierauf zurückgezogen.
Die Problematik lässt sich in einer Klausur sehr gut mit anderen erbrechtlichen Problematiken verknüpfen, so dass sie durchaus als prüfungsrelevant angesehen werden muss. Auch für eine mündliche Prüfung eignet sie sich perfekt; hier kommt es dann auch darauf an, den § 2325 Abs. 3 BGB zu finden.


24.05.2012/5 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-05-24 17:00:382012-05-24 17:00:38BGH: Rechtsprechungsänderung zum Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB)
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuell: Nachtrag zu einem Testament

Erbrecht, Rechtsprechung, Zivilrecht

Eine kürzlich ergangene Entscheidung des OLG Celle beschäftigte sich mit der Wirksamkeit von nachträglichen Verfügungen auf einem Testament (Urt. v. 22.09.2011, Az. 6 U 117/10). Das OLG entschied, dass ein Nachtrag zu einem Testament, den der Erblasser lediglich mit dem Kürzel „D.O.“ unterzeichnete, unwirksam ist. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es sich bei dem Kürzel „D.O“ nicht um die Initialen des Namens des Erblassers handele.
„Der/Die Obengenannte“
Im vom OLG Celle entschiedenen Fall hatte der Erblasser ein Testament eigenhändig verfasst. Unterhalb der Unterschrift wurde ein weiterer Satz hinzugefügt, wonach einem bestimmten Erben das „Konto“ des Erblassers zukommen sollte. Unterschrieben wurde diese Verfügung mit dem Kürzel „D.O“. Die Abkürzung sollte für „die/der Obengenannte“ stehen.
Verstoß gegen § 2247 Abs. 1 BGB
Das OLG Celle stellte fest, dass die letztgenannte Verfügung formunwirksam sei, da sie gegen § 2247 Abs. 1 BGB verstoße. Hiernach muss die letztwillige Verfügung „eigenhändig unterschrieben“ werden. Die Unterschrift solle den Vor- und Nachnamen des Erblassers enthalten. Eine Unterschrift in anderer Weise reiche dann aus, wenn an der Urheberschaft des Erblassers und an dessen Ernsthaftigkeit keinerlei Zweifel bestehen. Dies sie bei einem Kürzel mit der Bedeutung „die/der Obengenannte“ nicht erfüllt, da hiermit noch kein Hinweis auf die Urheberschaft des Erblassers gegeben sei. Eine solche Bezugnahme auf den o.g. Text erlaube für sich gesehen noch nicht die Identifikation des Erblassers.
Die Verfügung: „Mein Konto„
Im Übrigen sei erwähnt, dass das OLG Celle die hier infrage stehende Verfügung „mein Konto“ auch für zu unbestimmt hielt. Dies jedenfalls dann, wenn der Erblasser Inhaber von mehr als einem Konto ist. In solch einem Fall sei nicht erkennbar, welches der Konten gemeint sei.

30.09.2011/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-09-30 06:32:582011-09-30 06:32:58Aktuell: Nachtrag zu einem Testament

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12.06.2025/0 Kommentare/von Gastautor
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04.06.2025/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2025-06-04 08:43:322025-06-04 08:44:08Gedächtnisprotokoll Öffentliches Recht II April 2025 NRW
Miriam Hörnchen

Tätowierungen als Einstellungshindernis im Polizeidienst?

Aktuelles, Examensvorbereitung, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Verwaltungsrecht

Die vom VG Berlin zu beantwortende Frage, ob die Ablehnung einer Bewerbung für den Polizeidienst wegen sichtbarer Tätowierungen rechtswidrig erfolgt, wirft eine Vielzahl examensrelevanter Fragestellungen auf: Aufgrund der Eilbedürftigkeit im […]

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03.06.2025/0 Kommentare/von Miriam Hörnchen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Miriam Hörnchen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Miriam Hörnchen2025-06-03 08:45:032025-06-06 10:50:46Tätowierungen als Einstellungshindernis im Polizeidienst?

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